Ein Beitrag zur Geschichte der Konvenienz Vorrede des Herausgebers Vorrede des Herausgebers Daß Luisens Geschichte wahr , bei aller ihrer Alltäglichkeit schrecklich und traurig wahr ist , darf niemanden , der sie gelesen haben wird , wiederholt oder beteuert werden .
Sie wäre ein elender Roman , sie ist eine sehr lehrreiche Geschichte .
Es kann indessen dem Leser Not tun , ehe er weiter geht , von zwei Dingen unterrichtet zu sein : warum sie nämlich geschrieben ?
und warum sie herausgegeben wurde ?
Die Erzählung ist , fast ohne Ausnahme , das Werk der Heldin selbst , und entstand folgendermaßen .
Ein sehr achtungswürdiger Arzt , den sie über den fast hoffnungslosen Zustand ihrer Gesundheit um Rat fragte , mochte durch seine lange Erfahrung belehrt worden sein , daß bei gebildeteren empfänglicheren Menschen dem Körper nicht aufzuhelfen ist , wenn der Seele nicht zugleich auch freundlich die Hand geboten wird ; und dazu glaubte er das Mittel gefunden zu haben , indem er ihr anriet , die Geschichte ihrer Leiden und ihres Unglücks aufzuzeichnen .
Da es ihrer Fantasie unmöglich war , sich von den schwarzen Bildern ihrer Vergangenheit zu trennen , so glaubte er solche wenigstens in gewisse Schranken bannen zu können , wenn sie mit dem Verstande zugleich angestrengt würde , aus ihren schwankenden Vorstellungen ein wirkliches und zusammenhängendes Ganzes zu bilden .
Er glaubte vielleicht , daß Luise ihr Schicksal für erträglicher , ihre Wunden für weniger unheilbar ansehen würde , wenn sie sich selbst eine ungeheuchelte Rechenschaft , von allem was sie betroffen hätte , ablegte .
Das Mittel war gut berechnet , aber es schlug bei einem hartnäckigen Übel nicht an ; und nachdem sie sich , mit allen Erinnerungen ihres unglücklichen Lebens , so vorschriftsmäßig als es ihrer schon zu tief verwundeten Seele möglich war , beschäftigt hatte , verzweifelte sie mehr als jemals , diesseits des Grabes noch Ruhe zu finden .
Diese Arbeit grub vielmehr den Gedanken und die Erwartung des Todes tiefer in ihr Herz , und es wurde endlich ihr einziges Ziel , in derselben ein Denkmal zu errichten , das denen , von welchen sie sich verlassen glaubt , sagen sollte , wie sie litt und warum sie starb ; das ihren Freunden zurufen sollte :
" Hier ruht sie ! " und Fremden : " Lasst die nicht einsam und hülflos verschmachten , die jetzt leiden wie sie einst litt ! "
Über Grabsteinen schwebt Friede und Verzeihung , die Stimme des Todes regt keine Leidenschaft mehr auf : Friede und Verzeihung erwartete also auch Luise , die sich für lebendig tot hielt , indem sie diese Blätter in die Hände eines Mannes lieferte , den sie nicht persönlich kannte , für welchen sie aber Vertrauen und Achtung genug hatte , um ihn zur Herausgabe derselben aufzufordern .
Es schien mir etwas Heiliges zu haben , den Wunsch einer so grenzenlos Unglücklichen nicht unerfüllt zu lassen .
Ohne indessen von den in dieser Geschichte auftretenden Personen eine einzige zu kennen , ohne also im Stande zu sein über sie zu urteilen , habe ich doch die klare Überzeugung , daß man zwar Luisen alles was ihr Unglück betrifft und beweiset , auf ihr Wort glauben , über vieles aber was das ihr getane Unrecht anbelangt , sie nicht für die kompetenteste Richterin annehmen kann .
So geschah es , nachdem die Arme die schreckliche Epoche ihrer Verstandesverwirrung überstanden hatte , daß man auf die Meinung hin , ihre Vernunft sei nicht wieder hergestellt , manches gegen sie tat , das während ihrer schwachen Genesung heftig genug auf sie wirkte , um Entschlüsse in ihr hervorzubringen , welche , so hell auch ihr eigenes Bewußtsein dabei war , die Personen von denen sie umgeben war , wiederum in ihren Vorurteilen bestärken mußten .
In diesem und manchem ähnlichen Fall ist es unleugbar , daß sie Unrecht litt aber zweifelhaft ist es , ob man ihr Unrecht tat ?
Und in einem solchen Labyrinth trieb sie ihr grausames Schicksal mit den Menschen , die sie zunächst angingen , unaufhörlich herum .
Welche Szenen von Verzweiflung würden , zum Beispiel , die Geständnisse ihres Gemahls enthüllen , wenn dieser die Gewohnheit gehabt hätte , so über sich zu brüten wie seine unglückliche Frau ?
Sie brütete , litt , weinte : und er war schwerlich glücklicher , indem er nach seiner Art , nach der Stimmung seines Charakters fühlte , die ihn antrieb zu toben , oder sich auf jede Weise von der Veranlassung seines Unglücks zu zerstreuen , oder gar sich an ihr zu rächen ; während Luise mit gleichem , wiewohl noch unvermeidlicherem Egoismus fortfuhr , nur von ihrem Kummer auszugehen , der doch , durch seinen Einfluß auf ihren Charakter , die nächste Ursache des Mißverhältnisses war .
So behandelte und dachte sie die Menschen oft besser als sie waren ; so erblickte und fühlte sie die nämlichen Menschen eben so oft schlimmer als sie waren ; so gab ihre Güte ihr nie diejenige Kraft , welche andere im Zügel gehalten , und sie darüber hinweggesetzt hätte , über ihre und anderer Handlungen und Motive peinlich zu grübeln ; so stieß schwärmerische Kleinlichkeit in ihr , unaufhörlich gegen gewöhnlich menschliche und gesellschaftliche Kleinlichkeit in Anderen !
Die oberflächlichsten psychologischen Kenntnisse sind hinreichend , um auf alle , von ihren Helden selbst verfaßten Biographien , gewisse allgemeine Vorsichtsregeln anzuwenden ; und wenn eine Unglückliche , mit der Erzählung ihres Lebens , fast nur eine einzige lange Krankheitsgeschichte vorträgt , muß man allerdings noch eine besondere Rücksicht darauf nehmen : in wiefern ihre Vorstellungen , von Menschen und Dingen , dem Einfluß ihres individuellen Zustandes notwendig unterworfen sein mußten .
Wenn aber ein Arzt , der einen Fieberkranken besucht , und ihn mit Heftigkeit versichern hört , daß man ein eisernes Band um seine Schläfe gelegt habe , oder ihm boshafter Weise von Zeit zu Zeit die Kehle zudrücke :
- wenn der erfahrene Art auch diese Aussagen nicht für Tatsachen annimmt , so wird er sich doch , eben so wenig , auf die verdrießliche Beteuerung der Wärterin , daß dieses alles Fieberwahn sei , schlechterdings verlassen ; er wird vielmehr untersuchen , ob des Kranken Kopfzeug nicht zu fest um die Schläfe gebunden ist , er wird dafür sorgen , daß man ihm einige Kissen unterlege , um ihm den peinigenden Zufluß des Blutes nach dem Kopfe zu lindern .
Eben so dürfen wir das wunde Gefühl einer Leidenden , die uns erzählt was sie erduldete , nicht mit müßiger Weisheit verwerfen , indem wir sagen :
" Bei diesen traurigen physischen Anlagen , nach diesen unglücklichen Zufällen , bei diesem zerrütteten Körper , bei diesem angegriffenen Geiste , konnte sie von dem , was ihr begegnete , nicht urteilen ! " sondern der Menschenfreund wird die Klagende verstehen , und indem er sie versteht , den vielleicht einzig möglichen Trost ihr gewähren ; er wird seine Menschenkenntnis durch sie erweitert fühlen , hier helfen so weit er kann , - denn helfen kann man selbst Kranken , die man nicht zu heilen vermag , - und Keime ähnlichen Unglücks und ähnlicher Schuld , die in so manchem Menschenzirkel verborgen sein mögen , vielleicht noch bei Zeiten auszurotten oder zu verbessern gelernt haben .
Luise beklagt sich mit vollem Recht , verkannt , und weil sie verkannt wurde , mißhandelt worden zu sein : freilich verkannte auch sie alles , und so erschien für sie keine Rettung , aus der Verwirrung ihres Schicksals .
Aber die sonst ganz gleich aufgehende Rechnung von Fehlern und Vorwürfen , zwischen ihr und den Menschen mit welchen sie lebte , würde deshalb vor einem höheren Richterstuhl nicht für abgeschlossen gelten : weil die Gesunden der Kranken , die Älteren der Jüngeren , die Vernünftigen der Schwärmerin , die Starken der Schwachen , die Männer dem Weibe , mehr schuldig waren , als diese jenen .
So lange daher der Tod den unglücklichen Gläubiger nicht hinweggenommen hat , so lange sollte , und so lange kann an der Schuld abgetragen werden , die , trotz aller Umstände welche sie erklären , entschuldigen , rechtfertigen , alsdann doch vielleicht etwas drückend gefühlt werden möchte .
Vielleicht ist es mir mit den bisher gegebenen Winken schon gelungen , den Nutzen vorzubereiten , welchen ich durch die Herausgabe von Luisens Geschichte zu stiften hoffte und wünschte .
Es sei mir indessen erlaubt , noch einen sehr allgemeinen Gesichtspunkt zu berühren , aus welchem , wie mich dünkt , die folgenden Blätter betrachtet werden können .
Dieses ganze traurige , bald matte bald grelle Gemälde , ist nur ein einzelnes Blatt aus der unseligen Geschichte der Konvenienz .
" Durchbrecht die Schranken der Konvenienz , " sagt man , " und Ihr seid unter lauter Räubern und Mördern ! "
Das heißt mit anderen Worten : " Reißt die Larve herab , mit welcher wir unsere sittliche Herabwürdigung zu bedecken übereinkamen , und ihr werdet uns sehen wie wir sind . "
Das Elend , zu dessen Vertrauten Luise ihre Leser machen wird , rührte nicht von jener großen Naturnotwendigkeit her , aus deren eisernen Banden kein Sterblicher sich oder seine Brüder zu erlösen vermag : die ganze Unvermeidlichkeit desselben lag lediglich , in dem konventionellen Kreise , den die gute Gesellschaft um sich gezogen hat , und an dessen Schranken sich Einzelne den Kopf zerstoßen mögen , als kämpften sie gegen das Schicksal selbst .
Wie viele hundert Familien stehen in ähnlichen Verhältnissen , in ähnlichen Verbindungen , haben , für das gleichgültige Publikum , einen ähnlichen Schein von Wohlstand und feinen Sitten , wie Luisens Haus : indessen sie ein ähnliches Gewühl von Schwächen und kämpfenden Leidenschaften verschließen , die , so lange sie nur leise unter sich gehren , nur hie und da eine kleine Schlechtigkeit hervorbringen , das öffentliche Ansehen nicht schmälern , dessen man unter jenen Bedingungen genießt ; wenn sie aber einmal , bei lebhafter organisierten oder sittlicheren Menschen , sich bis zur Raserei oder zum Verbrechen entzündet haben , einstimmige Proskription auf die Unglücklichen herabziehen , deren Beispiel aus den Gewohnheiten , in welchen man so sanft ruht , aufschrecken möchte !
Denn um zu besseren straft die Konvenienz nie : sie straft unerbittlich , schnell , und ungehört , um die Quellen des Übels unaufgesucht , um das Heiligtum von Verderbnis unangetastet zu erhalten .
Wenn sich solche Verhältnisse , die man alsdann nicht für traurig , nicht für schrecklich , nicht für unsittlich , sondern für ärgerlich ansieht , in einer Familie zu offenbaren anfangen , so erstaunt man , so zischelt man sich solche unter einander zu , und stellt die Sache dem waltenden Schicksal anheim :
denn , außerdem daß sie ein Gegenstand der Gespräche am Teetisch ist , hat sie für niemanden Interesse .
Ist es dann endlich , durch die diskrete Behandlung , unter das große Publikum gekommen , daß Mademoiselle N. sterblich in Herrn N. N. verliebt ist , daß aber ihre Eltern die Neigung mißbilligen , das es sehr lebhafte Auftritte gibt , daß Mademoiselle heute mit rotgeweinten Augen in diese oder jene Gesellschaft gekommen ist , oder daß sie wirklich den Verstand verloren hat , daß der Mann , den sie auf Überredung ihrer Familie genommen , sich nicht um sie bekümmert , daß man sie einer Wärterin überläßt , die sie mit Ruten peitscht , verhungern läßt , u. s.w . -
so empfindet zwar die Familie , Unschuldige wie Schuldige , eine gewisse nachteilige Wirkung dieser Gerüchte in der öffentlichen Meinung , die zu versöhnen sie indessen ein unfehlbares , aber einziges Mittel hat , sobald sie das geschehene Übel wieder unter etwas äußeren Anstand zu vergraben weiß , wo es dann rettungslos austoben mag ; dahingegen jeder mögliche Schritt , es zu verbessern , das allgemeine Skandal nur vermehren , und auch in der Tat , durch die Konvenienz , wesentlich unwirksam gemacht würde .
Wenn einzelne feinere Seelen sich entsetzen , daß unter solchen Menschen solche Greuel vorgehen , wenn sie gar dem Schein von Schwärmerei und Bizarrerie , von Don Quixottismus , genug trotzen um helfen zu wollen , so finden sie doch gar bald , daß dieser Schein nicht umsonst auf ihr Bestreben geworfen ist , daß er deswegen da ist , damit es ihnen unmöglich sei , in solchen Dingen etwas gut zu machen .
Und die kleinere Anzahl von vertrauten Freunden oder Angehörigen des Hauses , denen selbst das Publikum das Recht zugestehen würde , sich um die Angelegenheiten desselben zu bekümmern : - o wie wenig hätte die Konvenienz ihren Vorteil verstanden , wenn sie nicht auch deren Recht so beschränkt und verklausuliert hätte , daß es ihrer Herrschaft nicht gefährlich würde !
Schwerlich wird ein unbefangener Leser der folgenden Geschichte sich entbrechen auszurufen :
War denn kein Mensch barmherzig genug , um Luisen aus den Händen ihrer Henker zu erlösen ?
Hätte man der Mutter , welche mit alrer Zärtlichkeit für ihre Tochter sie ihrem Stolze aufgeopfert hatte , und von den Ruten fühlloser Mietlinge zerreißen ließ , da ihr Zustand sie der Nachsicht , der Pflege die man keinem Säuglinge versagt , bedürftig machte , hätte man ihr nicht ihre Pflicht mit strengem Ernst vorhalten sollen ?
Konnte denn kein einfaches vernünftiges Weib schon vorher , zur rechten Zeit , zu Luisen sagen : " Junge Frau , mit dieser romanhaften Zärtlichkeit , dieser Ebbe und Flut von Gefühlen , fesselt man wohl einen jungen unbärtigen Liebhaber ; aber sie beglückt keinen Ehemann , der nicht von Zeit zu Zeit Sonn- und Festtagskost , sondern in seinem Hause täglich seine behagliche physische und moralische Existenz sucht , und fordern darf ? "
Gibt es für diejenigen , die den platonischen Vertrag zwischen Luisen und ihrem Gemahl kannten , und ein Recht hatten drein zu sprechen , eine Entschuldigung , daß sie ihn jemals zugaben ?
Daß Blachfeld ihn einging , war so natürlich , daß er ein fühlloser Wilder gewesen wäre , wenn er es nicht getan hätte ; aber ein Tor , oder etwas , selbst nach platonischen Begriffen die das Verdienst doch wohl in der Überwindung setzen , höchst verdienstloses wäre er gewesen , wenn er nicht , indem er sein Wort gab , sicher gerechnet hätte , daß Natur Liebe und Pflicht ihn vor Ablauf der Frist davon lossprechen würden .
War aber die Veranlassung zu diesem Vertrag unwiderruflich in Luisens Charakter , vielleicht gar in ihren physischen Anlagen gegründet , so war die Ehe ihre Bestimmung nicht , und man mußte sie nicht verheiraten : war sie bloß die Geburt überspannter Gefühle , verkehrter Begriffe von Liebe und Glück , oder falscher Besorgnisse wegen ihrer Gesundheit , so mußte das unerfahrene Mädchen eines Besseren belehrt werden , ehe ihr erlaubt wurde Pflichten zu übernehmen , die für sie um so schwerer und heiliger waren , als weder Neigung noch Vernunft , sondern Eitelkeit und Konvenienzen die Heirat schlossen ; und also weder Kopf noch Herz , sondern der kahle dürre Buchstabe bürgerlicher Pflicht , über das Glück dieser Ehe zu wachen hatte .
Das Ansehen , welches die gute Luise am meisten ehrte , mischte sich gerade hierin nicht : die Stimme der Freundschaft , - Leidet die Konvenienz denn Freundschaft ?
Unter Jünglingen trifft man zuweilen noch eine Spur von dem Urbilde der Freundschaft , gegenseitiges Mitteilen , und Beistehen mit Geist Herz und Beutel : aber das reifere Alter , welches uns immer als das Ziel der Weisheit angerühmt wird , und welches die Konvenienz zum Grabe der schönen Menschlichkeit gemacht hat , trennt dieses Band .
Ein vernünftiger Mann hat keine Freunde mehr , er hat Kollegen , er hat standesmäßigen Umgang , und wenn die Frau barmherzig ist , so darf er wohl gar Tisch- und Trinkgenossen haben , aber einen Freund ? - welch ein Romanenbegriff !
Wenn man Weib und Kinder hat , vergeht einem das schon von selbst .
Weiberfreundschaften aber tragen nicht einmal eine Jugendblüte ; sie sind die Geburt des elterlichen Drucks , der Eitelkeit , der Gewohnheit , der leeren Empfindelei , öfters der Intriguensucht , und je größer der Ort , je höher der Stand , je reifer das Alter , desto seelen- und herzloser werden sie .
Wie würde das Tribunal der guten Gesellschaft sich empört haben , wenn ein wohlmeinendes Weib sich Luisens noch vor ihrer Heirat angenommen , und zu ihr gesagt hätte :
" Prüfen Sie sich , und finden Sie sich stark genug , um Ihrer Mutter Mißfallen zu ertragen , finden Sie , daß es bloß Vorurteil und Hochmut ist , was sich der Wahl Ihres Herzens entgegen setzt , so bleiben Sie bei dieser , beweisen Sie durch das Glück Ihrer Ehe , durch Ihre Verdienste als Weib , daß ihre Eltern irrten , zwingen Sie so Ihre gute Mutter , sich Ihres Glückes zu erfreuen ; wo nicht , so müssen Sie doch immer mit Ernst und Kraft jedes Mittel erforschen und anwenden , um auch in diesem Verhältnis nicht unglücklich zu sein ; so dürfen Sie nicht leiden , und indem Sie sich für Ihre Mutter zu opfern wähnen , sie durch Märtirerthum für den Zwang , den sie Ihnen antat , strafen ! "
Wehe der Kühnen , die eine solche Alternative aufgestellt hätte ! der Stab wurde über sie gebrochen .
Als nun aber Luise zu ihrer Heirat beredet war , hätte man ihr nicht auch dann noch richtigere Begriffe von der Autorität ihrer Mutter , von dem Einfluß ihrer übrigen Familie auf ihr eigenes Tun , beibringen können ?
Hätte man sie nicht belehren können , daß sie als Gattin und Mutter ihrem Gemahl , dem Vater ihrer Kinder , aber in nichts , das ihre Ehe beträfe , ihrer Familie mehr Angehörte ?
Hätte man ihr nicht den Mut geben können , das ehrwürdige Vorurteil ihrer kindlichen Liebe mit der Fackel wahrer Sittlichkeit zu beleuchten ? - Können !
Als ob der Begriff , was Freunde tun können , nicht schon längst dem verzehrenden Hauche der Konvenienz hätte unterliegen müssen , um auch hier das Wort auf den Trümmern der Sache herrschen zu lassen !
" Aber was wollt Ihr ?
Es bleibt doch beim Alten !
So laßt auch Ihr es dabei ! "
- Und wie alt ist denn das Alte ?
Nein , es war nicht von jeher so , und es kann und wird nicht immer so bleiben .
Man darf es denen , die das Gegenteil behaupten , kühn überlassen , es zu beweisen .
Zuverlässig gibt es unter den Leiden , welche diese Unglückliche betrafen , nicht ein einziges , das nicht abgewendet worden wäre , wenn der Kreis von Indolenz , von Rücksichten , von Furchtsamkeit , von allen Verneinungen aller Tugenden , den man unter dem Namen Konvenienz der gesellschaftlichen Menschheit als oberstes Gesetz aufgedrungen hat , sie nicht umschlossen hätte .
Wenn also Ein Leser von Luisens Geschichte dadurch veranlaßt wird , Ein Mittel zu finden , um sich durch die Verschanzungen der Konvenienz durchzustehlen , und Eines ihrer zahllosen Übel zu verhüten , so ist die Herausgabe dieser Blätter gut gewesen .
[ Luise ]
[ Luise ]
Luise war die Tochter eines Mannes , welcher in der Residenz des Fürsten von ** , nicht weit von der Hauptstadt S .. s , eine ansehnliche Stelle bekleidete .
Ihr Vater einer von den Menschen , welche die Natur nur selten hervorbringt .
Wenig Bedürfnissen unterworfen , blieb er von Geiz und von Habsucht gleich entfernt ; ausschließend mit den abstraktesten Wissenschaften beschäftigt , widmete er ihnen die ganze Zeit , die seine Amtspflichten ihm übrig ließen .
Ohne Enthusiasmus , kalt aus Temperament , kannte er weder Eitelkeit noch Ehrgeiz ; aber eben deswegen war er auch jedes gespannteren feinen Gefühls unfähig .
Seine Tochter glich ihm zu ihrem Unglück nur zu wenig ; sie betete ihren Vater an , ohne es ihm sagen zu dürfen ; denn wenig mitteilend wie er war , bot er ihr keine Gelegenheit dazu ; und ungeachtet seiner tiefen Menschenkenntnis , blieb ihm das Herz seiner Tochter verborgen .
Er wollte ihr Glück , verfehlte aber die Mittel .
Aus Furcht vor der Ansteckung des Zeitalters , schloß er sie von allem Umgange mit anderen jungen Leuten aus .
Sein hohes Alter und eine schwache Gesundheit dienten ihm selbst zum Vorwande , keine Besuche anzunehmen ; und obgleich der Geschmack seiner Frau in diesem Stücke sehr von dem seinigen abging , so war sie doch vernünftig genug , sich darin zu finden , und beschäftigte sich einzig und allein mit ihrer Wirtschaft .
Auf diese Weise blieb Luisen keine andere Gesellschaft , als die Bücher Sammlung ihres Vaters , die sie ohne alle Wahl mit heißem Eifer durchlas .
Bei einem von Natur zur Schwermut geneigten Charakter , ergriff sie alles was ihre Melancholie nähren konnte .
Youngs Nachtgedanken , Heloisens Brief an Abälard , Clarisse , Sethos , waren ihre Lieblingsschriften , und brachten bald ein Chaos in ihrem Kopfe hervor , aus welchem sich der einzige feste Begriff entspann , daß die Tugend in dieser Welt auf kein Glück zu rechnen habe .
Ihr Gefühl führte sie zur Frömmigkeit an : allein dieser heilige Trieb , welchen der Schöpfer zum Trost , und zur Erleuchtung in des Menschen Herz legte , wurde ein Feuer für sie , das an ihrer Seele nagte , ohne sie zu erhellen .
Da sie ohne einen anderen Führer als die zarteste Gewissenscheu , verschiedene strenge Religions-Bücher gelesen hatte , wurde sie von Reue gepeinigt , ehe ihre Seele die Schuld kannte ; und die Ruhe der Unschuld war bei dem reinsten Herzen fern von ihr .
Ihre Mutter , welche ihrem Hauswesen aus Geschmack und mit vollkommener Sachkenntnis vorstand , ließ sich von Luisen wenig dabei helfen , und der Vater , weit entfernt sie von ihrem Geschmack an den Wissenschaften abzubringen , hatte vielmehr seine Freude daran .
Luise machte auch wirklich einige Fortschritte , die aber ihrer Gesundheit nachteilig waren , und ihren angeborenen Hang zur Schwermut noch vermehrten .
Auch glaubt sie , daß ein unglücklicher Fall , den sie in der damaligen Zeit tat , den Grund zu ihrer nachherigen schrecklichen Krankheit , und zu dem daraus erfolgten Elend ihres Lebens gelegt haben mag .
Sie stürzte nämlich in ihrem fünfzehnten Jahre rücklings zwei Treppen herunter in einen Keller , mit dem Kopf auf die Steine ; ihr Vater war sehr um sie besorgt , und obwohl keine sichtbare Beschädigung zurückblieb , obwohl jene Krankheit erst zehn Jahre darauf entstand , so empfand sie seitdem doch immer , bei jeder anhaltenden Beschäftigung des Geistes , oder bei äußerlichen Erschütterungen , wie z.B. vom Fahren , Schmerzen , die den bei ihrem Falle ausgestandenen ähnlich waren .
Luisens Vater wurde bald genötigt , seines hohen Alters wegen , sein Amt aufzugeben ; allein mit dem persönlichen Zutrauen seines gütigen Herrn beehrt , blieb er in dessen Nähe , und überließ sich nun einzig seinen Lieblingswissenschaften .
Seinen sehr eingeschränkten häuslichen Umgang vermehrte damals ein Mann , der zu einer erledigten geistlichen Stelle berufen worden war , und dessen ganze Familie Luisen sehr interessieren mußte .
Der Mann sowohl als seine Gattin zeichneten sich durch Geist und Kenntnisse aus , und beschäftigten sich mit der Erziehung von drei Kindern , an welchen Luise bald so zärtlich hing , als hätte die Natur sie zu ihrer Mutter gemacht .
Sich mit ihnen beschäftigen , ihre Spiele teilen , sie liebkosen , waren die süßesten Freuden dieser liebenden Seele , die endlich ihre rechte Bestimmung entdeckt hatte .
Wenn sie sich mit den Kindern gefiel , so unterrichtete sie sich bei den Eltern , und versäumte keine Gelegenheit sie zu sehen .
Ihr junges Herz war geschmeichelt , sich bei Menschen von so viel reiferem Alter , von so anerkanntem Verdienste , als Freundin aufgenommen zu sehen .
Diesem Reize widersteht man in der Jugend nicht ; es war für sie die reinste , die entzückendste Empfindung , die aber nicht lange ungetrübt blieb : Luise sog unter diesem Gastfreien Dach ein langsames aber tödliches Gift ein .
Das Glück dieser beiden Gatten stellte zum erstenmal , und unter einer mehr rührenden als wahren Gestalt , das Bild einer ehelichen Verbindung vor ihre Augen .
Nach einer sechsjährigen Ehe war der Mann noch immer der Liebhaber seiner Frau .
Da weder Ehrgeiz noch Eigennutz dieses Band geknüpft hatten , so fanden die Ursachen seines Wohlgefallens an ihr immer noch statt : und überdem war er nicht , wie die meisten Männer , von seiner Gestalt und seinen Verdiensten , so vorzüglich diese auch waren , eingenommen ; sondern gestand es ein , daß ein Mann , wie glänzend seine Eigenschaften auch sein möchten , einem Weibe immer Dank schuldig sei , die oft mit nicht geringeren Talenten , ihr Leben kleinlichen Beschäftigungen widmet , seine Suppe kocht , für seine Wäsche , seine Kleidung sorgt , und ihm auf Kosten ihrer Gesundheit von Zeit zu Zeit den Genuß verschafft , ein Kind zu liebkosen , das er nur in den schönsten Augenblicken sieht , indes die Mutter allein alle Sorgen , alle Last , alle Gefahren erträgt , die von ihrer Lage unzertrennlich sind .
Diese Betrachtungen bewogen Luisens Freund , seine Frau mit noch mehr Achtsamkeit und Sorgfalt zu behandeln , wie er als Liebhaber getan hatte ; denn damals , pflegte er zu sagen , hatte sie noch nichts für mich getan , und konnte tun und lassen , was ihr gefiel ; ich habe wirklich zu viel Eigenliebe , setzte er lachend hinzu , um sie den Verlust dieser Freiheit bedauern zu lassen .
Diese Worte machten einen tiefen Eindruck auf Luisen : unwillkürlich wünschte sie , ihr Schicksal möchte dem ihrer Freundin gleichen ; und die Unmöglichkeit , diesen Wunsch erfüllt zu sehen , brachte jene schmachtende Stimmung in ihr hervor , welche die Seele durch Untätigkeit entnervt , und indem sie immer nach einem geliebten Hirngespinst strebt , solche gegen alles wirkliche Gute was sie umgibt , mit Widerwillen erfüllt .
Luise hatte nun das Alter erreicht , wo junge Leute ihrer Religion gewöhnlich die erste Kommunion empfangen .
Ihr Freund wurde ihr Lehrer und Beichtvater ; er hatte eine vorzügliche Gabe zum Unterricht der Jugend .
Außer der Kunst sich ganz nach ihrer Fassungskraft zu richten , besaß er die glückliche Gabe der hinreissendsten Überredung .
Seine Schüler ehrten ihn wie das Ebenbild des Gottes . den er ihnen predigte , und liebten ihn wie einen Vater .
Näher als manche seiner Amtsgenossen mit den menschlichen Schwächen bekannt , bezeugte er ihnen mehr Teilnehmung .
Man denke sich die erhabensten Tugenden der Religion von einem Manne vorgetragen , der selbst von ihrem wichtigen Einflusse auf unser Glück heilig überzeugt war , und dessen ganzes Leben diesen Wahrheiten zum Belege diente ; man denke sich , sage ich , die Wirkung welche dieser lebendige Unterricht auf Luisens Herz haben mußte .
Ihr war kein reines Glück beschieden .
Indem ihre Mutter und ihre Brüder sie über den Enthusiasmus , mit welchem sie von ihrem Freunde sprach , aufzogen , versetzten sie ihrer Ruhe einen tödlichen Streiche ; sie wurde mißtrauisch gegen diese unschuldigste Leidenschaft , und der Frieden wich aus ihrer Secle .
Ein kleiner Vorfall trug noch mehr dazu bei , sie in diesem unglücklichen Irrtume zu bestärken .
Luise hatte ihren Freund in Pastell gemalt : eines Tages zeigte sie dieses Bild einer ihrer Bekannten , einer Frau von vielem Geist , und der einzigen mit welcher ihr Vater ihr gestattete umzugehen .
Indem jemand aus der Gesellschaft die Bemerkung machte , wie Schade es sei , daß diese Art Malerei so schnell verlösche , näherte sich Madame E** , der sie das Gemälde zuerst gezeigt hatte , Luisens Ohr , und sagte : " Ich weiß nicht , ob die Zeit etwas über dieses Bild vermag ; wäre ich aber Ihr Liebhaber , so würde ich es kaum hoffen . "
Luise schlug errötend die Augen nieder ; dieser Moment ließ sie einen schrecklichen Blick in ihr Inneres werfen .
Der Ruf ihres Vaters zog viele junge Leute in ihr Haus ; manche von ihnen hatten Luisen mit schmeichelhafter Auszeichnung behandelt , sie war äußerst gleichgültig dagegen gewesen , und hatte sich bis jetzt dessen gerühmt ; jetzt glaubte sie die Ursache davon erraten zu haben , und schauderte vor Schrecken zurück .
Die finstersten Gedanken stürmten auf sie ein ; sie durfte die Augen nicht mehr zu der Gattin ihres Lehrers aufschlagen ; sie durfte seine Kinder nicht mehr liebkosen ; wie Kain floh sie die Menschen , und hatte keine Ruhe mehr .
Dem Anschein nach floß Luisens Leben wie ein Bach zwischen blühenden Ufern hin ; aber ihre traurige Stimmung ungerechnet , hatte sie auch schon nagenden Kummer gekannt .
Ihre Mutter , deren herrschender Hang Mitleid und Wohltun war , hatte ein Weib aufgenommen , die mit dem falschesten Herzen alle Fehler einer niedrigen knechtischen Erziehung verband .
Diese Person hatte sich in das Vertrauen der Madame N. einzuschleichen , und sich unentbehrlich zu machen gewußt , indem sie doch ihre Wohltäterin von mehr als einer Seite betrog .
Luise hatte das Alter erreicht , wo sie ihren Eltern die Augen hätte öffnen können , das Weib fürchtete und haßte sie also in gleichem Grade ; sie fand es ihrem Interesse gemäß , Luisen das Vertrauen ihrer Mutter , das teuerste Gut welches sie besaß , zu entziehen .
Sie dachte über ihre Handlungen nicht nach ; und so unermüdet sie Luisen verfolgte , so fehlte es ihr doch an Verstand , um zu fühlen , wie satanisch ihr Betragen war .
Gescheute Leute können manchmal bei dem Bösen das sie tun , inne halten :
Dummköpfe blicken nie hinter sich , um das Übel zu übersehen , das sie veranlassen .
So böse dieses Weib war , so konnte sie doch keinen Armen , Nackten sehen , ohne ihm beizustehen , oder ihn zu kleiden .
Wenn sie Luisen in solchem Zustande gesehen hätte , würde sie ihr ihren letzten Rock gegeben haben ; aber in einer Lage , die ihr weit eher Neid als Mitleid zu verdienen schien , glaubte sie ihr allen Kummer und Verdruß antun zu können .
Sie hatte sich durch ihre Talente , kleine Kinder zu pflegen , und der Wirtschaft vorzustehn , nun fünfzehn Jahre in diesem Hause erhalten , und sie konnte Luisen um so mehr Kummer machen , als diese jetzt in das Alter trat , wo man zu furchtsam ist , sich zu beklagen , und zu wenig Erfahrung hat , um zu wissen , daß dem Bösen wie dem Guten ein Ziel gesetzt ist .
In späteren Jahren hatte Luise die Genugtuung , ihre Mutter , durch das eigene Geständnis dieser Frau auf ihrem Totbette , von ihrem Mißtrauen gegen sie zurückkommen zu sehen .
Die Sterbende klagte sich ihrer Härte und Verfolgungssucht , als des größten Verbrechens ihres Lebens an , und Luise genoß das Vergnügen , ihre Mutter zu besänftigen , welche im Begriff stand , ihr harte Vorwürfe zu machen .
Aber was ist Kummer und Verfolgung , gegen den nagenden Zahn des Gewissens ?
Luise nahte sich jetzt dem Augenblicke , der sie in den Schoß der Kirche , in die Gemeinschaft der Gläubigen aufnehmen sollte : aber sie durchdrang nicht das Zutrauen eines zärtlich gehorsamen Kindes , sondern der Schrecken des Schuldigen , welcher sich der Gnade unwert fühlt , die ihm sein Richter verheißt .
Wenige Zeit nach dieser feierlichen Handlung , starb einer der vornehmsten Schullehrer an dem Orte wo Luise lebte .
Da sich kein tüchtiger Mann zur Besetzung seiner Stelle in dem Ländchen fand , lud der Fürst einen Mann aus ** zu sich ein , der ihm von vielen sehr achtungswerten Personen empfohlen war .
Wenig große Herren haben so vielen Eifer für die Erziehung ihrer Untertanen , als der Fürst von ** .
Er fand das gegenwärtige Geschlecht sehr weit zurück , und wollte daher für den Unterricht des nächstfolgenden , besonders aber für die Milderung ihrer Sitten sorgen .
In einem kleinen Orte erregt alles Aufmerksamkeit .
Die Nachricht von der Ankunft eines neuen Schullehrers beschäftigte Jedermann .
Die Dame , deren ich schon einmal erwähnt habe , las Luisen einen Brief dieses erwarteten Fremden an ihren Mann vor .
Er war schön geschrieben .
Luise brachte den Abend bei ihrem Freunde zu , und sprach mit Beifall von diesem Briefe .
" Meine Frau und ich , sagte dieser , haben oft bemerkt , daß in unserer Nähe kein Mann zu finden ist , der unsere liebenswürdige Luise verdient .
Ich schmeichle mir fast , daß dieser Fremde eine Ausnahme machen wird . "
Luise antwortete nicht , aber sie errötete auch nicht .
Der Gedanke an einen Gatten zwingt der Unschuld keine Röte ab .
Bei der beständigen Furcht , von einer strafbaren Neigung sich bemeistern zu lassen , ergriff Luise eifrig jede Zerstreuung , ungeachtet die Denkungsart ihres Vaters wenig Gelegenheit dazu darbot .
Die beiden einzigen Häuser , welche sie besuchen durfte , waren das der Madame E** , und die Familie ihres geistlichen Lehrers .
Der ersten verdankte sie einen Teil ihrer Erziehung , und nach ihrer Mutter liebte sie niemanden mehr wie sie .
In gewisser Rücksicht harmonierten ihre beiden Charaktere sogar besser : und Luise warf es sich oft vor , die Gesellschaft einer Fremden ihrer Mutter vorzuziehen .
Ihr eigenes Haus hatte wenig anziehendes für sie .
Ihr Vater , der sich , ungeachtet seines hohen Alters , noch immer mit den abstraktesten Wissenschaften beschäftigte , sprach wenig , und hatte nach und nach der ganzen Familie diese Gewohnheit beigebracht .
Luisens Brüder waren ihr so unähnlich , daß ihr Hang zur lärmenden Freude eben so die Grenzen überschritt , wie der Schwester Neigung zur Melancholie .
