Erster Band .
Den vier schönen und edlen Schwestern auf dem Thron .
Der Traum der Wahrheit .
" Aphrodite , Aglaja , Euphrosyne und Thalia sahen einst in das irdische Helldunkel hernieder und , müde des ewig heiteren , aber kalten Olympos , sehnten sie sich herein unter die Wolken unserer Erde , wo die Seele mehr liebt weil sie mehr leidet und wo sie trüber , aber wärmer ist .
Sie hörten die heiligen Töne heraufsteigen , mit welchen Polyhymnia unsichtbar die tiefe bange Erde durchwandelt , um uns zu erquicken und zu erheben ; und sie trauerten , daß ihr Thron so weit abstehe von den Seufzern der Hülflosen .
Da beschlossen sie , den Erdenschleier zu nehmen und sich einzukleiden in unsere Gestalt .
Sie gingen von dem Olympos herab ; Amor und Amorinen und kleine Genien flogen ihnen spielend nach und unsere Nachtigallen flatterten ihnen aus dem Mai entgegen .
-- Aber als sie die ersten Blumen der Erde berührten und nur Strahlen und keine Schatten warfen : so hob die ernste Königin der Götter und Menschen , das Schicksal , den ewigen Zepter auf und sagte : der Unsterbliche wird sterblich auf der Erde und jeder Geist wird ein Mensch ! --
Da wurden sie Menschen und Schwestern und nannten sich Luise , Charlotte , Therese , Friederike ; die Genien und Amorinen verwandelten sich in ihre Kinder und flogen ihnen in die Mutterarme und die mütterlichen und schwesterlichen Herzen schlugen voll neuer Liebe in einer großen Umarmung .
Und als die weiße Fahne des blühenden Frühlings flatterte -- und menschlichere Thronen vor ihnen standen -- und als sie , von der Liebe , der Harmonika des Lebens , see lig-erweicht , sich und die glücklichen Kinder anblickten und verstummten vor Liebe und Seligkeit :
so schwebte unsichtbar Polyhymnia vorüber und erkannte sie und gab ihnen die Töne , womit das Herz Liebe und Freude sagt und gibt ... ... " -- Und der Traum war geendigt und erfüllt ; er hatte , wie immer , nach der Wirklichkeit und dem Wachen sich gebildet .
Darum sei er den vier schönen und edlen Schwestern geweiht , und alles , was ihm im Titan ähnlich ist , sei es auch !
Jean Paul Fr. Richter .
Inhalt des Ersten Bandes .
Erste Jobelperiode. 1 - 9. Zykel .
Fahrt nach Isola bella -- der erste Freudentag im Titan -- der Pasquinos-Götzendiener -- Lob der Reichsintegrität -- das Moussieren der Jugend -- süßes Blutvergießen -- die Erkennung eines Vaters -- groteskes Testament -- deutsche Vorliebe für Gedichte und Künste -- der Vater des Todes -- Geister-Akt -- der blutige Traum -- die Schaukel der Phantasie .
Seite 1 Zweite Jubelperiode .
10 - 16 Zykel .
Die beiden biographischen Höfe -- die Sennen-Hütte -- das Fliegen -- der Haar-Verschleiß -- die gefährliche Vogelstange -- das in eine Kutsche gesperrte Gewitter -- leise Bergmusik -- das Kind voll Liebe -- H. von Falterle aus Wien -- Tortursoupe -- das zersplitterte Herz -- Werther ohne Bart mit einem Schusse -- die Versöhnung .
Seite 118 Dritte Jubelperiode .
17 - 20. Zykel .
Methoden der beiden Kunstgärtner in ihrer pädagogischen Pelzschule -- Schutzschrift für die Eitelkeit -- Morgenrot der Freundschaft -- Morgenstern der Liebe -- 185 Vierte Jubelperiode .
21 - 27. Zykel .
Hoher Stil der Liebe -- der gothaische Taschenkalender -- Träume auf dem Turme -- das Abendmahl und das Donnerwetter -- die Nachtreise ins Elysium -- neue Akteurs und Bühnen und das Ultimatum der Schuljahre . --
215 Fünfte Jubelperiode .
28 - 33. Zykel .
Prunkeinzug -- D. Sphex -- der trommelnde Kadaver -- der Brief des Ritters -- Retrogradation des Sterbetags -- Julienne -- der stille Karfreitag des Alters -- der gesunde und verschämte Erbprinz -- Roquairol -- das Erblinden -- Sphexens Liebhaberei für Tränen -- das fatale Gastgebot -- das doloroso der Liebe Seite 269 Sechste Jubelperiode .
34 - 35. Zykel .
Die zehn Verfolgungen des Lesers -- Lianen Morgenzimmer -- Disputation über die Geduld -- die malerische Kur -- 328 Siebente Jubelperiode .
36 - 40. Zykel .
Albano's Eigenheit -- das Nestelknüpfen der Politik -- der Herostrat der Spieltische -- väterliches mandatum sine clausula -- gute Gesellschaft -- H. von Bouverot -- Lianen Gegenwart des Geistes und Körpers .
Seite 358 Achte Jubelperiode .
41 - 45. Zykel .
Le petit lever des D. Sphex -- Steige nach Lila -- Waldbrücke -- der Morgen in Arkadien -- Chariton -- Lianen Brief und Dankpsalm -- empfindsame Reisen durch einen Garten -- das Flötental -- über die Realität des Ideals . --
396 Neunte Jubelperiode .
46 - 52. Zykel .
Lust der Hoftrauer -- das Begräbnis -- Roquairol -- Brief an ihn -- die sieben letzten Worte im Wasser -- die Huldigung -- Retude -- Puppenretude -- der Kopf in der Luft , der Tartarus , die Geisterstimme , der Freund , die Katakombe und die vereinigten Menschen .
446 Erste Erste Jubelperiode .
Fahrt nach Isola bella -- der erste Freudentag im Titan -- der Pasquinos-Götzendiener -- Lob der Reichsintegrität -- das Moussieren der Jugend -- süßes Blutvergießen -- die Erkennung eines Vaters -- groteskes Testament -- deutsche Vorliebe für Gedichte und Künste -- der Vater des Todes -- Geister-Akt -- der blutige Traum -- die Schaukel der Phantasie .
1. Zykel .
An einem schönen Frühlingsabend kam der junge Spanische Graf von Cesara mit seinen Begleitern Schoppe und Dian nach Sesto , um den anderen Morgen nach der borromäischen Insel Isola bella im Lago maggiore überzufahren .
Der stolz-aufblühende Jüngling glühte von der Reise und von dem Gedanken an den künftigen Morgen , wo er Titan .
I. A die Insel , diesen geschmückten Thron des Frühlings , und auf ihr einen Menschen sehen sollte , der ihm zwanzig Jahre lang versprochen worden .
Diese zweifache Glut hob den malerischen Heros zur Gestalt eines zürnenden Musengottes empor .
In die welschen Augen zog seine Schönheit mit einem größeren Triumphe ein als in die engen nördlichen , wovon er herkam ; in Mailand hatten viele gewünscht , er wäre von Marmor und stände mit älteren versteinerten Göttern entweder im farnesischen Palast oder im klementineschen Museum oder in der Villa Albani ; ja hatte nicht der Bischof von Novara mit seinem Degen an der Seite vor wenigen Stunden bei Schoppen , der zuletzt ritt , nachgefragt , wer es sei ?
Und hatte nicht dieser mit einer närrischen Quadratur seines Runzelen-Zirkels um weitläufig Lippen versetzt , ( um dem geistlichen Herrn Licht zu geben ) : " mein Telemach ist_es und ich mache den " Mentor dabei -- ich bin die Rändelmaschine " und der Prägstock , der ihn münzt -- der Glätte " zahn und die Plattmühle , die ihn bohnt -- " der Mann , der ihn regelt ? "
-- Die jugendlich warme Gestalt Cesara's wurde durch den Ernst eines nur in die Zukunft vertieften Auges und eines männlich-festgeschlossenen Mundes und durch die trotzige Entschlossenheit junger frischer Kräfte noch mehr veredelt ; er schien noch ein Brennspiegel im Mondlicht , oder ein dunkler Edelstein von zu vieler Farbe zu sein , den die Welt , wie andere Juwelen , erst durch Hohlschleifen lichtet und bessert .
-- In dieser Nähe zog ihn die Insel , wie eine Welt die andere , immer heftiger an .
Seine innere Unruhe stieg durch die äußere Ruhe .
Noch dazu stellte Dian , ein Grieche von Geburt und ein Künstler , welcher Isola bella und Isola matre öfters umschifft und nachgezeichnet hatte , ihm diese Prachtkegel der Natur in feurigen Gemälden näher vor die Seele ; und Schoppe gedachte des wichtigen Menschen öfters , den der Jüngling morgen zum erstenmal sehen sollte .
Als man unten auf der Gasse einen festschlafenden Greis vorübertrug , dem die untergehende Sonne Feuer und Leben in das markige starkgegliederte Angesicht warf und der A 2 eine nach italienischer Sitte aufgedeckt getragene -- Leiche war :
so fragt ' er erschrocken und schnell die Freunde : " sieht mein Vater so aus ? "
Was ihn nämlich mit so heftigen Bewegungen der Insel zutreibt , ist Folgendes :
Auf Isola bella hatte er die drei ersten irdischen Jahre mit seiner Schwester , die nach Spanien , und neben seiner Mutter , die unter die Erde ging , mitten in den hohen Blumen der Natur liegend süß vertändelt und verträumt -- die Insel war für den Morgenschlummer des Lebens , für seine Kindheit , Raffaels übermaltes Schlafgemach gewesen .
Aber er hatte nichts davon im Kopfe und Herzen behalten als in diesem ein schmerzlich süßes tiefes Aufwallen bei dem Namen , und in jenem das -- Eichhorn , das als Familienwappen der Borromäer auf der obersten Terrasse der Insel steht .
Nach dem Tode der Mutter versetzte ihn sein Vater aus der welschen Blumenerde -- einige blieb an den Pfahlwurzeln hängen -- in den deutschen Reichsforst , nämlich nach Blumenbühl -- im Fürstentum Hohenflies , das den Deutschen so gut wie unbekannt ist -- ; hier ließ er ihn im Hause eines biederen Edelmannes so lange erziehen , oder deutlicher und allegorischer , er ließ hier die pädagogischen Kunstgärtner so lange mit Gießkannen , Inokuliermessern und Gartenscheren um ihn laufen , bis sie an den hohen schlanken Palmenbaum voll Sagomark und Schirmstacheln mit ihren Kannen und Scheren nicht mehr langen konnten .
Jetzt soll er nach der Rückreise von der Insel , aus dem Feldbeete des Landes in den Loh- und Treibkübel der Stadt und auf das Gestelle des Hofgartens kommen , mit einem Worte nach Pestiz , der Universität und Residenzstadt von Hohenflies , deren Anblick sogar bisher sein Vater ihm hart verboten hatte .
Und morgen sieht er diesen Vater zum -- erstenmal ! --
Er mußte brennen vor Verlangen , da sein ganzes Leben eine Anstalt zu dieser gemeinschaftlichen Landung war , und seine Pflegeeltern und Lehrer eine chalkographische Gesellschaft waren , die den Autor seines Lebensbuches so herrlich vor das Titelblatt in Kupfer stach .
Sein Vater , Gaspard de Cesara , Ritter des goldenen Vlieses ( ob spanischer oder österreichischer , wünscht ich selber genauer zu wissen ) , ein vom Schicksal Dreischneidige und glänzend geschliffener Geist , hatte in der Jugend wilde Kräfte , zu deren Spiel nur ein Schlachtfeld oder Königreich geräumig gewesen wäre und die sich im vornehmen Leben so wenig bewegen konnten als ein Seekraken im Hafen --
er stillte sie durch Gastrollen in allen Ständen , und Lust- und Trauerspielen , durch das Treiben aller Wissenschaften und durch eine ewige Reise -- er wurde mit großen und kleinen Menschen und Höfen vertraut und oft verflochten , zog aber immer als ein Strom mit eigenen Wellen durchs Weltmeer .
-- Und jetzt , nachdem er die Land- und Seereise um das Leben , um dessen Freuden und Kräfte und Systeme gemacht , fährt er ( besonders da ihm der Affe der Vergangenheit , die Gegenwart immer nachläuft ) in seinem Studieren und im geographischen Reisen fort , aber stets für wissenschaftliche Zwecke , wie er denn eben die europäischen Schlachtfelder bereiset .
Übrigens ist er gar nicht betrübt noch weniger froh , sondern gesetzt , auch hasset und liebt , oder tadelt und lobt er die Menschen so wenig wie sich , sondern schätzet jeden in seiner Art , die Taube in ihrer und den Tiger in seiner .
Was oft Rache scheint , ist bloß das harte kriegerische Durchschreiten , womit ein Mann Lercheneier und Ähren ertritt , der nie fliehen und fürchten kann , sondern nur anrücken und stehen . -- -- -- Ich denke , die Ecke ist breit genug , die ich hier aus der Whisthonschen Kometenkarte von diesem Schwanzsterne , für die Menschen abgeschnitten .
Ausbedingen will ich , ehe ich weiter rede , mir dieses , daß ich Don Gaspard auch zuweilen den Ritter heißen dürfe , ohne das goldene Vlies anzuhängen ; -- und daß ich , zweitens , nicht von meiner Höflichkeit gegen die kurze Leser-Memorie genötigt werde , seinem Sohne Cesara ( unter diesem Namen soll der Alte nie auftreten ) den Taufnamen abzuzwicken , der doch Albano heißet . --
Da jetzt Don Gaspard aus Italien nach Spanien ging :
so hatte ' er durch Schoppe unseren Albano oder Cesara aus Blumenbühl hierher führen lassen ; ohne daß man weiß , warum so spät .
Wollte er in den vollen Frühling der jungen Zweige schauen ? --
Wollte er dem Jung ling einige Bauernregeln im hundertjährigen Kalender des Hoflebens aufschlagen ? --
Wollte er_es den alten Galliern oder den jetzigen Kapbewohnern nachmachen , die ihre Söhne nur waffenfähig und erwachsen vor sich ließen ? --
Wollte er nichts weniger als das ? --
Nur so viel begreif ich , daß ich ein gutwilliger Narr wäre , wenn ich mir im Vorhofe des Werks die Last aufbürden ließe , von einem so sonderbaren Manne mit einer um so viele Grade deklinierenden Magnetnadel , schon aus so wenigen Datis eine Wilkesche magnetische Neigungskarte zu zeichnen und zu stechen ; -- er , aber nicht ich bin ja der Vater seines Sohns und er soll wissen , warum er ihn erst bärtig vorbeschieden .
Als es 23 Uhr ( die Stunde vor Sonnenuntergang ) schlug und Albano die langweiligen Schläge addieren wollte : war er so aufgeregt , daß er nicht im Stande war , die lange Tonleiter zu ersteigen ; er mußte hinaus ans Ufer des Lago , in welchem die aufgetürmten Inseln wie Meergötter aufstehen und herrschen .
Hier stand der edle Jüngling , das beseelte Angesicht voll Abendrot , mit edlen Bewegun gen des Herzens und seufzte nach dem verhüllten Vater , der ihm bisher mit Sonnenkraft wie hinter einer Nebelbank , den Tag des Lebens warm und Licht gemacht .
Dieses Sehnen war nicht kindliche Liebe -- diese gehörte seinen Pflegeeltern an , weil kindliche nur gegen ein Herz entsteht , woran wir lange lagen , und das uns gleichsam mit den ersten Herzblättern gegen kalte Nächte und heiße Tage beschirmte -- seine Liebe war höher oder seltener .
Über seine Seele war der Riesenschatten des väterlichen Bildes geworfen , der durch Gaspards Kälte nichts verlor ; Dian verglich sie mit der Ruhe auf dem erhabenen Angesichte der Juno Ludovici ; und der warme Sohn verglich sie mit einer anderen schnellen Kälte , die im Herzen oft neben zu großer fremder Wärme einfällt , wie Brennspiegel gerade in den heißeren Tagen matter brennen .
Ja er hoffte sogar , er vermöge vielleicht dieses so quälend ans Eisfeld des Lebens angefrorene Vaterherz durch seine Liebe abzulösen ; der Jüngling begriff nicht , wie einem treuen warmen Herzen zu widerstehen sei , wenigstens seinem .
Dieser Heros , in der ländlichen Kartause und mehr unter der Vorwelt als Mitwelt aufgewachsen , legte an alles antediluvianische Riesenellen ; die Unsichtbarkeit des Ritters machte einen Teil von dessen Größe aus , und die Mosisdecke verdoppelte den Glanz , indem sie ihn verhing .
-- Überhaupt zog unseren Jüngling ein sonderbarer Hang zu übermäßigen Menschen hin , wovor sich andere entsetzen .
Er las die Lobreden auf jeden großen Menschen mit Wollust , als wären sie auf ihn ; und wenn das Volk ungewöhnliche Geister eben darum für schlimme hält -- wie es alle seltene Petrefakte für Teufelsglieder nimmt -- so wohnte umgekehrt in ihm immer neben der Bewunderung die Liebe an und seine Brust wurde immer zugleich weit und warm .
Freilich hält jeder Jüngling und jeder große Mensch , der einen anderen für groß ansieht , ihn eben darum für zu groß . --
Aber in jedem edlen Herzen brennt ein ewiger Durst nach einem edleren , im schönen nach einem schöneren ; es will sein Ideal außer sich in körperlicher Gegenwart , mit verklärtem oder ange nommenem Leibe erblicken , um es leichter zu erstreben , weil der hohe Mensch nur an einem hohen reift , wie man Diamanten nur an Diamanten glänzend macht .
-- Will hingegen ein Litterator , ein Kleinstädter , ein Zeitungsträger oder Zeitungsschreiber einen großen Kopf zu Gesicht bekommen und ist er auf einen großen Kopf eben so versessen wie auf eine Mißgeburt mit drei Köpfen -- oder auf einen Papst mit eben so viel Mützen -- oder auf einen ausgestopften Haifisch -- oder auf eine Sprach- und Buttermaschine :
so tut er_es nicht , weil ein warmes , seinen inneren Menschen beseelendes Ideal von einem großen Manne , Papst , Haifische , Dreikopfe und Buttermodelle ihn drängt und treibt , sondern weil er früh morgens denkt : " es soll mich doch wundern , " wie der Kauz aussieht " und weil er_es abends bei einem Glase Bier berichten will .