Sie sah alle Dinge nur von der traurigen Seite , - die Brüder faßten nur die lächerlichen auf : und statt Luisen zu schonen , machten sie sich ein Fest daraus , sie unbarmherzig aufzuziehen .
Diese Auftritte endigten auf Luisens Seite mit Tränen und Gewissensvorwürfen ; denn sie machte sich deren bei allen Veranlassungen : dessen ungeachtet hatte sie die zärtlichste Liebe für ihre Brüder , und ein hartes Wort von ihnen tat ihr weher , als alles was andere ihr sagen konnten .
Die Brüder liebten sie auch , aber kannten sie nicht : und ohne sich die Mühe zu geben , einen Charakter zu erforschen , den sie für unerklärlich hielten , trieben sie ihren Scherz damit .
Sie kannten das Leben nur von seiner lachenden Seite .
Ihr Vater , der sie für die Welt bestimmte , wollte sie frühzeitig zur Unabhängigkeit gewöhnen , damit sie späterhin keinen Missbrauch davon machten .
Sie liefen den ganzen Tag mit ihren Freunden umher .
Ihre Mutter betete sie an , und diente ihnen oft bei dem Vater zum Dolmetscher , wenn sie nicht Mut hatten , ihre törichten Einfälle selbst vorzutragen .
Bei den glücklichsten natürlichen Anlagen machte ihnen das Lernen wenig Mühe , und füllte einen desto kleineren Teil ihrer Zeit .
Der Rest derselben wurde zu körperlichen Übungen angewandt .
Es gingen ganze Tage hin , wo sie Luise nur aus ihrem Fenster sah , wie sie ihre Pferde sattelten oder einspannten , und von einer unbestimmten Unruhe verzehrt , blickte sie dann sehnsuchtsvoll in die Gegend hin , wo sie ihrem Auge entschwanden .
Es ist nicht genug , daß man die Mädchen in der Einsamkeit erzieht ; man muß sie auch lehren , Gefallen daran zu finden : und zu diesem Endzweck muß man sie ohne Aufhören beschäftigen , durch alle möglichen häuslichen Freuden erheitern , und , durch die Wahl und Abwechslung ihrer Beschäftigungen , vor Überdruß schützen .
Bei so vielen Unannehmlichkeiten in ihrer häuslichen Lage war es sehr natürlich , daß Luise , bei ihrer Zurückkunft von ihrem Freunde , den Vorteilen nachdachte , welche sie bei einer Verbindung mit dem neuen Schullehrer finden könnte .
Von der Zucht einer alten böslaunigen Magd befreit , einem eigenen Hauswesen vorzustehen , diese Aussicht mußte einem tätigen Geiste schmeicheln .
Sie sah sich schon an der Spitze ihrer kleinen Republik .
Mit einiger Betriebsamkeit war es leicht , ihrem Manne alle Annehmlichkeiten des Lebens zu verschaffen , die Kunst ihm zu gefallen sogar zu verfeinern , und dabei noch Notleidenden zu helfen , Glückliche zu machen :
Welch ein Glück für Luisen !
Bald studierte sie mit ihrem Manne , bald besuchten sie beide ihre Eltern , und die Frauenwürde hatte Luisen zu dem Range einer Freundin bei ihrem Vater , ihrer Mutter erhoben ; sie liebkoste sie , sie führte ihnen ihre Kinder zu , und beide genossen und teilten ihr Glück .
Mehrere Wochen verflossen unter diesen süßen Träumen .
Eines Abends , wie der Geistliche und seine Frau bei Luisens Eltern speisten , meldete man den Besuch des eben angekommenen Schullehrers ; er tritt ein , Luise steht auf um ihn zu begrüßen , blickt ihn an , - und ihr Traum verschwindet .
Sie fand ein kaltes , abgemeßenes Wesen , unregelmäßige Züge ; kurz , nichts was dem Bilde entsprach , das ihrer Fantasie vorgeschwebt hatte .
Sie setzte sich wieder an ihren Platz , und wie sie ihn kaltblütiger beobachtete , fiel ihr Urteil günstiger aus .
Er hatte die Art von Welt , welche Männer nur durch Reisen erlangen , und die bis jetzt Luisen noch ziemlich unbekannt war ; eine lehrreiche Unterhaltung , die um so angenehmer wurde , wenn er mit Frauenzimmern sprach , weil er sie zu unterrichten wußte , ohne sie zu demütigen .
Der Abend verstrich Luisen wie ein Augenblick ; und dieser Mann , den sie nur mit dem äußersten Widerwillen geheiratet hätte , schien ihr dennoch sehr liebenswürdig .
Luise hatte an demselben Tage häuslichen Verdruß gehabt ; ihre Augen waren von Weinen geschwollen ; es war gar nicht zu verwundern , daß sie keinen Eindruck auf Herrn O. machte :
er suchte daher eben so wenig ihr zu gefallen , sein übrigens sehr geistreiches Gesicht belebte sich nicht .
Sie sahen sich nachmals wieder , sie wollte seine Aufmerksamkeit nicht anziehen ; indessen war es in den Gesellschaften , wo sie zusammen kamen , natürlich , daß ihr mit einiger Auszeichnung begegnet wurde .
Mehr tat auch Herr O. nicht , aber er wußte diesen kleinen Bemühungen eine Wendung zu geben , welche sie , für ein Mädchen von Luisens zartem Gefühl , schmeichelhaft machte .
Man hatte ihr oft angenehme Dinge gesagt , aber nie waren sie so wohl angebracht , so geistreich gewesen .
Er behandelte sie nicht wie ein hübsches Mädchen , sondern wie ein vernünftiges Wesen , dessen Unterhaltung man schätzt ; ein Unterschied für welchen Luise ihm wohl Dank wußte .
Eines Morgens , wie sie der Gattin ihres Freundes einen Besuch abstatten wollte , fand sie diese mit ihrer ganzen Familie und Herrn O. im Begriff nach *** zu einer Madame R. zu fahren .
Man schlug ihr vor , von der Gesellschaft zu sein , worauf sie die Notwendigkeit ihrer Eltern Erlaubnis zu erhalten einwendete .
Herr O. eilte fort , und brachte diese Erlaubnis zurück .
Solche Dienste sind von großer Wirkung .
Ein anderer hätte sich mit der faden Bemerkung begnügt , daß ihre Eltern sich freuen würden , sie in so guter Gesellschaft zu wissen , daß sie eine so liebenswürdige Tochter zu sehr schätzten , um ihr dieses Vergnügen zu versagen , und dergleichen .
Man fuhr ab , indem Herr O. , um die Frauenzimmer nicht im Wagen zu belästigen , zu Fuß voraus ging .
Man langt an , geht spazieren , und Herr O. bietet Luisen den Arm an .
Das furchtsame Mädchen schlägt ihn aus .
Er ist erstaunt , beleidigt , und gibt ihn einer anderen , mit diesen Worten :
" Ich hoffe , daß ich nicht noch eine Weigerung erfahren werde . "
So läßt er Luisen zur Strafe ihrer Prüderie allein im Sande waten .
Und er tat ihr Unrecht : es war nicht Prüderie .
Sie war die jüngste der Gesellschaft ; sie war bescheiden , und fürchtete , sich in den Augen der übrigen Frauenzimmer lächerlich zu machen , wenn sie Herrn O. auf diese Weise in Beschlag nähme .
Die Furcht ihn beleidigt zu haben , beunruhigte sie indessen .
Sie fühlte daß es ihr an Welt fehlte ; sie ahndete , wie kindisch sie in seinen Augen erscheinen müßte , wie sehr er ihr überlegen wäre .
Als sie ihn vor sich hergehen sah , und den Anstand seiner Gestalt bemerkte , konnte sie nicht umhin , schmerzlich darüber nachzudenken .
Er war wohl gebaut , und sehr groß : ein Vorteil der dem Weibe immer den Begriff gibt , Schutz und Verteidigung bei so einem Manne zu finden .
Herr O. war diesen Tag sehr munter ; er wollte sich geltend machen , und es gelang ihm .
Nachmittags streifte man wieder umher .
Luise nahm seinen Arm an ; man verirrte sich , blieb lange unterwegs .
Herrn O. es Unterhaltung war unendlich abwechselnd , aber immer gleich interessant ; seine Sprache war schön , seine Stimme wohlklingend und sanft ; sie fand die schwache Seite von Luisens Herzen .
Die Gewissensbisse wegen ihrer Neigung für ihren Freund verschwanden , sie fing an , Liebe von Freundschaft zu unterscheiden : aber sie ahndete nicht , daß diese neue Erkenntnis ihr die Ruhe des Lebens kosten würde .
Ihr kam nun alles darauf an , zu wissen ob sie geliebt wäre .
Es ist nicht bekannt , ob Herr O. dieses Nachforschen bemerkte , aber gewiß ist es , daß er nicht für gut hielt , ihr darüber einen Aufschluß zu geben .
Luise hatte sich nie verstellen können : ihre Eltern wurden ihre Neigung bald gewahr .
Sie stand der Familie nicht an .
Der Vater setzte sich mit Strenge die Mutter mit Heftigkeit dagegen , die Brüder griffen sie mit dem bittersten Spott an .
Das väterliche Haus wurde ihr zur Hölle .
Ihr furchtsames Gewissen verriet sich jedesmal , wenn sie Herrn O. gesehen hatte , und es kam endlich so weit , daß sie nicht mehr über die Schwelle gehen durfte .
Bei der furchtsamen zärtlichen Liebe , welche Luise für ihre Mutter hatte , mußte es ihr unendlich weh tun , ihre Neigung in einem so hartnäckigen Streit mit den Wünschen der Madame N. zu finden .
Sie las einmal im Tom Jones , und kam an die Stelle , wo Madame Miller zum erstenmal die Freude hat , ihre Tochter als Mistreß Nightingale zu begrüßen .
Fielding schildert die Empfindung dieser zärtlichen Mutter , mit der ihm eigenen unnachahmlichen Wahrheit , und in Luisen erwachte dabei die peinliche Erinnerung , daß ihre Mutter , außer allen ihren triftigeren Gründen gegen diese Verbindung , auch einen entschiedenen Abscheu vor dem Namen des Mannes hatte , den Luisens Herz begünstigte .
Sie stellte sich vor , wie ihrer Mutter die Freude , ihr Kind verheiratet zu sehen , schon durch diesen Umstand verbittert werden würde .
Sie bat Gott kniend und mit Tränen , ihr Gemüt von einem Gegenstande abzulenken , der ihrer Mutter unangenehm war ; sie verbrannte einen Schattenriß des Mannes , den sie ohne sein Wissen besaß ; und nahm sich ernstlicher wie jemals vor , den Absichten ihrer Eltern zu willfahren .
Herr O. suchte sie nicht auf , sie sah ihn also nicht mehr , aber er wich nicht aus ihrem Gedächtnisse .
Indessen tat man Luisen Heiratsvorschläge , die weit über ihre Erwartung waren , und ihrer Mutter sehr gefielen :
sie kamen von einem Manne , der Luisen nicht mißfallen konnte ; aber sie liebte Herrn O. , und würdigte den Vorschlag keiner Aufmerksamkeit .
Der Mann bekleidete eine ansehnliche Stelle , deren Aufwand er durch die Gewißheit einer reichen Erbschaft bestreiten konnte .
Luisens Mutter verzieh ihr diese Weigerung nie , und warf sie ihr , hinter dem Rücken des Vaters , oft als einen Beweis ihrer romantischen Neigung für Herrn O. vor .
Luise bereute sie indessen nicht .
Bald hernach erhielt Herr O. einen auswärtigen Ruf : er reiste ab , und Luise hat seinen Verlust empfunden , bis der Tod ihres Vaters , durch wirklichen Kummer , diesen eingebildeten erlosch .
Luise wurde von ihrem Vater zärtlich geliebt , keine Heirat schien ihm vorteilhaft genug , und , so lange er lebte , versagte er sie allen Freiern .
Die Mutter dachte anders :
sie fürchtete so sehr , daß Luise wegen dessen was sie romantische Denkungsart nannte , in ihrer Wahl die Konvenienz beleidigen möchte , daß sie herzlich wünschte , sich dieser Sorge , durch eine schickliche Heirat , zu entledigen .
Um ihretwillen begünstigte Luise zuweilen Anträge , welche ihres Vaters Rat , und Herrn O. es Andenken sie nachmals verwerfen machten .
Das väterliche Haus mißfiel ihr indessen ; und ob sie gleich nicht wagte sich es zu gestehen , wünschte sie sich doch aus demselben heraus .
Die Familie brachte , seitdem der Vater sein Amt abgegeben hatte , acht Monate des Jahres in einem kleinen Dorfe zu , dem kein Mann sich näherte , außer wenn Freunde von Luisens Brüdern hinkamen , und dann trieben sie unter einander Spiele , an denen Luise nicht teilnehmen konnte , oder machten so weite Spaziergänge , daß es ihr unmöglich war ihnen zu folgen .
Sie sah sie also nur bei Tische , wo sie sich zuweilen mit witzigen Einfällen und kleinen Neckereien belustigten ; sobald aber die Unterhaltung lärmend wurde , pflegte der Vater Stillschweigen zu gebieten .
So traurig für Luisen diese Einsamkeit war , so schien sie es ihr doch nicht so sehr , als das Schicksal , einem Manne , den sie nicht schätzte , ihre Hand zu geben .
Dieser Gedanke quälte sie um so mehr , als die Begriffe ihrer Mutter , in diesem Punkte , von den ihrigen sehr verschieden waren .
Eines Tages , als diese traurigen Bilder sie beschäftigten , erhielt sie einen Brief von einem Manne , für den sie viel Hochachtung hatte .
Sie wußte , daß ihre Eltern ihn ebenfalls außerordentlich schätzten : dieser Mann bat um ihre Hand .
Er war nicht jung : aber anstatt darüber zu erschrecken , dankte Luise der Vorsehung mit glühendem Eifer , sie so wunderbar von ihrer Furcht erlöst zu haben .
Triumphierend brachte sie ihrer Mutter diesen Brief ; wurde aber sehr in ihrer Erwartung getäuscht , als Madame N. ihr ungefähr dieselbe Antwort gab , die sie bei Gelegenheit des Herrn O. von ihr gehört hatte .
" Aber , liebe Mutter , " rief die erstaunte Luise , " ehemals sagten Sie , wenn es dieser wäre , den du liebtest , so könnte ich es dir noch verzeihen . "
- " Das kann sein , " antwortete Madame N. , " aber die Umstände sind verändert :
du bist jetzt reicher , und deine Brüder würden es außerdem nicht gern sehen . "
Luise unterwarf sich noch einmal dem Willen ihrer Mutter , die über diese Nachgiebigkeit so gerührt wurde , daß sie , auf den Rat der Ärzte , ihrem Manne den Vorschlag tat , Luisen in ein Bad zu schicken , um die Hypochondrie , von welcher sie seit Herrn O. es Abreise litt , zu heilen .
Luisens Vater trennte sich ungern von ihr ; er mochte sie nicht einmal gern einen ganzen Nachmittag außer dem Hause wissen :
da aber ihre Mutter das Beispiel eines ihrer Brüder hatte , welcher dem L .. Bade seine Gesundheit verdankte , so forderte sie für Luisen die Erlaubnis dahin zu reisen .
Indem sich ihre Eltern bemühten eine Reisegesellschaft für sie zu finden , besuchte sie ein Verwandter ihres Vaters , der in B .. lebte .
Er wollte im Frühjahr wieder dahin zurückkehren , und tat einer Dame , deren Schwester in diesem Lande verheiratet war , den Vorschlag , ihn zu begleiten , um ihren Verwandten bei dieser Gelegenheit einen Besuch abzustatten .
Man sprach in Gegenwart von Luisens Mutter über diesen Plan : und da der Arzt wenige Tage vorher gegen sie geäußert hatte , die Reise würde Luisen noch mehr Vorteil bringen als der Gebrauch des Bades , so überredete man sie , diese Gelegenheit für ihre Tochter zu benutzen .
Das arme Mädchen hatte es nicht gewagt daran zu denken :
sie nahm den Vorschlag mit Entzücken und Dank auf .
Kaum war diese Reise beschlossen , so zeigte sich ein neuer Freier für Luisen .
Dieser hatte die Eigenschaften , welche Luisens Mutter an einem Schwiegersohn wünschte : allein sie konnte doch eine Reise nicht rückgängig machen , die auf ihre Veranlassung unternommen , und von den Ärzten als unentbehrlich für Luisens Wiederherstellung angesehen wurde .
Luise freute sich , ihrer Mutter die schmeichelhafte Aussicht einer Heirat nach ihren Wünschen zu geben : sie versicherte , wenn die Reise sie so weit herstellte , daß sie die Frau eines Mannes wie Blachfeld werden könnte , der nicht Vermögen genug hatte , um für eine kranke Frau zu sorgen , so wollte sie ernsthaft darauf denken .
Die Mutter fürchtete immer , Luise möchte auf dieser Reise Herrn O. sehen , und wünschte herzlich , daß sie sich vor ihrer Abreise verloben möchte .
Das junge Mädchen hatte eine unüberwindliche Abneigung vor diesem Schritte .
Sie wollte bei dem Antritt ihrer Reise ungebunden sein , und eine alte Tante bestärkte sie darin , indem sie ihr sagte : " Liebes Kind , man muß die Welt nicht durchziehen , wenn man nicht frei wie ein Vogel ist . "
Luisens Mutter hatte neben den edelsten Eigenschaften , neben dem reinsten Herzen , der mildtätigsten , mitleidigsten Denkart , einen Fehler , den man ihrem Geschlecht vorwirft :
sie drehte sich beständig , auf tausenderlei Weisen , immer um denselben Gedanken herum .
Wenn die Familie versammelt war , erklärte sie feierlich , sie habe ihrem Manne versprochen , Luisen nicht zu zwingen , und ihre Wahl sei also frei ; war sie mit ihrer Tochter allein , so wiederholte sie ihr unaufhörlich :
" Wenn du keinen Widerwillen gegen ihn hast , solltest du ihm doch etwas sagen , das ihn wegen deiner Reise beruhigte , das ihn einigermaßen bände , damit man dir ihn nicht abspenstig macht . "
- " Aber desto besser , liebe Mutter : wenn man ihn abspenstig machen kann , so ist es ja ein Zeichen , daß er auch nachher seinen Sinn ändern könnte ; ich will frei sein , es ist billig , daß er es auch bleibe . "
Darauf beschuldigte die Mutter sie , daß sie noch Herrn O. zu begegnen , und seine Liebe zu gewinnen hoffe ; machte ihr die grausamsten Vorwürfe ; und sagte , sie möchte ihn nur heiraten , aber es würde ihrer Mutter das Leben kosten .
Zu anderen Zeiten schimpfte sie auf Luisens Freunde , und beschuldigte sie , an ihren romantischen Grillen , und ihrem Widerwillen gegen Blachfeld , Schuld zu sein .
Luise welche sich der Unschuld ihrer Freunde bewußt war , grämte sich über diesen Verdacht , bestand aber bis zu ihrer Abreise unerschütterlich auf ihren Entschluß .
Hierauf schrieb sie ihrer Mutter einen rührenden Brief , in welchem sie ihr ganzes Herz aufschloß , und fügte einen abgesonderten Zettel hinzu , worin sie Blachfeld ihre Hand versprach , und zugleich erklärte - ( denn das hatte Madame N. zu Beruhigung ihres Gewissens verlangt , ) daß sie nicht dazu gezwungen wäre .
Kaum war Luise in B .. angelangt , wo sie die Verwandten ihres Vaters kennen lernte , welcher zu einer ansehnlichen Familie dieses Landes gehörte , als ihr verschiedene vorteilhafte Vorschläge getan wurden .
Einer darunter war von einem Manne , den ihr Herz auszeichnete .
Er war einziger Sohn , besaß ein artiges Vermögen , eine höchst interessante Gestalt , und über alles dieses ein vortreffliches Herz , das durch häusliches Leiden gebildet war .
Seine Jugend war so unglücklich wie Luisens frühere Jahre gewesen : und Unglück das man durch eigene Erfahrung kennt , flößt immer lebhafteres Mitleid ein .
Blachfeld hingegen war seinem väterlichen Hause immer fremd geblieben ; von der Wiege an sein eigener Herr , wurde sein Herz durch das Kriegs-Handwerk verhärtet ; er kannte weder das Leiden einer fühlenden Seele , noch die Bande des häuslichen Lebens .
Ein Freund machte Luisen darauf aufmerksam , und bat sie mit Eifer , sich nicht durch einen missverstandenen Heroismus unglücklich zu machen .
Er stellte ihr vor , daß ein Mann , der wie Blachfeld sich an den Umgang einer Frau gewöhnt hatte , die als Gesellschafterin und Magd mit ihm lebte , sich nie würde in die Achtung finden können , die man einem Weibe von Luisens Erziehung schuldig wäre .
Das Beispiel des Herrn , sagte man ihr , wirkt auf die Bedienten : er wird Ihnen nie Ehrfurcht verschaffen , er wird Ihnen nie in seinem Hause den Platz anzuweisen wissen , der Ihnen gebührt .
Es wurde Luisen schwer , einen Entschluß zu fassen :
aber war sie einmal dazu geschritten , so konnte sie die Furcht der höchsten Strafe nicht zurückbringen .
Jene Versuchung ihr Wort zurückzunehmen , wurde indessen , während ihres Aufenthalts in B .. , durch die nahe Gegenwart des liebenswürdigen Mannes oft so stark , daß sie aller ihrer Festigkeit bedurfte , um seine Wünsche zurückzuweisen .
Auf einem Spaziergange , den sie an einem schönen Sommerabende mit Herrn ** und einer Freundin machte , führte sie ihr Rückweg über einen Dorfkirchhof .
Die Stille der Nacht , das zauberische Mondlicht , das die Schatten der schwarzen Kreuze längs auf dem grünen Rasen hinmalte , oder auf den weißen Grabsteinen das zitternde Laub großer Lindenbäume abbildete , deren blühende Zweige die Luft mit dem süßesten Duft erfüllten , die Ruhe der Natur mit dem Schweigen des Todes vereint , ergriffen Luisens gefühlvolles Herz .
Ihre Begleiterin äußerte eine kindische Furcht vor diesem schauerlichen Aufenthalt , und eilte nach Hause zu kommen ; der junge Mann ging ihr nach , um sie zurückzuführen ; und dieser Augenblick von Einsamkeit öffnete plötzlich Luisens Augen über die Gefahren , mit denen dieser Ort und die Schwäche ihres Herzens sie jetzt bedrohten .
Sie erschrak über die Unvorsichtigkeit , nicht sogleich ihrer Freundin gefolgt zu sein ; sie fiel auf ihre Knie , und indem sie fest gelobte , künftig jede ähnliche Gefahr zu meiden , flehte sie den Himmel um Beistand , solche diesmal zu überstehen .
Überraschung der Sinne war es nicht , was ihr reines Herz fürchtete ; aber sie zitterte vor einem Augenblicke , wo die Liebenswürdigkeit des Mannes , der um sie warb , sie die Heiligkeit ihres Versprechens vergessen lassen möchte .
Wenigstens hatte sie Blachfelden zu hoffen erlaubt , und das wäre genug gewesen , um selbst in den Armen der Liebe ihr Gewissen auf immer zu vergiften .
Es war Herrn ** nicht gelungen , Luisens Freundin zurückzubringen , er kam allein wieder , und wie er Luisen in ihrer flehenden Stellung fand , kniete er neben ihr nieder .
Sie verbarg ihm die Ursache ihrer Bewegung nicht .
Was würden Sie tun , sagte sie mit Tränen , wenn ein Anderer Ihnen das Mädchen entrisse , auf welches Sie Ansprüche hätten , oder wenigstens zu haben glaubten ?
- " Sie wollen meine Ehre ins Spiel ziehen , antwortete Herr ** indem er sogleich aufstand , und es soll Ihnen gelingen .
Möchten Sie nur glücklich sein !
Aber bei Ihrer Art zu denken und zu fühlen , scheinen Ihnen die Umstände kein Glück zu versprechen . " - Wohlan , unterbrach ihn Luise ; lieber will ich unglücklich sein , als mein Glück auf Kosten eines Mannes erkaufen , der selbst gesagt hat , daß ihm bis jetzt auf der Welt noch nichts gelungen ist .
Sie haben Freiheit zu wählen , Sie sind jung , Sie können warten :
wenn es wahr ist , was sie oft zu mir sagten , wenn ich Talente zur Erziehung habe , so verspreche ich Ihnen meine Tochter .
- " Sie waren das einzige Weib , der ich mein Leben hätte weihen mögen ; aber ich bin nicht überspannt : und da sich Ihr Gewissen nun einmal Ungeheuer schafft um sie hernach zu bekämpfen , so ziehe ich Ihre Ruhe der Befriedigung meiner Wünsche vor .
Aber mit Ihrem Trost verschonen Sie mich , setzte er mit stolzem Lächeln hinzu ; ich wollte Luise N. zur Gattin , nicht Blachfelds Tochter . "
Sie hatte in B. noch mehrere Veranlassungen , ihre Standhaftigkeit zu zeigen .
Sie liebte das Landleben ; der Verwandte mit welchem sie reiste , führte sie auf ein sehr schönes Gut. dessen Eigentümer er war , und versprach es auf sie zu übertragen , wenn sie seine Gattin werden wollte .
Ich bin nicht jung , sagte er , aber ich habe Grundsätze , Sie können sich auf die Unwandelbarkeit meiner Neigung verlassen , wenn auch Krankheit Ihre Züge entstellte ; ja wäre es auch möglich , daß meine Liebe je aufhörte , so würde ich es doch immer für meine Pflicht halten , jedem Ihrer Wünsche zuvor zu kommen .
" Das heißt , sagte Luise lachend , Sie wollten mich um Gotteswillen lieben . "
- Dieser Scherz verwundete ein zartes uneigennütziges Herz , und Luise büßte hart dafür ; denn Blachfeld ließ sie erfahren , wie glücklich sie gewesen wäre , wenn er , nachdem der Rausch der Leidenschaft verraucht war , sich hätte bewegen lassen , sie um Gotteswillen zu lieben .
- Wir tun aber besser , den Faden der Geschichte wieder aufzunehmen , und Luisen auf ihrer Rückkehr nach ihrer Heimat zu folgen .
Luise war nicht romanhaft ; sie konnte sich aufopfern , aber über das , was ihr die Aufopferung kostete , sich täuschen , konnte sie nicht ; sie errötete auch nicht über ihren Schmerz , allein er führte sie nie so weit , eine schöne Handlung zu zu bereuen .
Ihr Weg führte sie durch M Blachfelds Garnison .
Hier soll ich also wohnen , sagte sie seufzend , indem sie das redende Bild einer traurigen Kriegszucht vor sich sah : leere Straßen , geschmückte Kasernen , deren Fenster mit den elenden Lumpen ihrer Bewohner behangen waren .
Diese Mauern sollen mich also auf immer einschließen ; in einer dieser menschenleeren Straßen soll ich ein ungesundes Haus bewohnen ; ich , der es frei stand unter den reizendsten Wohnungen zu wählen : statt der auserlesensten Bibliothek , werde ich ein paar Tröster herumliegen haben , und statt des angenehmen Zirkels in dem Hause des Mannes , der mir den Namen seiner Schwiegertochter anbot , werde ich auf die Gesellschaft meines Gesindes eingeschränkt , kein wichtigeres Geschäft haben , als meinem Mann ein Mittagsessen zu kochen , das er vielleicht mit Widerwillen verzehren wird .
Unter diesen traurigen Betrachtungen hielt der Wagen vor dem Hause ihrer Freundin .
Die Hoffnung dieses Wiedersehens machte sie alles vergessen .
Blachfeld reichte ihr beim Aussteigen mit allem Entzücken der Leidenschaft die Hand .
Sie blickt auf ihn , sein Gesicht flammt , Luise schlägt die Augen nieder , und beschuldigt sich der Undankbarkeit .
Sie wollte wenigstens ihre Schuld durch keine Heuchelei vermehren ; sie sagte ihm kein Wort , und eilte neben ihm vorbei in die Arme ihrer Freundin .
Sie fand sie , und eben so ihre Schwester , im Begriff Mutter zu werden .
Dieser Anblick konnte Luisens Mut nicht vermehren .
Während ihres Aufenthalts bemerkte sie , wie schwer es einem Weibe in diesem Zustande wird , den wirtschaftlichen Geschäften vorzustehen , und der Gemahl ihrer Freundin war dennoch , in Vergleich mit Blachfeld , ein reicher Mann .
Indem sich Madame E. über die Unbequemlichkeiten ihres Zustandes beklagte , erwähnte sie auch der Sorgfalt ihres Mannes , seiner beständigen Rücksicht auf ihre Gesundheit , seines Eifers , alle Hilfe der Kunst , und alle Bequemlichkeiten des Lebens um sie her zu versammeln ; sie rühmte , wie ihr sein Betragen seit sechs Jahren ein glückliches Leben verschaffe , und ihre Gesundheit erhalte .
Luise , deren Gesundheit weit reizbarer war , als die ihrer Freundin , sollte alles dessen beraubt sein , und wie jene ihr versicherte , ihres Mannes Liebe würde ihr alles ersetzen , konnte sie sich nicht der Bemerkung enthalten , daß man nach sechs Jahren wohl der Liebe eines Gatten gewiß sein könnte ; dahingegen sechs Monate bei weitem nicht hinreichten , die Treue eines Liebhabers außer Zweifel zu setzen .
- " Aber welche ein Liebhaber ! ein Mann , erwiderte die gute Frau , der seit sechs Monaten nur für Sie atmet , denkt und lebt ; denn weder Ihre Abwesenheit , noch die Kälte Ihres gestrigen Empfanges , nichts kann ihn abschrecken ; er schätzt sich bei der ungewissesten Aussicht glücklich , und ist mit allem was Sie sagen und tun zufrieden . "
- Luise antwortete mit Kopfschütteln :
Das alles bürgt mir nicht für die Zukunft .
Vielleicht wird er mich einstens meine jetzige Unentschlossenheit , selbst indem er sie rechtfertigt , schwer büßen lassen .
Übrigens bin ich darüber mit Ihnen einig , daß die Gesellschaft dessen den man liebt , für die größten Opfer schadlos hält ; aber so sehr ich Blachfeld hochschätze , so viel Ansprüche er auf meine Dankbarkeit hat , so liebe ich ihn doch nicht .
- " Sie werden ihn einst lieben , antwortete Madame E .
Haben Sie mir nicht selbst gesagt , daß Sie einen Mann , den Sie nicht liebten , von dessen Herzen Sie aber gewiß wären , einem anderen , dessen Leidenschaft Sie erwiderten , vorziehen würden : und das , wie Sie sagten , weil Sie dessen , was Dankbarkeit auf Sie wirkte , sicher wären ; da Sie hingegen nicht wüßten , was sie über Andere vermöchte .
Blachfeld wird jetzt kommen ; verkündigen Sie ihm Ihre Abneigung .
Ich bin weit entfernt , diese Heirat wider Ihren Willen zu wünschen ; aber mir wäre es unmöglich , selbst den Dolch in eines redlichen Mannes Brust zu drücken . "
Luise war dessen eben so wenig fähig .
Der Mann ihrer Freundin gab ihr Gelegenheit mit Blachfeld allein zu sprechen .
Sie erklärte ihm mit vieler Festigkeit , daß sie keine andere Empfindung für ihn hätte , als die Achtung welche sein Ruf verdiente ; daß ihr Charakter es ihr unmöglich machte , einen Mann feines Standes glücklich zu machen :
sie wiederholte alles was sie ihm über ihre Furcht , daß ihre Hypochondrie einst in völlige Verstandesverwirrung ausarten möchte , schon geschrieben hatte , und bat endlich sehr ernsthaft , er möchte seine weiteren Bemühungen einstellen .
Wie erstaunte Luise , als sie hörte , daß er schon in D. , der Hauptstadt wo Luisens Mutter seit dem Tode ihres Mannes sich aufhielt , eine Wohnung gemietet hätte , daß die ganze Stadt ihn als Luisens künftigen Gatten ansähe , und daß er von Luisens Mutter und Verwandten als ein Mitglied der Familie aufgenommen würde !
Jetzt bereute es es Luise zum zweiten Male , vor ihrer Abreise so wenig Festigkeit gezeigt zu haben .
Es war nicht der Reichtum des Mannes , welcher ihr in B. seine Hand anbot , was ihr jetzt leid tat : es war das Land was ihr gefiel ; es war nicht der Mann selbst , obschon er die Stimme einer ganzen Provinz für sich hatte , die ihn von seiner Kindheit an kannte .
Blachfeld konnte nichts als das Urteil einer Stadt aufweisen , die er erst seit einigen Jahren bewohnte , und selbst dieses lautete verschieden .
Doch schreckte das Luisen nicht ab .
Der redlichste Mann kann Feinde haben ; und obschon jedermann ihm das Zeugnis sprach , daß er launig und jähzornig wäre , so ließ man stets seiner Rechtschaffenheit Gerechtigkeit widerfahren .
Diese Eigenschaft entzückte Luisen , und sie blieb taub gegen die Vorstellungen einiger Freunde , welche sie versicherten , daß Blachfeld eben so rauh als tapfer , und der Schonung unfähig wäre , welche eine Frau von Luisens Gemütsart und Erziehung fordern dürfte .
Luise , die ein für allemal mit Blachfeld ein Ende machen wollte , wiederholte ihm alle diese Beschuldigungen ; er sagte wenig zu seiner Verteidigung , und dieses ohne alle Übertreibung .
Diese Mäßigung gefiel dem jungen Mädchen ; sie sah ihn blaß , zitternd , kaum fähig seine Tränen zurück zu halten , und doch blieb er männlich , das heißt , er erbettelte keine günstige Antwort , ob er gleich äußerte , wie sehr ihn das Gegenteil betrüben würde ; er begnügte sich mit der Bitte , Luise möchte sich nicht übereilen , ihm alle Hoffnung zu nehmen .
Sie wurde gerührt , und die Unterhaltung endigte hier .
Luise wußte daß ihre Mutter keiner Kleidung gewogener war , als dem Anzuge der Bäuerinnen in der Gegend von B. , aus welcher Luise zurückkam .
Da sie mit Freuden alles ergriff , was sie in ihrer Mutter Augen liebenswürdig machte , so hatte sie sich eine vollständige Kleidung dieser Art machen lassen , um sie darin zu überraschen .
Blachfeld bat um Erlaubnis , Zeuge dieser Zusammenkunft zu sein .
Da Luisens Brüder , welche ihr bis M... , Blachfelds Garnison und dem Wohnort ihrer Freundin , entgegen gekommen waren , diesen Tag bei ihm gespeist hatten , schien ihr eine abschlägige Antwort unanständig :
sie fuhren also alle zusammen nach D. , welches nur wenige Stunden entfernt war .
Der Beweis von Herzlichkeit , welchen Luise in der Ungeduld ihrer Brüder , ihr bis nach M... entgegen zu kommen , zu finden glaubte , die nahe Aussicht ihre Mutter wieder zu sehen , entzückten sie im höchsten Grade .
Sie hatte keine lebhaftere Besorgnis , als die , nicht geliebt zu sein ; alles was dieser Furcht zu widersprechen schien , gab ihr die seligste Empfindung .
Man ließ den Wagen einige Schritte vom Hause halten , damit die Mutter alle Freude der Überraschung genösse ; sie erkannte Luisen nicht , und schien von ihrer Verkleidung , die ihr an ihrer Tochter auffiel , auf eine unangenehme Weise befremdet .
Luise hatte ihren Anzug und ihre Rolle vergessen ; sie stürzte zu ihrer Mutter Füßen , und war zu gerührt , um ein Wort hervorzubringen .
Madame N. war sehr erfreut ihre Tochter wieder zu sehen , aber eine so heftige Rührung war ihr völlig unverständlich ; sie rief unmutig aus :
" Immer dieselbe ! "
- Blachfeld hob Luisen auf , und rief :
O , sie verliert nichts dabei , daß sie immer dieselbe bleibt ; und wer sie versteht , muß sie anbeten !
Luisen schmeichelten diese Worte weniger , als ihrer Mutter Mißfallen ihr weh tat , und sie eilte sich anders anzukleiden .
Wie sie zurück kam , fand sie ihren ältesten Bruder , der ihr nicht hatte entgegen kommen können .
An seinem Halse durfte sie das Gefühl das sie fast erstickte , auslassen , und sie weinte nicht allein ; weit entfernt ihre Empfindung zu verspotten , drückte er sie schluchzend an sein Herz .
Dieser Augenblick ausgewechselten Gefühls war der glücklichste in Luisens Leben .
Das Wiedersehen einiger anderer Freunde gab ihr den folgenden Tag noch ein paar süße Momente , und der ganze Tag verfloß auf eine angenehme Art .
Aber ihre Verwandten waren versammelt , und sie bemerkte sehr bald , daß Blachfeld unter allen diesen Menschen eine demütigende Rolle spielte .
Ein jeder schien von seiner Absicht unterrichtet zu sein , und sich zu bemühen , ihn durch Achtungsbezeugungen dafür zu trösten , daß man so wenig Hoffnung für ihn hegte .
Luise sagte sich , daß sie ihn nicht hätte sollen nach D. kommen lassen , wäre sie wirklich entschlossen gewesen , ihm den Abschied zu geben : ob sie es gleich nicht zu verhindern gewußt hatte , so war es ihr doch nun auch unmöglich zurück zu treten ; und so viel wurde ihr wenigstens sehr klar , daß es sich für ihren künftigen Gatten nicht ziemte , vor den Augen ihrer ganzen Familie die Rolle des unglücklichen Liebhabers zu spielen .