-- Albano blickte am Ufer mit steigender Unruhe über das glänzende Wasser nach dem heiligen Wohnplatze der vergangenen Kindheit , der vergangenen Mutter , der weggezogenen Schwester hin -- die Freudenlieder schwammen auf den fernen Barken her und berauschten ihn -- jede laufende Welle , die schäumende Brandung trieb eine höhere in seinem Busen auf -- die Riesenstatue des h. Borromäus , * ) die über die Städte wegsah , verkörperte den Erhabenen ( seinen Vater ) , der sich in seinem Herzen aufrichtete und die blühende Pyramide , die Insel , wurde der väterliche Thron -- die funkelnde Berg- und Gletscherkette wand sich fest um seinen Geist und zog ihn empor zu hohen Wesen und hohen Gedanken . -- --
Die erste Reise , zumal wenn die Natur nichts als weißen Glanz und Orangeblüten und Kastanienschatten auf die lange Straße wirft , beschert dem Jüngling das , was oft die letzte dem Mann ' entführt -- ein träumen * )
Diese 35 Ellen hohe Statue auf einem Gestelle von 25 Ellen , in deren Kopfe 12 Menschen Raum antreffen , steht bei Arona und hält gerade mit der gegenüberstehenden Isola bella , die mit 10 auf einander gebauten Gärten oder Terrassen aufsteigt , einerlei Höhe .
Keyslers Reisen etc. B. I. des Herz , Flügel über die Eisspalten des Lebens und weit offene Arme für jede Menschenbrust .
Er ging zurück und bat seine Freunde mit seinem siegenden Auge , noch diesen Abend abzuschiffen , wiewohl Don Gaspard erst morgen auf die Insel kam .
Was er oft nach einer Woche tun wollte , nahm er sich auf den nächsten Tag vor und endlich tat er_es -- sogleich .
Dian klopfte dem eiligen Boreas voll Liebe auf den Kopf , und sagte : " ungeduldiges Wesen !
Du " hast hier die Flügel vom Götterboten , und " da unten auch ( auf die Füße zeigend ) !
Aber " glühe dich nur ab !
In der schönen Nachmieter " Nacht steigen wir ein und wenn die Morgen " röte am Himmel leuchtet , landen wir an . "
-- Dian hatte nicht bloß eine artistische Aufmerksamkeit für den wohlgestalteten Liebling , sondern auch eine zärtliche , weil er in Blumenbühl , wo er als Landbaumeister zu tun hatte , oft sein bildender Kinder- und Jugendfreund gewesen war , und weil er jetzt auf der Insel für einige Zeit aus seinen Armen nach Rom entwich .
Da der Landbaumeister dasselbe Überströmen im Jüngling für keines hielt , das er im Greise schalt , eine Überschwemmung für keine in Ägypten ; obwohl für eine in Holland ; und da er für jedes Individuum , Alter und Volk eine andere gleichschwebende Temperatur annahm , und in der heiligen Menschennatur keine Saite zu zerschneiden , sondern nur zu stimmen fand :
so mußte wohl Cesara am heiteren duldenden Lehrer , auf dessen beiden Gesetztafeln nur stand : Freude und Maß ! , recht innig hängen , noch inniger als an den -- Tafeln selber .
Die Bilder der Gegenwart und der nahen Zukunft und des Vaters hatten die Brust des Grafen so sehr mit Größe und Unsterblichkeit gefüllt , daß er gar nicht begriff , wie jemand sich könne begraben lassen , ohne beide errungen zu haben und daß er den Wirt , so oft er etwas brachte -- zumal da er immer sang und wie Neapolitaner und Russen in Moltönen -- bedauerte , weil der Mann nie etwas wurde , geschweige unsterblich .
Das letztere ist Irrtum ; denn hier bekommt er seine Fortdauer , und ich nenne und belebe gern seinen Namen Pippo ( der abbrevirte Filippo ) .
Als sie endlich gingen und bezahlten , und Pippo einen Kremnitzer Dukaten küßte mit den Worten : gelobt sei die h. Jungfrau mit dem Kinde auf dem rechten Arm : so erfreute sich Albano , daß der Vater dem frommen Töchterlein nachschlage , das den ganzen Abend ein Jesuskind wiegte und fütterte .
Freilich merkte Schoppe an : auf dem linken Arme trage sie das Kindlein leichter ; * ) aber der Irrtum des guten Jünglings ist ein Verdienst wie die Wahrheit .
Unter dem Glanze des Vollmondes bestiegen sie die Barke und glitten über die leuchtenden Wellen dahin .
Schoppe schiffte einige Weine mit ein , " weniger , sagte er , weil auf der " Insel nichts zu haben sei , als weil er , wenn " das Fahrzeug leck würde , dann nichts aus * )
Die alten Kremnitzer haben das Christuskind auf dem rechten Arm ; die neuen und leichtern auf dem linken . " zupumpen brauchte als die Flaschen * ) ; dann " höbe ' es sich wieder . "
Cesara sank schweigend immer tiefer in die dämmernden Schönheiten des Ufers und der Nacht .
Die Nachtigallen schlugen begeistert auf dem Triumphtore des Frühlings .
Sein Herz wuchs in der Brust wie eine Melone unter der Glocke und er hob sie immer höher über der schwellenden Frucht .
Auf einmal bedacht er , daß er so den Tulpenbaum des prangenden Morgens und die Kränze der Insel nur wie eine italienische Seidenblume Staubfaden für Staubfaden , Blatt für Blatt zusammenlegen sehe : -- da befiel ihn sein alter Durst nach einem einzigen erschütternden Guß aus dem Füllhorn der Natur ; er verschloß die Augen , um sie nicht eher zu öffnen als oben auf der höchsten Terrasse der Insel vor der Morgensonne .
Schoppe dachte , er schlafe ; aber der Grieche erriet lächelnd die Schwelge rei * ) Franklin riet das Aufbewahren und Bouchiren ausgetrunkener Gefäße an , um das Schiff dadurch oben zu erhalten . rei dieser künstlichen Blindheit und band selber vor die großen unersättlichen Augen das breite schwarze Taftband , das als eine weibliche Binde und Spitzenmaske sonderbar und lieblich gegen das blühende aber männliche Gesicht abstach .
Nun neckten ihn beide freundlich mit mündlichen Nachtstücken von den herrlichen Ufer- Ornamenten , zwischen denen sie zogen .
" Wie " stolz ( sagte Dian zu Schoppen ) richtet sich " dort das Schloß Lizanza und sein Berg gleich " einem Herkules , mit zwölffachen Gürteln aus " Weinlaub in die Höhe ! "
-- " Den Grafen ( sagte Schoppe leiser zu Dian ) " bringt der " Augen-Schmachtriemen um viel .
Seht Ihr " nicht , Baumeister , poetisch zu reden , den " Glimmer von Aronens Stadt ?
Wie schön legt " sie Lunens blanc d' Espagne auf und scheint sich " im umgeworfenen Pudermantel des Mond " Scheins für morgen aufzusetzen und zu pu " Zehn ! --
Doch ist das wenig , sieht man dort " den heiligen Borromäus , der den Mond als " eine frischgewaschene Nachtmütze aufhat , bes " sehr an : steht der Gigant nicht wie der Mi " kromegas des deutschen Staatskörpers dort , " eben so hoch , eben so starr und so steif ? "
-- Der Glückliche schwieg und gab statt der Antwort einen Handdruck der Liebe -- er träumte nur die Gegenwart und zeigte , er könne warten und entbehren .
Wie ein Kinderherz , dem die Vorhänge und die Nachmitternacht das nahe Weihnachtsgeschenk verdecken , zog er auf dem Luftschiffe mit fester Binde dem nahen Himmelreiche entgegen .
Dian trug , so weit es das Doppellicht des Mondscheins und der nachhelfenden Aurora zuließ , eine Zeichnung von dem verhüllten Träumer in sein Studienbuch . -- --
Ich wollte , ich hätte sie da , und sähe es wie mein Liebling mit dem unterbundenen Sehnerven , auf ihr zugleich das gegen die innere Welt gerichtete Auge des Traumes und das gegen die äußere Welt gespitzte Ohr der Aufmerksamkeit anstrengt .
Wie schön ist so etwas , gemalt -- wie viel schöner , erlebt ! --
Der Mantel der Nacht wurde dünner und kühler -- die Morgenluft wehte lebendig an die Brust -- die Lerchen mengten sich unter die Nachtigallen und unter die singenden Ruderleu te -- und er hörte hinter seiner Lichtern Binde die frohen Entdeckungen der Freunde , die in den offenen Städten der Ufer das Menschengewühl aufleben und an den Wasserfällen der Berge bald Himmelsrot bald Nebel wechseln sahen .
-- Endlich hing die zerlegte Morgenröte als eine Fruchtschnur von Hesperidenäpfeln , um die fernen Kastaniengipfel ; und jetzt stiegen sie auf Isola bella aus .
Der verhangene Träumer hörte , als sie mit ihm die zehn Terrassen des Gartens hinaufgienen , neben sich den einatmenden Seufzer des Freudenschauders und alle schnelle Gebete des Staunens ; aber er behielt standhaft die Binde und stieg blind von Terrasse zu Terrasse , von Orangendüften durchzogen , von höheren Freiern Winden erfrischt , von Lorbeerzweigen umflattert -- und als sie endlich die höchste Terrasse erstiegen hatten , unter der der See 60 Ellen tief seine grünen Wellen schlägt , so sagte Schoppe : jetzt ! jetzt ! --
Aber Cesara sagte : " Nein ! " Erst die Sonne ! "
Und der Morgenwind warf die Sonne leuchtend durchs dunkle Gezweig empor und sie flammte frei auf den Gipfeln -- B 2 und Dian zerriß kräftig die Binde und sagte : " schau ' umher ! "
" O Gott ! " rief er selig erschrocken , als alle Türen des neuen Himmels aufsprangen und der Olymp der Natur mit seinen tausend ruhenden Göttern um ihn stand .
Welch eine Welt !
Die Alpen standen wie verbrüderte Riesen der Vorwelt , fern in der Vergangenheit verbunden beisammen und hielten hoch der Sonne die glänzenden Schilde der Eisberge entgegen -- die Riesen trugen blaue Gürtel aus Wäldern -- und zu ihren Füßen lagen Hügel und Weinberge -- und zwischen den Gewölben aus Reben spielten die Morgenwinde mit Kaskaden wie mit wassertaftenen Bändern -- und an den Bändern hing der überfüllte Wasserspiegel des Sees von den Bergen nieder und sie flatterten in den Spiegel , und ein Laubwerk aus Kastanienwäldern faßte ihn ein . . . . . Albano drehte sich langsam im Kreise um und blickte in die Höhe , in die Tiefe , in die Sonne , in die Blüten ; und auf allen Höhen brannten Lärmfeuer der gewaltigen Natur und in allen Tiefen ihr Widerschein -- ein schöpferisches Erdbeben schlug wie ein Herz unter der Erde und trieb Gebirge und Meere hervor . -- --
O als er dann neben der unendlichen Mutter die kleinen wimmelnden Kinder sah , die unter der Welle und unter der Wolke flogen -- und als der Morgenwind ferne Schiffe zwischen die Alpen hinein jagte -- und als Isola matre gegenüber , sieben Gärten auftürmte und ihn von seinem Gipfel zu ihrem im wagrechten wiegenden Fluge hinüber lockte -- und als sich Fasanen von der Madre- Insel in die Wellen warfen ; so stand er wie ein Sturmvogel , mit aufgeblättertem Gefieder auf dem blühenden Horst , seine Arme hob der Morgenwind wie Flügel auf und er sehnte sich , über die Terrasse sich den Fasanen nachzustürzen und im Strome der Natur das Herz zu kühlen .
Er nahm , ohne sich umzusehen , verschämt die Hände der Freunde und drückte sie ihnen , damit er nicht sprechen müsse .
Das stolze Weltall hatte seine große Brust schmerzlich ausgedehnt und dann selig überfüllt ; und da er jetzt die Augen wie ein Adler weit und fest in die Sonne öffnete ; und da die Er Blendung und der Glanz die Erde verdeckte und er einsam wurde ; und die Erde zum Rauch und die Sonne zu einer weißen sanften Welt , die nur am Rande blitzte :
so tat sich sein ganzer voller Geist wie eine Gewitterwolke auseinander und brannte und weinte , und aus der reinen blassen Sonne sah ihn seine Mutter an und im Feuer und Rauch der Erde stand sein Vater und sein Leben eingehüllt . --
Still ging er die Terrassen herunter und fuhr oft über die nassen Augen , um den feurigen Schatten wegzuwischen , der auf alle Gipfel und alle Stufen hüpfte . --
Hohe Natur ! wenn wir dich sehen und lieben , so lieben wir unsere Menschen wärmer und wenn wir sie betrauern oder vergessen müssen , so bleibst du bei uns und ruhest vor dem nassen Auge wie ein grünendes Abendrotes Gebirge .
Ach vor der Seele , vor welcher der Morgentau der Ideale sich zum grauen kalten Landregen entfärbet hat -- und vor dem Herzen , dem auf den unterirdischen Gängen dieses Lebens die Menschen nur noch wie dürre gekrümmte Mumien auf Stäben in Ka takomben begegnen -- und vor dem Auge , das verarmt und verlassen ist und das kein Mensch mehr erfreuen will -- und vor dem stolzen Göttersohne , den sein Unglaube und seine einsame , menschenleere Brust an einen ewigen unverrückten Schmerz anschmieden -- -- vor allen diesen bleibst du , erquickende Natur mit deinen Blumen und Gebirgen und Katarakten treu und tröstend stehen , und der blutende Göttersohn wirft stumm und kalt den Tropfen der Pein aus den Augen , damit sie hell und weit auf deinen Vulkanen und auf deinen Frühlingen und auf deinen Sonnen liegen ! -- -- 2. Zykel .
Ich wüßte einem Menschen , den ich lieb habe , nichts schöneres zu wünschen als eine Mutter -- eine Schwester -- drei Jahre Beisammenleben auf Isola bella -- und dann im zwanzigsten eine Morgenstunde , wo er auf dem Eden-Eiland aussteigt und alles dieses mit dem Auge und der Erinnerung auf einmal , genießend umfängt und in die offene Seele drückt -- --
O du allzuglücklicher Albano auf dem Ro Sehnparterre der Kindheit -- unter Italiens tiefblauem Himmel -- in den schwelgerischen Zitronenlauben voll Blüten -- auf dem Schoße der schönen Natur , die dich wie eine Mutter liebkoset und hält und vor dem Angesichte der erhabenen , die wie ein Vater in der Ferne steht -- und mit einem Herzen , das heute den seinigen erwartet ! -- --
Die drei Menschen durchirrten jetzt langsam und wankend das schwimmende Paradies .
Obgleich die beiden anderen es öfters betreten hatten :
so wurde doch aus ihrem silbernen Zeitalter durch die Sympathie mit Albano's Taumel wieder ein goldenes ; der Anblick einer fremden Entzückung weckt den alten Eindruck der unsrigen auf .
Wie Leute , die an Brandungen und Wasserfällen wohnen , lauter sprechen : so gab das herrliche Brausen des aufgeregten Lebens-Meeres ihnen allen , sogar Schoppen , eine stärkere Sprache ; nur konnte dieser nie so feierliche Worte , wenigstens Gebärden treffen wie ein anderer Mensch .
Schoppe , der dem guten Italien den Abschiedskuß zuwerfen mußte , wollte gern noch die letzten nur zerstreuet um den Freudenbecher hängenden Tropfen konservieren , die so süß wie italienische Weine waren , voll deutschem Feuerstoff ohne deutschen Sauerstoff .
Unter Sauerstoff meinte er Abschiednehmen und Rührung : " Tut das Schicksal , " sagte er " irgend einen Re " Traitschuß , beim Himmel !
so wend ' ich ge " lassen den Gaul um und reite pfeifend zurück .
" Der Henker müßte darin ( oder darauf ) sitzen , " wenn ein geschickter Bereiter nicht sein Traue " Eros so zureiten wollte , daß es sich recht " gut zu einem Handgaul des Freudenpfer " des anstellte ; ich schule sowohl mein Son " nenroß als mein Bagageroß viel anders . "
Vor allen Dingen nahmen sie jetzt die Otaheiti-Insel durch Märsche ein und jede Provinz derselben mußte ihnen wie eine persische dem Kaiser ein anderes Vergnügen entrichten .
-- " Die unteren Terrassen ( sagte schob " pe ) müssen uns Majoratsherren den Obst- und " Sackzehend in Zitronen- und Orangendüften " abliefern -- die oberste trägt die Reichssteuer " in Aussichten ab -- die Grotte drunten zah " let hoffe ' ich Judenschutz in Wellen-Gemur " Mehl und der Zypressenwald drüben seine Prin " zessinsteuer in Kühle -- die Schiffe werden " ihren Rhein- und Neckarzoll nicht defraudieren " sondern ihn dadurch erlegen , daß sie sich von " weitem zeigen . " -- --
Es wird mir nicht schwer zu merken , daß Schoppe durch diese scherzhaften Vexierzüge die heftigen Bewegungen in Cesarens Kopf und Herzen brechen wollte ; denn noch immer ging der Glanz der Morgenentzückung , wiewohl der Jüngling über kleinere Dinge unbefangen sprach , nicht von dessen Gesicht .
In ihm zitterte jede Erschütterung lange -- und eine am Morgen den ganzen Tag -- und zwar darum nach , weswegen eine Sturmglocke länger nachsummt als eine Schafglocke ; gleichwohl konnte ein solcher Nachklang weder seine Aufmerksamkeit noch seine Werke und Gespräche stören .
Mittags wollte der Ritter kommen .
Bis dahin schwärmten und sumsten sie stiller-geniessend mit Bienenflügeln und Bienenrüsseln durch die honigreiche Flora der Insel ; und sie hatten jene heitere Unbefangenheit der Kinder , der Künstler , und der südlichen Völker , die nur den Ho nigbehälter der Minute aufnascht ; und daher fanden sie an jeder anfallenden Welle , an jedem Zitronenspalier , an jeder Statue unter Blüten , an jedem rückenden Widerschein , an jedem fliehenden Schiffe mehr als eine Blume , die den gefüllten Kelch weiter unter dem warmen Himmel aufmachte , anstatt daß es uns unter unserem kalten , wie den Bienen geht , vor denen Maifröste die Blumen verschließen . --
O die Insulaner tun Recht .
Unser größter und längster Irrtum ist , daß wir das Leben , d. h. seinen Genuß , wie die Materialisten das Ich , in seiner Zusammensetzung suchen , als könnte das Ganze oder das Verhältnis der Bestandteile uns etwas geben , das nicht jeder einzelne Teil schon hätte .