Sie war zu offen um Liebe vorzugeben , wo sie ihren Herzen fremd war ; indem sie abrr öffentlich erklärte , daß sie ihn zu ihrem Gemahle wählte , sagte sie deutlich genug , daß sie ihn seinem ganzen Geschlecht vorzöge , und dieses war die einzige Möglichkeit , Blachfelden die Gesellschaft ihrer Familie angenehm zu machen .
Das sicherste Mittel , seine Achtung und Dankbarkeit selbst alsdann noch zu fesseln . wenn seine Liebe verraucht sein würde , schien sie darin zu finden , wenn sie seine Resignation , sich Jahre hindurch mit ungewisser Hoffnung zu befriedigen , auch keinen Tag lang mißbrauchte .
Sie erklärte ihm also noch denselben Abend , daß sie einen Entschluß gefaßt hätte .
Anfangs verstand er sie nicht , und warf sich zu ihren Füßen , um den Aufschub seines Endurteils zu erbitten .
Ein anderes Mädchen hätte vielleicht in der Unruhe ihres Liebhabers einen Genuß gefunden :
Luise warf es sich vor , sie veranlaßt zu haben , und eilte sich ihm verständlich zu machen .
Sie setzte nur die einzige Bedingung , daß er nach dem Ableben seines Vaters , seine Schwestern , im Falle sie dann noch ledig wären , nicht in sein Haus nehmen , sondern sich begnügen sollte , ihnen eine Pension zu geben .
Luise hatte viele glückliche Ehen durch die Klatschereien alter Jung fern stören sehen ; und wenn ihr Herz sie gleich antrieb ihre Schwägerinnen bei sich aufzunehmen , sd verbot es ihr die Klugheit doch um so viel mehr , als die Denkart und Lebensweise dieser Frauenzimmer ihr gänzlich unbekannt war .
Blachfeld versprach es unverzüglich , und setzte hinzu , daß seine Einwilligung gar kein Verdienst wäre , weil er , selbst wenn er sich nicht verheiratet hätte , nie Willens gewesen wäre , mit seinen Schwestern zu leben .
Luise hatte nun einen Glücklichen gemacht ; sie war aber weit entfernt es selbst zu sein .
Einen seligen Augenblick hatte sie , indem sie ihrer Mutter Segen empfing ; die Freude welche in ihren Augen blitzte , war wohl fähig ihr , für alles was sie getan hatte , zu lohnen .
Sie fürchtete unaufhörlich den redlichen Blachfeld zu betrügen .
Nie glaubte sie ihm genug von den Torheiten ihrer Jugend , von den Versuchungen erzählt zu haben , die sie auf ihrer Reise bekämpft hätte .
Ihre Mutter mochte sie noch so sehr warnen , bei ihrem Bräutigam keinen Verdacht zu erregen , für welchen sie nach der Hochzeit hart würde büßen müssen ; die Furcht vor Unglück schreckte ihr zaghaftes Gewissen nicht , sie zitterte bloß strafbar zu sein .
Die ganze Nacht verfloß ihr in der grausamsten Unruhe ; sie fürchtete , nicht im Stande zu sein , den Mann , welchem sie ihre Hand versprach , zu beglücken : es war aber nicht mehr Zeit zurück zu treten , und im Augenblicke wo sie die Feder nahm , um ein neues Geständnis ihrer Irrtümer niederzuschreiben , eilte Blachfeld schon wieder zu ihr , um ihr aufs neue für das Glück , welches sie ihm gestern verheißen , zu danken .
Er sagte gerührt , daß er der elendeste Mensch sein würde , wenn er je ihre Aufrichtigkeit mißbrauchte , oder ein Mädchen unglücklich machte , das sein ganzes Vertrauen in ihn setzte .
" Fürchten Sie nicht , setzte er hinzu , daß die geheime Schwermut , welche Sie sich vorwerfen , mein Glück zerstören werde .
Ich werde unermüdet suchen sie zu zerstreuen , und gelingt es mir nicht , so will ich sie ertragen ; denn ob Sie gleich in allen Ihren Briefen gesucht haben , mir diese Ihre Stimmung mit den schwärzesten Farben zu schildern , so kann sie mich nie so elend machen , wie ich es ohne Ihren Besitz wäre ; selbst nicht so elend wie ich es war , ehe ich Sie kannte . "
Luise überließ sich dem Glücke , ihre Mutter und Brüder mit ihr zufrieden zu sehen , und hoffte es lange zu genießen ; als ihr ihre Mutter mit Tränen im Auge erklärte , wie sie sich genötigt sähe ein Versprechen zurück zu nehmen , das sie Luisen bei ihrer Abreise nach B. gegeben hatte .
Sie gab damals ihr Wort , ihren Schwiegersohn während der Zeit , die sein Regiment jährlich in der Hauptstadt zubrachte , in ihr Haus zu nehmen .
Jetzt sagte sie , diese Einrichtung fiele ihren Söhnen zur Last , die , da sie mehr in der Welt lebten , auch genötigt wären mehr Gesellschaft in ihrem Hause zu sehen ; bei ihrem Alter fürchte sie einen Zuwachs von Last und Sorgen ; sie würde sich immer herzlich freuen , Luisen und ihre Kinder , wenn sie erst Mutter wäre , bei sich zu sehen , weil das ohne Unbequemlichkeit geschehen könnte ; die Anwesenheit eines Mannes aber zöge zu viel Ungelegenheit nach sich , denn er forderte doch immer einen guten Tisch , ein eigenes Besuchzimmer , und dergleichen mehr : sie bot ihr endlich zwanzig Pistolen jährlich an , um sie für ein Versprechen zu entschädigen , das sie gegeben zu haben so sehr bereute .
Wie Luise ihre Mutter weinen sah , gab sie ihr dieses Versprechen sogleich zurück ; aber ihr Herz war im Innersten verwundet .
Es gab für sie keine Entschädigung für eine Aussicht , auf welche sie schon die reizendsten Luftschlösser gebaut hatte , und die Hoffnung , nicht das ganze Jahr über in M. zu wohnen , hatte zu ihrem Entschluss nicht wenig beigetragen .
Mit ihrem Mann in dem Zirkel ihrer Familie zu leben , neben den Vorteilen der Tochter vom Hause alle Vorrechte einer verheirateten Frau zu genießen , ihren Mann in der frohen , liebenswürdigen Gesellschaft ihrer Brüder sich ausbilden , diese hingegen seine männlichen Tugenden zum Muster nehmen sehen - welch eine glückliche Zukunft !
Luise ließ Blachfelds Verdiensten Gerechtigkeit widerfahren ; aber sie betete ihre Brüder an .
Diese Liebe wurde bald auf eine arge Probe gestellt .
Es war die Absicht ihres Vaters gewesen , daß man eine gewisse Summe zu ihrer Ausstattung von seinem Vermögen abziehen sollte .
Er war es ihr gewissermaßen schuldig , weil er sie oft mit der Versicherung , daß sie nicht dabei zu kurz kommen sollte , an einer guten Heirat verhindert hatte ; und sein Einkommen war auch wirklich mehr wie hinreichend , um die Aussteuer seiner Tochter zu bestreiten .
Er hatte sieben Jahre lang damit seine Söhne , einen nach dem anderen , auf der Universität erhalten , und dem ungeachtet sein Kapital in dieser Zeit vermehrt .
Auf seinem Totbette forderte er von seiner Frau und seinen Söhnen das Versprechen , seinen Willen in diesem Punkte nach seinem Tode zu befolgen ; sie wären alle fünf seine Kinder , und so wäre es billig , für das eine so viel wie für das andere zu tun .
Luise war damals von dieser Güte so gerührt , wie von der Großmut ihrer Mutter und Brüder , welche diese Summe aus eigenem Antriebe auf tausend Taler bestimmten .
Die Mutter , welche ihre Söhne zärtlich liebte , erzählte diese großmütige Tat allen Kondolenz-Besuchen , und führte sie gegen ihre Tochter als einen Grund an , nie eine Heirat einzugehen , die ihren Brüdern zuwider sein könnte ; denn , sagte sie , sie haben immer erklärt , daß sie statt tausend Talern gern doppelt so viel geben möchten , wenn sie gewiß werden könnten , daß ihre Schwester sich nicht durch ihre romanhaften Grillen verführen ließe , einen Gatten zu wählen , der ihnen Schande machte .
Luisens Stolz empörte sich über diese Reden ; es tat ihr weh , daß ihre Mutter ihnen Gehör gab ; sie war überzeugt , daß die wahre Seelengröße nicht in geringen Auszeichnungen besteht , die eben so kleinlich wie nichtsbedeutend sind : allein die Liebe für ihre Brüder gewann bald wieder die Oderhand ; sie bedachte ihre große Jugend , sie überredete sich , die Jahre würden ihnen eine vernünftigere , billigere Art zu denken beibringen ; und ob sie wohl fühlte , daß sie dann nicht mehr jung genug sein würde , um dabei zu gewinnen , so fühlte sie doch , ihre Liebe würde uneigennützig genug sein , um sich auch dann dessen zu freuen .
Sie war mit der Summe , welche ihr Vater bestimmt hatte , vollkommen zufrieden , und erkannte daher ihrer Brüder Großmut , so wenig sie deren Bewegungsgrund billigte , mit allem Dank .
Aus Liebe zu ihrer Mutter beschloß sie , sobald sich die Gelegenheit darböte , ihre Brüder durch eine , nach deren Meinung glückliche Heirat zu beruhigen .
Es hat zu allen Zeiten und an allen Orten müßige Menschen gegeben , die ihr leeres Gehirn von Haus zu Haus schleppen , und es mit allen Armseligkeiten anfüllen , die ihnen aufstoßen .
Ein solches Geschöpf machte sich , nach der Erklärung von Luisens Heirat mit Blachselten , an ihre Brüder , um sie zu versichern , daß die Aussteuer der Töchter von jeher von ihrem Kapital abgezogen worden wäre , daß sie also Unrecht hätten , eine Ausnahme zu Gunsten ihrer Schwester zu machen .
Diese Erinnerung hätte gleich nach des Vaters Tode , oder so lange Luise ihre Wahl noch nicht bestimmet hatte , keinen Eindruck gemacht : die Zeit hat aber einen mächtigen Einfluß .
Luisens Brüder erinnerten sich nur sehr verworren an das , was ihnen ihr Vater gesagt hatte , und wie sehr sie selbst bemüht gewesen waren , ihre Schwester von einer ihnen mißfälligen Heirat abzuhalten , ob sie gleich dadurch in den Stand gesetzt worden wäre , ihrer Wohltaten ganz zu entbehren .
Sie wußten zwar , daß ihr erwählter Schwager arm war ; sie wußten daß ihre Schwester , nichts zuzusetzen hatte ; aber dieser Schwager konnte sein Glück machen , und sie dachten wenig darauf , daß er , sobald er es so weit gebracht hätte , seine Gattin vernachlässigen konnte , die ihn , ungeachtet seines geringen Vermögens gewählt hatte , Sie waren selbst noch ohne Versorgung , sie mußten auf ihren Vorteil denken : kurz , sie fingen damit an , die Frage kaltblütig zu untersuchen , und endigten , ungeachtet der Sanftmut , mit welcher ihre Schwester sich auf den letzten Willen ihres Vaters berief , mit dem für Luise zerreißenden Vorwurf , daß sie eigennützig handle .
Luise war so weit davon entfernt , daß sie ihre Mutter beschworen hatte , ihr gar keine Aussteuer zu geben .
Sie hing wenig an solchen Dingen , weil sie ihr zum Glück der Ehe sehr entbehrlich schienen , und sie wußte daß Blachfeld eben so wenig Wert damit verband ; sie tat also von Herzen gern darauf Verzicht : allein sie glaubte , ihre Pflichten gegen ihren künftigen Gemahl erlaubten ihr nicht , ohne sein Vorwissen eine Schrift zu unterzeichnen , in welcher sie eingestand , ihrer Familie tausend Taler schuldig zu sein , nachdem sie ihm doch gesagt hatte , daß ihre Ausstattung ein Geschenk ihres verstorbenen Vaters sei .
Luisens Mutter hingegen , welcher die ganze Sache schon sehr weh tat , wünschte wenigstens , daß Blachfeld nicht davon unterrichtet sein möchte .
Wäsche und Betten , sagte sie ihr , sind in einer Wirtschaft unentbehrlich : was Hausgerät anbetrifft , ist das des Mannes Sache ; und um ihn in den Stand zu setzen , diese Ausgabe zu bestreiten , nehme ich ihn während der sechs Monate bis zu eurer Hochzeit an meinen Tisch ; damit er sich aber bei dem Einkaufe dieser Dinge , worauf er sich gewiß nicht versteht , nicht betrügen läßt , kann er dir nur das Geld dazu geben .
Hierdurch sah sich Luise in einer neuen Verlegenheit :
sie erkannte in dieser Einrichtung die Weisheit und Güte ihrer Mutter , allein aus falscher Scham wagte sie nie darüber mit Blachfelden zu sprechen , und mußte nun zu ihrem größten Leidwesen wahrnehmen , daß er , anstatt streng zu wirtschaften , oft für ein Frühstück oder eine Kollation im Wirtshause eine halbe Pistole verzehrte , da es ihm bei Luisens Mutter nichts gekostet hätte .
Sie hatte ihn für sparsam gehalten , und in diestr Hinsicht alle Geschenke , die er ihr machen wollte , abgelehnt .
Wie sie von ihrer Reise zurückkehrte , hatte Luise die Gutherzigkeit , außer ihrem Anteil an den Reisekosten , auch noch die Hälfte des Anteils einer anderen Person zu bezahlen : und da ihr in diesem Augenblicke die Ausgabe um so unerwarteter kam , als der Anschlag schon vorher gemacht worden war , und es jener Person frei gestanden hätte , die Reise nicht mitzumachen , über deren Kosten sie sich jetzt beklagte , so sah sie sich zum erstenmal in ihrem Leben in der Notwendigkeit , Geld aufzunehmen .
Der bloße Gedanke Schulden zu haben erschreckte sie , und sie stellte daher eine Anweisung auf die ganze Summe aus , die sie von ihrer Murter zu ihren Ausgaben erhielt , so daß sie drei Monate zubrachte , ohne einen Groschen in der Tasche zu haben .
Sie hatte indessen zu viel seines Gefühl , um ihrem Liebhaber ihre Verlegenheit merken zu lassen , bis er ihr einst sagte , daß er vier Pistolen zu einem Sofa erspart hätte ; sie bat ihn , das Geld zu etwas Notwendigerem aufzuheben , weil man , genau betrachtet , recht gut ohne Sofa fertig würde , aber nicht ohne Stühle .
Wie sehr erstaunte Luise , als ihr Bräutigam ihr nach sechs Monaten erklärte , daß er , anstatt zu den vier Pistolen zuzulegen , sie sogar ausgegeben hätte !
Wie sehr bereute sie es jetzt , den Rat ihrer Mutter nicht befolgt zu haben !
Diese freute sich schon darauf , ihre einzige Tochter in ihrer neuen Wohnung einzurichten , und Luise hatte nicht das Herz ihr zu sagen , daß Blachfeld noch gar nichts dazu angeschafft hätte .
Die gegenwärtige Verlegenheit war es nicht allein , was Luisen quälte ; sie konnte nicht umhin , die natürliche Berechnung zu machen , daß ein Mann , der mit tausend Talern nicht auskam , so lange er Wohnung , Bedienung und Tisch bei ihrer Mutter hatte , wenn er von derselben Pension Frau und Kinder ernähren sollte , noch weniger auskommen würde .
Luise stellte ihm dieses mit vieler Sanftheit vor , und bat um einen Aufschub der Heirat , bis zu einer Vermehrung seiner Einnahme .
Allein bei der ersten Erwähnung eines Aufschubs wurde Blachfeld wütend ; er stieß sich mit dem Kopfe gegen die Mauer , und warf endlich Blut aus .
Er war Luisen nicht mehr ganz gleichgültig ; und ob sie gleich vorher sah , daß sein Mangel an Ordnung , seine üble Wirtschaft , seine Unkunde in allen Geschäften , sie und ihre Kinder in die grausamste Verlegenheit setzen dürften , ärgerte sie sich doch über ihre gute Mutter , so oft sie die geringste Anmerkung darüber machte .
Sie wünschte , daß man ihn für vollkommen halten , oder wenigstens nicht in ihrer Gegenwart von den Fehlern eines Mannes reden möchte , dem sie Ehrfurcht und Gehorsam zu versprechen im Begriff stand .
Sie liebte seine Uneigennützigkeit , sein Nichtachten des Geldes ; allein sie hätte es gern gesehen , daß er dadurch nicht in den Fall gekommen wäre , von weniger uneigennützigen Leuten mißbraucht zu werden .
Ein Mensch , der ohne Vermögen zu besitzen , sich wie ein steinreicher Mann meublirt hatte , wurde nach einigen Jahren seine Torheit gewahr ; seine Möbeln , die nun aus der Mode gekommen waren , versprachen ihm wenig Entschädigung dafür , daß er sein halbes Vermögen hineingesteckt hatte , und er warf seine Augen auf Blachfelden , um einigermaßen wieder zu seinem Gelde zu kommen ; er lockte ihn in sein Haus , und erbot sich ihm , aus bloßer Freundschaft , alle seine alten Möbeln um den Kaufpreis zu überlassen .
Blachfeld , der nie das väterliche Haus bewohnt hatte , sondern auf einer Schule erzogen , und sodann von einer Garnison in die andere versetzt , kein anderes Bett als eine Pritsche , und kein anderes Hausgerät kannte , als einen hölzernen Tisch und einen Feldstuhl , bemerkte nicht , daß man ihm einen Handel vorschlug , bei welchem er sein bares Geld gegen geschmacklose Trödelwaren austauschte , unter denen kein einziges taugliches , und in einer neuen Wirtschaft wirklich notwendiges Stück befindlich war .
Daß er Luisen versprochen hatte , in allem auf eine edle Einfalt zu sehen , die ihrem Geschmacke so wie ihrer Lage angemessen war , wurde rein vergessen ; und ohne sie zu Rate zu ziehen , da er ihr doch tausendmal zugesagt hatte , ihr alle Hauseinrichtungen zu überlassen , indem er seine Unfähigkeit in diesen Geschäften eingestand , wurde der Handel , zwischen einem Schlaukopf und einem Menschen , der alle altväterische Arglosigkeit von des Landpfarrers von Wakefield Sohne , Moses , besaß , bei einer Flasche Wein geschlossen .
Der Verkäufer sah wohl voraus , daß die Braut über diesen verderblichen häßlichen Handel sehr unzufrieden sein würde , und forderte also von Blachfelden sein Offizierswort , das er heilig zu halten den Ruf hatte , und Blachfeld gab es , ohne daran zu denken , daß er keinen Taler zum Bezahlen hatte .
Dieser Umstand machte dem Verkäufer wenig Sorgen ; er war sicher , daß Luise alles bezahlen würde , so sehr es sie auch kränken möchte .
Luise stellte ihrem Bräutigam vor , daß ein Augenblick , wo sie aus Mangel an dem Notdürftigsten sich nicht verheiraten könnten , sehr wenig dazu gemacht wäre , um lauter überflüssiger Dinge Willen Schulden zu machen :
denn unter dem ganzen Ankaufe war kein rechtlicher Stuhl , kein Schrank , kein Tisch , außer Spiel- oder Marmortischen , da Luise einen bequemen Großvaterstuhl , einen großen Teetisch , ein Ruhebett für Kranke lieber wie alles dieses gehabt hätte .
Alles was zur patriarchalischen Einfalt zurückführte war ihr Geschmack , und diesen hatte sie auch bei ihrem Bräutigam zu finden gehofft .
Blachfeld wurde wütend , warf seinen Hut auf den Boden , trat ihn mit Füßen , und beging tausend solche Dinge , welche Luisen überzeugten , daß man ihr in Ansehung seines Ungestüms die Wahrheit gesagt hatte .
Nun war aber an kein Zurücktreten mehr zu denken , und außerdem war , neben allen seinen Fehlern , etwas Großes in seinem Charakter , das ihr gefiel .
Luise versprach auf ihren Namen Geld zu borgen ; denn Blachfeld hatte , wie alle Menschen ohne Vermögen , ungeachtet seiner allgemein anerkannten Redlichkeit , auch keinen Kredit .
Der Fürst , in dessen Diensten Luisens Vater stand , hatte diesem bei seinen Lebzeiten versprochen , für seiner Tochter Mitgift zu sorgen : dem zufolge schickte er ihr tausend Taler , denen ein Brief an Blachfeld beigefügt war , in welchem er ihm sagte , daß er , ohne in die nähere Beschaffenheit seiner Lage einzugehen , diese Summe zu seiner Hochzeitseyer bestimmt hätte .
Blachfeld verstand die gütige Meinung des Fürsten sehr wohl : und zu edel um ein Gut , das ihm nicht beschieden war , an sich zu reißen , überließ er Luisen diese Summe zu ihrer Aussteuer , und behielt sich nur sechs Pistolen zu einem Kleide vor .
Luise war von diesem Betragen so gerührt , daß sie die sechs Pistolen von ihrem , nach Abzahlung ihrer Schuld übrig gebliebenen Spargelde nahm , indem sie die tausend Taler in einer öffentlichen Kasse niederlegen wollte , um bei vorfallenden Gelegenheiten einen Notpfennig in Vorrat zu haben .
Diese Freude sollte ihr aber nicht werden :
denn am folgenden Morgen kam Blachfeld , und bat sie um die Hälfte der Summe , zur Lösung seines wegen der Möbeln gegebenen Ehrenworts , und den Tag darauf forderte er die andere Hälfte , zum Ankaufe seines Feldgeräts , indem von Kriegszurüstungen die Rede wäre .
In so einem Falle sorgt der Landesherr für das Feldgerät : allein es war eine von Blachfelds Sonderbarkeiten , einen Abscheu gegen ausstehende Kapitalien zu haben ; und indes sich Luise das Notwendige versagte , um das Geschenk ihres edlen Gönners nicht anzugreifen , gab Blachfeld auf allen Seiten aus , um es los zu werden .
Auf diese Weise sah sich also Luise , statt um tausend Taler reicher zu sein , um sechs Pistolen ärmer als sie war ; und zu ihrer häuslichen Einrichtung blieb nichts übrig .
Blachfeld nahm indessen zusehends ab , und beteuerte , daß er sich das Leben nehmen würde , wenn ihm Luise nicht vor seiner Abreise ihre Hand am Altar gäbe .
Er schwor ihr , daß er nur diese Zeremonie , nur die Sicherheit , daß nichts sie ihm entreißen könnte , forder ; daß er von keinem seiner Rechte Gebrauch machen wollte , bis sie es ihm zugestände .
Die Mutter , alle Freunde redeten ihr zu , ihrer Unentschlossenheit ein Ende zu machen , und Luise bestimmte endlich den Hochzeittag , doch erst nachdem sie von ihrem Bräutigam das feierliche Versprechen erhalten hatte , daß sie ein Jahr lang nur als Freunde zusammen leben , und keinen vertrauteren Umgang haben wollten .
Luise entdeckte ihrer Mutter dieses Geheimnis :
denn als ein solches wollte Blachfeld natürlicher Weise einen Vertrag angesehen haben , der ein ausschließliches Eigentum der Liebe war .
Man beschloß , die Hochzeit auf dem Gute der Mutter zu feiern , wo das junge Ehepaar auch , bis zu Blachfelds Abreise nach der Armee , bleiben sollte .
Diese Einrichtung schlug wenigstens der Bräutigam vor , um Anstalten auszuweichen , denen sein Beutel gar nicht gewachsen war .
Den Zustand seiner Finanzen hatte er aber um so weniger Lust seiner künftigen Schwiegermutter zu entdecken , als er , bei Gelegenheit der Schwierigkeiten , die sie seiner Bewerbung um ihre Tochter entgegen setzte , versichert hatte , er brauche kein Vermögen , und sei zu sehr Mann von Ehre , um eine Frau zu nehmen , ohne für ihren Unterhalt sorgen zu können .
Seitdem er das Geschenk des gütigen Fürsten , auf das er Anfangs freiwillig Verzicht tat , in weniger als acht Tagen zu seinem Gebrauch verwandt hatte , fürchtete er sich mit seiner Schwiegermutter allein zu sein , und brauchte Luisen zur Mittelsperson , so oft er ein Anliegen bei ihr hatte .
Dieses Verfahren zog dem armen Mädchen manchen Verdruß zu .
Eines Tages , kurz vor der anberaumten Hochzeitsfeier , wie sich die Familie allein befand , machte die Mutter die Bemerkung , daß es Schade sei , die schönen Frühlingstage nicht auf dem Gute zuzubringen ; daß sie ihr auch gewiß nicht so ungenützt verfließen sollten , wenn nicht die Verbindlichkeit , Blachfelden in der Kost zu haben , im Wege stünde .
Luise litt schmerzlich bei diesen Worten , und antwortete , sie sei bereit ihr dahin zu folgen , da Blachfeld um so weniger etwas dagegen haben könnte , als er nach der Hochzeit selbst dort zu wohnen gedächte , Die Mutter erwiderte : dies wäre eben die Ursache , warum sie auf das Vergnügen dort zu leben Verzicht tun müßte ; ihr Garten sollte nicht von einem Trupp unnützer Reitknechte verwüstet werden ; Blachfelds Abreise zur Armee sei nicht festgesetzt , und er könnte ihr den ganzen Sommer auf dem Halse liegen .
Luisens Brüder stimmten den Gründen der Mutter bei , und bewiesen , daß die Einrichtung des Gutes nicht erlaube , Fremde zu beherbergen , und daß ein Mann , der sich verheiratete , sein eigen Haus einrichten müsse , damit seine Schwäger die Freude haben könnten , zu sagen :
Ich gehe zu meiner Frau Schwester !
In diesem allen war schon Bitterkeit genug für Luisen ; allein die Mutter führte noch , in Gegenwart der jungen Leute , Blachfelds schonendes gütiges Versprechen gegen seine hypochondrische irrende Braut , als einen Bewegungsgrund für diese an , sich nach der Hochzeit von ihm zu trennen , und ihm nur von Zeit zu Zeit Besuche auf dem Gute zu verstatten .
Luise fühlte das Unschickliche dieser Äußerung ; sie fürchtete Blachfelds unbändige Hitze , die bei der Entdeckung dieses Auftritts notwendig auflodern würde ; es fiel ihr ein , daß sie , die bei der Wahl eines Gemahls sich dem Geschmacke ihrer Familie unterworfen hatte , keine bittereren Sorgen zu gewarten gehabt haben würde , wenn sie der Stimme ihres Herzens Gehör gegeben hätte , Die gute Mutter war in einer üblen Stimmung , und häufte alles Unangenehme auf das schwache Mädchen , das dem Unmut endlich unterlag , und das Unglück hatte , der Mutter auf eine Weise zu antworten , die einem Kinde nie geziemt .
Dieser traurige Auftritt wurde der Gesundheit Beider nachteilig ; er durchdrang Luisens Hetz mit einer so nagenden Reue , daß sie Blachfelden in der nächsten Stunde von der Veranlassung des Streits unterrichtete , und erklärte , sie habe ihre teure Mutter aus Liebe zu ihm beleidigt ; und um sich zu strafen , wolle sie sich auf immer von ihm trennen .
Blachfeld erblaßte , wie er sie unerschütterlich sah , und beteuerte gegen ihren ältesten Bruder , daß er , wenn sie bei diesem Entschluß beharrte , den Dienst verlassen , und auf ewig aus seinem Vaterlande scheiden würde .
Heinrich , dieser älteste Bruder , hatte vielen Einfluß auf seine Schwester , und gebrauchte ihn jetzt geschickt genug , um nach und nach ihre Gewissensbisse wegen des Fehltritts gegen ihre Mutter zu besänftigen , und Blachfelds Wiederaufnahme zu bewerkstelligen .
Blachfeld schloß sie entzückt in seine Arme ; und indem Tränen seine männlichen Wangen benetzten , rief er :
" Geliebter Engel , was brauchst Du Geld und Gut !
Ich will Dich auf meinen Armen über das Wasser und durch das Feuer tragen ; meine Hände sollen Dich ernähren ; ich will im Schweiße meines Angesichts für Dich arbeiten , und werde glücklich sein , wenn ich Dich nur mein nenne ! "
Luise war innigst gerührt , denn sie glaubte sich nun geliebt .
Wie Madame N , diesen Auftritt durch ihren Sohn erfuhr , versprach sie , ihren Schwiegersohn mit offenen Armen aufzunehmen .
Sie hatte , wie die meisten betagten Leute , die Grille gebeten sein zu wollen .
Blachfeld hätte ihr nachgeben sollen ; sein Stolz hielt ihn aber davon ab , und doch ging dieser nämliche Stolz , aus einem sonderbaren Widerspruche , bei ihm nicht so weit , daß er sich zu einer weisen Wirtschaftlichkeit entschlossen hätte , die doch allein unabhängig macht .
Er betrieb die Hochzeit mit dem größten Eifer , und bekümmerte sich dem ungeachtet um manche Dinge so wenig , daß Luise dem Hausgesinde ihrer Mutter , den Armen , dem Geistlichen u. s.w. in seinem Namen die üblichen Geschenke machen mußte ; kurz , sie erkaufte sich ihren Mann , wie eine alte Kokette ihren Liebhaber erkauft ; aber sie hielt Blachfelden jedes Preises wert .
Wer ohne Fehler ist , kann keine hervorstehende Tugenden haben .
Blachfelds Denkungsart war edel , und er hatte keinen Schatten von Einbildung auf die Vorzüge seiner vornehmen Geburt :
er war tapfer ohne Prahlerei ; er vernachlässigte zwar seine Geschäfte zu sehr , um großmütig sein zu können , indessen gab er Luisen einen schönen Beweis seiner uneigennützigen Denkungsart :
sie gestand ihm nämlich , daß sie sich für eine ziemlich ansehnliche Summe verbürgt hätte , um eine Familie aus einer bedrängten Lage zu reißen , und weit entfernt sie zu tadeln , bezeugte er ihr seinen lebhaften Beifall .
Blachfeld hatte gehört , daß es kein heilsameres Mittel gegen die Hypochondrie gäbe , als das Reisen , und schlug daher seiner Frau gleich nach der Heirat eine Reise in ein Bad , von da zu seinem Vater , und endlich nach Wien vor .
Luise wandte ihm die Kosten eines solchen Unternehmens ein ; er hatte aber die Delikatesse vorzuschützen , daß seine eigene Gesundheit es erfordere ; und wie der Ausbruch des Kriegs diesen Plan vereitelte , bat er Luisen kniend , in das Bad zu gehen , weil er ohne ihr Vorwissen einen berühmten Arzt zu Rate gezogen habe , der dieses Mittel für Luisen als unentbehrlich ansähe .
Er legte sogar vierzig Pistolen in dieser Absicht in die Hände seiner Schwiegermutter nieder ; Luise gab sie ihm aber zu rück , und versicherte lächelnd , daß eine Frau , die nur um des Badens Willen das Bad besuchte , dort wenig mehr als anderwärts ausgäbe .
Luise bewies dieses bei ihrer Reise :
denn sie wandte nur eine kleine Summe darauf , die sie aus ihrem Anteile von dem Verkaufspreise zurückgelaßenen Bibliothek ihres Vaters gelöst hatte .
Ein Umstand , der sich noch aus ihrer Kindheit herschrieb , machte ihr diese Reise sehr wünschenswert , und kann ihr einigermaßen zur Entschuldigung dienen , daß sie damals die Entschlossenheit nicht hatte , lieber ihren Mann ins Feld zu begleiten .
Zur Entschuldigung : denn in ihren Augen rechtfertigt nichts die Selbstsucht , mit welcher sie ihre Gesundheit mehr in Erwägung zog , als ihre Pflichten gegen ihren Mann , und sie sieht alles Unglück , das daraus entstand , als eine wohlverdiente Strafe dieser Selbstsucht an , die sie vorzüglich bewies , als sie Blachfelds nachherige , oft wiederholte Bitten , zu ihm ins Hauptquartier zu kommen , nicht erfüllte .
- Luisens Mutter hatte mit vielen anderen Müttern die Schwäche gemein , daß sie gern anderer junger Mädchen Talente , Fleiß , Ordnung , Geschmack im Anzuge , auf Kosten ihrer Tochter lobte .
So hatte sie eines Tages von dem Kopfputze einer Gespielin so bezaubert geschienen , daß sich Luise vornahm , ihrer Mutter zu Gefallen , solchen nachzuahmen , und , den folgenden Morgen , der nämlichen Kindermagd , deren böses Gemüt und trauriger Einfluß auf Madame N. zu Anfang dieser Geschichte erwähnt ist , anlag , ihr dabei zu helfen .
Sie konnte nicht zurecht kommen , und Luise wollte nun allein fertig zu werden suchen .
Die Magd fand sich beleidigt , daß das junge Mädchen sich für geschickter hielt als sie , und fing einen Streit darüber an , den sie nachher der Madame N. so falsch hinterbrachte , daß diese Luisen auf das härteste anfuhr .
Luise unternahm sich zu rechtfertigen , und brachte dadurch ihre Mutter so auf , daß sie mit einem Buche nach ihr warf , welches mit seiner ganzen Schwere auf die eine Seite ihrer Brust fiel , und eine Verhärtung zurück ließ , die sich niemals wieder verlor .
Während der Zeit , daß Luise mit Blachfelden verlobt war , hatte ein Frauenzimmer aus ihrer Familie das Unglück , einen Krebs an der Brust zu bekommen , und zwar in so einem gefährlichen Grade , daß sie sich der grausamsten Operation unterwerfen mußte .
Ihr Chirurg sagte bei der Gelegenheit in Luisens Gegenwart , daß wenn diese Dame seinem Rate gefolgt , und zu rechter Zeit nach dem ** Bade gegangen wäre , sie das Unglück vermieden haben würde .
Diese Worte vermehrten Luisens Unruhe , die sie bis jetzt aus Schonung gegen ihre Mutter immer unterdrückt hatte , so sehr , daß sie Blachfelden einen Teil davon entdeckte , und sich fest vornahm , auf alle Fälle die erste Gelegenheit zu einer Reise nach dem Bade zu benutzen .
Allein diese Reise hatte eine ganz andere Wirkung , als man sich davon versprach ; zum Teil war ein an sich sehr geringfügiger Vorfall daran Schuld , der sich den Tag vor Luisens Abreise zutrug ; zum Teil machte sie aus übertriebener Sparsamkeit den ziemlich langen Weg mit so großer Eile , daß ihre sehr zarte Gesundheit darunter leiden mußte .
An jenem Tage vor ihrer Abreise war Luise in der Gesellschaft eines der geehrtesten und bekanntesten deutscheren Gelehrten nach *** gereist , um von einer vertrauten Freundin Abschied zu nehmen .
Bei dem Rückwege hatte der Kutscher die Unvorsichtigkeit , über ein gepflügtes Feld zu fahren , und wurde von den Bauern angehalten .
Luisens Begleiter stieg aus , um mit den Leuten zu sprechen ; der Kutscher , welcher eine Menge Menschen um den Wagen versammelt sah , und sich vor den Folgen seiner Unvorsichtigkeit fürchtete , nahm diesen Augenblick wahr , um die Pferde anzutreiben und dem gaffenden Haufen aus den Augen zu kommen .
Luise fühlte , wie beschwerlich es Herrn *** sein würde , zu Fuß in die Stadt zu gehen ; sie fühlte das Verdrießliche seiner Lage unter einem Haufen aufgebrachter Bauern , und rief umsonst dem Kutscher zu , still zu halten .
Der Bediente war mit Herrn *** zugleich abgestiegen , und Luisens Furcht ging so weit , daß sie sogar den Schlag öffnete , um aus dem Wagen zu springen ; allein da durch gewann sie nichts , als daß einige betrunkene Bursche sich herbei machten , um hineinzusteigen .
Endlich kamen sie in die Stadt ; da der Lehnkutscher aber das Haus ihrer Mutter nicht wußte , fuhr er erst durch verschiedene Straßen um , und so langte sie endlich gegen Mitternacht ganz erschöpft an .
Da ihre Mutter mit allem Gesinde auf dem Gute war , und Luise nur wegen des Besuchs bei ihrer Freundin in die Stadt gewollt hatte , fand sie keinen Menschen im Hanse , der ihre sehr aufgestörte Reizbarkeit besänftigt hätte ; ein unangenehmer Brief , den sie zufällig am folgenden Morgen erhielt , nährte ihren Verdruß bis zu der Ankunft auf ihrer Mutter Gut , wo sie ihre Familie schon von dem gestrigen Vorgange unterrichtet fand , und bittere Vorwürfe erhielt , daß sie sich und den Rang ihres Mannes , ihrer Freundin zu Liebe so ausgesetzt hätte .
Luisens Gemüt war von der Sache selbst und von ihrer Abreise so gedrückt , daß sie sich tief betrübt auf den Weg machte .
Die Umstände , unter welchen sie im Bade war , konnten ihren Mißmut nicht zerstreuen ; jeden Augenblick sprach man von der Aussicht auf eine nahe Schlacht , und Blachfeld hatte sich auf Luisens Dankbarkeit Ansprüche erworben , die ihn ihrem Herzen sehr teuer machten .
Gleich nach der Trauung hatte sie einen Auftritt mit ihm , in welchem er , mit dem heftigsten Ungestüm , die Rückgabe seines schonenden Versprechens forderte ; Luise bestand auf dessen Erfüllung , und es gelang ihr über seine zärtliche Ungeduld zu siegen .