Besteht denn der Himmel unseres Daseins wie der blaue über uns , aus öder matter Luft , die in der Nähe und im Kleinen nur ein durchsichtiges Nichts ist und die erst in der Ferne und im Großen blauer Äther wird ?
Das Jahrhundert wirft den Blumensamen deiner Freude nur aus der porösen Seemaschine von Minuten ; oder vielmehr an der seligen Ewigkeit selber ist keine andere Handhabe als der Augenblick .
Das Leben besteht nicht aus 70 Jahren , sondern die 70 Jahre bestehen aus einem fortwehenden Leben und man hat allemal gelebt und genug gelebt , man sterbe wenn man will .
3. Zykel .
Endlich als die drei Frohen sich in die Tafelstube eines Lorbeerwaldes vor ihre Speis- und Trankopfer , die Schoppe zu Sesto ins Proviantschiff eingepackt hatte , niedersetzen wollten : ging durch die Zweige ein feiner , elegant und einfarbig gekleideter Fremder mit langsamen festen Schritten auf die liegende Tischgesellschaft zu und wandte sich , ohne zu fragen , sofort an Cesara mit der deutschen , langsam , leise und bestimmt prononcierten Anrede : " ich " habe dem H. Grafen Cesara eine Entschulde " gung zu bringen . "
-- " Von meinem Vater ? " fragt er schnell .
-- " Um Verzeihung , von meinem " Prinzen ; ( versetzte der Fremde ) er verhinderte " Ihren H. Vater , der kränklich aufstand , in der " Morgenkühle zu reisen , aber gegen Abend " wird er eintreffen .
-- Indes bringe ich ( setzte er mit einem wohlwollenden Lächeln und mit einer leichten Verbeugung hinzu ) dem H. Ritter " ein Opfer , daß ich den Anfang des Glücks , " künftig länger bei Ihnen zu sein , H. Graf , " mit einer Nachricht Ihres Verlustes mache . " -- -- Schoppe , der fein erriet , ohne fein zu sprechen , fuhr sofort heraus -- weil er sich von keinem Menschen imponieren ließ -- : " so " nach sind wir pädagogische Masskopisten und " Unioten .
Willkommen , lieber Grau-Bünd "ner ! "
-- " Es freuet mich , " sagte kalt der Fremde , der grau angezogen war .
Aber erraten hatte es Schoppe ; der Fremde sollte künftig das Oberhofmeistertum bei Cesara bekleiden und Schoppe war Kollaborator .
Mir kommt es vernünftig vor ; der elektrische funkelnde Schoppe konnte das Katzenfell , der Fuchsschwanz , die Glasscheibe sein , die unseren aus Leiter und Nichtleiter gebauten Jüngling volllud , der Oberhofmeister konnte als Leiter der Funkenzieher sein , der ihn mit feinen Franklinschen Spitzen auslud .
Der Mann hieß von Augusti , war Lektor bei dem Prinzen und hatte viel in der großen Welt gelebt ; er schien wie dieser ganze Hof-Schlag , zehn Jahre älter zu sein , denn er war wirklich erst 37 Jahre .
Man hätte es auszubaden unter dem umgekehrten Tintentopf rezensierender Xanthippen , wenn man die Rezensenten oder Xanthippen in der Unwissenheit ließe , wer der Prinz eigentlich war , dessen wir alle oben erwähnten .
Es war der Erbprinz von Hohenflies , in dessen Dorfe Blumenbühl der Graf erzogen war und in dessen Hauptstadt er nun ziehen sollte .
Der Hohenfliessische Infant jagte aus Italien , worin er viele Notmünzen und Territorialmandate nachgelassen hatte , stäubend und keuchend nach Deutschland zurück , um da auf sich Huldigungsmünzen auszuprägen , weil sein regierender Vater die Treppe in das Erbbegräbnis hinabgieng und nur noch einige Stufen zum Sarge hatte .
Unter dem Essen sprach der Lektor Augusti mit wahrem Geschmack über die liebliche Gegend , aber mit wenig Sturm und Drang , und zog sie einigen Tempesta's * ) im borromäischen Palaste bei Weitem vor .
Dann ging er -- um des Ritters öfter zu gedenken -- zu den Personalien des Hofes über und gestand , daß der deutsche Herr , Mr. de Bouverot in besonderer Gnade stehe --
denn bei Hofleuten und Heiligen tut die Gnade alles -- und daß der Prinz ungemein an Nerven leide u. s. w. .
Die Hofleute , die sonst ihr Ich nach dem fremden zuschneiden , fassen doch für einen , der nicht am Hofe lebt , ihre ministeriellen Blätter darüber so ausführlich und ernsthaft ab , daß ihr Zeitungsleser dabei entweder lacht oder einschläft ; ein Hofmann und das Buch des erreurs et de la verite nennen den Jesuitergeneral Gott -- die Jesuiten Menschen -- und die Nichtjesuiten Tiere .
-- Schoppe horchte mit einem fatalen Kräusel- und Schnörkelwerke auf dem Gesichte zu ; er hasste Höfe bitter .
Der Jüngling Albano dachte nicht viel besser ; ja da er gern wagte , lieber mit dem Arm des * ) Gemälde von Peter Molyn , den man wegen seiner guten Gewitter nur Tempest nannte . inneren Menschen als mit den Fingern desselben arbeitete und anpackte , und vor den Schneepflug und die Egge- und Seemaschine des Lebens gern Streit- und Donnerrosse vorspannte , anstatt eines Zugs tüchtiger Filial- und Ackerpferde :
so konnte ' er Leute , die vorsichtig und bedächtig zu Werke gingen und die lieber lackierte Arbeit und leichte Frauenzimmerarbeit machten als Herkulesarbeiten , nicht sonderlich leiden .
Gleichwohl musste er für die auf einer schönen Selbständigkeit ruhende Bescheidenheit Augusti's , der kein Wort von sich selber sprach , so wie für seine Reisekenntnisse , Achtung tragen .
-- Cesara -- beiläufig , in diesem Zykel will ich ihn noch mit C , der spanischen Orthographie zu Gefallen schreiben ; aber vom vierten an wird er , weil ich in meiner keines gewohnt bin und mich im langen Buche nicht ewig verschreiben kann , mit einem Z geschrieben -- Cesara konnte den Lektor nicht genug über seinen Vater abhören .
Er erzählte ihm die letzte Handlung des Ritters in Rom , aber mit einer irreligiösen Kälte , die im Jüngling eine andere wur wurde .
Don Gaspard wettete nämlich mit einem deutschen Nuntius Gemälde gegen Gemälde , daß er einen gewissen Deutschen , ( Augusti wollt ' ihn nicht nennen ) dessen Leben nur ein längerer moralischer Kotmonat in Epikurs Marstall war , in zwei Tagen ohne ihn zu sehen , auf so lange bekehren wollte , als der Nuntius verlangen würde .
Dieser wettete , ließ aber den Deutschen heimlich umstellen .
Nach zwei Tagen sperrte sich der Deutsche ein , wurde andächtig , bleich , still , bettlägerig und kam im Handeln einem wahren Christen nahe .
Der Nuntius sah dem Übel eine Woche lang zu , dann verlangte er schleunige Verwandlung oder den Zirze's-Stab , der die tierische Gestalt wieder herstellte .
Der Ritter berührte den Deutschen mit dem Stabe und das epikureische Schwein stand genesen da .
Ich weiß nicht , was unerklärlicher ist , das Wunderwerk oder die Härte .
Aber der Lektor konnte nicht sagen mit welchen Menstruis Gaspard diese schnellen Auflösungen und Wolken und Präzipitation erzwang . -- --
Nun kam der Lektor , den schon lange die Titan. I. C Vokation und das Kollaborat des sonderbaren Schoppe frappiert hatte , auf verbindlichen Umwegen endlich auf die Frage , wie ihn der Ritter kennen lernen .
" Durch den Pasquino !
"( versetzt ' er . )
Er trat eben um die Ecke des " Palazzo degli Ursini , als er einige Römer und " unseren Erbprinzen um einen Menschen stehen " sah , der zu den Statuen des Pasquino und " Marforio folgendes Gebet auf den Knien -- " es waren meine -- tat : lieber Kastor und " Pollux , warum säkularisieret ihr euch nicht " aus dem Kirchenstaat und bereiset mein " Deutschland als Bischöfe in partibus infi " delium , oder als zwei arbeitsame Vikarin ?
"-- Könntet ihr denn nicht als Gesandtschaftsprä " diger und Referendaren in den Reichsstädten " herumgehen , oder euch als Chevaliers Thon " neuer und Wappenhalter auf beide Seiten ei "nes Throns postieren ? --
Wollte Gott , man " könnte wenigstens dich Pasquino als Ober " Hofprediger und Konduitemeister in Hofka " pellen vozieren oder doch darein als Taufen " gell zum Namengeben an einem Strick herun " ter lassen ! -- Sprecht , könnt ihr Zwillinge " denn nicht einmal als Landrequetenmeister in " Landtagssälen auftreten und sprechen , oder " als magistri sententiarum in Universitätsge " Bauden unter dem Promovieren opponi " Ren ? -- Pasquino , bist du durch keinen Della " Porta * ) nur so weit herzustellen , daß du bei " Kongressen und Verträgen des diplomatischen " corps wenigstens als Ofenaufsatz den Sil " houetteur machen könntest , sondern taugt ihr " höchstens nur in Universitätsbibliotheken zu " Brustbildern kritischer Redakteurs ? -- --
Ach , " munteres Paar , möchte nur Chigi , der da " neben mir steht , dich modellieren zu einer trage " baren Taschenausgabe für Damen :
ich steckte " dich bei und zöge dich erst in Deutschland aus " der Tasche . -- --
Ich kann_es aber auch hier " auf der Insel tun . "
-- Und hier brachte er das spöttische Kunstwerk heraus ; denn der berühmte Architekt und Modellierer Chigi , der ihm zuhörte , hatte es wirklich nachgebacken .