Seitdem hatte er heilig Wort gehalten , und sie rechnete ihm diese Entsagung für eine so großr Tugend an , daß ihre Einbildungskraft ihn in dem Lichte eines über sein Geschlecht erhabenen Wesens zu betrachten anfing .
Sie war stolz darauf , seinen Namen zu tragen , und ihre Hypochondrie führte sie bald so weit , sich dessen für unwert zu halten ; sie schrieb ihm die offenherzigsten Bekenntnisse aller ihrer Fehler ; er sprach ihr auf eine zärtliche Weise Mut ein , und es gelang ihm , was noch kein Mensch vermocht hatte , das scheue Gewissen des armen Weibes zu beruhigen .
Sie fühlte , was er für sie tat ; und wenn man sie fragte , wie lange sie verheiratet sei , antwortete sie aus Herzensgrund , daß es drei Monate wären , die ihr aber wie drei Tage vorkämen , weil sie noch nie so glücklich gewesen wäre , als seit dieser Zeit .
Damals fand sich Luise eines Tages in einer Tanzgesellschaft , wo sie aber an der allgemeinen Belustigung nicht Teil nahm , weil sie sich_es zum Verbrechen angerechnet hätte , zu tanzen , indes das Leben ihres teuren Blachfelds stündlich in Gefahr schwebte .
Um den Einladungen zu entgehen , setzte sie sich an den Pharaotisch , wo man ihr bald vorschlug , eine Pistole aufs Spiel zu setzen , Sie tat es , und gewann anfangs ; durch ihr Glück ermuntert , spielte sie weiter .
Sie hatte an diesem Tage einen Brief von Blachfelden bekommen , in welchem er in sie drang , zu ihm in das Hauptquartier zu kommen ; sie brauchte Geld zu dieser Reise , und beging die Kleinheit , zur Erreichung ihres Endzwecks das elendeste Mittel zu ergreifen .
Das Glück wandte sich , und sie verlor .
Ein Freund ihres Vaters , welcher gegenwärtig war , erriet ihre Verlegenheit , und bot ihr mit einer Feinheit , die nur edlen Seelen eigen ist , Geld an , indem er sagte : " Wir Männer haben zuweilen den Fehler , unsere Weiber in ihren Ausgaben zu kurz zu halten . "
Luise versicherte errötend , daß sie nichts bedürfte : daß ihr Gemahl sie überflüssig versorgte ; allein sie fühlte ihre begangene Torheit schmerzlich , und um so schmerzlicher , weil ein Mann , den sie immer ausgezeichnet geschätzt hatte , dem sie aber jetzt aus falscher Scham ihre unangenehme Lage verschwieg .
Zeuge davon gewesen war .
Unter diesen drückenden Umständen erhielt sie eine Nachricht , die sie völlig niederschlug Ihre Mutter meldete ihr , daß der liebste ihrer Brüder gefährlich krank sei .
Sie würde davon zu jeder Zeit heftig erschüttert worden sein ; allein in diesem Augenblick trafen mehrere Umstände zusammen . um sie doppelt niederzuschlagen .
Sie hatte , vor ihrer Abreise , wegen einer häuslichen Angelegenheit einen kleinen Zwist mit ihm gehabt ; ihre Trennung war um so kaltsinniger gewesen , da die Mutter Teil an dem Streite genommen hatte ; und der Gedanke , diesen Bruder unversöhnt sterben zu sehen , quälte ihr sich selbst peinigendes Gewissen so heftig , daß sie den folgenden Tag krank wurde .
Sie hatte anfangs ein hitziges Fieber , das bald in eine völlige Verstandesverwirrung überging , aus welcher sie indessen durch die Freude über einen Brief ihres Gemahls auf einige Zeit zurück kam .
Er schrieb ihr in einer Sprache , mit welcher er sich erst seit kurzem beschäftigte , und seine Frau freute sich über diesen neuen Beweis seiner Talente .
Ihre Kammerfrau sah die lebhafte Wirkung dieses Briefes , und unter dem Vorwande , daß sie ihr nachteilig werden könnte , hatte sie die unselige Vorsicht , ihn Luisen mit Gewalt zu entreißen .
Die Arme sank sogleich in ihren vorigen Zustand zurück , und so oft sie einen vernünftigen Augenblick hatte , forderte sie die Briefe ihres Mannes , benetzte sie mit ihren Tränen , und wollte sich nicht mehr von ihnen trennen .
Sie machte alle , die sie umgaben , durch die Menge von Briefen an Blachfelden die sie ihnen unaufhörlich in die Feder sagte , ungeduldig ; in anderen Augenblicken glaubte sie , er sei angekommen , und man verhehle ihr seine Gegenwart .
Wenn Sir dann sah , daß ihre Hoffnung vergeblich gewesen war , bildete sie sich ein , er wäre tot : und man verbärge ihr diese Nachricht . Bald wollte sie zu ihrem Schwiegervater gebracht sein , weil ihr Blachfeld in seinem letzten Briefe gemeldet hätte , es wäre Friede , und sie gebeten hätte , zu ihm zu kommen , um zusammen zu seinem Vater zu reisen .
Sie hatte das Glück , bei einem sehr mitleidigen und menschlichen Arzte zu wohnen , der die Gefälligkeit hatte , in ihre Fantasien einzugehen , und bald die Rolle des Schwiegervaters zu spielen , bald einzugestehen , daß Blachfeld angekommen wäre , aber so ermüdet , daß er ihm anempfohlen hätte , sich zur Ruhe zu begeben .
Er liebte Luisen wie sein Kind ; und um je Ruhe zu verschaffen , entfernte er oft ihre Kammerfrau , welche aus Verdruß über eine Krankheit , die sie an einem ihr mißfälligen Orte zurückhielt , ihrer armen Herrschaft unaufhörlich widersprach , und durch den Sinn fuhr .
Er wachte bei ihr abwechselnd mit seinen Kindern , welche ihr alle Morgen Früchte und frische Blumen aus einem Garten , von ihnen selbst bearbeitet , brachten .
So heftig Luisens Schmerzen waren , so blieb ihr Gefühl für die Schönheiten der Natur immer gleich lebhaft :
sie hatte aus einem ihrer Fenster eine reizende ländliche Aussicht , und genoß dieselbe , so oft es ihre Kräfte erlaubten , Die Kammerfrau fand ihre Freude daran , sie unaufhörlich von dem Fenster wegzuschaffen , und erbitterte dadurch den guten Arzt selbst so sehr , daß er ihr den Namen Xanthippe beilegte .
Der Zufall hatte eine Dame mit Luisen zugleich an diesen Ort geführt , die , ohne sie weiter zu kennen , ihr die großmütigste , zärtlichste Teilnahme bezeigte ; sie las ihr vor , tröstete , ermahnte sie ; Luise sah sich von so gütigen Menschen umgeben , daß ihre zerrüttete Phanthsie sie endlich glauben machte , sie wäre im Himmel .
Sie dachte sich von Engeln umgeben , hörte ihre Symphonien , sah ihre leichten Tänze , und ihre blendenden Gewänder , und dankte Gott , sie zu diesem seligen Aufenthalt geführt zu haben , ohne daß sie den Kampf des Todes erst zu überstehen gehabt hätte ; sie wünschte nur Blachfelden an diesem reinen Glücke Teil nehmen zu sehen .
Ihr kam es vor , als führten sie acht geflügelte Rosse zum Himmel ; sie durcheilte die brennenden Zonen ; schon langte sie an den Pforten des Paradieses an , als man von ihr forderte , einen Freund zu vergessen , den sie auf Erden sehr geliebt hatte , dessen Begriffe über religiöse Gegenstände aber von den ihrigen abgingen ; sie sollte seinen Namen in das Feuer werfen , sie zauderte , gehorchte aber doch ; man zwang sie , noch verschiedenen anderen Personen zu entzogen ; ihre Namen waren schon von der Flamme verzehrt , als man ihr endlich zumutete , auch ihren Mann zu verleugnen ; sie verweigerte es mit Entschlossenheit .
Ihr Vater drang in sie es zu tun ; sie verwies ihn auf das Beispiel seiner Schwester , die Blachfelden herzlich gewogen war .
Ach , sagte der Vater , wenn du nicht , wie du dir schmeichelst , wirklich tot bist , so werden sie dich alle Religionen nach einander annehmen lassen .
Mag das sein , rief die Schwester , sie wird mit ihm wiederkommen , oder diese Pforte bleibt ihr auf ewig verschlossen !
Blachfeld erhielt endlich Nachricht von der Krankheit seiner Frau , und die Geschenke des alten Beschützers von Luisens Vater , des gütigen Fürsten von ** setzten ihn in den Stand , seiner Frau zu Hilfe zu eilen .
Er flog zu ihr ; aber ach !
er fand das Weib nicht , das er zu finden glaubte , Wenn die Hoffnung , ihren Gatten zu empfangen , bei ihr wach war , kleidete sie sich täglich mit Sorgfalt ; wenn sie aber in ihre traurige Sinnlosigkeit verfiel , blieb sie der Kammerfrau überlassen , die sie auf das äußerste vernachlässigte .
In einem dieser unseligen Augenblicke kam Blachfeld an , und fand sie blaß , mit erloschenen Augen , ein abschreckendes Bild des Blödsinns .
Er sah sie mit Abscheu an .
Luise erkannte ihn , keine seiner Empfindungen entging ihr , und der Gram versetzte sie in einen Zustand von Dumpfheit , dem nur die Schmerzen des Fahrens unterwegs ein Ende machten .
Blachfeld hatte sich bei der Wahl des Reisewagens wenig vorgesehen ; er hatte Luisens guten englischen Reisewagen verkauft , und eine Art Karriole dagegen eingehandelt , die auf der Achse stand .
Luise hatte wütende Kopfschmerzen , jeder Stoß des Wagens entriß ihr einen lauten Schrei .
Die Kammerfrau , welche stolz darauf war , im Hintergrunde des Wagens neben ihrem Herrn zu sitzen , beredete ihn , sie schrie in ihrer Raserei .
Das arme Weib , welches auf Blachfelds Schoße saß , wußte nicht , wo sie ihren Kopf ruhen lassen sollte , der kein Küssen hatte , als die Stahlknöpfe von ihres Mannes Rock ; und der Ausdruck seines Gesichte war bei jedem Blick , den er auf sie warf , so abschreckend , daß sie anfing sein Herz für eben so hart zu halten , wie das Metall , das ihre glühende Stirn verletzte .
Schrecken und Angst warfen sie in den Zustand zurück , aus welchem sie der Schmerz kaum herausgerissen hatte .
Sie ist überzeugt , daß sie damals geheilt worden wäre , wenn Blachfeld den Wagen , so wie sie flehte , einen Augenblick angehalten , und ihr einen Tropfen Milch oder Wasser gegeben hätte :
Kranke bedürfen auf Reisen mehr Erquickung wie Gesunde ; aber leider ! verließ sich Blachfeld auf das feile , selbstsüchtige Geschöpf , das Luisen bedienen sollte , und wenn der Wagen einen Augenblick anhielt , und Blachfeld in das Wirtshaus ging , verzehrte sie vor Luisens Augen alle Eßwaren , die sich im im Wagen befanden , und schützte eine Verordnung des Arztes vor , ihr wegen ihrer Krankheit weder zu essen noch zu trinken zu geben .
Luisens Raserei dauerte endlich ununterbrochen fort :
sie glaubte zum Rädern verurteilt zu sein ; jeder Pflug , den sie auf dem Felde erblickte , schien ihr ein Werkzeug ihrer Hinrichtung , und sie hielt den Postillion für den Henker .
Blachfelds unglückliche Härte gegen ihren unendlichen Jammer kam ihr wie der Ausdruck verschloßener Verzweiflung vor ; sie bildete sich ein , er sei ihr auf das Rad gefolgt , um sie zu retten ; sie flehte ihn an , den Henker nicht länger aufzuhalten , und es nur zuzugeben , daß man sie unter das Rad legte , damit sie endlich der unleidlichen Schmerzen los würde .
In anderen Augenblicken überredete sie die Hitze , welche ihr Inneres verzehrte , daß sie verurteilt wäre , lebendig gebraten zu werden , und daß Blachfeld sie auf seinem Schoß hielte , um die Flamme von ihr abzuhalten :
denn ihre Einbel , Dungskraft schmückte ihn immer mit den schönsten Farben aus , und wenn er ihr mit wütendem Blick sich ruhig zu halten befahl , schrieb sie seine Heftigkeit den Schmerzen zu , die er um ihretwillen litt .
Sie langten endlich auf dem Gute ihrer Mutter an .
Luisens Bewußtsein kehrte zurück , aber ihre Kräfte waren erschöpft , und ihr Kopf war geschwächt .
Sie freute sich , ihre Mutter , ihre Brüder zu sehen ; aber sie begriff weder ihr unruhiges Wesen , noch den Eifer , ihr Gläser , Messer , Tassen , und alles , was sie zerbrechen , oder womit sie sich Schaden tun könnte , aus der Hand zu nehmen ; noch mehr erschreckten sie die Zeichen und Winke , die man sich unter einander in ihrer Gegenwart gab .
Wenn man wüßte , wie empfindlich man mit diesem Betragen die Einbildungskraft eines Kranken verletzt , wie man sein armes Gehirn mit der Bemühung spannt , die Bedeutung dieses geheimnisvollen Wesens zu enträtseln , so würde man vorsichtiger sein .
Die Mutter , welche überzeugt war , daß Luisens Krankheit nur die Folge von langwierigem Kummer , und einer zu reizbaren , gekränkten Empfindlichkeit wäre , sagte ihr unaufhörlich :
" Nun laß es gut sein , liebes Kind , denke nicht mehr an die Vergangenheit ! " und eben dadurch rief sie diese Vergangenheit jedesmal in Luisens geschwächtes Gedächtnis zurück , und vereitelte den einzigen Vorteil ihrer Krankheit , ältere Vorfälle zu vergessen .
Ihr Geist war hell genug , um dieses zu fühlen ; sie benutzte einen Augenblick , wo sie mit ihrem Manne allein war , um ihm kniend für alles , was er an ihr getan hatte , zu danken , ihm ihre innigste Zuneigung zu versichern , und sie erbot sich , ihm in die Garnison zu folgen .
Ach !
sie hoffte , diese Herzenserleichterung sollte sie glücklich machen ; sie hoffte darin den Lohn ihrer Leiden zu finden ; sie wußte nicht , daß ihre traurige Krankheit die Liebe in seinem Herzen vertilgt hatte .
Ihn beschäftigte nichts , wie der verfehlte Feldzug , in welchem er sich auszuzeichnen gehofft hatte : und der so eben geschloßene Frieden war ihm schmerzlicher als alles andere .
Und dieses war der Mann , der noch vor einigen Monaten seinen Kriegsgefährten selbst gestand , er nähme die Waffen zum erstenmal mit Widerwillen zur Hand , weil sie ihn von seinem Weibe trennten .
Luisen war diese Veränderung neu ; sie hatte ihr ganzes Zutrauen , alle ihre Hoffnung in ihren Gatten gesetzt ; sie hatte die Gelegenheit , diese Bitte vorzutragen , mit Sehnsucht erwartet .
Oft war es ihr unbegreiflich vorgekommen , warum man sie bei dem glühenden Fieber , welches sie alle Nächte verzehrte . der Pflege ihrer Kammerfrau überließe , die selbst von Müdigkeit und Wachen erschöpft , sich durch harte und üble Laune an ihrer Herrschaft rächte .
Oft wenn Luise aus Todesangst das Bette verlassen wollte , warf sie dieses Weib mit Gewalt darauf zurück , und verletzte ihren zarten Körper , der von Schmerzen so mitgenommen war , daß eine Falte im Bettuch oder Hemde ihn schon verwundete .
Ohne Rücksicht auf Leiden , bei deren Andenken Luise nach sechs Jahren noch schaudert , riß man sie von ihrem brennend heißen Lager , und zwang sie in eine trockene Badwanne zu steigen , der sich sogleich acht Höllengeister näherten , die ihr , so hoch wie sie die Arme aufheben konnten , das helle Wasser zu Eimern über den Kopf herunter schütteten .
Diese Behandlung verursachte der Kranken so rasendes Kopfweh , daß sie dadurch den Verstand dadurch hätte verlieren müssen , wenn er nicht ohnehin längst zerrüttet gewesen wäre .
Ein berühmter Arzt sollte , wie man ihr sagte , diese Kurart angegeben haben ; aber die barbarische Weise , mit welcher man sich dabei benahm , war gewiß nicht in seiner Vorschrift begriffe .
Wenn Luise in das Zimmer trat , wo man ihre Marter zubereitete , und nur um einen Augenblick Aufschub zu ihrer Erholung bat , riß man sie mit eigensinniger Gewalt fort , da sie freiwillig sich gern zu allem bequemt hätte .
Ihre schon zerrüttete Einbildungskraft zeigte ihr alle , die sie umgaben , als so viele Henkersknechte , die sie auf die Tortur strecken wollten .
Umsonst rief sie Blachfelden zu Hilfe ; er war anderwärts beschäftiget , Plane zur Einnahme dieser oder jener Festung zu entwerfen , und verweilte mit keinem Gedanken bei den Leiden seiner Gattin .
Endlich rührten ihn ihre Tränen und Bitten , und er führte sie in seine Garnison .
Nach solcher Pein des Körpers und der Seele genoß Luise nun der vollkommensten Ruhe .
Freilich grenzte diese Ruhe einigermaßen an Stumpfsinn , aber Geduld und Sanftheit hätten ihr gewiß in kurzer Zeit ihre natürliche Stimmung wieder gegeben ; ja sie hätten sie glücklicher gemacht , als sie je gewesen war .
Oft hat sie seitdem gestanden , daß dieses der glücklichste Zeitpunkt ihres Lebens gewesen ist .
Mit ihrem Gedächtnis zugleich war ihre Hypochondrie verschwunden ; der Kreis trauriger Ideen , der ihr Gehirn seit so langer Zeit umschlossen hielt , und allen frohen Bildern den Eingang versagte , war zerrissen , sie erblickte nur den gegenwärtigen Augenblick , und genoß dessen in vollkommener Ruhe und Heiterkeit .
Wenn sie mit Blachfelden in den schönen Gegenden der Garnisonsstadt spazieren ging , glaubte sie sich mit ihrem Gatten in die elysäischen Gefilde versetzt , und die Diskretion der wenigen Bekannten , die ihr begegneten , und vermieden sie anzureden , bestärkte sie in dieser Träumerei , indem Luise solche für die Schatten ihrer ehemaligen Freunde hielt .
Zu Hause lasen Luise und Blachfeld die alte Geschichte , und von ihren ehemaligen quälenden Bildern erlöset , ergötzte sich Luise an dieser Beschäftigung .
Bei der Beschreibung jedes vorzüglichen Helden . deutete sie zärtlich auf Blachfelden , der ihr das Urbild alles Vollkommenen war : und er schien diese schmeichelhafte Anwendung zu fühlen , und ein glückliches Vorzeichen von seines Weibes gänzlicher Herstellung darin zu finden .
Noch eine kleine Geduld , und Luise wäre dem Leben zurückgegeben worden , und hätte ihr ganzes Dasein einem Gatten geweiht , dem sie ihre Heilung zu verdanken gehabt hätte .
Blachfelds Freunde zerstörten diese süße Aussicht .
Sie rieten ihm , sich zu zerstreuen , sich vom Hause zu entfernen .
Zerstreuen ? ach wovon ! von der heiligsten Pflicht , die ihm sein Schwor . sein Weib nie zu verlassen , auferlegte , von der neuen Schöpfung , die seine Güte in dem zerstörten Gehirn eines Weibes hervor rief , das ihn , und nur ihn allein auf Erden zur Stütze hatte !
Der Kriegsstand bringt die Unannehmlichkeit mit sich , daß , wer sich von zarter Jugend an demselben weiht , in Friedenszeiten keine Hilfsmittel zur Ausfüllung seiner Zeit hat .
Nicht gewohnt , sich in seinem Zimmer zu beschäftigen , wird dem Offizier sein Haus zur Last , und jeder Vorwand umherzuschweifen , ist ihm willkommen .
Blachfeld vergaß Luisens Lage und ihre Aufopferungen , und forderte , unter dem Vorwande der außerordentlichen Kosten , die ihm ihre Krankheit verursacht hätte , Luisens Mutter Geld ab .
Dirse glaubte zwar durch Luisens Aussteuer für alle vorfallenden Bedürfnisse gesorgt zu haben ; allein um einen Mann nicht aufzubringen , der ihrer Tochter Wohl und Wehe in Händen hatte , nahm sie eines von Luisens kleinen Kapitalien auf , bezahlte davon die Ärzte im Bade , und übermachte ihm den Rest .
Sobald Blachfeld Geld hatte , machte er Vorbereitungen zu einer Reise .
Luise nahm es wahr , und bat ihn in den rührendsten Ausdrücken , sie nicht zu verlassen ; sie stellte ihm vor , daß seine Gegenwart allein sie vor Mißhandlungen schützte .
Sie war am ganzen Körper geschwollen : Verstopfungen in der Leber , durch welche sie die empfindlichsten Schmerzen litt , machten es ihr peinlich , irgend etwas fest um den Leib gebunden zu tragen .
Ihre Kammerfrau schrieb diese Reizbarkeit ihrer Tollheit zu , und bestand unbarmherzig darauf , ihr die Röcke so fest , wie in ihren gesunden Tagen , zuzubinden ; und wenn sich Luise mit Gewalt widersetzte , ging sie so weit , sie zu schlagen .
Wie Luise diese Behandlung ihrem Manne klagte , gab das Mädchen vor , dies alles wären Vorspiegelungen ihres verrückten Gehirns .
Blachfeld war ein trefflicher Soldat , aber in allem , was das menschliche Herz betraf , ein völliger Fremdling , und er ließ sich von diesem Mädchen , die sein Vertrauen zu gewinnen gewußt hatte , völlig leiten .
Seine leichtgläubige Schwäche riß ihn so sehr hin , daß er eines Tages , da sich die arme Luise in seine Arme flüchtete , sie bei beiden Händen festhielt , und ihr unbarmherzige Backenstreiche gab .
Kaum hatte er sich also übereilt , als er die Last seines Fehlers fühlte ; und er gestand gegen einen seiner Freunde , daß diese Handlung ewig seine Seele drücken würde .
" Ich habe mich , " sagte er , " schändlich betragen ; ich habe alle Gesetze der Ehre und Menschlichkeit verletzt . "
- Wie leicht wäre es ihm bei diesen Gesinnungen gewesen , seinen Fehler wieder gut zu machen , aber statt dessen vergrößerte er ihn noch ; er machte sich davon , und schickte Luisen zu ihrer Mutter , der er zugleich in einem Briefe bittere Vorwürfe machte , welche diese trostlose Mutter weit mehr gegen ihr unglückliches Kind reizen , als sie zur Linderung ihres Elendes bewegen mußten .
Man hatte das Zimmer , das Luise in ihres Vaters Hause bewohnt hatte , an Fremde vermietet .
Luise , welche davon nicht unterrichtet war , eilte sogleich bei ihrer Ankunft dahin , weil sie sich erinnerte ein Bildnis ihres Vaters dort gelassen zäh haben .
Bei den Leuten , welche Luisens Zimmer bewohnten , war an diesem Tage eine große Gesellschaft versammelt .
Man stelle sich ein armes verrücktes schwaches Geschöpf vor , das aus seines Mannes Hause verstoßen , mit Gewalt in einen Wagen geschafft , von der Reise ermüdet , in ein wohlbekanntes Zimmer zu treten glaubt , und sich plötzlich von ein paar Dutzend fremden Gesichtern umgeben findet !
Das Bildnis des Vaters war nicht mehr da ; sie verlangte es von allen Umstehenden , und statt es ihr zu geben , oder ihr sanft die Ursache aller dieser Veränderungen zu erklären , riß man sie gewaltsam aus dem Zimmer .
Umsonst verlangte sie ihre Mutter zu sehen , man sagte ihr , daß ihr diese beföhle zu Bett zu gehen , und führte sie in ein kleines Kämmerchen hinter der Küche , wo man sie einschloß , und ihr Zeit ließ , allein zu toben .
Luisens Brüder waren jung , sie liebten die Freude :
es mußte sie natürlich befremden , daß ihnen ihr Schwager einen so traurigen Anblick , den zu ertragen weit eher seine Pflicht war , als die ihrige , vor die Augen stellte .
Die Mutter verbarg ihnen also das unglückliche Weib ; und da sie Luisens Kammerfrau nicht leiden konnte , gab sie ihr gleich anfangs ihren Abschied ; aber die Kranke wurde darum nur schlechter bedient , als jemals .
Madame N. hatte seit Luisens Abwesenheit ihr Gesinde verändert , sie fand sich also von lauter unbekannten Leuten umgeben ; auch die Zahl der Mägde war eingeschränkt , und da eine jede ihre angewiesene Arbeit hatte , war ihnen der Zuwachs von Mühe durch Luisens Wartung , zumal da bei ihrer Lage nicht viel Lohn dafür zu erwarten stand , wenig gelegen .
Sie überredeten also die Mutter , daß sie von einem Manne bewacht werden müßte .
Wäre Luise nicht von Sinnen gewesen , so hätte sie jetzt ihren Verstand verlieren müssen .
Sie , die sich immer vor den Soldaten gescheut hatte , sah jetzt einen großen Unteroffizier , die Hetzpeitsche in der Hand , unaufhörlich neben ihrem Bette .
Der Mensch war nicht böse , aber dumm ; so oft Luise die Hände unter der Decke hervorzog , schlug er auf diese zu , bis sie endlich beträchtlich aufschwollen , weil er sich einbildete , die Bettwärme wäre zu ihrer Genesung notwendig .
Die arme Luise , welche die Ursache dieser Behandlung gar nicht erraten konnte , wurde endlich durch den Instinkt gelehrt , ihre Hände zu verstecken .
In manchen Augenblicken kehrte ihr Bewußtsein völlig zurück , und dann war ihr Zustand wirklich verzweifelt .
Bei einem leidenden , und von jeher an Bequemlichkeit gewöhnten , jetzt der Schonung so bedürfenden Körper , bei einem reizbaren , Liebe dürstenden , und nur durch Teilnahme und Liebe zu beruhigenden Herzen , sah sie , das Kind des Hauses , das sich nur einige Schritte von seiner Mutter entfernt , unter Einem Dache mit ihr wußte , sich allein , von ihr nie besucht , dem Mitleid des Gesindes überlassen , in eine elende Kammer eingesperrt , die einer Wachtstube glich .
Ihrer Mutter Kammerfrau mochte ihr Zimmer gern für sich allein haben ; die Köchin führte also alle Leute , die mit ihr zu sprechen hatten , in das Behältnis , wo Luise lag .
Sie wärmte sich da , wenn sie vom Markte kam , sie reinigte da das Gemüse , und trieb alle Küchengeschäfte in dieser Kammer .
Die männlichen Bedienten des Hauses , welche ihre Kammern unterm Dache hatten , fanden es sehr unbequem , jedesmal so oft die Herrschaft schellte die Treppen herunter zu steigen , und hielten sich daher gewöhnlich in dem nämlichen Behältnis auf , wo sie sich die Zeit mit Tobakrauchen und Zeitungs-Lesen vertrieben .
Dieser letzte Umstand machte Luisen unendlich viel Vergnügen , denn sie hoffte immer etwas von ihrem geliebten Blachfeld zu hören , weil es ihr gar nicht in den Sinn kam , daß eine andere Ursache als ein Feldzug ihn von ihr entfernt halten könnte .
Was Luisen , außer der Angewohnheit , Bediente um ihr Bette Tobakrauchen zu sehen , am meisten auffiel , war ein Weib , das mit der Pfeife im Munde unter ihnen saß , und von ihren gemachten Feldzügen sprach .
Dieses Weib war im siebenjährigen Kriege Marketenderin gewesen , und behauptete eine geheime Kurart gegen die Tollheit zu besitzen .
Madame N. hatte die Schwachheit , sich von ihr betören zu lassen ; sie dankte den Unteroffizier ab , und übergab Luisens Wartung diesem Weibe , welches dem Trunke ergeben war , und nur um Branntwein zu kaufen , auf Geldverdienst ausging .
Luise war nun in weit übleren Händen ; den Soldaten hatte sie oft durch ihre Tränen entwaffnet , aber dieses Weib war unerbittlich .
So oft Luise sie trinken sah , zitterte sie ; denn der Trunk machte sie boshaft , und sie prügelte dann auf Luisen zu , als hätte sie ein Stück Holz vor sich .
Oft mußte die Unglückliche die dringendsten Bedürfnisse entbehren ; nach einem Glase Wasser , zur Löschung ihres brennenden Durstes , oft umsonst flehen .
Einst erbat sie eines von dem Bedienten ihres Bruders ; er reichte ihr einen metallenen Becher , der so stark war , daß sie ihn in diesem Augenblicke , wo ihre Zähne durch einen Kinnladen-Krampf gesperrt wurden , nicht an den Mund setzen konnte .
Der Mensch hielt ihr Zaudern für Eigensinn , und stieß das Gefäß so heftig gegen ihre Zähne , daß sie anfangs fürchtete , er habe sie ihr zerbrochen .
Aber die Wärterin bereitete Luisen weit bitterere Augenblicke .
Von Krankheit und Mißhandlung ausgemergelt , sehnte sich die .
Kranke seit langer Zeit nach einem Bissen Fleisch .
Die Mutter erfuhr es , und schickte ihr ein Stück Braten ; sie griff gierig danach , wurde aber in demselben Augenblick von einem so wütenden Kopfweh befallen , daß es ihr unmöglich fiel zu essen , und sie den Bedienten bat , den Teller auf den Ofen zu setzen .
Kaum war er aus der Stube , so machte sich die Wärterin über den Braten , verzehrte ihn hohnlachend vor Luisens Augen , und diese mußte bis den folgenden Morgen fasten .
Gegen den Mittag dieses Tages erhaschte sie endlich einen Augenblick , wo sie ohne Aufsicht war , und stahl sich bis zu ihrer Mutter .
Sie fand solche allein .
Seit langer Zeit in einen schmutzigen Winkel gesperrt , wurde det arme verwirrte Sinn der Unglücklichen durch den Aufputz des schönen Zimmers verblendet , besonders freute sie sich über den Fußteppich , auf welchem sie sehr leise schritt ; denn die lauten Tritte der Bedienten in ihrer Kammer , verursachten ihr unsägliche Leiden .
Sie warf sich ihrer Mutter in die Arme , und bat auf die rührendste Art um Erlaubnis , bei ihr zu bleiben , und vor den unzähligen Mißhandlungen in Ruhe gelassen zu werden .
Ihre Blicke wandten sich immer ängstlich nach der Türe , aus Furcht , daß ihr Henker sie auffinden möchte .
Ihre Sprache war schnell und bänglich , wie die Reden eines Menschen , der einen kurzen Augenblick zu benutzen hat .
Ihre Mutter schien sich vor ihrer Gegenwart zu fürchten .
Eine Mutter , die sich vor ihrem unglücklichen flehenden Kinde fürchtet !
In diesem Augenblicke trat die Wärterin herein .
Luise ahndete was jetzt geschehen würde , und suchte ihre Mutter durch Zeichen und bittende Winke vom Sprechen abzuhalten ; es war aber umsonst .
Die Mutter fragte sogleich :
" Nicht wahr liebe Frau , es ist nicht gegründet , daß Sie Luisen schlägt ? "
Die Arme sah sich nun der Rache dieser Furie ausgesetzt , und in der Hoffnung , ihre Brüder teilnehmend zu finden , bat sie inständigst um die Erlaubnis , mit der Familie zu Mittage zu essen .
Die Mutter sah nicht ein , daß ihre Hastigkeit nur aus Furcht entstand .
Sie reichte ihr eine Apfelsine , mit einer Art wie man ein Kind beschwichtigen würde .
Einem Geschöpfe , dessen zermarterter Körper fast unterliegt , das stehend um das Ende seiner Qual bittet , reicht man eine Apfelsine !
Die Wärterin verstand Luisens Absicht besser , und lächelte höhnisch über den Irrtum ihrer Mutter , den sie sich wohl hütete zu berichtigen , da ihr das ihre Stelle würde gekostet haben .
Man deckte drn Tisch ; der Bediente brachte das Brot herein .
Seit langer Zeit hatte Luise kein weißes Brot gesehen ; sie fiel gierig darüber her , denn sie hatte seit vier und Zwanzig Stunden nichts gegessen .
Man sah dieses als ein neues Zeichen von Tollheit an , und da ihre Brüder , welche jetzt eintraten , sich über ihrer Schwester Anwesenheit im Speisezimmer sehr zu verwundern schienen , winkte man den Bedienten sie fortzuführen .
Sie faltete ihre bittenden Hände , sie warf sich auf ihre Knie ; es war alles umsonst :
sie bewirkte nichts , als daß man gewaltsamer verfuhr , und einer der Bedienten sie an der Brust verwundete Der gute Bursche , welcher ihren jüngsten Bruder bediente , hatte ihr immer die größte Menschlichkeit bezeigt .
Er schien wirklich Empfindungen zu haben , die ihn über seinen Stand erhoben .
Er bat sie bei dieser Gelegenheit wehmütig um Verzeihung , daß er den Befehl seiner Herrschaft vollziehen müßte .
Denselben Tag noch schickte man Luisen auf das Gut .
Ihre Mutter beredete sie zur Abreise , unter dem Vorwande , daß sie auf diese Art von ihrer Wärterin befreit sein würde .
Um diesen Preis wäre Luise nach Sibirien gereist .
Sie hatte niemals betrogen , ihr Zutrauen zu anderen war also ungeschwächt , und sie setzte sich arglos zu der Köchin in den Wagen , der sie nach dem Gute führte .
Zufriedenheit wirkt wohltätig , wie alle selten gebrauchten heilsamen Mittel Kaum war Luise abgereist , so fand sich ihr Bewußtsein wieder ein .
Sie blickte mit Vergnügen auf die Gegend umher ; der Weg war derselbe welcher nach M. führte .
Sie bat die Köchin sie dahin zu bringen , denn sie erinnerte sich jetzt , daß sie dort gewohnt hatte , und schmeichelte sich ihren Gemahl da zu finden .
Ihre Begleiterin spiegelte ihr vor , daß er auf dem Gute wäre , und sie selbst nach M. führen würde .
Luisens Ideen waren jetzt ganz hell :
sie freute sich innigst ihn wieder zu sehen , und hoffte ihn so zärtlich wie ehemals zu finden ; er kommt mir entgegen , sagte sie zu sich selbst , er liebt mich also noch .
Ich habe schon gesagt , daß seit ihrer Verstandes-Verwirrung alle ihre hypochondrischen Zufälle aufgehört hatten .
Sie fühlte sich glücklich , weil sie glaubte , nun wären alle Hindernisse gehoben , die sie bis jetzt verhindert hatten , die Pflichten ihres Standes zu erfüllen .
Sie hatte in ihrer Mutter Hause bemerkt , welche Missbräuche daraus entstehen , wenn die Hausfrau durch Krankheit an der eigenen Führung der Wirtschaft verhindert wird .
Sie hatte tausend Betrügereien , tausend unnütze Ausgaben bemerkt , und nahm sich vor , wenn es ihre Kräfte erlaubten , ihres Mannes Haushaltung mit so strenger Ordnung zu führen , daß sie ihn in den Stand setzen könnte , einen unehelichen Sohn , den er vor seiner Heirat gezeugt hatte , bei sich zu erziehen .
Sie hatte in ihrem Herzen das Gelübde abgelegt , diesem Kinde eine zärtliche sorgsame Mutter zu sein .
Sie hielt dieses für Pflicht gegen eine Frau , deren Platz sie , wie ihr Gewissen ihr oft laut vorwarf , sich ungerecht angemaßt hatte .
Der bittere Gedanke hatte sie in allen ihren Leiden verfolgt , und diese als eine göttliche Strafe ansehen lassen .
Sie glaubte strafbar zu sein , indem sie gegen die Mutter dieses Kindes gehandelt hatte , wie sie nicht gewollt hätte , daß man gegen sie handelte .
Selbst in ihren gesunden Tagen hatten sie Blachfelds Sophismen nie ganz beruhigen können ; und wie er ihr in den ersten Zeiten ihrer Verbindung seinen Sohn vorstellte , umarmte sie ihn mit Tränen , bat ihn sie Mutter zu nennen , und beschwor Blachfelden ihn zu sich zu nehmen .
Blachfeld gestand ihr , daß sie durch diese Bitte sein Glück krönte ; allein der ausbrechende Krieg zerstörte Luisens Glück , und ihres Gatten gute Vorsätze .
Diese Bilder erneuerten sich jetzt in Luisens Phantasie ; sie glaubte nun genug gelitten zu haben , um ihre Schuld zu büßen ; sie beschäftigte sich aufs neue mit der Aussicht eines Glückes nach dem Wunsch ihres Herzens .
Sie hoffte ein Kind zu erziehen , die Dankbarkeit seiner Mutter , die Liebe ihres Gemahls dadurch zu erwerben .
Der Wagen kam endlich an ; und anstatt Blachfelden zu finden , wurde sie von der Wärterin empfangen , welche , gierig auf ihre Beute , eben so schnell wie der Wagen angelangt war .
Man sperrte beide zusammen ein , und diese Furie , welche die Peitsche nie aus der Hand legte , verhinderte Luisen das Zimmer zu verlassen , aus Furcht , daß sie sich gegen die Bauern , bei denen sie sehr beliebt war , über sie beschweren möchte , Mit Peitschen-Hieben zwang sie Luisen zu Bette zu gehen , wenn sie lieber gewacht hätte ; aufzustehen , wenn sie lieber liegen geblieben wäre .