-- * )
Der Pasquino ist bekanntlich verstümmelt . --
Della Porta war ein großer Ergänzer alter Statuen. C 2 Schoppe erzählte weiter , daß Don Gaspard alsdann ernsthaft an ihn trat und ihn spanisch fragte , wer er sei .
" Ich bin , versetzt er , auch " spanisch , wirklicher Titularbibliothekar " des Großmeisters zu Malta -- und ein Ab " kömmling des sogenannten grammatikalischen " Hundes , des gezähnten Humanisten -- Sciop " Pies ( deutsch Schoppe ) -- mein Taufname ist " Pero , Piero , Pietro ( Peter ) .
Aber hier nennen mich viele aus Versehen Sciupio oder " Sciopio ( Vergeudung ) . "
Gaspard hatte ein parteiloses tiefreichendes Auge für jede , sogar die fremdeste Brust und suchte am wenigsten sein Ebenbild .
Er zog daher den Bibliothekar in sein Haus .
Da nun dieser nur vom Portraitmalen zu leben schien und jetzt ohnehin nach Deutschland zurück wollte :
so trug er , hoffend , diesem reichen , vieläugigen , strengen Geiste Albanos Gesellschaft an , die bloß der gegenwärtige Mitarbeiter Augusti mit ihm teilen sollte .
-- Aber der Bibliothekar verlangte vorher vier Dinge voraus , die Schilderung des Grafen , die Silhouette desselben , und -- als beides gegeben war -- , noch das dritte und vierte so : " soll ich von " den drei Ständen kalandert * ) werden und " mich glatt und poliert drücken lassen von " Glanzpressen ? --
Ich will nicht ; überall hin , " in den Himmel und in die Hölle will ich Je "ren Sohn begleiten , aber nicht in die Poch- " Wasch- Röst- Schmelz- und Treibwerke vor " Nehmer Häuser . "
Das wurde am leichtesten zugestanden ; dazu war ohnehin der zweite Reichsvikarius des väterlichen Oberhaupts , Augusti , bestimmt .
Aber über den vierten Punkt zerfielen sie fast .
Schoppe , der lieber vogelfrei als nicht- frei oder freigelassen sein wollte , und dessen eben so reichsunmittelbarer als fruchtbarer Boden keine Zäune litt , konnte sich nur zu zufälligen unbestimmten Diensten bequemen und mußte das Fixum eines Lohns ablehnen : " ich will Ihm , sagte er , Kasualpre " dichten halten , aber keine Wochenpredigten ; " ja es kann sein , daß ich oft ein halbes Jahr " gar nicht auf die Kanzel steige . "
Der Ritter * ) D. h. zwischen zwei hölzernen Walzen und Einer metallenen gepresst werden . fand es unter sich , Verbindlichkeiten schuldig zu sein und zog zurück ; bis Schoppe den Diagonalweg ausmittelte , er gebe seine Gesellschaft als don gratuit , und erwarte daher auch vom Ritter von Zeit zu Zeit ein don gratuit von Belang .
Übrigens war dem Ritter jetzt Schoppe gerade so lieb wie der erste beste Hoftürke , der ihm auf den Wagenfußtritt geholfen ; seine Prüfung eines Menschen war eine kalte Totenbeschau und nach dem Prüfen liebt er nicht stärker und haßt er nicht stärker ; für ihn waren im Spektakelstück des polternden Lebens der Regisseur und die ersten und zweiten Liebhaberinnen und die Lears und Iphigenie und Helden weder Freunde , noch die Kasperls und die Tyrannen und Figuranten Feinde , sondern es waren verschiedene Akteurs in verschiedenen Rollen . -- --
O Gaspard , stehest denn du in der Frontloge und nicht auch auf dem Theater ?
Und siehst du nicht wie Hamlet , im großen Schauspiele einem kleineren zu ?
Ja setzet nicht jede Bühne am Ende ein doppeltes Leben voraus , ein kopierendes und ein kopiertes ? -- -- Entweder die wenigen Paar Gläser Wein oder auch sein verdrußlicher Abstand vom zierlichen gehaltenen Lektor setzten Schoppe's Fegemühle mit allen Rädern in Gang , -- so wenig dieser Humor auf der glänzenden Insel eine vorteilhafte Stelle fand -- ; und als Augusti wünschte , Schoppe möchte froher als andere Maler nach Deutschland gehen : so zog dieser ein Päckchen vergoldeter Heiligenbilder deutscher Schutzpatrone heraus und sagte Karten-mischend : " mancher würde hier ein päpstliches " Miserere aufs Pult legen und absingen , zu " Mal wenn er mitten im Frühling das Win " terquartier , die deutsche Eis- und Nebelbank " beziehen muß wie ich ; -- und ungern , das " sage ' ich frei , lasse ich den Arlechino und den " Pulcinella und den Scapin und die ganze " Comedia dell ' Arte dahinten . --
Aber die " heiligen Herren , die ich hier tailliere , haben " ihre Patronatsländer aufs Trockene gebracht ; " und man passiert sie gern .
Baumeister , Ihr " lacht , aber Ihr wisset im Ganzen zu wenig " von dem , was diese gemalten himmlischen " Schirmvögte für deutsche Kreise stündlich un " ternehmen .
Baumeister , sucht mir überhaupt " ein Land , worin so viele Prügel , Programm " men , Professoren , Allongeperücken , gelehrte " Anzeigen , Reichsanzeigen , Klein- und Vor " steter , Zeremonien , Krönungen und Heidel " Berger Fässer , aber ohne innewohnende Dioge " nässe aufzutreiben sind als im gedachten ?
Oder " suchen Sie es , mein Hr. v .
Augusti !
-- Weiset " mir doch nur überhaupt ein Territorium auf , dem " ein eben so langes Parliament , nämlich ein " längster Reichstag beschert ist , gleich " sam eine außerordentlich heilsame pillula per " betue * ) , die der Patient unaufhörlich ein " nimmt und die ihn unaufhörlich ausreinigt ; " und wem fällt dabei nicht eben so gut wie " mir die capitulatio perpetua und überhaupt " das Reichs-Corpus als perpetuum immo " bile aus Gründen ein ? --
( Hier trank Schoppe . )
" Dabei ist der Reichskörper wie das erste * )
Diese Pille besteht aus Spiesglaskönig und wird ihrer Festigkeit wegen stets von neuem mit altem Erfolge gebraucht :
man schüttet bloß vorher einen Aufguß von Wein darüber .
" Prinzip der Moral oder wie Jungfernerde " sehr unauflöslich ; ja gesetzt , einer von uns " nähme ein Kurschwert und schnitte ihn da " mit wie einen Ohrwurm entzwei , so würde " sich die gezähnte Hälfte eben wie der gespal " tene Ohrwurm umkehren und den Hinterst " rein aufspeisen -- und dann wäre ja der ge " samte verknüpfte Ohrwurm wieder da und " satt dazu .
Es ist keine schädliche Folge die " ses festen Reichsnexus , daß das corpus seine " eigenen Glieder wie der Bachkrebs seinen Ma " gen verzehren und verdauen ohne wahren " Schaden , so daß einer das corpus wie einen " homerischen Gott nur verwunden , aber nicht " ertöten kann : reibe , sage ich oft , diesen Fe " derbuschpolypenstamm mit Rösel zu Brei -- " stülp ' ihn um wie einen Handschuh -- schneide " den Polypen wie Lichtenberg geschickt mit ei "nem Haare entzwei -- stecke wie Trembley " mehrere abgeschnittene Glieder ineinander " und verleibe wie andere Naturforscher , Reichs " stete , Abteien , kleine Länder größeren ein " oder umgekehrt -- -- und schaue nach eine "gen Tagen danach : wahrhaftig herrlich und " ganz und genesen sitzt dein Polype wieder " dort , oder ich will nicht Schoppe heißen . "
-- Der Graf hörte ihn schon länger und konnte also leichter und besser lächeln ; der Lektor mußt ' es erst lernen , da sogar der komische Akteur für seinen neuen Zuhörer noch keiner ist .
Aber unter allen diesen Zerstreuungen dauerte in Albanos Seele ein verwirrter Tumult , gleichsam das Rauschen vom Wasserfalle der kommenden Zeiten fort .
Er blickte sehnend durch die wankenden Fugen der Lorbeerzweige nach den glänzenden Hügeln draußen , da Dian in seiner Malersprache sagte : " ist es nicht als " wenn alle Götter mit tausend Fruchthörnern " auf den Bergen um den Lago maggiore stän " den und Wein und Kaskaden Niedergossen , " damit nur der See wie ein Freudenpokal üp " pig überlaufe und herunterschäume ? "
-- Schoppe versetzte :
" Freuden von ausnehmen " dem Geschmack wie Ananas haben das schlimm " me , daß sie wie Ananas das Zahnfleisch bluten " machen . "
-- " Ich glaube , sagte Augusti , man " muß über die Freuden des Lebens nicht viel " reflektieren , so wie über die Schönheiten eines " guten Gedichts , man genießet beide besser , " ohne sie zu zählen oder zu zergliedern . "
-- " Und ich , sagte Cesara , würde zählen und zehr " gliedern schon aus Stolz ; was herauskäme , " ertrüg ' ich und ich würde mich schämen , un " glücklich zu sein .