Mit Peitschenhieben nötigte sie diese Furie , zu essen wenn sie keinen Hunger hatte , und ohne Durst zu trinken .
Des Nachts mußte sie solche an ihrer Seite schnarchen hören , und zitterte dabei vor dem Anbruch des Tages , wo sie aus einer Brandweinflasche neue Kräfte schöpfte , ihre Gefangene zu peinigen .
Jeder Schluck den sie tat , machte Luisen erstarren ; denn so lange sie nüchtern war , schlug sie nicht .
Der Abscheu , welchen Luise unverhohlen gegen sie zeigte , ( denn sie hatte nie heucheln , nie sich verstellen gelernt , und verachtete jeden Kunstgriff , ) brachte sie nur noch mehr gegen sie auf .
Oft versuchte Luise zu entwischen , aber der arme Vogel zerstieß sich nur den Kopf an den Eisen des Käfigs , ohne seine Freiheit zu finden .
Kaum war sie eine Viertelstunde gegen M. , wo sie Blachfeld in Garnison glaubte , gegangen , als man sie immer wieder einholte .
Wie schlug ihr dann das Herz , wie verdoppelte sie ihre Eile !
Aber die Furcht noch mehr wie die Schwäche lähmte ihre Füße so , daß sie bei jedem Schritte niederfiel .
Sie konnte sich nie denken , daß eine andere Ursache als Krankheit oder Tod ihren Mann und alle ihre Freunde abhielte sie zu erlösen .
Sie betete ganze Nächte lang auf den Knien für ihre Erhaltung , und zog sich durch diese bei ihrer Schwäche höchst peinliche Stellung , einen solchen Geschwulst der Füße zu , daß es eines Morgens zweier Menschen bedurfte , um sie aufzuheben .
Der Gedanke , ihren Mann endlich zu erreichen , gab ihr immer neuen Mut zu entfliehen ; und einmal entwischte sie zu dem Pfarrer des Dorfs .
Kaum war sie ins Haus getreten , als sie aus Müdigkeit und Mangel an Atem hinsank .
Man nahm sie mit Güte auf , ließ sie am Ofen sitzen , pflegte sie , bot ihr warmes Bier an .
Der Anblick einer versammelten Familie , die friedlich um ihren Ofen her saß , goß Ruhe in Luisens verödeten Geist ; die Macht einer guten Behandlung war immer so wirksam in ihr gewesen , daß sie zu sich selbst kam .
Sie bat sich auf diese einzige Nacht ein Bette aus , aber die armen Leute waren zu furchtsam , um ihre Bitte zu gewähren .
Sie versprachen , sie zu Blachfelden in die Garnison zu bringen , und führten sie unter diesem Vorwande auf das Gut zurück .
Luise mußsich für bezaubert halten , da sie , trotz alles ihres Bestrebens sich zu entfernen , trotz aller Versprechungen die ihr von allen Seiten gegeben wurden , sich immer wieder in ihr Gefängnis zurückgeführt sah .
Die Wärterin , deren Bosheit sie zum Spielwerk diente , fragte sie endlich eines Tages , ob sie Lust hätte zu ihrer Mutter zu gehen ?
Luise nahm den Vorschlag freudig an : überzeugt , daß wenn es ihr gelänge , ihre Mutter nur noch einmal zu sprechen , sie gewiß nicht mehr von ihr verlassen werden würde .
Wie sie in einen Wald kamen , durch welchen ihr Weg sie führte , blieb die Wärterin stehen , und sagte lachend :
" Nun wäre es Zeit wieder nach Hause zu gehen "
Die Verzweiflung bemächtigte sich des armen Weibes .
Entschlossen erklärte sie , daß sie eher sterben würde , als in ihr Gefängnis zurückkehren .
Sie warf ihre Tyrannin zu Boden , und hätte sie in diesem Augenblicke umbringen können , wenn nicht der Gedanke an die Reue , welche sie dieser Tat wegen ewig verfolgen würde , sie abgehalten hätte .
Das Weib überwältigte sie , und bald waren die Dornen und Sträucher um sie her von dem Blute gefärbt , das unter ihren Schlägen von Luisens Schultern floß .
Sie mußte nun den Rückweg antreten , auf welchem sie bei jedem Schritte vor Schwäche fast niedersank , als ihnen ein Metzger begegnete , der sie im Gehen unterstützte .
Luise bot diesem Manne fünfhundert Taler in Golde , wenn er sie aus den Händen der Wärterin befreien wollte ; und sie hätte ihr Wort gehalten , wäre sie auch genötigt gewesen , ihren Schmuck und ihre Kleider zu verkaufen : allein der Mensch war so einfältig , diese Gelegenheit unbenutzt zu lassen , und brachte sie ohne Umstände nach dem Gute zurück .
Hier nahm eine neue Qual ihren Anfang .
Die Wärterin sagte aus , Luise habe sie umbringen wollen , und rief drei andere Weiber zu Hilfe , welche sie mit Stricken banden , und nackend auszogen .
Vor Schrecken verlor Luise den Verstand von neuem .
Sie glaubte schwanger zu sein , und sagte zu der einen von diesen drei Weibern , die Haushälterin auf dem Gute war :
" Mein Mann wird euch strafen , wenn ihr auch mein Kind umbringt . "
Unglücklicher Weise hatte sich dieses Weib in ihrer Jugend verführen lassen , und um ihren guten Ruf zu erhalten , hatte sie ihre Schwangerschaft vorsätzlich hintertrieben :
sie glaubte jetzt , bei dem Nachdruck welchen Luise auf diese Worte legte , daß sie von ihrer Geschichte unterrichtet wäre , und ihr böses Gewissen ließ sie einen Vorwurf darin finden .
Nichts bringt schlechte Menschen mehr auf , als verdiente Vorwürfe .
Dieses Mädchen , denn sie war eine alte Jungfer geworden , war außerdem im ganzen Dorfe für einen Teufel an Bosheit bekannt , und hatte also von dieser Seite keinen guten Namen zu verlieren .
Sie zerriß Luisens nackten Leib mit Rutenstreichen , so daß das Blut von allen Seiten herablief , und fuhr so lange mit dieser fürchterlichen Behandlung fort , bis ihr Schlachtopfer sinnlos niedersank .
Man hielt sie für tot , und brachte sie voll Schrecken zu Bette , wo man ihre Wunden verband , deren Narben noch nach achtzehn Monaten sichtbar waren .
Sechs Wochen darauf kam ein Freund von Luisens Brüdern auf das Gut , und diesem zeigte sie , so weit es die Sittsamkeit erlaubte , die Mahle ihrer erlittenen Mißhandlungen .
Er schauderte , und da er Luisen völlig bei Verstande fand , unterrechtere er ihre Mutter davon , die vor Freude über diese glückliche Nachricht weinte .
Sobald Luise Kraft hatte die Feder zu halten , war ihr erstes Geschäft ihr Testament zu machen , in welchem sie diesem Freunde ihrer Brüder , der sie von ihren Henkern befreit hatte , fünfzehn hundert Taler als ein geringes Zeichen ihrer innigsten Dankbarkeit zusicherte .
Luise hatte sich nie viel aus dem Gelde gemacht , wie es selbst die Wahl ihres Gatten bewies ; aber in ihrer Krankheit hatte sie den Wert desselben kennen gelernt .
Denn wäre sie im Stande gewesen , ihre Wärterin , die ihr oft welches abforderte , zu befriedigen , so hätte sie sich gewiß manche ruhige Stunde verschafft ; allein Blachfeld hatte die Vorsicht gebraucht , sich vor seiner Abreise ihr Geld aushändigen zu lassen , und in der ganzen Zeit ihrer Krankheit , das heißt länger als ein Jahr , hatte er ihr nie einen Pfennig geschickt .
Dieses kam ihr um so befremdlicher vor , als sie vor ihrer Abreise immer Geld in Händen gehabt hatte ; denn seit ihrer Volljäh rigkeit erhielt sie jährlich vierzig Pistolen zu ihren willkürlichen Ausgaben , und hatte nie einen üblen Gebrauch davon gemacht .
Man benachrichtigte Blachfelden von der Wiederherstellung seiner Frau .
Er konnte sich nicht länger weigern mit ihr zu leben ; aber seine Liebe war erloschen .
Luise begab sich also nach M. , wo ihr Mann gewöhnlich lebte , und erkannte bald in jedem kleinen Zuge die Veränderung seiner Gesinnungen .
Blachfelds häusliche Einrichtung war durch die traurigen Umstände seines ehelichen Lebens , in dem letzten Jahre ziemlich wieder in den eingeschränkten und unbequemen Zustand seiner Junggesellenzeit geraten .
Er heizte nur ein Zimmer , und erklärte , daß er um seiner Frau Willen kein zweites heizen würde .
Luise stellte ihm mit Sanftmut vor , daß sie sich doch nicht in seiner Gegenwart , noch viel weniger vor seinen Bedienten und den vielen Offizieren , die ihn früh Morgens besuchten , ankleiden und aufstehen könnte .
Er stampfte mit dem Fuße , und rief , er wäre nicht reich genug , um eine doppelte Heizung zu bestreiten .
Hätte er sein armes Weib noch geliebt wie ehemals , so würde er gefühlt haben , daß es in diesem Falle natürlicher gewesen wäre , seine Besuche im kalten Zimmer anzunehmen , und seiner kaum das Krankenlager verlassenden , schwächlichen Frau , das geheizte zu überlassen .
Seit einem Jahre hatte nun Luise keinen ihrer alten Bekannten gesehen .
Sie sehnte sich nach ihrer Freundin in M. ; da es aber regnete , bestellte sie einen Mietwagen , den Blachfeld zwar bezahlte , ihr aber zürnend vorwarf , daß es eine unnütze Ausgabe sei .
Sie mochte entbehrlich sein diese Ausgabe : war es aber nicht ihr erstes Vergnügen , nach einem Jahre des bittersten Leidens , das ein fühlendes , denkendes Wesen nur befallen kann ?
Luisens Vernunft war geheilt , aber ihr Körper noch sehr schwach ; sie vermißte ein Arzneimittel , welches sie bei ihrer Abreise von dem Gute vergessen hatte .
Da sie aber keine Auskunft wußte , um es sich zu verschaffen , hätte sie es entbehrt , wenn nicht Blachfelds Bedienter , voll Mitleid über den hinfälligen Zustand seiner Herrschaft , sich erboten hätte , nach dem Gute hinüber zu reiten , um es zu holen .
Sie nahm dies mit Freuden an , und entschuldigte sich bei ihres Mannes Nachhausekunft , seinen Bedienten ohne sein Vorwissen fortgeschickt zu haben .
Blachfeld war ungerecht genug , ihr harte Vorwürfe darüber zu machen , und setzte hinzu , daß er gern Herr in seinem Hause wäre .
Wirklich er war es so sehr , daß Luise keine Magd hatte , und keine mieten durfte , da sie ihren Lohn nicht zu bestreiten wußte .
Blachfeld hatte nur einen Bedienten , der bis zur Ankunft eines Nähemädchens , das ihre Mutter ihr endlich schickte , Luisens ganze Aufwartung war , Ihre Freunde hatten gleich Anfangs die Notwendigkeit eingesehen , ihr eine Dienstmagd zu verschaffen ; aber alle Mädchen die sich Blachfelden vorstellten , schickte er fort , unter dem Vorwande , daß seine Frau keine Magd gebrauche .
Luise hätte sich gern alle Entbehrungen , sobald sie ihr Herz nicht angingen , gefallen lassen ; aber sie war krank , und hatte keinen bequemen Stuhl , um sich auszuruhen , kein Kanapee , um zu liegen .
Blachfelds eigenes Zimmergerät war nur nur zum Luxus und Glanze , keineswegs zur Bequemlichkeit eingerichtet , und alles was ihm Luise als Ausstattung zugebracht hatte , war während ihrer Krankheit verkauft worden .
Das Essen wurde aus dem Speisehause geholt : allein da Luisens Gesundheit noch sehr hinfällig war , befand sie sich bei dieser Lebensart so schlecht , daß sie einst , als Blachfeld über die Teure des Speisewirtes klagte , ihn bat , ihr Geld zur Führung einer eigenen Wirtschaft zu geben .
Kaum hatte sie ausgeredet , so ließ er einen Wagen kommen und fuhr weg .
Luisen war dieses Betragen von einem Manne , der so oft seine Ungeschicklichkeit in Haushaltungsgeschäften selbst eingestanden hatte , unbegreiflich :
er hatte sie ehemals selbst gebeten , alle Ausgaben zu übernehmen , und hatte sich nur eine kleine Summe als Taschengeld vorbehalten .
Diese Einrichtung war zwar durch die nichtswürdige Klatscherei einer unvorsichtigen Frau , welcher Luisens damaliges Ansehen bei ihrem Gemahl ( denn diese Ordnung fand vor ihrer Gemütskrankheit statt ) wahrscheinlich Neid eingeflößt hatte , bald zerstört worden :
doch hatte ihr Blachfeld in den Dingen , die eine Frau besser verstehen muß , auch noch seitdem freie Hand gelassen .
Das Nachdenken über sein jetziges Betragen hatte so wenig tröstliches für sein Weib , daß sie bald nach ihm auch ausging .
Die Angewohnheit der freien Luft zog ihr aber so grausame Zahnschmerzen zu , daß sie zwei Nächte kein Auge schloß .
Blachfeld fuhr an demselben Tage in Begleitung seines Bedienten nach D. , und ließ sie mit dem Nähemädchen ganz allein .
Diese , die in der Garnison eben so fremd wie Luise war , gab eine schlechte Krankenwärterin ab , so daß es ihr auch erst nach zwei Tagen glückte , Luisen einen Chirurg zu verschaffen .
Nach einigen Tagen kam Blachfeld zurück , und ihm nach trat ein Mädchen , geputzt wie eine Operntänzerin herein , die er seiner Frau als Köchin vorstellte .
Luise erkannte sie sogleich wieder :
denn sie hatte sich ihr vor ihrer Abreise von ihrer Mutter Gute angeboten ; aber Luise wollte sie damals , ungeachtet der Vorstellungen ihres Mannes nicht annehmen , weil man ihr gesagt hatte , daß das Mädchen in einem schlechten Hause gelebt hätte .
Blachfelds Betragen war Luisen nun leider zu deutlich .
Sie hätte ihm seinen Geschmack an einem Mädchen das blühend und schön war , gern zu gute gehalten , da sein armes Weib ja krank und verkümmert aussah ; aber er konnte das Mädchen anderswo unterbringen , nichts berechtigte ihn , seine Frau zu zwingen , daß sie ihre Nebenbuhlerin in ihren Dienst nähme .
Luise machte Gegenvorstellungen ; statt einer bündigen Antwort half er sich , wie es immer geschieht wenn man eine schlechte Sache zu verteidigen hat , mit falschen Ausflüchten ; und obgleich er die Veranlassung zum Streit gegeben hatte , klagte er doch über den Widerspruchsgeist seiner Frau , und wünschte sich hundert Meilen weit hinweg .
Luisens Gefühl war zu zart , um ihres Mannes Wohnung wider seinen Willen zu teilen :
sie entschloß sich der Neuangekommenen ihren Platz zu überlassen , und bat Blachfeld sie zu ihrer Mutter zu schicken , die sie nun in drei Monaten nicht gesehen hatte .
Sie erhielt leicht seine Einwilligung zu ihrer Abreise , allein ihm lag zu viel daran , bei Luisens Mutter sowohl als bei ihren Brüdern vor ihrer Ankunft Gehör zu haben : er gab also dem Kutscher heimlich Befehl , sie nicht nach D , sondern nach dem Gute zu führen .
Er selbst aber schrieb an die Familie , und suchte sie auf alle mögliche Weise zu überreden , seine Frau sei noch so wenig bei Sinnen wie vorher , und ihr Zustand mache es ihm unmöglich mit ihr zu leben .
Er fand nur zu leicht Glauben , wie man sogleich sehen wird .
Luise verließ , in der Überzeugung bald ihre Mutter zu umarmen , die Garnison , und man kann sich ihre Verzweiflung vorstellen , als der Kutscher auf dem Gute anhielt , und ihr ankündigte , daß sie hier zu bleiben hätte .
Anfangs wollte sie durchaus nicht aussteigen .
Der Ort wo sie die grausamsten Mißhandlungen erlitten hatte , war ihr zum Abscheu geworden ; allein man brachte sie mit Gewalt aus dem Wagen , und ihre Familie , durch Blachfelds Berichte irre geleitet , ließ sie acht Tage in einer Einsamkeit , die um so fürchterlicher war , als sie nicht wußte , ob man sie nicht auf ewig dazu verdammt hätte .
Endlich kam ihr ältester Bruder um sie abzuholen ; aber diese Erlösung geschah auf eine Art , die sie nur noch schmerzlicher betrüben mußte , weil sie aus allen seinen Reden merkte , daß man hartnäckig darauf bestand , sie für wahnsinnig zu halten .
Er sagte ihr , die Bauern des Gutes hätten ihm endlich erlaubt sie fortzuführen , aber nur unter der Bedingung , daß man sie bei dem ersten Anzeichen von Tollheit wieder ihrer Obhut übergeben sollte .
Von Leiden gedrückt , antwortete Luise nichts , und begnügte sich mit dem Glücke , aus ihrem Gefängnisse befreit zu werden .
Den Tag nach ihrer Ankunft in die Stadt wollte Luise in die Kirche fahren :
man verweigerte ihr die Pferde , unter dem Vorwande , daß sich jedermann über sie erschrecken würde .
Umsonst versicherte sie , auf dem Gute Besuche gemacht und angenommen zu haben : ihres Mannes Brief hatte zu gut gewirkt , als daß man auf sie gehört hätte .
Sie mußte endlich heimlich entwischen , um dem Lenker ihres Schicksals für die ihr wiedergeschenkten größten Güter des Menschen , für Freiheit und Vernunft zu danken .
Ihr ältester Bruder hatte sie sonst zärtlich geliebt ; wie sie so elend krank vom Bade zurückkehrte , hatte er über ihr Leiden geweint ; ja einmal kam er sogar mit seiner Violine an ihr Bett , um zu versuchen , ob vielleicht der Zauber der Musik ihren verwirrten Geist zurückriefe .
Guter Mann , was hatte jetzt dein Herz gestählt ?
Konntest du ohne eigene Untersuchung , auf den Bericht eines Menschen hin , der seiner Frau in ihrer Krankheit nie so viel Güte als du bewiesen hatte , deine Schwester so lange Zeit mit dem hartnäckigsten Mißtrauen behandeln ?
Wußtest du nicht , daß dein kaltes Mitleid weit beleidigender als tröstend war ?
Luise war jetzt in einer sehr traurigen Lage .
Ihr Gemahl sagte sich von ihr los , und sie hatte doch um seinetwillen alle Vorteile verloren , die ihr das väterliche Haus sonst darbot .
Alle Zimmer bei Madame N. waren besetzt : allein lieber als auf das Gut zurückzugehen , begnügte sich Luise mit einer kleinen dunklen Kammer , wo sie aus Mangel an Luft fast erstickte .
Wie die Jahreszeit herankam , wo ihre Mutter auf das Gut mußte , um die persönliche Aufsicht über ihre Arbeiter zu führen , hatte Luise zwar mehr Platz ; aber sie war ohne Magd zur Aufwartung , und um ihre Kränkung zu vollenden , traf es sich , daß der einzige Bediente eines ihrer Brüder , welcher ihr aus Mitleid das Essen aus der Garküche holte , in den ersten glücklichen Tagen ihrer Ehe bei Blachfelden gedient hatte , welcher ihn oft mit Stockschlägen mißhandelte , und endlich mit der Beschuldigung , ihn bestohlen zu haben , fortjagte .
Luisens Bruder hatte ihn seitdem in seine Dienste genommen , und nach Art dieser armen Leute , deren Erziehung nicht dazu gemacht ist , ihr Gefühl zu berichtigen , ließ er sie nun ihres Mannes Härte entgelten , verweigerte ihr oft seine Dienste , und sie mußte es selbst mit anhören , daß er zu seinen Kameraden sagte :
" Die Zeit ist vorbei , wo ihr Mann mein Herr war ! "
Mit Geld kann man alle Herzen gewinnen ; aber dieses Mittel stand nicht oft in Luisens Gewalt . denn sie hatte zur Bestreitung ihres ganzen Unterhalts nichts als das Taschengeld , welches ihr als Mädchen ausgesetzt worden war , und von ihrem Manne mit keinem Pfennige vermehrt wurde .
Wenn die Winke , die man Luisen damals gab , daß er dieselbe Zeit , wo sie einsam fast gegen Mangel kämpfte , in Lustbarkeiten und Wohlleben hinbrächte , einigen Grund hatten , so mußte sein ehemals so edles Gefühl schon sehr ausgeartet sein .
Das Betragen von Luisens älterem Bruder kann sehr tadelhaft scheinen : allein es entstand nur aus menschlicher Schwäche .
Seine fortwährende Furcht vor einem neuen Anfall von Wahnsinn hielt ihn ab , mit seiner Schwester zu speisen , und lag ihm so am Herzen , daß er selbst , wenn er Damengesellschaft hatte , sie nie einlud .
Er bewarb sich damals um ein sehr reizendes Frauenzimmer , und die Zerstreuung welche dieser Plan ihm gab , trug sehr dazu bei , seine Teilnahme an seiner Schwester zu schwächen , Außerdem glaubte er , daß eine Vereinigung zwischen Luisen und ihrem Gatten um seines eigenen Glückes Willen notwendig sei , und hoffte durch Kränkungen und Vernachlässigung sie so weit zu bringen , daß sie endlich von selbst danach verlangen sollte .
Luise was nicht verzärtelt :
wenn sie aber ihren Bruder täglich in einer glänzenden Kutsche von zwei Lakaien begleitet ausfahren sah , indes sie , deren arme schwache Beine sie kaum fortschleppten , zu Fuße ausgehen , oder bei dem schönsten Wetter eingesperrt bleiben mußte , stieg wohl Bitterkeit in ihrem Herzen auf .
Sie konnte sich dann nicht enthalten zu denken : Würde ich mehr leiden müssen , wenn ich mich geweigert hätte , meine Neigung euren Vorurteilen zu opfern ?
Indessen zürnte sie ihrem Bruder deswegen nicht :
er hatte ihr ehemals zu viele Beweise seiner Zärtlichkeit , seines unbegrenzten Zutrauens gegeben .
Jetzt war er nur mit seiner Liebe zu sehr beschäftigt , um an sie zu denken .
Aber Blachfeld , für den sie alles geopfert , für den sie Leben und Seligkeit gegeben hätte , - dieser schrieb ihr nicht einmal ein Wort .
Zu ihr kommen konnte er nicht , denn der Fürst hatte ihn mit einem Auftrage verschickt ; aber zu schreiben hielt ihn nichts ab .
Indessen hätten die Grundsätze , die er in dieser Zeit über Ehe und Freiheit der Neigungen äußerte , Luisen auf den Schlag der sie bedrohte , vorbereiten können .
Menschen die ihn damals sich mit seinen Grundsätzen brüsten hörten , konnten kaum glauben , daß es derselbe Mann wäre , der sich so hartnäckig und mit so zahllosen Mitteln um die Hand einer Frau bemüht hatte , die er jetzt zu verstoßen wünschte .
Endlich erhielt sie einen Brief von ihm : aber Gott , welchen Brief !
Er forderte sie zur Scheidung auf , und legte einen Zettel an ihre Mutter bei , den aber Luise nicht das Herz hatte abzugeben .
Sie wußte , daß diese wohlmeinende Frau ihr höchstes Glück in diese Ehe gesetzt hatte ; sie wußte , wie sehr sie durch den üblen Erfolg ihres Planes litt .
Es war ihr unmöglich , ihr die Botschaft zu bringen , welche die völlige Vernichtung aller ihrer Hoffnungen enthielt .
Luise erfuhr jetzt , daß ihr Mann in D. angekommen war .
Sie schlich von Wirtshaus zu Wirtshaus um ihn aufzusuchen .
Die Hitze erschöpfte sie bis zur Ohnmacht : sie sah sich genötigt einen Mietswagen zu nehmen um ihre Nachforschungen fortzusetzen , und fand endlich den Gasthof , wo Blachfeld abgestiegen war .
Er war ausgegangen .
Sie ließ sich auf sein Zimmer führen , wo sie drei fürchterliche Stunden in einer Spannung zubrachte , die keine Feder beschreibt .
Ihr Zustand wurde ihr endlich so unerträglich , daß sie ein Buch forderte , um sich zu zerstreuen : man gab ihr eine elende deutsche Übersetzung der neuen Heloise , und sie hatte sie in Händen , als Blachfeld hereintrat .
Seine erste Bewegung war zu fliehen ; sie hielt ihn aber zurück , und bat um Gehör .
Das Buch fiel ihr aus der Hand ; Blachfeld hob es auf , und da er den Titel erblickte , nahm er Gelegenheit ihr Verweise zu geben , indem er sagte :
dieses Buch verdrehe allen jungen Leuten den Kopf , und habe den ihrigen auch verdreht .
Er hatte vergessen , wie sehr er ihr ehemals anlag , dieses Werk mit ihr lesen zu dürfen .
Luise hatte es unter ihres Vaters Aufsicht gelesen , und neue Liebe für die Tugend , und Abscheu gegen das Laster daraus geschöpft .
Was Blachfeld jetzt sagte , bewies Luisen nur , wie sehr er sich an ihr irrte ; und es gab ihr zugleich Hoffnung , ihn zurück zu bringen , weil alle seine Irrtümer aus dieser Quelle fließen konnten .
Sie hörte ihm also geduldig und mit Ergebung zu , und gab ihm in allen seinen Vorwürfen Recht .
Er erlaubte ihr dagegen eine Magd zu mieten , und bat sie , zu ihrer Mutter auf das Gut zu gehen , von wo er sie selbst nach der Garnison abholen wollte ; er dankte ihr sogar , den Brief an ihre Mutter zurückbehalten zu haben .
Luise eilte seinen Wünschen nachzukommen , und ihrer Mutter die günstige Wendung ihrer Angelegenheiten mitzuteilen .
Blachfeld kehrte indes nach M. zurück , wo er Zeit hatte , sein eben gegebenes Versprechen zu bereuen .
Er sah daß seine Waffenbrüder , unter denen die meisten brave Hausväter waren , sich alle überflüssigen Ausgaben , alle unnützen Lustbarkeiten versagten , um für das Beste ihrer Familie zu sorgen .
Diese Einschränkung mißfiel ihm , zumal da er seit den achtzehn Monaten , wo ihm der Unterhalt seiner Frau gar nichts kostete , deren entwöhnt war , und seit seiner Reise noch mehr Geschmack an Zerstreuung bekommen hatte .
Er schrieb dem zu Folge an seine Schwiegermutter , daß Luise seinen ersten Brief an sie aufgehalten , daß er sie seitdem zwar gesprochen hätte , aber durch ihre Vorwürfe nur noch mehr erbittert worden wäre .
So kam Luise wieder unter die Aufsicht der Madame N. , die jetzt durch alle diese Umstände gegen das arme Weib so aufgebracht war , daß sie ihrer Mutter Herz , ihre einzige letzte Stütze verlor .
Umsonst beteuerte Luise ihre Unschuld : man war überzeugt , daß sie Blachfelden bei ihrer letzten Zusammenkunft seine Untreue vorgeworfen hätte , welches doch so falsch war , daß sich Blachfeld selbst gegen einen seiner Freunde rühmte , er hätte diese stolze Seele endlich gedemütigt .
War es nicht genug , ein harmloses Geschöpf aus dem Schoße des Überflusses zu reißen ; durch tausend schöne Raisonnements , tausend wohl angebrachte Anmerkungen über die Fehler anderer Ehemänner , sich endlich das Zutrauen des truglosen Herzens zu erwerben : mußte er sie noch , nachdem sie Annehmlichkeit des Lebens , Gesundheit , Vernunft und Glück geopfert hatte , endlich gar verstoßen ?
sie fühlen lassen , daß sie geringer als der letzte Knecht geachtet würde ?
Denn wenn dieser im Dienst erkrankt wäre , so hätte Blachfeld ihn verpflegt !
Der Anblick des mütterlichen Kummers zerfleischte Luisens Herz .
Sie wagte noch einen Versuch , und schrieb an Blachfeld .
Seine Antwort bewies ihr , wie vergeblich alle Hoffnung war :
er fuhr fort seiner Schwiegermutter die bittersten Vorwürfe darüber zu machen , daß sie ihm nicht bei Zeiten entdeckt hätte , wie Luise einer Gemütskrankheit ausgesetzt wäre , indem dieses Bewußtsein ihn von aller weiteren Bewerbung abgehalten haben würde .
Und doch hatte ihm Luise über diesen Gegenstand alles gesagt , alles geschrieben , was die erfahrensten Ärzte ihm hätten sagen können .
Sie hatte ihm die umständlichste Beschreibung ihrer Schwermut gemacht : aber gewöhnt , sich von seinen Leidenschaften beherrschen zu lassen , hatte er sie aus einem Anfall von Laune zu seinem Weibe gemacht , und nun machte er sie zu seinem Opfer .
Endlich langte ein dritter Brief bei der Mutter an , worin Blachfeld fortfuhr ihre Tochter in einem gehässigen Lichte darzustellen , indem er um eine Zusammenkunft bat , und es zur Bedingung machte , ( ein Beweis wie wenig er selbst seiner guten Sache traute ) daß Luise nicht gegenwärtig sein sollte .
Madame N. hatte die Schwäche , sich dazu zu verstehen .
Die Zusammenkunft fand statt , und Blachfeld legte die Bedingungen vor , unter welchen er seine Frau wieder aufnehmen wollte .
Das unglückliche Weib sollte auf dem nämlichen Fuße in seinem Hause wohnen , den sich seine Mätressen hatten gefallen lassen .
Wie Luise diesen demütigenden Vorschlag erfuhr , stürzte sie ihrer Mutter zu Füßen , und gelobte , lieber wie Magd zu dienen , als um diesen Preis in ihres Mannes Hause zu leben .
Blachfeld schwor sich für diese Weigerung zu rächen .
Ein Abgrund von Abscheulichkeit öffnete sich nun vor Luisen .
Blachfeld schleppte sie von Gerichtshof zu Gerichtshof ; er setzte sie den bittersten Kränkungen aus .
Er las öffentlich ihre Briefe vor , die sie ihm in der Zeit geschrieben hatte , wo sie auf seine Redlichkeit als auf ihre unerschütterlichste Stütze vertrauend , ihm alle ihre geheimsten Gedanken , ja sogar die Träume , über welche sich ihr furchtsames Gewissen Vorwürfe machte , mitgeteilt hatte .
Abscheu und Mitleid bemächtigten sich selbst der Richter , und machten sie zu ihren Verteidigern .
Endlich wurden Blachfeld und seine Frau gegen einander verhört .
Blachfeld erblickte Luisen , und seine Tränen flossen .
Sie sah seine Rührung , und alles war vergessen .
Sie warf sich in seine Arme und versprach jeden Vorschlag einzugehen ; und Blachfeld war großmütig genug , Luisens Bedingungen jetzt anzunehmen , und feierlich zu unterzeichnen .
Luisens Ruhe wäre vielleicht in diesem Augenblick auf immer begründet worden , wenn die Einmischung eines dritten ihr nicht neuen Kummer zubereitet hätte .
Blachfelds Sachwalter war ein Rabulist , den man beschuldigte , schon mehr als einen gütlichen Verein zwischen Eheleuten verhindert zu haben .
Dieses gelang ihm zwar nicht in Blachfelds Sache ; allein er legte Luisen eine Schrift zur Unterzeichnung vor , die ganz zu Blachfelds Vorteil abgefaßt war .
Luise gestand darin ein , daß sie ihren Mann durch unverträgliche Laune zu einer Trennung gezwungen hätte , und daß er , wenn die Dinge je wieder auf diesen Punkt kämen , von jeder Verbindlichkeit gegen sie freigesprochen sein sollte .
Luise fand diese Klausel höchst abgeschmackt Unter allen Klagen welche ihr Mann gegen sie geführt hatte , war Unverträglichkeit und üble Laune nicht mitbegriffen gewesen , und er hatte sogar mehrmals von ihr gesagt , daß sie von Eigensinn und Launen ganz frei wäre .
Allein was konnte Luise in diesem Augenblick beschließen ?
Blachfeld hielt sie in seinen Armen , und bat sie zu unterschreiben , um diesen Wohnsitz der Schikane so schnell als möglich zu verlassen .
Luisens Advokat sagte ihr ins Ohr :
" Unterzeichnen Sie nur :
es sind hier Zeugen genug gegenwärtig , welche im Fall der Not beweisen können , daß Sie überredet wurden . "
Luise unterschrieb endlich ihren Namen , und der Friede war geschlossen .
Allein wie ängstlich und unsicher war dieser Friede ? wie abhängig von den Launen eines Mannes , dessen Härte und Wankelmut sie nur zu deutlich kennen gelernt hatte ?
Ein Mittel wäre noch gewesen . ihre Unschuld und ihr Recht geltend zu machen .
Es gab in jenen Lande einen Gerichtshof , dessen unbestechliche Unparteilichkeit allen Tribunalen zum Muster dienen sollte ; an diesen zu appellieren stand Luisen frei : allein ihre Mutter hing zu fest an dem hergebrachten Vorurteil .
Sie zitterte , den guten Ruf ihrer Tochter durch einen längeren Rechtsstreit leiden zu sehen , und ohne sie zu einer Aussöhnung zu überreden , beschwor sie Luisen , sich nicht bei einer höheren Instanz zu melden .
Diese Bitten wirkten mächtiger als jeder andere Zwang , um ihre Aussöhnung zu Stande zu bringen , und ihre Mutter hatte von neuem Hoffnung , daß die Ehe ihrer Tochter eine glücklichere Wendung nehmen würde .
Blachfeld hatte indessen einige Schulden gemacht .
Um sie mit mehrerer Leichtigkeit bezahlen zu können , verstand sich Madame N. dazu , ihre Tochter noch auf sechs Monate zu sich ins Haus zu nehmen , und Blachfeld ließ es dabei bewenden , ihr eine Kleinigkeit für Holz und Wohnung zu zahlen .
Bald aber sah sich Luise mit einem neuen Rechtshandel bedroht .
Die Bürgschaft welche sie , wie schon gemeldet worden ist , vor ihrer Heirat geleistet hatte , erforderte jetzt eine schleunige Zahlung ; und um ihre Verlegenheit zu vermehren , äußerte ihre Mutter , wenn gleich mit vieler Sanftmut , daß sie die Blachfelden vorgestreckte Summe zurück zu haben wünschte .
Ihr blieb in dieser peinlichen Lage nur ein Mittel , das sie mit Zutrauen ergriff .
Sie schrieb an den Fürsten , in dessen Diensten ihr Vater gestanden hatte , und erinnerte ihn an das Versprechen , das er ihrem Vater gegeben hatte , für seine Tochter , als das einzige seiner Kinder , deren Talente ihr nicht zum Broterwerb dienen könnten , vorzüglich zu sorgen ; sie entdeckte ihm ihr jetziges Bedürfnis .
Der gute Fürst schickte ihr die erforderliche Summe , und außerdem die Anweisung auf eine jährliche Pension von dreihundert Talern .
Manches Weib hätte vielleicht diese Gelegenheit eifrig ergriffen , um sich von ihrem Manne unabhängig zu machen ; aber Luisen war dieser Wunsch so fremd , daß sie unverzüglich eilte , Blachfelden zum unumschränkten Herrn der Pension zu machen , und sich nur das kleine Kapital vorbehielt , um ihre und Blachfelds Schulden zu bezahlen .
Um den Eindruck dieses günstigen Vorfalls und ihrer Uneigennützigkeit bei Blachfelden auszulöschen , mußte sich ein unglückliches Mißverständnis in den Weg stellen .
Luise hatte ihm kurz vorher einen zärtlichen Brief geschrieben , in welchem sie aber die Unvorsichtigkeit beging , ihn auf eine feine Art darüber aufzuziehen , daß er , wie man ihr versichert hatte , allenthalben behauptete , eine Stelle ausgeschlagen zu haben , die niemand den Einfall gehabt hatte ihm anzubieten .
Dieser Scherz war bei dem Verhältnisse der beiden Eheleute gewiß so unschicklich , als gegen einen Mann überhaupt übel angebracht : allein Blachfelds ungestümer Verdruß strafte Luisen noch härter als sie es verdient hatte .
Er schickte ihr die zerrissenen Stücke ihres Briefes zu rück .
Diese Härte verhinderte Luisen nicht , ihm den neuen Beweis der Gnade ihres Fürsten zum Opfer zu bringen .
Es lag in ihrem Charakter , dann am sanftesten und nachgebendsten zu sein , wenn das Glück ihr lächelte .
Blachfeld hatte indes gefühlt , daß Luisens übereilter Scherz keine so harte Strafe verdiente , und schrieb ihr einen zweiten Brief , in welchem er sie um Verzeihung bat , und ihr meldete , er würde selbst nach D. kommen , um die Aussöhnung zu versiegeln .
Durch einen Zufall kam der Brief zu spät in Luisens Hände , so daß sie nicht mehr Zeit hatte vor Blachfelds Abreise darauf zu antworten .
Blachfeld hielt also Luisens zweiten Brief , in welchem sie ihm das Geschenk des Fürsten meldete , für die Antwort auf sein reuiges Schreiben , und fand in ihrer Großmut nun weiter gar kein Verdienst , sondern wurde noch obendrein empfindlich , daß sie über seinen bevorstehenden Besuch keine Freude bezeugte .
Luise erwartete ihn indessen mit Ungeduld , und ging ihm bei seiner Ankunft so eilig entgegen , daß sie strauchelte , und einen Fall tat , der , außer daß er sie schmerzlich verwundete , ihr die gefährlichsten Folgen hätte zuziehen können , da sie sich in dem Anfange einer Schwangerschaft befand .
Blachfeld , zu ungestüm , um mit einer anderen Idee als der des ihm vermeintlich getanen Unrechts beschäftigt zu sein , überhäufte sie mit Vorwürfen , und es kostete die größte Mühe , selbst über die Um stände durch welche sie ihre Pension erhalten hatte , ihn zufrieden zu stellen .
Luisens Mutter riet ihr diesen Zeitpunkt zu benutzen , um ihren Mann zu bitten , daß er ihr zu ihrer künftigen Wirtschaft eine zweite Magd , die ihr bevorstehendes Wochenbett unentbehrlich machte , halten möchte .
Diese Forderung brachte Blachfelden von neuem auf ; er behauptete , sie mache es wie alle Weiber , welche ihre Forderungen immer höher spannten , je mehr man ihnen zugestände .
Ihm schien es , daß eine einzige Magd für die Küche und zur Pflege des Kindes völlig hinreichend wäre , und daß Luise übrigens wie andere Weiber für sich und ihren Mann nähen könnte .
Und zu eben der Zeit fand derselbe Mensch , daß ein Brdienter nicht mehr zu seiner Aufwartung und Besorgung der Pferde hinreichte !
Luisen fiel in diesem Augenblicke ein Schleier von den Augen , sie sah wogegen sie sich bis jetzt verblendet hatte ; sie sah deutlich , daß Blachfeld ein Egoist war .
Schon ehemals , in den ersten Wochen ihrer Ehe , als er noch den Tisch bei seiner Schwiegermutter hatte , machte er es ihr einmal zum Vorwurf , daß sie nicht lieber eine Köchin statt einer Kammerfrau hielte , weil diese sich weigerte früh morgens um drei Uhr aufzustehen , um ihrem Herrn den Kaffee zu machen .
Blachfeld hatte damals , da er im Begriff stand zu der Armee zu gehen , nicht weniger als fünf Bediente , die jenen Dienst eben so gut verrichten konnten .
Indes warf er ihr vor , daß sie diese Magd besser , als alle ihre Bekannten die ihrigen , bezahlte , und wollte ihren Gründen , daß die ihrige dafür desto mehr arbeitete , und doch nicht für zwei äße , kein Gehör geben .
Luise fing jetzt an zu fürchten , daß der Geiz , dieses alle Lebensfreuden zerstörende , und mit dem Alter immer wachsende Laster , einigen Anteil an ihres Mannes Charakter hätte .
Was kurz darauf erfolgte , bestätigte sie in dieser traurigen Ahnung .
Der Fürst wurde durch notwendige außerordentliche Ausgaben genötigt , die Auszahlung von Luisens Pension auf einige Zeit zu suspendieren .
Ungeachtet des Zustandes , in welchem sich Luise befand , hörte Blachfeld plötzlich auf sie zu besuchen , und fing von neuem an , seiner Schwiegermutter auf eine Art zu schreiben , die sie mit ihrer Tochter hätte entzweien können , wenn sie seine Briefe des Lesens wert gehalten hätte .
Sie hätte die Vorsicht aber noch weiter treiben , und ihrer Tochter auch nichts davon sagen sollen ; allein ihr Verdruß erbitterte sie bei einer anderen Gelegenheit so sehr , daß Luisen auch der süße Traum , in welchen sie sich damals wiegte , durch diese Entdeckung vergiftet wurde .
Sie glaubte nämlich , daß Blachfeld bloß darum sie nicht mehr besuchte , und alles Verkehr mit ihr abgebrochen hätte , um ihren Entschluß mit ihm zu leben zu beschleunigen .
Sie begab sich zu ihm , und wurde übel empfangen ; aber ihre Geduld , ihr zärtlicher herzlicher Wunsch ihm zu gefallen , gewannen endlich sein Herz , und schenkten ihr den glücklichsten Zeitpunkt ihrer Ehe und ihres ganzen Lebens .
Er gestand ihr bei dieser neuen Versöhnung , daß ihre romanhafte Forderung bei der Feier ihrer Hochzeit , nur als Freundin , und nicht als Gattin mit ihm zu leben , den ersten Keim von Bitterkeit in ihn gelegt hätte , der , so oft es ihm fehlgeschlagen , sie in ihrem Entschluß wankend zu machen , immer mehr gewachsen wäre .
Luise fügte sich jetzt in ein Verhältnis , das Natur und Gesetze ehrwürdig machen , und wurde durch ihres Gatten gänzliche Umschaffung dafür belohnt .
Sein Haus wurde bald sein beständiger und vorgezogener Aufenthalt ; er trieb seine Sorgfalt für sein Weib so weit , daß er ihr alle Morgen bei ihrem Anzuge half .
Von früh bis Abends las er ihr vor , oder beschäftigte sich mit dem Erziehungsplane für sein künftiges Kind .
Er gestand damals , daß er Luisen , ungeachtet aller ihrer körperlichen Leiden , nie übellaunig noch mürrisch gesehen hätte .
Sie war ausschließend mit ihrer Pflicht beschäftigt , und ein Blick von Blachfelden der ihr Beifall gab , lohnte sie überschwenglich .
Der Ausbruch eines Krieges zerstörte Luisens häusliches Glück .
Blachfeld verließ sie , da sie auf dem Punkt stand , Mutter zu werden , ohne Hilfsmittel für die Bedürfnisse ihres Kindbetts ; sie klagte nicht .
Ihr Mann setzte ihr einen jährlichen Gehalt aus , auf den nämlichen Fuß wie seine anderen verheirateten Kriegskameraden ; allein hier kam es auf eine außerordentliche Ausgabe an .
Luise dachte darauf ihren Wagen zu verkaufen ; da sie aber ihr Mann bat , ihn zu seiner Reise gebrauchen zu dürfen , fehlte ihr auch diese Auskunft .
Er nahm endlich mit viel anscheinender Unruhe über ihren Zustand Abschied , und versprach ihre Mutter zu bitten , sie während ihres Kindbettes zu sich zu nehmen .
Allein seine neue Laufbahn führte ihn bald auf so viel ehrgeizige Plane , daß seine Gefühle als Gatte und Vater schwiegen , und er die Bitte an Madame N. vergaß .
Diese gute Frau hatte Luisen zu sich auf ihr Gut eingeladen ; und als ihre Tochter ihr in ihren Gesprächen ihre Furcht entdeckte , in der Garnisonstadt nieder zu kommen , wo der Krieg jetzt alle geschickten Wundärzte abgerufen hatte , war sie die erste ihr zu sagen , daß sie schon lange dieselbe Besorgnis gehabt hätte , und sehr wünschte , ihr während dieser Zeit Zimmer in ihrer Wohnung in D. einzuräumen .
Allein in diesem Hause wohnten auch Luisens Brüder ; und da sie fürchtete , daß die Anwesenheit einer Kranken ihnen bei ihrer Lebensart zur Last fallen möchte , wagte sie es nicht ihnen diesen Vorschlag zu tun .
Sie gab daher Luisen den Rat , ihnen zu schreiben , ihnen ihre Besorgnisse wegen ihres Zustandes zu entdecken , und sie um ihre Fürsprache bei ihrer Mutter wegen einer Gunst zu bitten , welche diese gute Mutter selbst sehnlich zu gewähren wünschte .
Luise hatte vor allen versteckten Planen und abgekarteten Anschlägen einen Abscheu ; sie hatte außerdem Ursachen sich über diesen Gegenstand nicht weitläufig gegen ihre Brüder auszulassen .
Wie sehr wurde sie betroffen , als ihr , da es endlich zur Sprache kam , ihre Brüder vorwarfen , durch ihre Zudringlichkeit ihrer Mutter diese Last aufzubürden , vor welcher sie sich bei ihrem Alter und ihrer Kränklichkeit so sehr scheute , daß sie ihre Einwilligung nie gegeben hätte , wenn es möglich gewesen wäre , ihren Forderungen auf eine andere Weise ein Ende zu machen .
Es wurde Luisen sehr schwer , sich so unverdient der Zudringlichkeit , der Selbstsucht zeihen zu lassen ; aber um ihre Mutter nicht bloß zu stellen , mußte sie es geduldig leiden und schweigen .
Ihre Brüder rieten ihr , an Blachfelden zu schreiben , damit er ihr erlaubte , eine Wohnung in der Stadt zu mieten .
Wenn ich , setzte einer von ihnen hinzu , auf dem Punkt stände Vater zu werden , würde ich wenigstens dafür sorgen , daß es meiner Frau nicht an der nötigen Hilfe gebräche .
Der Rat war gut ; allein in Rücksicht auf Blachfelden sehr übel angebracht .
Luise wußte , daß er während ihrer Gemütskrankheit sich geweigert hatte eine Wohnung zu bezahlen , die ihre Mutter in D. bei einer sehr verdienstvollen Frau mieten wollte , deren gutes Herz so sehr litt , als sie die unbarmherzige Art erfuhr , mit welcher man Luisen auf dem Gute begegnete , daß sie sich äußerte , sie gern für das Drittteil des geforderten Preises zu sich genommen zu haben , wenn sie das hätte voraussehen können .
Nach dieser Erfahrung wagte es Luise nicht , ihrem Manne einen ähnlichen Vorschlag zu tun , sondern sie quälte sich einige Tage mit den ängstlichsten Besorgnissen .
Ihre Unruhe wirkte so sichtbar auf sie , daß einige Freunde ihre Mutter davon benachrichtigten , welche darauf mit ihren Söhnen sprach , und es dahin brachte , daß sie Luisen einstimmig nach D. einluden .
Innigst von der Güte ihrer Mutter und der Nachgiebigkeit ihrer Brüder gerührt , beschloß Luise nun keinen Gebrauch davon zu machen , und das frohe Leben dieser jungen Leute nicht durch ihr Krankenbett zu stören .
Sie schob ihre Reise auf , verhehlte sogar den Anfang ihrer Schmerzen , und kam auf dem Gute der Mutter mit einer Tochter ins Kindbett .
Es gehörte ein an Leiden und Vernachlässigung gewöhntes Geschöpf dazu , um alle Unannehmlichkeiten je , rer Lage zu ertragen .
Ihr Bett war in D. zurecht gemacht ; auf dem Gute hatte sie nichts als eine unbequeme Schlafbank , die in einem Zimmer stand , welches ihr in jeder Rücksicht verhaßt sein mußte , da sie dort die qualvolle Epoche ihrer Gemütskrankheit verlebt hatte .
Dieses Zimmer befand sich zwischen dem Vorsaal und einer Vorratskammer , in welcher alle Bedürfnisse des Haushalts aufbewahrt wurden , so daß es dem Hausgesinde jeden Augenblick zum Durchgang diente .
Man trat ohne die geringste Vorsicht auf , daß der Fußboden zitterte ; man warf die Türen , daß Luise erschrocken aus jedem Schlummer auffuhr .
Ihre Nerven , die von ihrer Krankheit her sehr geschwächt , und bei ihrer Niederkunfe um so mehr angegriffen waren , als sie sechs Stunden litt , ehe sie Hilfe begehrte , konnten sich unter diesen Umständen nicht erholen .
Ihre Mutter , die es herzlich gut meinte , glaubte daß Luisens Schwäche aus Mangel an Nahrung entstünde , und zwang sie unaufhörlich Speise zu sich zu nehmen ; allein jedesmal wenn Luise ihren Ekel überwand , und um ihrer Mutter die Vorstellung , als faste sie aus Eigensinn , zu benehmen , etwas aß , ergriff sie ein so heftiges Erbrechen , daß ihre Kräfte vollends unterlagen .
Nie fühlte ein Weib so lebhaft wie Luise das Glück Mutter zu sein ; ihr liebenswürdiges Kind schien ihre Liebkosungen schon durch sein süßes Lächeln zu erwidern .
Sie drückte es an ihre Brust , mit dem brennenden Wünsche es daraus zu nähren : allein ein strenges Verbot ihrer Mutter verhinderte sie daran ; sie sei zu schwach , hieß es .
Grausames Vorurteil ! wo die Natur Kraft zu schaffen hat , fehlt ihr nie die Kraft zu ernähren .
Luise hatte sich während ihrer ganzen Schwangerschaft geschont , um diese heilige Mutterpflicht zu erfüllen .
Es war ihr gelungen einen Überfluß von Milch zu haben ; sie war rein , gesund , - umsonst , man vertrieb sie mit Gewalt .
Luise litt unsäglich , die Milch trat in das Blut , warf sich auf ihre Nerven , und verursachte ihr ein Fieber , das ihre Kräfte drei Monate lang verzehrte .
Ihre Niederkunft war glücklich gewesen ; man glaubte also für nichts weiter sorgen zu dürfen , man beobachtete keine Art Schonung gegen sie .
Einige Stunden nach ihrer Niederkunft las man ihr einen Brief ihres Bruders vor .
Sie glaubt daß er Glückwünsche rutalten wird : nein , er schreibt , daß er das Fieber hat , daß er nach seiner Mutter verlangt ; er äußert Unzufriedenheit darüber , daß seiner Schwester Wochenbett alles aus seinem gewöhnlichen Gange bringt .
Die Mutter weint , spricht von dem nahen Tode ihres geliebten Sohnes , und Luise bittet sie eifrig zu ihm zu eilen , und ihn mit eigenen Händen zu pflegen .
Sie reist ab , nimmt die Kammerfrau und Köchin mit , und läßt Luisen mit der Wärterin , welche den Haushalt versehen muß , und einer unerfahrenen Amme allein .
Dieses verkehrte Geschöpf war über die Untreue ihres Liebhabers , der sie verführt hatte , in Verzweiflung ; sie benetzte ihren Säugling unaufhörlich mit Tränen .
Luise zitterte für ihr geliebtes Kind ; sie beschwor die Amme , es in solchen Augenblicken von Gemütsbewegung nicht an die Brust zu legen .
Das Weib bestand eigensinnig darauf , und geriet in die heftigste Wut .
Luisens Angst und Unruhe stieg so hoch , daß sie in Gefahr stand , ihren Verstand aufs neue zu verlieren .
Sie wußte daß es dem Kinde besser wäre , bei Milch und Wasser aufgezogen zu werden ; aber aus Furcht vor ihrer guten Mutter , deren Vorurteile über diesen Punkt sie kannte , wagte sie diese Veränderung nicht .
Um ihr Kind zu retten , blieb Luisen kein anderes Mittel , als den Launen jenes Drachen nachzugeben ; denn sobald die Amme ihrer Gewalt über Luisens furchtsame Mutterliebe sicher war , legte sie ihren Leidenschaften keinen Zügel mehr an .
Von der einen Seite machte sie die Angewohnheit einer müßigen , weichlichen Lebensart übermütig ; von der anderen reizte sie die Mißhandlung ihres brutalen Liebhabers täglich zum Ärger , und diese Mißhandlung selbst schien sie doch täglich mehr an ihn zu fesseln .
Um dieses unleidliche Geschöpf , dem Luise doch genötigt war ihr Kind zu überlassen , durch einen ungewöhnlichen Lohn zu einer größeren Sorgfalt für ihren Säugling zu bewegen , schlug man Luisen vor , die einzige Magd welche sie unterhielt , ein junges Mädchen , das ihr sehr ergeben , und von ihr selbst geliebt war , abzuschaffen .
Es war grausam , von ihr zu fordern , daß sie das einzige Geschöpf , das ihr nicht fremd war , entfernen sollte ; denn so sehr ihre Mutter sie liebte , konnte sie wegen der Krankheit ihres Sohnes nur wenig bei ihr sein .
So oft diese wohlmeinende Frau auch Luisens zu zartes Gefühl verwundete , und ihr besonders jetzt merken ließ , daß ihre Krankheit ihr zur Last fiele , war sie doch zu gütig , um nicht diesmal ihrer Tochter Bitten nachzugeben .
Sie erlaubte ihr die Magd zu behalten , obschon sie ihr persönlich zuwider war ; wie denn Luise das Unglück überhaupt hatte , daß alle Menschen welche sie liebte , ihrer Mutter mißfielen : dies ging so weit , daß sogar Blachfeld nach dem Maße wie er in Luisens Herzen Fortschritte machte , ihr unangenehm zu werden angefangen hatte .
Luise hätte alles Ungemach ihrer Lage mit Freuden ertragen , wenn Blachfeld ihr die mindeste Teilnahme bezeugt hätte ; allein Luisens Prophezeiung vor ihrer Heirat traf nun ein : das Geräusch der Waffen übertäubte sein Herz , die Vaterfreude war ihm überdem nicht neu , und dieses Gefühl , welches oft den wildesten Sinn bezähmt , glitt leicht an dem seinigen vorbei .
Er schrieb seinem Weibe nicht einmal , um ihr für das Geschenk , welches sie ihm mit seinem Kinde gemacht hatte , zu danken .
Eine kalte Antwort auf den Brief , den er bei dieser Gelegenheit von seiner Schwiegermutter bekam , enthielt diese Worte :
" Ich bitte Sie , meine Frau meiner Liebe zu versichern . "
Von allem was Blachfeld für Luisen hätte fühlen können , wäre ja Liebe die letzte Empfindung gewesen , die sie jetzt von ihm forderte ; Teilnahme wünschte sie .
Hätte er zum Beispiel geschrieben :
wie befindet sich Luise ? hat diese Krisis eine gute Wirkung auf ihre Gesundheit gehabt ? gewinnt die Freude Mutter zu sein die Überhand über ihre gewöhnliche Schwermut ?
Bedenken Sie , liebe Mutter , wie schädlich ihr jetzt jede Gemütsbewegung wäre .
Sie kennen die Reizbarkeit ihrer Nerven , ihr gar zu zartes Gefühl :
ich beschwöee Sie darauf Nücksicht zu nehmen , und meiner ewigen Dankbarkeit versichert zu sein , u. s.w. Hätte er nur so geschrieben , Luise wäre zufrieden gewesen .
Die drohenden Folgen von Luisens Kindbett , welche durch Vertreibung der Milch entstanden , hatte ihm Madame N. , aus Furcht ihn zu beunruhigen , erst nach vorübergegangener Gefahr geschrieben .
In seiner Antwort berührte er diesen Umstand mit keiner Silbe , aber er kam dafür auf die Vergangenheit zurück , und beklagte sich über die Beschwerlichkeiten , die er vorigen Winter durch die häufigen Reisen zwischen seiner Garnison und D. erlitten hätte .
Er hatte also völlig vergessen , daß die ganze damalige Einrichtung mit seinem Beifall und zu seinem Besten getroffen worden war .
Luise blieb jenen Winter über bei ihrer Mutter , um ihn , da er den Tisch bei seinem General hatte , und also keiner eigenen Wirtschaft bedurfte , die Abtragung seiner Schulden zu erleichtern .
Wankelmut und Laune schienen aber in seinem Betragen gegen seine Frau einmal die Oberhand zu haben , und alle Bemühungen seinen Unmut zu entwaffnen , blieben vergeblich .
Luise war , aus Anraten der Ärzte , welche eine Ortsveränderung für das einzige Rettungsmittel bei der ihr nach ihrem Nervenfieber drohenden Auszehrung hielten , in die Stadt gezogen .
Der Wunsch , ihres Mannes häusliche Umstände endlich durch die strengste Sparsamkeit völlig ins Reine zu bringen , vermochte sie aber , sobald ihre Gesundheit hergestellt war , der rauhen Jahreszeit zum Trotze , denn es war im Anfange des Winters , mit ihrem Kinde das Gut ihrer Mutter zu beziehen .
Dieses Opfer war um so größer , als sie dort ohne allen Umgang war .
Die Nachbarschaft bot ihr , so wie der Ort selbst , keine Gesellschaft dar , und ihre Mutter brachte den ganzen Winter in D. zu .
Ihre Schwäche erlaubte ihr keine Spaziergänge zu Fuß , und Pferde zu mieten ließen die Grenzen nicht zu , die sie ihren Ausgaben vorgeschrieben hatte .
Sie hatte das Vergnügen ihren Zweck zu erreichen , indem sie eine Summe abzahlte , welche Blachfeld aufgenommen hatte , um sie in die Witwenkasse einzukaufen .
Diese Schuld schien ihr für einen Ehrenmann um so drückender , als sein Gläubiger die Großmut so weit getrieben hatte , keine Interessen für dieses kleine Kapital nehmen zu wollen .
Ihre Gesundheit litt durch ihre Lebensweise ; die ununterbrochene Einsamkeit stürzte sie in ihre alte Schwermut zurück .
Aber sie wäre für alle ihre Mühe belohnt gewesen , wenn ihres Mannes Herz ihren heißen Willen ihm zu nutzen erkannt hätte .
Der Chef unter welchem Blachfeld diente , hatte die Großmut , seinen Offizieren zu erlauben , daß sie ihre Frauen zu sich in die Winterquartiere kommen ließen .
Blachfeld war der einzige der diese Erlaubnis nicht benutzte .
Luisen wäre diese Zerstreuung doch notwendiger gewesen , wie mancher anderen .
In der Zeit , wo sich Blachfeld um ihre Hand bewarb , hatte er ihr ein reizendes Bild von einem solchen Wiedersehen gemacht , und späterhin forderte er von ihr , daß sie den Umgang mit einer ihrer Bekanntinnen abbrechen sollte , weil diese Frau über die so weit getriebene Gefälligkeit der Offiziersweiber , ihren Männern in die Winterquartiere zu folgen , gespottet hätte .
Er hatte sich von Luisen bei seiner Abreise ausdrücklich versprechen lassen , ihn in jedem Falle zu besuchen , wenn auch keine andere Frau ihres Standes die Reise machte .
Jetzt schwieg er von dieser ehemals so gewünschten Zusammenkunft , und Luise hatte wenig Lust , ohne seine Einladung zu ihm zu reisen , so sehr ihre Mutter sie dazu ermunterte .
Diese bot ihr an , ihr Kind bei sich zu behalten ; allein Luise war eine zu zärtliche Mutter , um es aus ihren Händen zu geben , und die ersten Liebkosungen dieses geliebten Geschöpfes hatten zu viel Reiz für sie , um sie mit einem Manne zu teilen , dem Mutter und Kind gleichgültig schienen .
Eines Tages , an welchem wie gewöhnlich tausend traurige Bilder sie beschäftigten , empfing sie einen Brief von Blachfelden , in welchem er von seiner Sehnsucht nach dem Frieden sprach , und wie ihn danach verlange , seinem Herde wiedergegeben , in der Gesellschaft seiner Frau zu leben , die Liebkosungen seines Kindes , die Freude wissenschaftlicher Beschäftigungen zu genießen .
Luisens Herz richtete sich bei diesen Worten auf , wie eine welke Blume ihr Haupt erhebt , wenn der erquickende Tau sie badet .
Sie gründete schon die lachendsten Hoffnungen auf diese Gesinnungen , als die übelbedachte Dienstfertigkeit eines Freundes sie in noch bittereren Kummer zurückstieß .
Er teilte ihr einen an ihn gerichteten Brief ihres Mannes von demselben Monatstage mit , welcher gerade das Widerspiel der Empfindungen enthielt , die er gegen sie äußerte .
Er sprach mit Enthusiasmus von seinem blutigen Gewerbe , und zog seine ungebundene unstäte Lebensart den süßesien häuslichen Banden vor .
Es war Luisens Schicksal , ihr Herz gerade dann von unangenehmen Gefühlen bestürmt zu sehen , wenn sie am wenigsten sie zu bekämpfen fähig war .
In dem Augenblicke wo sie sich mit der heitersten Aussicht beschäftigt , wo das Bild ihres geliebten Mannes ihre ganze Seele einnimmt , spricht man ihr von einem Briefe , den man von ihm erhalten hat .
Aus Verlangen , zu wissen wie er sich gegen andere ausdrückt , aus Verlangen nach der Freude , noch einmal etwas von ihm zu lesen , fordert sie dessen Mitteilung , und findet darin das Grab ihres kurzen Glückes .
Sie tat sich die äußerste Gewalt an , um in Gegenwart eines Zeugen über ihre Gemütsbewegung zu siegen , aber der Schmerz überwältigte sie ; ein Strom von Tränen erleichterte ihr Herz .
Viele Tage brachte sie in den tiefsten Kummer zu , bis endlich ein neuer Brief ihres Mannes ihr neue Hoffnungen einflößte .
Er schrieb ihr in den zärtlichsten Ausdrücken , daß er nicht mehr ohne sie zu leben vermöchte , und drang eifrig in sie , beim Schlusse des jetzt wieder angegangenen Feldzugs sogleich zu ihm zu eilen .
Luise vergaß alle ihre Leiden , sie überließ sich wieder blindlings der Aussicht einer froheren Zukunft , und die ganze Natur lebte vor ihren Blicken auf .
Sie glaubte ihres Mannes Herz wieder zu besitzen : nun konnte sie wie ein anderes Geschöpf die Wohltaten Gottes , die Freuden der Gesellschaft genießen .
Ihre Mutter , bei welcher sie seit kurzem wieder in der Stadt wohnte , weinte vor Freuden , ihrer Tochter Augen nicht immer von Tränen benetzt , oder von Kummer erloschen zu sehen ; ihre Brüder wünschten ihr Glück .
Das ganze Haus teilte die Zufriedenheit , ein Geschöpf froh zu sehen , von welchem man wußte , wie wenig gute Stunden es genoß .
Blachfeld hatte Gelegenheit sich hervor zu tun .
Sein Fürst , welcher jede Veranlassung Verdienste zu belohnen mit Eifer ergriff , gab ihm einen vorzüglichen Beweis seines Beifalls .
Er benachrichtigte seine Frau von seinem guten Glücke ; schrieb aber dabei , daß dieses Geschenk sogleich für höchst nötige Ausgaben aufgegangen wäre , und der Aufenthalt in den Winterquartieren so kostbar sein würde , daß er sie bäte , ihre Wohnung in einer kleinen nur drei Meilen entfernten Stadt aufzuschlagen .
Dieser Vorschlag war von Seiten eines Mannes , welcher den schädlichen Einfluß der Einsamkeit auf Luisens Gemüt kannte , nicht sehr zärtlich .
Er hatte selbst vor ihrer Heirat oft gesagt , daß sie ihn auf allen seinen Reisen begleiten sollte , und daß sein ganzes Bestreben dahin gehen würde , ihr nicht Zeit zu ihren schwermütigen Gedanken zu lassen .
Luise hatte keinen Verdacht , daß Blachfelds neuer Plan eine andere Ursache , als die Lage der Umstände und ökonomische Rücksichten haben könnte .
Sie antwortete ihm ganz einfach , daß sie sich in der erwähnten Landstadt einrichten würde , weil ihr jeder Ort einerlei wäre , sobald er sie ihm nur näher brächte .
Daß Luise in ihrem väterlichen Hause nicht mehr so viel galt , als bei Lebzeiten des Herrn N. , hat schon mehrmals aus dem Laufe ihrer Geschichte abgenommen werden können .
Die alte Bemerkung , daß da die Männer herrschen wo Weiber das Regiment führen , und eben so auch umgekehrt , läßt sich meistens auf den kleinen Zirkel einer Familie anwenden .
So lange der Vater lebt , bemüht sich ein jeder der etwas bei ihm sucht , der Tochter zu gefallen ; bleibt die Frau nach seinem Tode unverheiratet , so schmeichelt man ihren Söhnen , die nunmehr die aufgehende Sonne sind .
Stadt eines Herrn , herrschten deren jetzt mehrere in Luisens väterlichem Hause ; und obschon sie für Magd und Kind Wohnung brauchte , hatte doch der Bediente eines ihrer Brüder ein ihr gehöriges Zimmer in Besitz genommen ; das zweite war von einer Freundin , die eben bei Luisen zum Besuch war , bewohnt ; in dem dritten sehr kleinen , mußte sie sich mit Magd und Kind aufhalten .
Bei der drückenden Hitze und der beständigen Wartung , die ihre Gesundheit erforderte , wurde ihr diese Einrichtung höchst lästig .
Luisens Mutter versprach ihr das Zimmer des Bedienten wieder einräumen zu lassen ; allein da sich ihre Söhne widersetzten , schlug sie den Weg ein , den man gewöhnlich geht , wenn man sein Wort nicht zu halten gedenkt ; sie erzürnte sich gegen die Person , der sie es gegeben hatte .
Man ließ Luisen merken , daß man nicht so genau auf alles halten dürfte , wenn man nur aus Gefälligkeit in einem Hause aufgenommen wäre .
Sie hatte sich mehrmals zu einem Kostgelde erboten :
da aber ihre Mutter wußte , daß sie , durch die vor kurzem vorgenommene neue Meublirung von Blachfelds Wohnung in M. , wieder in Schulden geraten war , so wollte sie nichts davon hören .
Jetzt wiederholte sie ihren Brüdern ihr Anerbieten ; sie antworteten ihr aber , daß ihre Mutter fürchtete , ihre Forderungen möchten durch diese Einrichtung noch höher steigen .
Wie wenig kannte man Luisen !
Als Kostgängerin würde sie sich mit allem begnügt haben ; als Kind vom Hause tat es ihr wehe , so mancher Demütigung ausgesetzt zu sein .
Das Hausgesinde kannte ihre eingeschränkten Umstände , und man schien ihr nur aus Mitleid aufzuwarten .
Bei Tische , wo jeder ihrer Brüder , so wie ihre Mutter , einen eigenen Bedienten hatte , wurde sie oft ganz übergangen , weil es ihr allein daran fehlte .
Ihre Brüder , und Mutter meinten es selbst viel zu herzlich mit ihr , um diese Kränkungen zu bemerken , und Luise , welche errötete sie darauf hinzuweisen , litt das alles stillschweigend .
Derjenige von Luisens Brüdern , welcher in dieser Sache den meisten Eifer wider sie bewies , wurde jedoch von Bewegungsgründen angeregt , die seiner Redlichkeit zum Ruhm gereichten :
er war seiner Mutter Geschäftsmann ; und hätte es seinen persönlichen Vorteil betroffen , so wäre er gewiß weniger nachsichtslos gegen seine Schwester gewesen .
Er nahm auch in dieser Zeit Gelegenheit , Luisen die Summe vorzuwerfen , welche ihr ehemals zur Entschädigung zugestanden worden war , als ihre Mutter Blachfelden an ihren Tisch zu nehmen abschlug .
Dieser Vorwurf war äußerst ungerecht : die Heirat war der Wunsch der ganzen Familie gewesen , und ohne diesen Zuschuß hätte Blachfelds damalige Lage sie unmöglich gemacht .
Ihr ältester Bruder , der viel Edelmut im Charakter hatte , nahm sich seiner Schwester eifrig an , und sagte , daß man Menschen , die man in eine unangenehme Lage versetzt hätte , auch wieder heraushelfen müßte .
Warum bringen es doch unsere Sitten mit sich , daß eine Tochter , durch ihre Verheiratung , dem väterlichen Hause ganz entfremdet wird , und alle Vorteile eines Kindes verliert ?
Luisens Brüder waren durch ihre Talente im Stande , ihr Brot zu verdienen , und hatten doch Tisch , Wohnung , Wäsche , Aufwartung bei ihrer Mutter vor wie nach , Luise war durch ihre Heirat in keinem Stücke versorgt , und schien doch das Gnadenbrot bei ihrer Mutter zu essen .
Der Vorwurf wegen ihres jährlichen Zuschusses kränkte Luisen zu tief , als daß sie nicht gesucht hätte , die Veranlassung dazu zu heben .
Sie bat Blachfelden in einem ihrer Briefe um die Erlaubnis , auf diese Summe Verzicht tun zu dürfen , und versprach ihm , daß ihr Unterhalt ihm deswegen um nichts höher kommen sollte , indem der Aufenthalt in der kleinen Stadt , welche er ihr angewiesen hätte , wohlfeil genug sein würde , um mit sehr wenigem auszukommen .
Blachfelds Antwort war voll Ungestüm und Zorn :
er befahl ihr , durchaus nicht eher abzureisen , als bis sie sich der ganzen Pension versichert hätte , da doch nie die Rede davon gewesen war , sie ihr mit Gewalt zu nehmen .
Er schrieb : daß ihm jeder Ort wo sie lebte gleichgültig wäre , daß er ihr keinen vorgeschrieben hätte , und ihr nicht riete , ihren Wohnplatz an einem ganz fremden Orte aufzuschlagen .
Zu eben der Zeit hatte Luise das Unglück , um eine ziemlich ansehnliche Summe bestohlen zu werden .
Die wohlmeinende Mutter schrieb darüber an ihren Schwiegersohn , aus Furcht , daß er Luisen beschuldigen möchte , diesen Verlust durch ihre Nachlässigkeit verschuldet zu haben .
Er wüthele in seiner Antwort gegen seine Frau , warf ihr vor , das letzte Geschenk des Fürsten , das er ihr auf ihre Bitte zur Bezahlung ihrer Bürgleistung gemacht , für sich allein behalten zu haben , und erinnerte sich nicht , daß er in Gegenwart der ganzen Familie jeden Anteil daran von sich abgelehnt hatte ; und was noch mehr war , daß Luise es zum Teil zur Tilgung seiner eigenen Schulden angewendet hatte .
Um die Mutter welche , wie die meisten Mütter unter diesen Umständen , ihr Kind sehr ungern abreisen sah , völlig gegen Luisen aufzubringen , sprach er von dieser Reise in die Winterquartiere , wie von einem lächerlichen Einfall Luisens , dem er sich immer widersetzt hätte .
Stadt aller Antwort auf diese Beschuldigung , holte Luise drei aufeinander folgende Briefe ihres Mannes , in welchen er sie auf das dringendste und zärtlichste gebeten hatte , zu ihm zu kommen .
Mit tränenden Blicken fragte sie , ob man ihr riete , länger mit einem Manne zu leben , der nicht allein sich des größten Wankelmutes schuldig machte , sondern , nachdem er sie zur Teilnehmerin seiner bösen Tage gemacht hatte , jetzt , da das Glück ihm lächelte , ihr den Rücken wendete , und sie denen , von welchen ihr Schicksal abhing , noch verdächtig zu machen suchte .
Ihr ältester Bruder ergriff , von Mitleid über ihr Unglück durchdrungen , ihre Hände , bat sie Mut zu fassen , tröstete sie , und flößte ihr Hoffnung ein , daß ihre Gegenwart die Wolken in ihres Mannes Gemüt bald zerstreuen würde ; und da er sich durch die verschiedenen Daten der Briefe überzeugte , daß Blachfelds widersprechende Ansichten von Luisens Reise nur aus ökonomischen Ursachen entständen , schoß er ihr das nötige Reisegeld vor .
Kurz darauf traf die Nachricht ein , daß Blachfeld nächstens zurück kommen würde .
Er schrieb es seiner Frau mit einem solchen Ausdruck von böser Laune und Stolz , daß sie einen Augenblick in Versuchung geriet , zu den Verwandten ihres Vaters nach B. zu reisen , um einer Zusammenkunft auszuweichen , die ihr mit so vielem Kummer drohte .
Ihre Mutter selbst hatte , in einem Ausbruche von Empfindlichkeit über Blachfelds Betragen , gesagt : bei so vielen Ursachen sich zu grämen , müßte Luise durch eine Reise sich zu zerstreuen suchen , und ihrem Manne so weit als immer möglich aus dem Wege gehen .
Luise bat sie , ihr für ihre künftige Rechtfertigung diese Äußerung schriftlich zu geben .
Madame N. tat es , und gab ihr zwei Zettel , davon der erste die Erklärung enthielt , daß wenn ihr Mann ihr je so harte Briefe geschrieben , und sie überhaupt mit so wenig Schonung behandelt hätte , wie Blachfeld ihre Tochter behandelte , sie lieber wie Magd gedient , als länger mit ihm gelebt haben würde .
In dem zweiten , gab sie ihren Beifall und ihre Einwilligung zu Luisens Entschluß nach B. zu gehen , wenn Blachfeld sein Betragen gegen sie nicht änderte , Beide Papiere waren : " deine liebende Mutter " unterzeichnet .
Die Familie verabredete außerdem , daß Luise das ihr vorgestreckte Reisegeld nicht zurückzahlen , sondern einstweilen unterbringen sollte , um es auf den Fall , daß sie durch ihres Mannes Aufführung zu einer Trennung gezwungen würde , in Bereitschaft zu haben .
Ungeachtet aller dieser Vorkehrungen unterließ Luise nichts , was solche unnütz machen , und ihren Hausfrieden gründen konnte .
Blachfelds Wirtschaft war in der besten Ordnung .
Er hatte seiner Frau seit drei Jahren erlaubt , sein überflüssiges und zweckloses Gerät zu verkaufen , uw den notwendigen Hausrat dafür anzuschaffen .
Dies war jetzt geschehen , und seine Wohnung in der Garnison völlig eingerichtet .
Die wegen des Einkaufs in die Witwenkasse gemachte Schuld , und eine andere von 84 Pistolen für einen Wagen , von welcher bei Blachfelds Abreise nichts bezahlt war , waren nun ganz abgetragen .
Luise mietete eine artige Wohnung in der angenehmsten Gegend der Stadt , nahm eine Köchin an , und richtete ihre Wirtschaft auf das sorgfältigste ein .