Ist das Leben wie eine " Olive eine bittere Frucht , so greife nur beide " scharf mit der Presse an , sie liefern das süß " seste Öl . "
-- Hier stand er auf , um bis abends in der Insel allein zu bleiben ; er bat um Nachsicht , machte aber keinen Vorwand .
Seine hohe ehrgeizige Seele war unfähig , sich zur kleinsten Lüge niederzubücken ; nicht einmal gegen -- Vieh .
Er lockte in Blumenbühl Flugtauben täglich durch Futter näher , und seine Pflegeschwester bat ihn oft , eine zu ergreifen ; aber er sagte immer Nein , weil er sogar ein tierisches Vertrauen nicht belügen wollte . --
Als sie ihm nachsahen , da er langsam mit nachspringenden Schatten und mit den an ihm herabschlüpfend Sonnenblitzen durch die Lorbeerbäume ging und wie in einem Traume die Zweige mit Vorausgehaltenen Händen sanft auseinanderbog :
so brach Dian aus : " welche " Jupiters Statue ! "
-- " Und die Alten , " fiel Schoppe ein , glaubten noch dazu , daß je " der Gott in seiner Statue Hause . "
-- " Eine " herrliche dreifache Breite der Stirn , der Nasen " Wurzel und der Brust !
( fuhr Dian fort . )
Ein " Herkules , der auf dem Olympus Oelbäu " me pflanzt " -- " Es frappierte mich sehr "( sagte der Lektor ) , daß ich durch langes An " schauen auf seinem Gesichte lesen konnte was " ich wollte und was sich widersprach , Kälte -- " Wärme -- Unschuld und Sanfmuth -- am " leichtesten Trotz und Kraft . "
-- Schoppe setzte dazu : " ihm selber mag es noch schwe " rer werden , einen solchen Kongreß kriegführender Mächte in sich zu einem Friedenskon " greß zusammen zu zwingen . "
-- " Wie schön , ( sagte der menschlich-fühlende Dian ) " muß einer so kräftigen Gestalt die Liebe anstehen und wie erhaben der Zorn ! "
-- " Das sind zwei malerische Schönheiten , ( versetzte Schoppe ) woraus " sich zwei Pädagogiarchen und Xenophon wie " wir wenig bei ihrem Zyrus machen in ihrer " Zyropädie . "
4. Zykel .
Zesara hatte bloß drei Gläser Wein gekostet ; aber der Most seines heißen dichten Blutes gor davon stärker .
Der Tag erwuchs immer mehr zu einem daphnischen und delphischen Hain , in dessen flüsterndes und dampfendes Dickicht er sich tiefer verlor -- die Sonne hing wie eine weiße blitzende Schneekugel im Blau -- die Eisberge warfen ihren Silberblick in das Grün herein -- aus fernen Wolken donnerte es zuweilen * ) als rolle der Frühling in seinem Triumphwagen daher und weiter zu uns -- die Lebenswärme des Klima's und der Tagszeit , das h. Feuer zweier Entzückungen , ( der erinnerten und der gehofften ) brüteten alle seine Kräfte an .
Jetzt ergriff ihn jenes Fieber der jungen Gesundheit , worin ihm allemal war , als schlage in jedem Gliede ein besonderes Herz -- die Lunge und das Herz sind von Blute schwer und voll -- der Atem ist heiß * ) Tirare di prima vere nennt das Volk und Peter Schoppe übersetzt es erhaben genug : elektrisches Pistolenzeug des Lenzes . wie ein Harmattanwind -- und das Auge trübe in seiner eigenen Lohe -- und die Glieder sind müde vor Kraft .
In dieser Überfüllung der elektrischen Wolke , hatte er einen besonderen Trieb nach Zertrümmern .
Er half sich jünger oft , daß er Felsenstücke an den Gipfel wälzte und niederrollen ließ ; oder daß er im Galopp so lange lief bis der Atem -- länger wurde , oder am gewissesten dadurch , daß er sich ( wie er von Kardan gehört hatte ) mit einem Federmesser Schmerzen und sogar kleine Verblutungen erregte .
-- Selten gewinnen gewöhnliche , und noch seltener ungewöhnliche Menschen die volle mit allen Zweigen blühende Jugend des Leibes und Geistes ; aber desto prangender trägt dann Eine Wurzel einen ganzen Blumengarten .
-- Mit diesen Wallungen stand Albano jetzt hinter dem Palast einsam gegen Süden , als ihm ein Spiel seiner Knabenjahre einfiel .
Er war nämlich oft im Mai auf einen säulendicken Apfelbaum der ein ganzes hängendes grünes Kabinett erhob , bei heftigem Wind gestiegen und hatte sich in die Arme sei nes Gezweigs gelegt .
Wenn ihn nun so die schwankende Lusthecke zwischen dem Gaukeln der Lilienschmetterlinge und dem Summen der Bienen und Mücken und dem Nebeln der Blüten schaukelte und wenn ihn der aufgeblähte Wipfel bald unter fettes Grün versenkte , bald vor tiefes Blau und bald vor Sonnenblitze drehte : dann zog seine Phantasie den Baum riesenhaft empor , er wuchs allein im Universum gleichsam als sei er der Baum des unendlichen Lebens , seine Wurzeln stiegen in den Abgrund , die weißen und roten Wolken hingen als Blüten in ihm , der Mond als eine Frucht , die kleinen Sterne blitzten wie Tau und Albano ruhte in seinem unendlichen Gipfel und ein Sturm bog den Gipfel aus dem Tag in die Nacht , und aus der Nacht in den Tag . -- --
Er sah jetzt zu einer hohen Zypresse empor .
In Rom war aus dem Mittags-Schlaf ein Südostwehen aufgestanden und hatte sich unterwegs fliegend in Limoniengipfeln und in tausend Bächen und Schatten gekühlt und lag nun gewiegt auf Zypressenarmen .
Da erklet terte er den Baum , um sich wenigstens zu ermüden .
Aber wie dehnte sich die Welt vor ihm aus mit Bergen , mit Inseln und Wäldern , da er das donnernde Gewölk über Roms sieben Hügeln liegen sah , gleichsam als rede aus dem Dunkel noch der alte Geist , der in den Hügeln wie in sieben Vesuven gearbeitet hatte , welche vor der Erde so viele Jahrhunderte lang mit feurigen Säulen , mit aufgerichteten Gewittern standen und sie mit glühenden Strömen , mit Aschenwolken und mit Fruchtbarkeit übergossen , bis sie sich selber zersprengten !
Die Spiegelwand der Gletscher stand wie sein Vater unzerrüttet vor der Wärme des Himmels und wurde nur glänzend und nicht warm und nicht weich -- aus dem weiten See schienen überall die warmen Hügel wie aus ihrem Bade auszusteigen und die kleinen Schiffe der Menschen schienen in der Ferne strandend zu stocken -- und im weiten Wehen um ihn gingen die großen Geister der Vergangenheit vorüber und unter ihren unsichtbaren Tritten bogen sich nur die Wälder nieder , aber die Blumenbeete wenig . --
Da wurde in in Albano die fremde Vergangenheit zur eigenen Zukunft -- keine Wehmut , sondern ein Durst nach allem Großen , was den Geist bewohnt und hebt , und ein Schauder vor den schmutzigen Ködern der Zukunft , zogen sein Auge recht schmerzlich zusammen und schwere Tropfen fielen daraus . --
Er stieg herab , weil das innere Schwindeln zuletzt äußeres wurde .
Die ländliche Erziehung und Dian , welcher den gehaltenen Gang der Natur verehrte , hatten den Knospengarten seiner Kräfte vor frühzeitiger Morgensonne und schnellem Aufspringen bewahret ; aber durch die Erwartung des Abends und durch die Reise wurde der Tag seines Lebens jetzt zu warm und zu treibend .
Zufällig und träumend verlor er sich unter Orangeblüten ; plötzlich war ihm als mache ein süßes Wühlen im innersten Herzen dieses beklemmend weit und leer und wieder voll .
Ach er wußte nicht , daß es die Düfte waren , die er hier in seiner Kindheit so oft in die Brust gesogen , und welche nun jede Phantasie und Erinnerung der Vergangenheit dunkel , aber gewaltsam zurückriefen , eben weil Düfte , un Titan. I. D gleich den abgenützten Merkmalen des Auges und des Ohres , seltener kommen und also leichter und heftiger die verblichene Empfindung erneuern .
Aber als er in eine Arkade des Palastes , welche bunte Steine und Muscheln stickend färbten , geriet , und als er die Wogen spielend auf die Schwelle der Grotte hüpfen sah :
so deckte sich ihm auf einmal eine bemooste Vergangenheit auf -- er durchsuchte seine Erinnerungen -- die Farbensteine der Grotte lagen gleichsam voll Inschriften der vorigen Zeit vor seinem Gedächtnis . -- --
Ach hier war er ja tausendmal mit seiner Mutter gewesen , sie hatte ihm die Muscheln gezeigt und die Nähe der Wellen verboten , und einmal , da die Sonne aufging und da der durchwehte See und alle Steinchen glänzten , war er auf ihrem Schoße mitten unter den Lichtern aufgewacht . --
O war denn nun die Stelle nicht geheiligt und auf ihr seine überwältigende Sehnsucht nicht entschuldigt , die er heute so lange gehabt , die schöne Armwunde dem tobenden und quälenden Blute aufzumachen ?