Blachfeld hatte seiner Frau geschrieben , daß sein Wäschevorrat bei den zwei Feldzügen völlig aufgebraucht wäre .
Da er sich mit einiger Bitterkeit über diesen Mangel beklagte , glaubte Luise , daß ein ansehnliches Geschenk an Leinenzeug ihm , von ihrer Hand , willkommen sein würde .
Ihr Kredit war durch die zu wiederholtenmalen bezahlten Schulden ihres Mannes so festgestellt , daß die damalige Erschöpfung ihrer Kasse ihr dabei nicht im Wege stand , indem die Kaufleumit Vergnügen ihre Rechnungen Aussenstehen ließen .
Sie eilte die Leinwand einzukaufen ; arbeitete halbe Nächte , stand des Morgens um vier Uhr auf , und trieb es so weit , daß ihre Gesundheit um so mehr angegriffen wurde , als in den wenigen Stunden die sie ihrer Ruhe gönnte , ihr Kind sie durch Weinen am Schlaf verhinderte .
Mit aller ihrer Anstrengung konnte sie doch nicht allein fertig werden , sondern mußte einige Näherinnen zu Hilfe nehmen .
Die Freude , Blachfelden wieder zu sehen , ihm sein Kind vorzustellen , erleichterte ihr jede Last .
Sie erwartete ihn mit Unruhe , aber mit wieviel Zärtlichkeit war diese Unruhe vermischt !
Wie der Tag seiner Ankunft herbeikam , ließ sie an allen Stadttoren fragen , ob er schon herein wäre .
Er war schon längst da , aber wenig ungeduldig , seine Frau und sein Kind zu sehen , war er in einem Gasthofe abgestiegen , hatte sich angekleidet , und obgleich Luise seit drei Tagen eine Kollation bereit hielt , war er an einen dritten Ort gegangen um Tee zu trinken .
Endlich erschien er bei Luisen . - -
Möchte dieser Auftritt vor ihrem Gedächtnis , wie vor dem Blicke des Lesers , in tiefe Vergessenheit gehüllt werden können !
Jener Blachfeld , dessen Tapferkeit durch Sittlichkeit erhöht wurde , war nicht mehr ; mit Verachtung stieß er seine Frau zurück , die zärtlich in seine Arme flog .
Seine Wohnung schien ihm zu ärmlich , zu eng , zu klein , und Luisen hatte er weiter nichts zu sagen , als daß er dem Fürsten auf vierzehn Tage nach ** folgen müßte , daß er nicht wüßte ob sie ihm dahin nachkommen könnte , und daß seine Geschäfte ihm ohnehin nicht erlaubten , um sie zu sein .
Wie ?
Nach anderthalb Jahren sollte dieser gütige Fürst fordern - ?
" Ja ! er fordert , und ich gehe . "
- Er verließ sie wirklich ohne weitere Erklärung : so beleidigend , so hart , so kalt !
Nach einer so langen Abwesenheit , beim ersten Wiedersehen , würdigte er die Mutter seines Kindes nicht einmal ihr zu sagen , warum er sie aus seinem Herzen verstieß .
Luise konnte diese Ungewißheit nicht aushalten , sie konnte nicht auf die schwankende Äusserung hin , daß er sie abholen lassen würde , wenn es seine Geschäfte verstatteten , diese Qual ertragen , und beging endlich die Übereilung , mitten in der Nacht einen Wagen zu bestellen , um sich nach ** auf den Weg zu machen .
Wie sehr wurde ihre peinliche Lage vermehrt , als ihr unterwegs der Kutscher zurief , daß ein Hofwagen mit sechs Pferden ihnen vorzufahren suchte !
Sie bildete sich sogleich ein , daß es ihr Mann wäre , der so spät erst vom Schlosse abreiste , und bat , aus Furcht von ihm erkannt zu werden , den Kutscher auf das dringendste , seine Pferde anzutreiben .
Der Wagen fuhr indessen doch vor , und ihr Herz klopfte von neuem , als sie in demselben die Frau eines anderen Mannes , in den Diensten des Fürsten , erkannte , die ihrem Gemahl nach ** folgte .
Sie konnte sich nicht enthalten , das Los dieser Frau mit dem ihrigen zu vergleichen : ihr Mann hatte sich nicht allein während des ganzen Feldzugs von ihr begleiten lassen , sondern kaum war er jetzt zurückgekehrt , und durch seinen Dienst dem Fürsten zu folgen genötigt , so ließ er sie mit allen ihren Kindern nach ** kommen .
Unter diesen war ein bildschöner Knabe , bei dessen Anblicke Luisen der Gedanke einkam , ob ihr Kind seinem Vater nicht lieber sein möchte , wenn es ein Knabe wäre .
Zu so vielen unangenehmen Empfindungen kam noch Reue , über den törichten Befehl den sie ihrem Kutscher gegeben hatte , vorzufahren , welcher ihr in den Augen jener Frau das Ansehen geben konnte , einen elenden Rangstreit gesucht zu haben .
Sie kam endlich in dem ungestümsten Wetter nach ** , schickte in alle Gasthöfe um Nachricht von ihrem Manne zu erhalten , und erfuhr , daß er erst den folgenden Tag erwartet würde .
Nun fürchtete sie , er möchte von ihrer törichten Fahrt gehört haben , und wollte um sie zu strafen erst so spät abreisen .
Sie fing unter einem Strom von Tränen einen Brief an ihn an , und betete zu Gott , Blachfeld möchte sich nicht weigern ihn zu lesen , als er selbst zu ihr in das Zimmer trat .
Sie dankte der Vorsehung , und gelobte nie wieder zu verzweifeln , hörte auch die gerechten Vorwürfe , die Blachfeld ihr über ihre Reise machte , geduldig an .
Nachdem er seinen Unwillen ausgelassen hatte , überreichte sie ihm ein kleines Geschenk das sie ihm bestimmt , und Verse die sie in seiner Abwesenheit auf ihn gemacht hatte .
Er schien erfreut und überrascht , und rief wie unwillkürlich :
" Es ist nicht möglich , geistvoller zu sein ! "
" Mir ist es nicht gegeben , setzte er schmeichelnd hinzu , die Sprache der Götter zu reden ; ich muß mich begnügen , Ihnen als Sterblicher zu danken . "
Er umarmte sie zärtlich , und erbot sich , mit ihr zu Abend zu speisen .
Sie wußte daß er im Wirtshause versprochen war , und zufrieden , sein Herz wieder gewonnen zu haben , wollte sie ihn der Gesellschaft seiner Freunde nicht berauben .
Sie blieb mit ihrem Kinde allein , genoß der glücklichen Aussicht , die sich zu eröffnen schien , und legte sich , der Vorsehung dankend , zum Schlummer nieder .
Aber die selige Täuschung dauerte nicht lange :
am anderen Morgen erhielt das Gefolge Befehl , nach D. zurückzukehren , und dort glückte es bösen Geistern , die ihr unbekannt blieben , das Herz ihres Mannes wieder von ihr abzuwenden .
Er blieb noch einige Tage im Gasthofe , so sorgfältig Luise ihm auch seine eigene Wohnung eingerichtet hatte , und das Vergnügen ihn zu sehen erlangte sie nur , indem sie , so wenig ihre Gesundheit es zuließ , alle Abende die Gesellschaften besuchte , in welchen sie ihn versprochen wußte .
Von da brachte er sie nach Hause , hatte aber nicht einmal so viel Achtsamkeit für sie , bis vor ihre Türe zu fahren , sondern ließ den Wagen an der Straßenecke halten , von wo aus sie sein Bedienter weiter brachte .
Dieser Mensch war in der Stadt fremd , er verfehlte einmal bei schlechtem Wetter den Rinnstock , fiel mit ihr nieder , und außerdem daß ihr Anzug , den sie um Blachfelds Geschmack zu schmeicheln ganz weiß gewählt hatte , völlig verdorben war , bekam ihrem ohnehin zerrütteten Körper der Schrecken und die Nässe so übel , daß sie den folgenden Tag krank wurde .
Blachfeld erkundigte sich nicht einmal nach ihrer Gesundheit , ungeachtet er diesen Unfall eigentlich veranlaßt hatte , indem sie , wenn er sich nicht dazu erboten hätte , in dem Wagen ihrer Mutter nach Hause gefahren sein würde .
Luisens Geduld und Sanftheit besiegten ihn doch endlich so weit , daß er seine Wohnung bezog .
Gleich beim Eintritt deutete er Luisen an , daß er um vier Uhr frühstücken wollte .
Sie stand um diese Zeit auf , bereitete Tee und Kaffee , und wie er um fünf noch nicht erschienen war , ließ sie ihn wecken , um ihm zu melden , daß das Frühstück bereit wäre .
Er antwortete daß er noch nicht frühstücken wollte , und schlief bis sieben fort , da er denn seiner Frau sagen ließ , das Frühstück auf sein Zimmer zu schicken ; sie gehorchte , und er teilte sein Frühstück mit seinem Bedienten .
Luise ließ sich noch einmal Kaffee machen , den sie einsam und traurig verzehrte .
Seinen Geschmack im Essen suchte sie umsonst zu erraten ; er war jetzt eben so schwer zu befriedigen , als er ehedem einfach und genügsam gewesen war .
Die Ausgaben in diesem Stück überstiegen bald ihre Mittel , und sie entschloß sich bei ihren Brüdern zu borgen , auf die Gefahr hin , nach seiner Abreise dann fasten zu müssen , um ihre Schulden zu bezahlen .
Zum Lohn aller dieser Mühe , hörte sie ihren Mann bei Tische zu seinem Bedienten sagen :
" Das Essen wäre gut für die Hunde : sollen wir sie nicht einladen ? "
- Dieser Bediente trug hauptsächlich dazu bei , ihre Lage kränkend zu machen :
solche Leute äffen ihren Herren in ihren Äusserungen gern nach , und Blachfelds Unachtsamkeit gegen seine Frau hatte die Wirkung , daß auch dieser Mensch alle Ehrfurcht gegen sie aus den Augen setzte .
Die auffallende Familiarität , in welcher Blachfeld mit ihm lebte , benahm Luisen den Mut , sich bei ihrem Manne über ihn zu beklagen : es kam bald so weit , daß er ihr die gewöhnlichsten Dienste versagte .
So wollte er eines Morgens , da die Köchin auf dem Markte war , und Blachfeld Tee forderte , kein Feuer anmachen , was sich doch kein Kammerdiener zur Schande angerechnet hätte .
Ein andermal gab ihm Luise einen Auftrag an eine Bekannte , er hatte keine Lust ihn auszurichten , aber er stellte sich als ob er es getan hätte , und brachte , im Namen von Luisens Freundin , eine höchst beleidigende Antwort zurück .
Luise kannte sie zu gut um nicht zu zweifeln ; sie sprach mit ihr davon , und erhielt die feierliche Versicherung daß der Bediente sich gar nicht in ihrem Hause hätte blicken lassen .
Seitdem Blachfeld eine so entschiedene Verachtung gegen die Weiber äußerte , fand es sein Bedienter unter seiner Würde , auf den Wagen zu steigen , wenn Luise ausfuhr .
Sie geriet dadurch in die peinlichsten Verlegenheiten .
Oft sah sie sich beim Ausgange aus dem Schauspielhause so verlassen , daß sie ganz fremde Leute um ihre Bedienten oder Wagen ansprechen mußte , um aus dem Haufen zu kommen .
Einen Abend wartete sie lange , in der Hoffnung endlich abgeholt zu werden , und schlug verschiedenemal die Begleitung eines jungen Mannes aus , der ihre Verlegenheit wahrnahm .
Wie aber alle Logen leer , alle Lichter ausgelöscht waren , mußte sie sein Anerbieten annehmen , ungeachtet sie ihn weiter nicht kannte , als daß sie seinen Namen , und er den ihrigen wußte .
Aus Bedenklichkeit wollte sie nicht in seinen Wagen steigen , sondern ging , ungeachtet es regnete , zu Fuß : ihr Begleiter war ein Fremder , er verfehlte den Weg , ohne daß sie ihn in ihrer Unruhe zurecht weisen konnte , und so irrte sie lange umher .
Ein andermal hatten alle Damen schon die Logen verlassen , sie wartete noch gegen eine Stunde , die Finsternis zwang sie endlich herauszugehen , und wie sie durch den Haufen allein dringen mußte , hielt man sie für ein zweideutiges Geschöpf .
Glücklicherweise wurde sie vom *** *** erkannt , dieser nannte sie einem anderen Herrn , der ihr seinen Bedienten lieh , um einen Wagen zu holen .
Wenn sie dann , von Angst und Kränkung ermattet , nach Hause kam , durfte sie ihrem Manne nicht einmal klagen : seine Türe war vor ihr verschlossen ; und fand sich einmal Gelegen heit , der Nachlässigkeit des Bedienten zu erwähnen , so lächelte er darüber , und sagte , es wäre ein pfiffiger Bursche .
Nur einmal zwang ihn ein Zufall , sich ihrer in diesem Stücke anzunehmen .
Ein Kriegsgefährte ihres Mannes hatte sie einst , nach geendigtem Schauspiel , in einer ähnlichen Verlegenheit getroffen , und wie sie mitten auf der Treppe nach ihrem Bedienten suchte , sagte er :
" Bei Gott ! wenn das meiner Frau geschähe , wie wollte ich den Kerl zurechtweisen !
Ihr Mann muß sich keinen Respekt zu verschaffen wissen . "
- der Offizier brachte sie zu Hause , und da er ihren Mann über die schlechte Aufführung seines Bedienten aufzog , sah sich Blachfeld ehrenhalber genötigt , diesen mit einer Ohrfeige abzustrafen , die er aber noch an demselben Abend mit einem Geschenke vergütete .
Der Mensch weigerte sich endlich ganz ihr aufzuwarten , so daß sie ihre Mutter um einen Bedienten bitten mußte , so oft sie auszufahren hatte ; und bei Tische mußte sie so viel wie möglich aller Bedienung entbehren .
Es gibt keinen nagenderen Kummer als häuslichen ; da er außer den dabei zunächst interessierten Personen keine Zeugen hat , schließt er allen Trost von fremdem Mitleid aus ; und wehe , wenn das Mißverhältnis so weit gekommen ist , daß sich jenes einmischt ; die Bitterkeit , die daraus entsteht , macht jede gründliche Versöhnung unmöglich !
Luisens Gesundheit hielt so viel schmerzliche Auftrittre nicht aus .
An ihrem Namenstage , den ihre Mutter durch ein Familienfest feiern wollte , war Luise von dieser gütigen Aufmerksamkeit zwar um so gerührter , als auch ihr Mann die Gefälligkeit hatte , vom Hofe wegzubleiben , um an dem Feste teilzunehmen .
Allein sie fand sich vor dem Abendessen sehr krank ; sie zwang sich es zu verbergen , um Blachfelden nicht übellaunig zu machen , indem sie ihn genötigt hätte , früher aus der Gesellschaft zu gehen , oder die Pferde den Weg zweimal zu machen gehabt hätten .
Ihr ältester Bruder fühlte indessen ihren Puls , und riet ihr , den Arzt kommen zu lassen .
Es traf gerade die Zeit ein , wo man diesen gewöhnlich bezahlte , und ob sie gleich , um sich Verdruß zu ersparen , diese Ausgabe übernommen hatte , so fehlte ihr doch jetzt an der nötigen Summe eine Pistole , die sie ihren Mann bat ihr vorzuschießen .
Aber Blachfeld behandelte sie sehr hart , und schmollte den ganzen folgenden Morgen , an welchem sich Luise die äußerste Gewalt antat , um sich bis zu ihrer Mutter zu schleppen , bei der sie zum Mittagsessen eingeladen waren .
Sie hatte oft und mit dem innigsten Wünsche , es gut zu machen , über die Ursachen ihres traurigen Verhältnisses nachgedacht .
Eine ihrer würdigsten Verwandtinnen , die Schwester ihres verstorbenen Vaters , hatte ihr den Rat gegeben , ihren Mann durch Liebkosungen zu gewinnen , und dieses Mittel konnte von einem Weibe , das so gern geliebt hätte , mit herzlich gutem Willen befolgt werden .
Sie hoffte an diesem Tage , Blachfelds üble Laune würde vorübergehend sein ; und indem sie ihm mit zärtlichem Blick ihre Hand reichte , bot sie ihm ihre Wange zum Kusse dar .
Wie traurig wurde ihre Hoffnung getäuscht , da er ihr diesen innigen Ausdruck ihres Gefühls als Falschheit und Künstelei auslegte !
Was mußte die Arme leiden , als sie , die keine größere Glückseligkeit kannte , als geliebt zu sein , sich so mißverstanden , so zurückgestoßen sah !
Ihr eigenes Gefühl hatte sie freilich bis jetzt darauf geführt , daß Zurückhaltung ihres Mannes Liebe verdoppeln würde ; und wie notwendig wäre es , ein unerfahrenes reines Mädchenherz über den Punkt zu belehren , wo ihre schwärmerische Delikatesse dem geraderen , nicht vernünftelnden , sondern einfach begehrenden Gefühl eines Mannes nachgeben muß !
Jetzt war es zu spät : das häusliche Mißverständnis wurde immer unheilbarer , und die Banden ihrer Herzen zerrissen immer unwiederbringlicher .
Ein äußerst schmerzlicher Rheumatismus war die Folge dieser Unpäßlichkeit , er warf sich auf die Brust , und Luise mußte ein Blasenpflaster gebrauchen , dessen Wirkung bei der Reizbarkeit ihres Körpers sie unendlich leiden machte ; sie bat Blachfelden bei ihr zu bleiben , er schützte aber Dienstpflichten vor .
Bei seiner Rückkehr erzählte er lachend , daß er bei einer artigen Frau Kaffee getrunken , und wie die Theestunde herangekommen wäre , zwar fortgewollt , aber sich so gut da befunden hätte , daß er bis spät Abends geblieben wäre .
Luise hatte einen Jugendfreund gehabt , der vorzügliche Talente zum Vorlesen besaß ; es war ihrer Mutter und ihr , bei ihren Krankheiten , oft eine Erleichterung gewesen , ihm zuzuhören .
Blachfeld las indessen auch gern vor , und aus einer sehr verzeihlichen Schwachheit hatte er gegen Luisen geäußert , daß es ihm lieber sein würde , jenen Mann nicht mehr zu sehen :
sie machte sich eine Freude , ihm nachzugeben , und opferte den Umgang mit ihrem alten Bekannten , unter irgend einem Vorwande , auf .
So oft aber Luise ihren Mann seitdem bat , ihr vorzulesen , stellte er sich beschäftigt , und es kam nie dazu .
Er stellte sich so ; denn als seine Frau einst gegen ihre Mutter ihn bedauerte , daß er so viel zu tun hätte , antwortete diese : " Immer ist das wenigstens nicht der Fall , wenn er dich verläßt ; denn gestern , zum Beispiel , hat er den ganzen Tag bei uns zugebracht , und Abends - obgleich unter der beständigen Versicherung daß er sehr beschäftigt wäre , - in der Karte gespielt .
Jetzt da Luise an ihrer Brustkrankheit einsam danieder lag , hörte sie ihn oft im benachbarten Zimmer laut lesen : sie bat ihn die Tür offen zu lassen , damit sie zuhören könnte ; er schlug es ihr aber mit einer Härte ab , die von jedem Manne gegen jedes Weib , vorzüglich aber von einem Gatten gegen seine kranke Frau , unverzeihlich war .
Luise wurde endlich geneigt , seinen Unmut , und besonders seine Verweigerung den Arzt bezahlen zu helfen , einer dringenden Geldverlegenheit zuzuschreiben .
Aber es ereignete sich bald ein Umstand , der ihr diesen Irrtum benahm .
Blachfeld kam eines Abends , unter noch heftigerem Fluchen wie gewöhnlich , von der Maskerade nach Hause .
Luise erkundigte sich nach der Veranlassung seines Verdrusses , und hörte , daß man ihm sechzig Pistolen aus der Tasche gestohlen hätte .
Sie bot ihm ihren Schmuck an , um einen Verlust , der ihm so nahe zu gehen schien , einigermaßen zu ersetzen ; er sagte aber lachend :
" Das wäre das geringste !
er hätte über dreimal so viel in seiner Chatulle . "
Der Widerwille gegen sein Weib stieg endlich so hoch , daß er sein Zimmer ganz vor ihr verschloß , und sie dadurch nötigte , in dem Kinderzimmer , dem einzigen das ihr übrig blieb , eingeschlossen zu bleiben , da zu schlafen , zu speisen , den ganzen Tag zuzubringen .
Das Haus war nun ein Bild der traurigsten Zerrüttung .
Die Bedienten , welche mit der ungestümsten Härte behandelt wurden , wären nie bei ihrem Herrn geblieben , wenn er ihnen nicht dafür die untätigste und zügelloseste Lebensart verstattet hätte .
Hauswäsche , Leinenzeug , Geräte , alles wurde verschleppt , gestohlen , verdorben ; und da Luise , durch ihren Mann selbst , ihres Ansehens als Hausfrau beraubt war , mußte sie allen diesen Unfug vor ihren Augen dulden .
Sie verlor in sechs Wochen mehr Wäsche , als sie durch ein jahrlanges Bemühen und Arbeiten angeschafft hatte .
Je mehr sich Luise mit Sanftmut , Ergebung und Geduld bewaffnete , je mehr Kränkungen sie verschluckte , je mehr Beleidigungen sie stillschweigend hingehen ließ , je tirannischer wurde Blachfelds Betragen .
Sie konnte sich noch nicht überreden , daß alle ihre Opfer vergeblich wären .
Es war Karneval : die ganze Nacht wartete sie , durch das Geräusch der Wagen am Schlafe verhindert , und bei einem jeden der vorbeifuhr bildete sie sich ein , er brächte ihren Mann zurück .
Wie schlug ihr Herz von banger Hoffnung , wenn endlich einer vor der Türe hielt , wenn sie den immer noch geliebten Mann zu Hause und in ihrer Nähe wußte !
Eine Stunde wohl brachte sie dann in der süßen Erwartung zu , wenn er ausgekleidet wäre , wenn er seinen Bedienten fortgeschickt hätte , würde er ihr gute Nacht sagen :
denn die Sorgfalt welche ihr Kind forderte , hatte ihr eine hinreichende Ursache geschienen , abgesondert zu schlafen , und sein Verdacht , als wäre dieses nur ein Vorwand , war eine der zahllosen Ungerechtigkeiten die sie erlitt .
Dieser Gruß , dieser Beschluß des Tages , war das einzige Glück , nach welchem sie sich sehnte , und es wurde ihr oft versagt .
Traurig legte sie sich dann nieder , und hoffte , daß es den nächsten Tag besser gehen würde .
Kaum erschien dieser , so ging Blachfeld aus , kam nur um sich anzukleiden nach Hause , und der Abend brachte die peinliche Spannung des vorigen Tages zurück .
Es fehlte noch ein Tropfen in dem Kelche des Leidens , um ihn Luisen unerträglich zu machen ; und diesen schüttete eine ihrer Freundinnen , vielleicht aus wohlmeinender Teilnahme , aber sicherlich sehr unvorsichtig und rücksichtslos , vollends hinein , indem sie eines Tages zu ihr sagte : man gäbe Blachfelden Schuld , ein Meister in der Verstellung zu sein , und so wäre es ja leicht möglich , daß seine heftige Leidenschaft vor ihrer Ehe bloße Komödie gewesen sei .
Diese Äußerung zerriß Luisens Herz .
Also selbst die Erinnerung , vormals geliebt gewesen zu sein , war eine Täuschung ?
also war alles ihr Bemühen vergeblich , und Blachfelds Herz war jedes zärtlichen Gefühls durchaus unfähig ?
Fast verzweifelnd , eilte sie diesen neuen Kummer in ihrer Mutter Busen auszuschütten .
Die gute Frau hatte , bei ihrem Gram über Luisens unglückliche Ehe , nicht Unbefangenheit genug , ihr in diesem Augenblick Beruhigung zu geben .
Sie antwortete vielmehr , von Bitterkeit hingerissen :
" Gewiß war seine heftige Leidenschaft nichts als Heuchelei !
Ich wundre mich , daß du es nicht gewahr wurdest .
Wie hätte er auch ein immer in Tränen schwimmendes , schwermütiges Geschöpf , in diesem Grade lieben können ?
Und doch schien es , als betete er dich , selbst um deiner Fehler Willen , an !
Ich sah gleich , daß er es nicht aufrichtig meinte "
- " Sie sahen es , Mutter ? rief Luise außer sich .
Sie sahen es , und gaben ihm Ihr Kind , und entreißen mir jetzt alle Hoffnung ? "
Zum zweitenmal in ihrem Leben vergaß die Unglückliche , was sie ihrer Mutter schuldig war , und überließ sich allem Ungestüm ihres Schmerzes .
Hätte sie nachdenken können , wäre sie bei einem zu vergifteten Herzen einiger kalten Überlegung fähig gewesen , so hätte sie den Ungrund jener Bemerkung ihrer Freundin selbst einsehen müssen .
Blachfelds übrige Fehler schlossen die Falschheit gerade aus , wenigstens jedes zusammenhängende Gewebe von Falschheit .
Ungestüm , launig , wankelmütig wie er war , hätte er eine seinem Herzen fremde Rolle , wenn auch allenfalls übernehmen , doch sicherlich nie ausspielen können .
Wahrscheinlich hatte ihre Freundin geglaubt , daß es die Artigkeit mit sich bringe , gegen eine Frau , die unglücklich mit ihrem Manne lebte , aufs Geratewohl böses von ihm zu sprechen ; und sie hatte nicht berechnen können , welchen Kummer sie Luisen bereitete .
Jetzt oder niemals war es Zeit , ein Haus zu verlassen , wo sie weder mit Ehren noch zum Nutzen ihres verblendeten Gatten lebte , wo sie mit Gram und Demütigungen überhäuft wurde .
Blachfeld betrachtete es kaum als seine Schlafstelle .
Seit einem unbedeutenden Vorfalle , bei welchem Luise nur seinen Willen zu erfüllen geglaubt hatte , speiste er im Wirtshause ; den ganzen übrigen Tag brachte er auswärts , oder in seinem Zimmer eingeschlossen zu ; und , wenn er in Gesellschaft ging , erkundigte er sich erst sorgfältig bei Luisens Magd , ob er auch nicht in Gefahr käme seine Frau zu treffen ?
In dem grausamsten Kampf über einen Entschluß , bei welchem , in ihrer doppelten Eigenschaft , als Mutter und als Gattin , Natur , Sittlichkeit und Religion , bald für sie , bald für Blachfeld stritten , ging sie einst in die Kirche , um Stärkung und Leitung von Gott zu erflehen .
Man sang eben ein schönes Lied über das zukünftige Leben .
Der Sturm ihrer Seele wurde durch die Gedanken , die dieses Lied erregte , besänftigt , ihre Bitterkeit gegen Blachfeld verschwand , und machte einem innigwehmütigen Gefühle der Nichtigkeit menschlicher Wünsche , Hoffnungen und Plane Raum .
Sie erinnerte sich , wie oft sie , auf ihren einsamen Spaziergängen , sich nach Blachfelds Zurückkunft gesehnt hatte , wie oft ihr seine freudige Teilnehmung bei den Fort schritten , bei der Entwicklung ihres Kindes gefehlt hatte , wie oft sie bei ihrer Lektüre gedacht hatte : möchte doch Blachfeld mit mir lesen !
Ihre Wünsche waren erhört worden , er war zurückgekehrt :
aber keine der Freuden , die sie sich versprach , hatte ihn begleitet .
Unmöglich aber konnte sein Herz auf ewig ihr verschlossen sein : vielleicht hatte sie nur den rechten Weg zu diesem Herzen noch nicht gefunden .
- Sie beschloß , noch einen Versuch zu wagen , ihm noch einmal alle ihre Zärtlichkeit entgegen zu tragen .
Mit diesem Vorsatz eilte sie nach dem Gottesdienst in Blachfelds Zimmer .
In der Meinung , daß es sein Bedienter wäre , verhinderte er sie nicht hereinzukommen .
Sie ergriff seine Hand , aber unfähig zu sprechen , überströmten Tränen ihr Gesicht ; Blachfeld sah sie fließen , und lächelte .
Sie bemerkte dieses Lächeln wohl : es war nicht jene freundliche Weisheit , die tröstend über menschliche Schwäche lächelt ; es war der zurückweisende Ausdruck eines verhärteten Herzens , das der Empfindung zu seinem Glücke nicht mehr bedarf , und sich freut sie in anderen zu finden , die er darum mit desto besserem Erfolge quälen kann .
Blachfeld genoß diese grausame Freude eine Weile lang in vollem Maße , dann führte er , immer fortlachend , Luisen an die Türe .
" Was soll aber aus mir werden ? " rief sie mit erstickter Stimme .
- " Das ist meine geringste Sorge . "
- " Haben Sie Mitleid mit mir ! "
- " Ich habe mir vorgenommen , mit niemanden Mitleid zu haben , da niemand es mit mir hat . "
- Luise begriff jetzt , daß er irgend einen verborgenen Verdruß haben müßte , und sie fühlte von neuem , wie unzerreißbar die Kette von Schmerz und Fehltritten ist , sobald Eintracht und gutes Vernehmen einmal aus einer Ehe verbannt sind .
Eine der traurigsten Folgen ist gewiß der Mangel an Mitteilung ; beiden Teilen entgeht der Augenblick , wo die Umstände besondere Nachsicht gegen böse Laune oder Ungerechtigkeit erfordern : und dies unwillkürliche Versehen wird , von dem leidenden Teile , doch selbst als Ungerechtigkeit empfunden .
Luise fuhr sanft fort :
" Ich hoffe daß die Vorsehung Ihren Sinn ändern wird . "
- Er unterbrach sie :
" Ich habe ihrer nicht nötig ; sie hätte viel zu tun , wenn sie sich mir fühlbar machen sollte .
In dieser Welt muß man die Menschen benutzen , aber sich an keinen binden .
Ein anderes Mittel , glücklich zu sein , gibt es nicht " - So schloß sich diese Unterredung , auf welche Luise ihre letzte Hoffnung gebaut hatte ; so gelang ihre Bemühung ein Herz zu erweichen , von dessen Besitz ihre ganze Bestimmung zum Glück abhing !
Sie sah nunmehr deutlich , daß Blachfeld einer Gattin los zu sein wünschte , deren Leiden selbst ihm zu einem stillschweigenden Vorwurf gereichten , welcher ihm unerträglich zu werden anfing .
Die Scheidung zu fordern fiel ihm jetzt indessen nicht ein , weil Luisens Mutter in einem Alter war , das ihm versprach , sie bald unter vorteilhafteren Bedingungen zu erhalten , als in den gegenwärtigen Umständen .
Madame N. merkte ihm diesen Plan ab , und ob sie gleich äußerlich in gutem Vernehmen mit ihm stand , so war sie doch über sein Betragen gegen ihre Tochter so aufgebracht , daß sie diese insgeheim bat , darin zu willigen , daß sie ihre Kinder an seiner Stelle zu Erben einsetzte .
Luise konnte aber der Hoffnung , ihn zu gewinnen , noch nicht ganz entsagen , und wollte nicht , daß er im wahrscheinlichen Falle ihres früheren Todes , auf seine alten Tage , von seinen Kindern abhängen sollte :
sie hätte freilich bei dieser Einrichtung nichts verloren , da ihr nach den Gesetzen der Niesbrauch des Vermögens zukam .
Ein Entschluß mußte indessen genommen werden .
Blachfeld hatte in Dienstgeschäften eine Reise zu machen , die aber von zu kurzer Dauer sein sollte , um Luisen Hoffnung zu geben , daß etwa Zeit und Entfernung sein Betragen milderen möchten .
Diese Wirkung war nur von dem Alter , und der Abkühlung seiner Leidenschaften zu erwarten .
Er wird sich zu mir wenden , sagte sie zu sich selbst , wenn die Welt ihn verlassen haben wird ; ich will ihn auf einige Jahre von meiner Gegenwart befreien .
Um alles Aufsehen zu vermeiden , sah sie kein besseres Mittel , als um die nämliche Zeit wie er abzureisen , und nicht erst seine Zurückkunft abzuwarten .
Sie sprach mit ihrer Mutter davon , und diese gute Frau , zu teilnehmend um ihre Gründe nicht zu fühlen , sagte bloß zu ihr :
" Ich will mich deiner Abreise nicht widersetzen :
ich weiß was ich dir auf diesen Fall schon versprochen habe , und weiß auch , aus dem Zeugnis deiner beiden Dienstmägde , daß dein Haus dir eine Hölle sein muß ; sie begreifen nicht , wie du so lange ausgedauert hast .
Ich will dich also nicht zurückhalten : aber bedenke , daß ich während deiner Abwesenheit sterben könnte !
Ich kenne dich genug , um zu wissen , daß du trostlos sein würdest . "
- Mit dieser Vorstellung hatte sie Luisen schon öfters von ihrem Vorhaben abgebracht , und auch jetzt wäre es ihr gelungen , wenn Blachfeld nicht selbst geschienen hätte , die Ausführung desselben zu wünschen .
Dies wußte sie von dem Kindermädchen , welches Mittel gefunden hatte , sein Vertrauen zu gewinnen .
Er brachte in den Stunden , wo Luise bei ihrer Mutter war , manchen müßigen Augenblick in ihrem Zimmer zu , und vertrieb sich die Zeit damit , das Mädchen über ihre Herrschaft auszufragen .
Sie mochte also wirklich besser als Luise wissen , wie Blachfeld über diesen Punkt dachte : außerdem hatte sie aber selbst einen Grund , Luisens Abreise zu wünschen , bei welcher sie einen unmittelbaren Vorteil zu finden hoffte .
Sie war sehr geschickt , und verdiente vieles Geld , zu ihrem ohnehin ansehnlichen Lohne , indem sie , mit Luisens Erlaubnis , für Leute außer dem Hause arbeitete .
Sie berechnete sehr richtig , daß ihre Herrschaft , während Blachfelds Abwesenheit , auf das Land gehen würde , wo ihr außerordentlicher Erwerbe dann wegfallen müßte ; wenn Luise hingegen verreiste und sie im Hause ließ , konnte sie mehr als jemals verdienen .
Sie versicherte Luisen , daß sie ihren Mann durch einen längeren Aufschub ihres Vorsatzes immer mehr erbittern würde , und hinterbrachte ihr mehrere seiner Reden , die das Herz der unglücklichen Frau nur zu tief verwundeten , ungeachtet sie gegen das Mädchen sich stellte als ob sie nicht daran glaubte .
Die Reise erforderte einen Vorschuß , den Luise jetzt nicht in Händen hatte .
Blachfeld hatte ihr zwar vierzig Pistolen zu diesem Behufe versprochen , aber der Diebstahl , den er neulich erlitten hatte , diente ihm zum Vorwande sein Wort zurückzunehmen .
Um indessen der Ausführung des Plans nicht im Wege zu sein , bequemte er sich eine Schrift zu unterzeichnen , in welcher er sich dazu bekannte die Trennung gefordert zu haben , und um das Publikum davon zu überzeugen , sich verpflichtete , seiner Frau eine gewisse Summe zu ihrem standesmäßigen Unterhalte , und eine andere zur Ernährung ihres Kindes auszusetzen .
Luise überließ es ihm , diese Summen so niedrig zu bestimmen als er wollte ; sie würde ihre Einrichtung danach machen .
Er betrug sich aber in diesem Punkte so anständig , daß Luise , deren Herz , bei dem geringsten Anschein von Delikatesse und Güte , sich mit neuen Hoffnungen schmeichelte , ihm nochmals anbot zu bleiben .
Allein seine Antwort verwundete sie wieder aufs Äußerste ; er sagte ihr in Gegenwart seines Bedienten , daß ihre Anwesenheit ihm unerträglich wäre , war aber doch schonend genug , um sich einer fremden Sprache zu bedienen , indem er hinzusetzte : " ich bin auf glühenden Kohlen , so lange Sie hier sind . "
Mit der Ruhe , die ein gutes Gewissen gibt , bereitete sich also Luise zur Abreise .
Vielleicht beleidigte diese Ruhe seine Eigenliebe , vielleicht ging sein Haß gegen sie so weit , daß er sie nicht allein unglücklich , sondern auch verzweifelnd sehen wollte .
Er ergriff wenigstens das beste Mittel um diesen Zweck zu erreichen ; er suchte sie mit ihrer Mutter zu entzweien .
Gelang ihm dieses , so war ihre letzte Stütze dahin , so hatte sie ihren einzigen Trost , mit dem Segen ihrer Mutter abzureisen , verloren .
Er wußte , daß Madame N. Luisens Kind mit aller Zärtlichkeit einer Großmutter liebte , und sich mit dem größten Schmerz von demselben losriß .
Er bot ihr an , es zurück zu behalten , und um Luisens Brüder zu gewinnen und zu überreden , daß in der Schrift , die er Luisen gegeben , von dem Kinde die Rede nicht sei , wollte er ihnen die Erziehung desselben anvertrauen .
Als Hauptursache dieser Grausamkeit schützte er eine Besorgnis vor , daß Luisens Schwermut auf das Kind Einfluß haben könnte .
Er bevollmächtigte seine Schwäger , im Fall daß Luise sich widersetzen möchte , ihr das Kind sogar mit Gewalt zu entreissen .
Gewalt gegen eine Mutter , die noch schwach war von ihren Leiden bei der Entbindung von eben diesem Kinde !
Gewalt , um Bande zu zerreißen , an denen die Natur , so lange , so unbegreiflich arbeitet !
Man sollte ein schwaches Weib mißhandeln , weil sie keine unnatürliche Mutter sein wollte ; man sollte sie für ihre Zärtlichkeit strafen !
- Blachfeld schrieb seiner Frau ein Billet , das ihr seinen Willen in Absicht auf das Kind bekannt machte , und verließ das Haus ehe es ihr übergeben wurde ; er hatte den Mut nicht , Zeuge von der Wirkung seiner Grausamkeit zu sein .
Luise wurde bei Eröffnung des Zettels von konvulsivischen Bewegungen ergriffen .
Die Magd , die ihr die abscheuliche Botschaft überbrachte , sah sie an Gesicht und Händen blau werden , ja ihre Zunge wandelte sich in dieselbe Farbe , und konnte nur gebrochen die Worte stammeln :
" Mein Kind ! ach mein Kind ! " -
Es war in diesem Augenblicke schon in den Händen seiner Räuber : Luisens Mutter hatte es an dem nämlichen Morgen abholen lassen .
Gewöhnlich vertraute es Luise außer dem Hause nie einer fremden Aufsicht , aber heute war sie mit dem Einpacken beschäftigt gewesen , und hatte es ihrer Mutter geschickt , der sie zugleich sagen ließ , daß sie den Mittag bei ihr speisen würde .
Es regnete stark , Blachfelds Pferde durfte sie nicht zu brauchen wagen , und ihre ängstliche Ungeduld erlaubte ihr nicht , die Ankunft der zur Mittagsstunde bestellten Sänfte abzuwarten .
Sie eilte also , trotz des stürmischen Wetters , zu Fuß durch die Straßen , stürzte in das Zimmer ihrer Mutter , zu ihren Füßen , bat , flehte , sagte alles was ihr Zärtlichkeit und Angst eingaben um sie zu rühren , um ihr Kind wieder zu bekommen .
Umsonst !
Madame N. hörte nur die Stimme des Vorurteils und ihrer eigenen Wünsche , sie war taub gegen das Flehen ihrer Tochter .
Endlich ließ sich Luise von der Verzweiflung hinreißen .
" Um Ihnen zu gefallen , rief sie , habe ich mein Glück , alle meine liebsten Neigungen geopfert .
Mein Kind soll kein neues Opfer werden ! "
- -
Man fing an auf sie zu hören , sie bot jedes Unterpfand an , daß sie ihre Abreise in diesem Augenblick aufschieben würde , und eilte mit ihrem schwer erkämpften Schatze , mit ihrem Kinde im Arm , nach ihrer Wohnung zurück .
Hier erwartete sie Blachfelds Zurückkunft , in einem Zustande , der nicht beschrieben werden kann .
Welche Gedanken zerrissen ihr Gemüt !
Von der einen Seite empfand sie die grimmigste Erbitterung , sich , ein Geschöpf das nie auf eines Menschen Schaden gesonnen hatte , auf allen Schritten ihres Lebens , in allen ihren Gefühlen , mit dem eifrigsten Haß verfolgt zu finden : - von der anderen zerfleischte Reue ihr Herz , daß sie sich abermals gegen ihre gute wohlmeinende Mutter vergangen , und am Tage vor einer Reise , die sie vielleicht auf ewig von ihr trennte , ihren Zorn auf sich geladen hatte .
" Ewige Vorsicht ! rief sie in der Angst ihres Herzens , du kanntest die Reinheit meiner Absicht ; wie konntest du mich durch die Umstände zum Verbrechen hinreißen lassen ? "
Einige Augenblicke darauf schien es ihr , als hätte Gott diese quälende Reue sie erfahren lassen , um ihr eine größere zu ersparen , die sie sich durch ihre Abreise vorbereitet hätte .
Sie wollte nun ihre Mutter nicht verlassen , sie wollte bleiben um wieder gut zu machen , was sie heute begangen hatte .
Mit dieser Idee war sie beschäftigt , als Blachfeld ihr durch die Magd sagen ließ , daß sie das Kind auf ihrer Reise mitnehmen sollte .
Luise glaubte nun , sich in ihrer Auslegung des göttlichen Willens geirrt zu haben , und hielt diese neue Willensänderung ihres Gemahls für einen Wink der Vorsehung , bei ihrem ersten Vorsatz zu bleiben .
Aber Blachfelds Betragen fühlte sie so tief , daß sie sich nicht enthalten konnte , nachher zu ihm zu sagen : " Sie haben die Ruhe meines Lebens unwiederbringlich zerstört , indem Sie mich in einen Zustand stürzten , wo die Verzweiflung mich gegen meine Mutter Worte ausstoßen machte , die ich mir nie verzeihen werde . "
Blaß und mit zerstreutem Haar , mußte sie das Bild des bedauernswürdigsten Kummers sein ; und wäre in Blachfelds Herzen noch menschliches Gefühl gegen sie gewesen , so hätte er einsehen müssen , wie sehr ein einziges tröstendes Wort ihr notgetan hätte .
Stadt dessen vergiftete er ihren Schmerz vollends , durch die kaltblütige Bemerkung , daß dieses ja nicht der erste Auftritt der Art wäre , den sie mit ihrer Mutter hätte .
So sehr hatte die Zeit den Gesichtspunkt , aus welchem er Luisen betrachtete , verändert !
Jetzt machte er ihr den Vorwurf , daß sie ihre Mutter schon eher beleidigt hätte ; und ehemals , als er sechs Monate mitten unter ihrer Familie lebte , hatte er , - nicht nur gegen Luisen , denn das hätte Liebhabersprache sein können , - sondern gegen mehrere seiner Freunde geäußert , daß er Luisens Geduld im Ertragen des Unaufhörlichesten , und dadurch unerträglichsten Widerspruchs , von Seiten ihrer Mutter bewunderte ; daß er bei aller Festigkeit , deren er sich rühmen dürfte , nicht fähig sein würde es ihr gleich zu tun .
Er war noch weiter gegangen :
er war auf Luisens unermüdete Achtsamkeit gegen ihre Brüder eifersüchtig gewesen .
" Sie würden von mir nicht so viel dulden , sagte er , als Sie sich von Ihren Brüdern gefallen lassen ! " und wie Luise ihm antwortete : Sie weinen jetzt mit mir , und werden mir vielleicht einst meinen jetzigen Kummer vorwerfen ; erwiderte er :
" Nein , ich werde nie so niedrig und schändlich sein .
Sie können gegen mich fehlen , aber ich kann nie Ihr Betragen gegen Ihre Familie vergessen , und daß Ihnen nie eine Klage über sie entfuhr .
Ihre Mutter handelt nicht so , ob sie gleich weiß daß ihrer Tochter Schicksal in meinen Händen beruht , und ihre Reden Einfluß darauf haben könnten . "
- - Damals erschien ihm Luise als das Ziel seiner eigensinnigen Wünsche , und jede Erfüllung ihrer Pflicht zierte sie wie ein Verdienst : jetzt aber , verblüht durch Leiden und Krankheit , als Weib , als Mutter , für ihn nichts als eine lästige Fessel , gab ihm ihr Unglück selbst Stoff zum Vorwurf .
Doch es ist Zeit zu der letzten Epoche dieser traurigen Geschichte zu eilen .
Als Madame N. erfuhr , daß Blachfeld Luisen sein Kind lassen wollte , versicherte sie ihrer Tochter , daß sie ihre Übereilung von ganzem Herzem vergäbe , und sie nur angelegentlich bäte , sich das Leben nicht durch unnütze Selbstanklagen zu verbittern .
Luise brachte den Abend zu den Füßen ihrer Mutter zu : bald bat sie um ihre Verzeihung , bald dankte sie für ihre Güte , und erhielt von neuem ihre Einwilligung und ihren Segen zur Reise .
Sie war von diesem Abend so gerührt , daß sie , auf dem Heimweg und bei ihrer Rückkunft , ernstlich darauf dachte , die Verzeihung ihrer Mutter völlig zu verdienen , indem sie ihren Reiseplan ein für allemal aufgäbe .
Sie befahl daher , die Pferde , welche für den nächsten Morgen bestellt waren , wieder abzubestellen .
Jenes Mädchen , das erwähntermaßen bei Luisens Abreise seinen Vorteil fand , wiederholte ihr nunmehr alle Gründe , die sie bestimmen sollten , ihrem ersten Entschluß getreu zu bleiben .
Luise hörte sie schweigend an , und schickte sie alsdann fort , in der Absicht , bei Blachfelden einen neuen Versuch zu wagen , der sie über ihr Tun oder Lassen beruhigte .
Sie klopfte an sein Zimmer , und bat um die Erlaubnis mit ihm zu sprechen .
Seine freundliche Antwort flößte ihr Hoffnung ein , daß die Vorsehung ihr bei ihrem Vorhaben , das auf den tugendhaftesten Bewegungsgründen beruhte , behilflich sein wollte .
Überzeugt , daß Blachfeld nur durch die unbedingteste Unterwerfung zu gewinnen war , nahm sie alles auf sich , bat um seine Verzeihung , und fragte ihn , was sie hoffen dürfte , wenn alles Vergangene vergessen würde , und sie ihrer Reise entsagte ? ob er ihr dann auch seinerseits erlaubte , ohne die Dazwischenkunft einer Dritten , deren Treue ihr verdächtig wäre , mit ihm zu sprechen ?
Blachfeld suchte sie von dem Ungrund ihres Verdachtes auf das Mädchen zu überzeugen , und bat sie , nicht zu glauben , daß er ihre Abreise wünschte , um mit diesem Mädchen allein zu bleiben .
" Sie würde nicht bleiben wollen , sagte Luise , sie ist ein rechtliches Mädchen . "
Blachfeld fuhr fort , in dem artigsten Tone mit seiner Frau zu sprechen , und Luise legte sich hierauf mit dem Bewußtsein nieder , den besten Weg eingeschlagen zu haben .
Am folgenden Morgen wollte sie , aus Delikatesse , damit er nicht glauben möchte , daß sie sich auf die Rechte , welche die gestrige Versöhnung ihr gab , zu viel zu gute täte , nicht sogleich in sein Zimmer gehen ; aber diese Bedenklichkeit kam ihr teuer zu stehen .
Blachfeld sprach mit dem Mädchen , und sei es aus Neugierde , um ihre Tugend zu prüfen , oder aus einem noch weniger edlen Bewegungsgrund , er sagte ihr von der Eifersucht ihrer Herrschaft , und daß ihr Ruf darunter leiden würde , wenn seine Frau von ihrer Reise abstände , indem diese allenthalben sagen würde , sie hätte sich nicht getrauen dürfen , ihr Mädchen mit ihrem Manne allein zu lassen .
Das Mädchen eilte weinend zu Luisen , beschuldigte sie , daß sie ihren guten Namen zu Grunde richtete , stellte ihr vor , daß sie außer diesem kein Gut , kein Mittel zu ihrem Fortkommen hätte .
- " Und mein Mann , fragte Luise mit zitternder Stimme , mein Mann hat ihr gesagt , daß ich sie in Verdacht habe ? "
Das Mädchen bejahte es , und setzte noch so viele heftige aufbringende Dinge hinzu , daß Luise völlig außer Fassung , und in ihre ganze vorige Erbitterung zurückgeworfen , von neuem abzureisen beschloß .
Sie wollte aber durchaus ihren Mann noch einmal sehen .
Sie schleppte sich erschöpft in sein Zimmer , und flehte - um was ? -
daß er sie betrügen möchte !
Er schlug ein lautes Gelächter auf :
" Glauben Sie denn , Madame , daß ich mir ein Gewissen daraus machen würde , sobald das Mädchen es zufrieden wäre ? "
- " Ach Blachfeld , antwortete Luise , möchte sie doch Ihre Maitresse sein , wenn ich mir nur noch schmeicheln könnte , Ihre Achtung zu besitzen !
Nein , das ist es nicht :
aber daß Sie die Schwäche Ihrer Gattin verrieten , und an wen ? an ihre Magd verrieten ; daß Sie dieses Mädchen zum offenen Streit mit dem Weibe das Ihren Namen trägt , mit der Mutter Ihres Kindes berechtigten ; - das ist zu viel , meine Abreise ist beschlossen ! "
Als Madame N. diesen Vorgang erfuhr , munterte sie selbst ihre Tochter auf , einen Ort zu verlassen , wo jeder Gegenstand ihren Kummer erneute .
Sie umarmte Luisen , die sich nicht von ihr losreissen konnte , und immer wieder in ihre Arme zurückkehren wollte ; sie drückte ihre Enkelin an ihr Herz .
Das Kind sah erstaunt dem rührenden Auftritte zu .
- " Warum blickt mich das Kind so an ? " fragte Madame N. betroffen .
" Weil es Sie weinen sieht , Mutter ! " antwortete Luise schnell , um einer traurigen Ahnung auszuweichen , der sie mehr Gehör hätte geben sollen .
Endlich verließ sie das Haus , die Stadt wo ihr Jugendglück verblüht , und ihr Dasein vernichtet worden war , und trat zum zweitenmal den Weg nach ihres Vaters Geburtslande an .
Ihre Reise verschaffte ihr das Vergnügen , Blachfelds Vater kennen zu lernen .
Sie wurde mit Güte und Achtung in seinem Hause empfangen , und fand an ihm einen liebenswürdigen Greis , dem ein langer Umgang mit der großen Welt den feinen ehrerbietigen Ton gegen das weibliche Geschlecht gegeben hatte , durch welchen man dessen Beifall nie verfehlt .
Luise hatte sich von ihrem Vater her gewöhnt , die Männer überhaupt zu ehren : die Achtung , die Aufmerksamkeit , die sie dem alten Blachfeld erwies , floß also aus ihrem Herzen , und ihre Liebkosungen hatten keinen eigennützigen Grund ; denn sie hoffte nichts von seinem Einfluß auf seinen Sohn .
Durch die liebenswürdige Enkelin , die sie ihm zuführte , gewann sie vollends sein Herz .
Im ersten Augenblick war die Zusammenkunft zwar etwas kalt , allein Luise erschien nicht als Verbrecherin , sie hatte nichts getan das sie des Namens seiner Tochter unwürdig machte , und der alte Mann gab ihr bald mit voller Freude diesen Namen .
Am folgenden Morgen sagte er ihr sehr verbindlich , daß er sich nicht entschließen könnte , von ihr zu scheiden ; und er schlug ihr vor , die Sinnesänderung ihres Mannes bei ihm abzuwarten .
" Ich bin gewiß , sagte er , daß meine Tochter in diesen Wunsch mit einstimmt . "
Allerdings ! stotterte Blachfelds Schwester , wurde rot und umarmte Luisen .
Allein dieser war auf den ersten Blick der Grund dieses Errötens nicht entgangen :
sie war eifersüchtig auf des guten Greises Zuneigung und Wunsch , seine Schwiegertochter bei sich zu behalten .
Als er ferner darauf bestand , verschaffte sie ihr sogar Gelegenheit , heimlich fortzureisen .
Ohne diese Stimmung ihrer Schwägerin , welche bei Mädchen sehr natürlich ist , die , über die Jugendjahre hinaus , jüngere Weiber preisen höeen , würde Luise des alten Blachfelds gütigen Vorschlag mit Freuden angenommen haben .
Seine stille ruhige Lebensart harmonierte mit ihrer gegenwärtigen Gemütslage , und sie hätte Mittel gefunden , ihre Schwägerin für die etwaigen Kosten ihres Aufenthalts zu entschädigen .
Sie beschäftigte sich einen Augenblick mit dem Projekt , in der Stadt wo ihr Schwiegervater lebte , eine Wohnung zu mieten , und ihre eigene Wirtschaft zu führen : wie sie aber ihre Schwägerin darüber zu Rate zog , schlug ihr diese eine benachbarte Stadt vor , um das Projekt auszuführen .
Luise lächelte über diese ungeschickte Verschlagenheit , und antwortete höflich , ehe sie sich in einer ganz fremden Stadt niederließe , wollte sie lieber nach B. gehen , wo sie sich schmeicheln könnte , von Verwandten und Freunden aufgenommen zu werden .
Man hätte denken sollen , daß es Luisen nur darauf ankäme , eine Stadt zu finden , da es ihr doch bloß um eine freundschaftliche Seele zu tun war .
Ihr Schwiegervater hatte eine solche , und mancher kleine Zug machte ihn Luisen sehr teuer .
Da sie gewahr wurde , daß er im Grunde die zärtlichste Liebe für seinen Sohn hatte , packte sie ihr Reisepult aus , um ihm Blachfelds Brustbild zu zeigen , das sie bei sich hatte .
Er dankte ihr , und bat um die Erlaubnis , es küssen zu dürfen .
Luise fühlte die ganze Feinheit dieses Betragens .
" Ich will mehr tun , antwortete sie , ich will Ihnen darin zuvorkommen . "
Sie reichte ihm alsdann das Bild , und rief , indem sie sich in seine Arme warf :
" Lieben Sie ihn ; er verdient es durch den Ruf seiner Tapferkeit , und mehr noch durch seine Zärtlichkeit für Sie . "
- Er würde es nicht mehr verdienen , wenn er Ihnen sein Herz nicht wieder zuwendete , sagte der Alte gerührt .
- " Nein , das kann nie mehr geschehen .
Damit er Mitleid für mich empfände , müßte er wissen , was ich fünf Jahre hindurch um seinetwillen litt , und ihm das zu sagen , ist keines Menschen Vorteil noch Absicht .
Ihr eigenes Zeugnis würde unvollständig sein , denn Sie kennen mich nicht . "
Blachfelds Schwester schüttete noch Öl ins Feuer , indem sie Luisen versicherte , daß ihres Bruders Gemütsart nie dazu getaugt hätte : das Glück einer Frau zu machen ; man würde daher auch lieber gesehen haben , wenn sich sein jüngerer Bruder statt seiner verheiratet hätte : und von ihm hätte man zu sagen gepflegt , er träte in die Fußtapfen seines Vaters , der zwei Weiber sehr unglücklich gemacht , und sich dessen in Gegenwart seiner Söhne öfters gerühmt hätte , worauf der ältere immer mit Freuden zu hören geschienen . -
Nach ihrem Tode beweint zu werden , war endlich aller Trost , den sich Luise versprechen konnte :
denn sie erfuhr von einem Mitgliede der Familie , daß Blachfelds Mutter ein Engel an Duldung und Güte gewesen war , und daß ihr Tod den alten Blachfeld heftig genug angegriffen hatte , um ihn selbst lange auf das Krankenlager hinzustrecken .
Ehe Luise das Ziel erreichte , das sie fürs erste ihrer Reise gesteckt hatte , empfing sie die wohltätigste Beruhigung durch einen sehr zärtlichen Brief ihrer Mutter .
Das Schicksal schien ihr nunmehr überhaupt , nach so langen Leiden , einen Augenblick Frieden zu gönnen .
Sie hatte alle Orte in B. vermieden , wo Menschen lebten , die sie vor ihrer Heirat gekannt hatte , um ihrem Manne nicht zu mißfallen , indem sie den Umgang mit ihnen erneuerte .
Sie mietete sich in ein kleines Dorf ein , dessen stille heitere Lage ihrer Stimmung sehr zu Hilfe kam .
Unter den vortrefflichen Menschen , die ihr hier den Zutritt in ihrem Zirkel verstatteten , hob sich ihr Geist nach und nach aus dem trüben Nebel empor , in dem er versenkt gewesen war ; heitere Bilder der Zukunft schwebten ihr vor :
- ihre Mutter war die Gottheit , der sie ihr Leben weihte .
Unaufhörlich beschäftigte sie ihr Bild ; bald dachte sie sich ihre Rückkehr zu ihr , wie sie zu ihren Füßen stürzen , ihr Kind in ihre Arme führen , wie diese geliebte Mutter sich über die Fortschritte ihrer Enkelin freuen würde .
Dann schwärmte sie , wie sie , von Blachfeld ganz getrennt , mit ihrer Mutter auf dem Lande leben , die Abendstunden an ihrer Seite zubringen würde , nachdem sie sich den Tag über mit der Erziehung ihrer Tochter beschäftigt hätte .
Bald stahl sich wieder Liebe und Zärtlichkeit gegen Blachfeld in ihre Brust :
sie stellte sich vor , wie sie mit ihm versöhnt in M. leben würde , wie sie gemeinschaftlich über das Wohl ihres Kindes wachen , sich gegenseitig bemühen wollten , alle finsteren Weissagungen ihres Schicksals zu Schanden zu machen ; wie ihre Mutter sie dort besuchen , und sich ihres häuslichen Friedens erfreuen , und ihren Segen zwischen Kindern und Enkeln teilen würde .
In ihrer kindischen Phantasie rief sie sich die Gerichte zurück , von denen ihre Mutter am liebsten aß , und dachte darauf , sie ihr eines nach dem anderen zuzubereiten , oder sie sann auf die Personen , die sie einladen wollte , um ihrer Mutter Gesellschaft zu leisten .
Ein zufälliger Umstand hatte sie in dem Gefühl , daß sie jedes Opfers , und jedes erlittene Unrecht zu vergessen fähig sein würde , um ein solches Glück zu erreichen , vorzüglich bestärkt .
Bei ihrer Ankunft in B. , ehe sie noch den Ort ihres Aufenthalts bestimmt hatte , erhielt sie den Besuch eines Mannes , der ehemals in dem nämlichen Dienste wie Blachfeld gestanden hatte , und jetzt sein väterliches Erbteil anbaute .
Er erzählte ihr , wie glücklich er mit seiner Frau und seiner Mutter auf seinem Gute lebte , und lud sie ein , ihn dort zu besuchen , und wenn es ihr in seiner Familie gefiele , in Kost bei ihm zu treten .
Ein stiller , einsamer , ländlicher Aufenthalt war gerade das Ziel von Luisens Wünschen :
sie eilte also diesen Ort zu sehen , und fand ihn ganz nach ihrem Geschmack .
Was sie aber am meisten dabei rührte , war das Bild , das ihr die gute alte Mutter von dem häuslichen Glück der beiden Eheleute , seit des Mannes Abschied aus den Kriegsdiensten , entwarf .
Von der ganzen Welt vergessen , und der ganzen Welt nicht bedürfend , schränkten sich ihre Freuden auf sich selbst und ihr zweijähriges Kind ein , um dessen Liebkosungen sie sich stritten .
Die Darstellung dieses allein wünschenswerten , und für sie auf ewig verlorenen Genusses , erfüllte Luisens Herz mit Trauer .
Sie erinnerte sich , daß ihr Blachfeld vor ihrer Heirat angeboten hatte , den Dienst zu verlassen , und mit ihr auf dem Lande zu leben .
Sie hielt ihn damals für zu jung , um diesen Entschluß ohne Reue zu befolgen , sie setzte aus Klugheit dessen Ausführung auf einen späteren Zeitpunkt hinaus , und verscherzte ein so kostbares Glück dadurch auf immer .
Der Besitzer dieses Gutes war auch jung , stark , in der Blüte seiner Gesundheit , aber statt das geringste Mißfallen an seiner Lebensart zu äußeren , unterhielt er Luisen von nichts als dem Reiz , den die beständige Gesellschaft seiner Frau für ihn hätte , und von der Annehmlichkeit der ländlichen Arbeiten .
Seine Frau war auf einige Tage zu ihren Eltern zum Besuch gegangen , und er wollte ihr den folgenden Tag entgegenreiten , um sie heimzuholen .
Die alte Mutter sagte freundlich zu Luisen :
" Wie sehr wünschte ich , daß Ihnen der Frieden bald ein Glück wiedergäbe , dessen Wert Sie so lebhaft fühlen ! "
Im nämlichen Augenblick da Luise von ihrem gütigen Wirte Abschied nahm , empfing er einen Brief von seiner Frau : sie sah ihn vor Freude zittern .
- Der Anblick so vieler Zärtlichkeit führte sie auf allzutraurige Vergleichungen , sie eilte zu ihrem Wagen , und sagte dem jungen Manne , daß sie wiederkommen würde , um mit seiner Frau weitere Abrede zu nehmen .
Am anderen Tage erfuhr sie , daß dieser Brief , der mit so vieler Freude empfangen zu werden schien , ein Scheidungsbrief gewesen war .
Die Frau hatte darin erklärt , daß sie sich mit ihrem Kinde bei ihren Eltern aufhalten würde , und daß man sich umsonst bemühen würde , ihren Entschluß zu verändern .
Jemand , der sehr gut unterrichtet zu sein versicherte , schilderte ihren Gemahl zwar als einen rechtschaffenen , wohlmeinenden Mann ; aber , wurde hinzugesetzt , der Kriegsdienst hat ihn verdorben : die tätigen Mißhandlungen , mit welchen man da Untergebene züchtigen muß , geben eine nie abzuschleifende Rauhheit der Sitten .
Unglücklicherweise vergaß er sich gegen seine Frau , in einem Augenblick von Zorn , bis zu einem ähnlichen Betragen : sobald der Zorn verraucht war , fiel er zu ihren Füßen , und tat alles um seine Übereilung wieder gut zu machen .
Sie , die einen festen Sinn hatte , stellte sich anfangs versöhnt ; aber nach einigen Tagen verließ sie ihn , unter dem Vorwande eines Besuchs bei ihren Eltern , entschlossen ein Haus nicht wieder zu betreten , wo sie einerlei Behandlung mit den Jagdhunden zu befürchten hatte .
Die ganze Gesellschaft , in welcher dies erzählt wurde , lobte die kluge Standhaftigkeit der Frau .
Vor zehn Jahren hätte Luise eben so gehandelt ; sie dachte damals , daß keine Pflicht es einer Frau geböte , sich mehr als einmal von ihrem Manne schlagen zu lassen .
Erfahrung und Unglück hatten sie demütiger , nachsichtiger gemacht :
sie fand den Entschluß der jungen Frau hart , und fühlte daß sie hätte verzeihen können .
Diese kleine Begebenheit bestärkte sie in ihrem Wünsche , häuslichen Frieden um jeden Preis zu erkaufen .
- Zu spät !
Er war fortan um keinen Preis zu erkaufen !
Ein schreckliches Erwachen aus allen diesen wohltätigen Träumen stand ihr bevor : - sie erhielt die Nachricht von dem Tode ihrer angebeteten Mutter .
Es war also der Ratschluss des Ewigen , daß Ruhe und Freude ihre Seele auf immer fliehen sollten .
Mühselige Sehnsucht nach Glück sollte den Frühling ihres Lebens , und Reue , ohne einen Strahl von Trost und Hoffnung , dessen Überrest aufzehren .
Jetzt fühlte sie , daß sie eigentlich nie ein menschliches Geschöpf geliebt hatte , außer ihrer Mutter .
Alles was sie je für andere empfunden hatte , verschwand vor ihrem Gedächtnis : alles Unrecht , das sie jemals gegen diese Mutter gehabt hatte , trat mit grellen Farben daraus hervor , und verfolgte sie mit unablässigen Vorwürfen .
Sie erinnerte sich unzähliger Auftritte , bei denen sie sich eingebildet hatte , eine Märtirerin an Geduld gegen die Laune oder den Widerspruch ihrer Mutter gewesen zu sein ; und jetzt hätte sie alle Güter der Welt hingegeben , um nur einen Augenblick zu ihren Füßen liegen , nur ein Wort der Verzeihung von ihren Lippen vernehmen zu können .
Die Natur war für sie mit einem Schleier umhüllt , denn ihre Mutter erfreute sich nicht mehr ihrer Schönheit .
Umsonst begrüßte die Lerche den Morgen , umsonst goß sich der Nebel in wallenden Schleiern um das Haupt der waldigen Berggipfel , umsonst vergoldeten die Sonnenstrahlen das reiche Tal : - sie konnte dabei nur denken , das Auge , ihrer Mutter sei auf immer geschlossen , und werde nie dieser Freuden genießen .
Alle Bequemlichkeiten des Lebens waren ihr zur Last : einmal sah sie einen schönen Reisewagen , den sie sich einen Augenblick wünschte , aber diesen Wunsch verleidete ihr plötzlich die Erinnerung an ihre Mutter , die den Wagen nie sehen würde .
Jeder Gegenstand , der ihr die Gegenden , die Orte wo sie mit ihr gelebt hatte zurückrief , schärfte ihre Verzweiflung .
Eine Hecke von wilden Rosen erinnerte sie an einen Weg in der Nähe von dem Gute ihrer Mutter , - ach !
aber dieser Weg , und kein Weg auf Erden , konnte sie mehr zu ihr führen , in ihre Arme führen !
Sie hätte ihr eigenes Leben , ja sie hätte ihr Kind darum gegeben , einen nur von den Augenblicken , die sie mit ihr zugebracht hatte , und deren sie so viele ungenutzt hatte verschwinden lassen , zurückzurufen .
Einsam und wehmütig sah sie die Entwicklung des Kindes , dessen Liebenswürdigkeit , dessen aufkeimenden Geist : - die , für welche dieser Anbllck so erfreulich gewesen wäre , war nicht mehr !
Das arme Weib , hätte sich einen Vorwurf daraus gemacht , fortan irgend einen frohen Eindruck zu empfangen .
Sie hatte von jeher die Botanik geliebt , und bei ihres Vaters Lebzeiten , selbst wider den Willen ihrer Mutter , sich mit dieser angenehmen Wissenschaft beschäftigt .
Ihre Mutter hielt dafür , daß außer den weiblichen Arbeiten , Lesen und Schreiben die einzigen Kenntnisse wären , deren ein Mädchen bedürfte ; und sie sah es sehr ungern , daß Luisens Vater ihr einen ansehnlichen Gartenfleck auf dem Gute einräumte , den sie unter der Anleitung eines geschickten Botanikers mit seltenen Gewächsen anbaute .
Jetzt fand sie auf ihren einsamen Spaziergängen manche Blume wild wachsen , die sie in ihrem Garten mit Mühe gepflegt hatte ; aber der Anblick durchbohrte jedesmal ihr Herz , sie verwünschte eine Neigung , die ihrer Mutter missfallen hatte , wie ein Verbrechen .
Einmal befand sie sich in einer Gesellschaft an einem Spieltische ; neben ihr saß eine junge Dame , die einen Stillstand benutzte um vom Spiel aufzustehen , indem sie mit einer liebenswürdigen Herzlichkeit sagte , sie müßte einen Augenblick ihre gute kranke Mutter besuchen .
Diese Worte trafen Luisen mit der Gewalt eines blutigen Vorwurfs .
Wie oft hatte sie ganze Abende in Gesellschaften verlebt , während daß ihre Mutter fern von ihr krank gelegen hatte !
Sie gab sich alle Mühe , ihre Bewegung zu verbergen , aber die Tränen drängten sich unaufhaltsam in ihre Augen , und sie mußte die Gesellschaft verlassen .
Ein andermal begegnete sie , auf der Treppe eines Wirtshauses , einer ältlichen Dame , die von rheumatischen Zufällen gelähmt , von ihren zwei Mägden in ihren Wagen getragen wurde .
Die zärtliche Sorgfalt der beiden Mägde , ihre Herrschaft bequem zu halten , ihre Aufmerksamkeit , sie von den Vorübergehenden nicht anstoßen zu lassen , durchbohrten Luisen das Herz .
Mietlinge sah sie hier mit emsiger Liebe Pflichten ausüben , die sie gegen ihre Mutter versäumt hatte .
Alles Zureden mitleidiger Freunde , alle Gründe ihrer kälteren Vernunft sind vergeblich :
ihr Herz klagt sie an , die Mörderin ihrer Mutter zu sein , und der Frieden der Seligen , wenn er ihr noch werden könnte , hätte keinen Reiz mehr für sie .
Unglückliche Luise !
Als Tochter und als Gattin gleich unglücklich !
Wo soll sie einen Ruhepunkt finden für ihre umherschweifenden Gedanken , die umsonst einen Lichtstrahl suchen , um ihren Geist zu erhellen ?
Wohin sie kommt , ist der blutige Krieg , welcher Blachfelds Leben täglich in Gefahr setzt , der Gegenstand des Gesprächs .
Bald mit müßiger Neugier , bald mit wahrem Mitleid , heften die Menschen ihre Augen auf sie , auf ihr Kind , die sie jeden Augenblick als Witwe , als Waise zu sehen glauben , und nur zu oft denken sie , gutherzig zudringlich , sie trösten zu müssen .
O wie beneidet sie in solchen Fällen die Frau des letzten Soldaten in Blachfelds Haufen , deren Angst sich mit ihrem Gatten beschäftigt !
Die verlöre Unterhalt , Liebe , Trost , und die Stütze ihrer Kinder , wenn eine feindliche Kugel den Treuen träfe : aber die wüßte auch , daß sein Weib , seine Kinder , der letzte Gedanke seines blutenden Gehirns gewesen wären .
Mit Schamröte hört Luise die Teilnehmung fremden Mitleids ; ängstlich schlägt sie die Augen nieder , wenn man unbefangen nach ihrem Gemahl fragt .
Sie weiß ja nicht wo er ist ; er würdigt sie ja nicht , ihr anzudeuten wohin ihre Wünsche , ihre Gebete ihm folgen sollen ; er würde fallen , ohne seinem Weibe , seinem Kinde seinen letzten Gedanken zu weihen ; er würde mit tausend anderen verscharrt werden , ehe das öffentliche Gerücht ihr zuriefe :
" Luise , du hast keinen Gemahl , dein Kind hat keinen Vater mehr ! "
Wie oft zerreißt dieses Kind ihr müdes Herz , durch die rührende Liebe , mit welcher es das Andenken eines Vaters bewahrt , den ihm Luise stets zu ehren gebietet !
Erhält die Mutter einen gleichgültigen Brief , so ergreift ihn die Kleine , und wiederholt mit kindischer Leichtigkeit , was man sie einst wohlmeinend lehrte , indem sie den Brief küßt , an ihr kleines Herz drückt , und ruft : " Von Papa , von Papa ! "
Nein , Verwaiste , ohne die Hand des unerbittlichen Todes , durch die Härte deines Vaters und den Jammer deiner Mutter verwaist , - denn was ist sie dir , diese Mutter , die der Gram langsam aufzehrt ? - nein , er ist nicht von ihm , der Brief !
Er schreibt nicht , er denkt nicht an die , die zu besitzen er einst seine größte Glückseligkeit nannte ! -
Einmal hielt sich Luise zur Mittagszeit in einem Wirtshause auf , ein lahmgeschossener Soldat trat in das Zimmer , und bat um ein Almosen ; das Kind erblickte ihn , reichte mit den beiden Armen nach ihm , und rief : " Papa , Papa ! "
Luise schauderte zusammen , sie erkannte ** Uniform , sie bemerkte wirklich die entfernte Ähnlichkeit , welche die Kleine irre führte .
Gerührt ließ sie den alten Krieger neben sich sitzen , und an ihrem Mahle teilnehmen ; ließ sich von ihm erzählen , wo er ihren Mann gesehen , wo er gefochten .
Das Kind verlangte auf des Soldaten Schoß , lehnte sich an ihn , und wollte nicht von ihm : die Ähnlichkeit hatte ihm alle Scheu vor dem Fremden benommen , die Natur wollte sich an diesem Scheinbilde ergötzen .
Der Soldat küßte das Kind , und bedauerte Blachfelden , der diese Freude entbehrte ; der so fern von einer zärtlichen Frau , von einem liebenswürdigen Kinde , sein gefährliches Handwerk triebe .
Er bot Luisen an , sie zu ihm zu führen ; er sagte , wo ihr Mann auch sein möchte , sie könnte ihm ruhig folgen , er wollte sie sicher bis zu seinem Zelte geleiten .
Einen Augenblick war Luise von diesem Gedanken ergriffen ; sie fühlte sich versucht , zu ihm zu eilen , sich mit seinem Kinde in seine Arme zu werfen , ihm zuzurufen :
Wir sind dein , mache mit uns was du willst !
Aber bald verdrängte die Erinnerung an seine Grausamkeit diesen Entschluß .
Hatte er sie nicht oft zurückgestoßen ? nicht verhöhnt ? dem Spotte , dem Mutwillen ihres eigenen Gesindes preisgegeben ?
Er würde sie auch jetzt verleugnen ; er würde es vor den Augen seiner Kriegsgefährten , vor der gaffenden Menge kund tun , daß die Bande der Natur ihn nicht fesseln , die Stimme des Mitleids ihn nicht rührt .
Diesen Augenblick würde Luise nicht überleben .
Lieber wollte sie in unbekannter Einsamkeit , mit dem Bilde ihres Jammers vor ihren Augen , mit der Erziehung ihres Kindes beschäftigt , des Augenblicks harren wo der Tod oder Blachfelds Rückkehr ihre Leiden endigen würden .
Ist es noch Hoffnung , die in ihrem müden Herzen spricht , wenn sie wehmütig nach Gesundheit sich sehnt , und den Augenblick fürchtet , wo Blachfeld sich sagen müßte :
" Die Zeit , ihr Unglück zu lindern , ist vorüber ; der ich an meiner Seite Glück versprach , die mußte einsam in das Grab sinken , um den Frieden wiederzufinden , den ich ihr raubte ? "
Nein !
Die schwarze Schwermut , die ihren Geist umhüllt , die Glut , die langsam ihr Blut auftrocknet , scheint den Zeitpunkt nicht weit hinauszuschieben , wo jede freundliche Rettung zu spät kommt .
Möge dann alle Zärtlichkeit , alle Nachsicht , alle Duldung , die Blachfeld seinem unglücklichen Weibe versagte , sich auf sein Kind vereinen , das sie , ihn zu lieben und zu ehren , erzieht !

Lizenz
CC-BY
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Huber, Therese. Luise. Bildungsromankorpus. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0g6.0