Er ritzte sich , aber zufällig zu tief ; und mit einem schönen kühlen Heben seines leichter atmenden Wesens sah er der roten Quelle seines Armes in der Abendsonne zu , und wurde wie nach abgefallenen Bürden leichter -- nüchtern -- still -- und weich .
Er dachte an die verschwundene Mutter , deren Liebe nun ewig unvergolten blieb -- ach er hätte dieses Blut gern für sie vergossen -- und nun quoll heißer als je in seiner Brust die Liebe für den kränklichen Vater auf : o komme bald , sagte sein Herz , ich will dich so unaussprechlich lieben , du lieber Vater !
Die Sonne erkaltete an der feuchten Erde -- nur noch die zackige Mauerkrone aus den Goldstufen der Gletscherspitzen glühte über ausgelöschten Wolken -- und die Zauberlaterne der Natur warf ihre Bilder nur noch gezogener und matter :
da ging eine lange Gestalt in einem offenen roten Mantel langsam um die Zedratobäume auf ihn zu , rieb mit der Rechten an der Stelle des Herzens , woran kleine Funken verglommen , und zerdrückte mit der halb erhobenen Linken eine Wachslarve zum D 2 Klumpen und blickte in die eigene Brust .
Plötzlich erstarrte sie an der Wand des Palastes in versteinerter Stellung .
Albano drückte die Hand auf die kleine Wunde und ging nahe zu dem Versteinerten -- Welche Gestalt ! --
Aus einem vertrockneten hagern Angesicht erhob sich zwischen Augen , die halb unter den Augenknochen fortbrannten , eine verachtende Nase mit stolzem Wurf -- ein Cherub mit dem Keime des Abfalls , ein verschmähender gebietender Geist stand da , der nichts lieben konnte , nicht sein eigenes Herz , kaum ein höheres , einer von jenen Fürchterlichen , die sich über die Menschen , über das Unglück , über die Erde und über das -- Gewissen erheben , und denen es gleich gilt , welches Menschenblut sie hingießen , ob fremdes oder ihres . --
Es war Don Gaspard .
Die Funken-werfende Ordenskette aus Stahl und Edelsteinen verriet ihn .
Die Starrsucht , seine alte Krankheit , hatte ihn ergriffen .
" O " Vater ! " sagte Albano erschrocken und umfaßte die unbewegliche Gestalt , aber er drückte gleichsam den kalten Tod ans Herz .
Er schmeckte die Bitterkeit einer Hölle -- er küßte die starre Lippe und rief lauter -- endlich trat er vor ihm mit fallenden Armen zurück und die aufgedeckte Wunde blutete ungefühlt nieder -- und er blickte , zähneknirschend vor wilder junger Liebe und vor Schmerz , und mit großen Eistropfen in den Augen , den Stummen an und riß ihm die Hand vom Herzen . -- --
Hier schlug erwachend Gaspard die Augen auf und sagte : " willkommen , " mein lieber Sohn ! " --
Da sank ihm mit unüberschwenglicher Seligkeit und Liebe das Kind ans Vaterherz und weinte und schwieg .
" Du " blutest , Albano , " sagte Gaspard ihn sanft zurückstemmend , " verbinde dich ! "
-- " Laß mich blu "ten , ich will mit dir sterben wenn du stirbst "-- o wie habe ich so lange nach dir geschmach " tet , mein guter Vater ! " sagte Albano , noch tiefer erschüttert von dem kranken väterlichen Herzen , das er jetzt an seinem heftiger schlagen fühlte .
" Recht gut , verbinde dich aber ! " sagte er ; und als der Sohn es tat und während des schnellsten Umwickelns mit unersättlicher Liebe in das väterliche Auge schaute , und als das Auge nur kalte Blitze warf wie sein Ring-Juwel -- so schlug auf den Kastaniengipfeln , dem heutigen Throne der Morgensonne , der leise Mond sein frommes Auge stillend auf und dem entflammten Albano war es an diesem kindlichen und mütterlichen Wohnplatze , als schaue der Geist seiner Mutter vom Himmel und rufe , " ich werde weinen , wenn ihr euch nicht liebt . "
Sein wallendes Herz zerfloß , und er sagte sanft zu dem im Mondlicht bleicheren Vater : " liebst " du mich denn nicht ? "
-- " Lieber Alban , ver " setzte der Vater , man kann dir nicht genug " antworten -- du bist recht gut -- es ist recht " gut . "
Aber mit dem Stolze der Liebe , die sich kühn mit der väterlichen Maß , ergriff er fest die Hand mit der Larve , und sah den Ritter mit feurigen Tränen an : " mein Sohn , ver " setzte der Müde , ich habe dir heute noch viel " zu sagen und wenig Zeit , weil ich morgen " reise -- und ich weiß nicht , wie lange mein " Herzklopfen mich sprechen lässt . "
-- Ach also war das vorige Zeichen einer gerührten Seele nur ein Zeichen eines nervenkranken Pulses gewesen . . . . Du armer Sohn , wie mußte vor dieser scharfen Luft dein bewegtes Meer erstarren -- ach wie an einem eiskalten Metall mußte deine warme Hand ankleben und davon sich wundgeschält abziehen ! --
Aber guter Jüngling !
Wer von uns könnte dich tadeln , daß Wunden dich gleichsam mit Blut an deinen wahren oder falschen Halbgott binden -- wiewohl ein Halbgott sich öfter mit einem Halbtier als mit einem Halbmenschen schließet -- und daß du so schmerzlich liebst ? --
Ach welche warme Seele sprach nicht einmal die Bitte der Liebe vergeblich aus und konnte dann , gelähmt vom erkaltenden Gifte , gleich anderen Vergifteten , die schwere Zunge und das schwere Herz nicht mehr bewegen ? --
Aber liebe fort , du warme Seele ; gleich Frühlingsblumen , gleich Nachtschmetterlingen durchbricht die zarte Liebe zuletzt doch den hart-gefrorenen Boden und jedes Herz , das nichts anderes verlangt , als ein Herz , findet endlich seine Brust ! -- -- 5. Zykel .
Der Ritter nahm ihn auf eine über steinerne Säulen geführte Galerie hinauf , die überall Limonienbäume mit Düften und kleinen regen vom Monde silbern geränderten Schatten vollstreueten .
Er zog zwei Medaillons aus seiner Brieftasche , das eine bildete ein sonderbar- jugendlich aussehendes weibliches Gesichtchen vor , mit der Umschrift : " Nous ne nous verrons jamais , mon fils . "
* )
" Hier ist deine " Mutter , ( sagte Gaspard und gab es ihm , ) -- " und hier deine Schwester , " und reichte ihm das zweite , dessen Züge zu einer unkenntlichen veralteten Gestalt einliefen mit der Umschrift :
" Nous nous verrons un jour , mon frere . " ** )
Er fing nun seine Rede an , die er in so vielen zwanglosen Heften ( das eine Komma oft am einen Ende der Galerie , das andere am anderen ) und so leise und in einem solchen Wechsel von schnellem und trägem Gehen lieferte , * )
Wir sehen uns nie mein Sohn . ** )
Wir sehen uns einst , mein Bruder . daß in das Ohr eines unter der Galerie mitlaufenden Visitators fremder Gespräche , wenn einer drunten stand , nicht drei zusammengehörende Laute tropfen konnten .
" Deine Aufmerke " samkeit , lieber Alban , " fuhr er fort , " nicht " deine Phantasie sollte jetzt gespannt sein ; Du " bist leider heute zu romantisch bei dem Ro " mantischen , was du hören sollst .
Die Grä " finn von Zesara liebte das Feierliche von je " her ; du wirst es aus dem Auftrage sehen , den " sie mir wenige Tage vor ihrem Tode gab , und " den ich gerade an diesem Karfreitage auszu " richten versprechen mußte . "
-- Er sagte noch , bevor er anfing , daß er , da seine Katalepsie und sein Herzklopfen bedenklich stiegen , nach Spanien eilen müsse , seine Sachen und noch mehr die seiner Mündel -- der Gräfin von Romeiro -- zu ordnen .
Alban tat noch eine Bruderfrage über seine liebe so lange entrückte Schwester ; der Vater lies ihn hoffen , daß er sie bald sehen werde , da sie mit der Gräfin die Schweiz besuchen wolle . --
Da ich nicht absehe was die Menschen davon haben , wenn ich die mir beschwerlichen Gen sefüße samt dem ewigen " er sagte " hersetze :
so will ich den Auftrag in Person erzählen .
Es werden einmal --
( sagte der Ritter ) -- drei Unbekannte , einer am Morgen , einer Mittags und einer Abends zu ihm kommen und jeder wird ihm ein eingesiegeltes Kartenblatt zustellen , worauf bloß der Name der Stadt und des Hauses steht , worin das Bilderkabinett , das Albano noch dieselbe Nacht besuchen muß , zu finden ist .
Im Kabinett soll er alle Nägel der Bilder durchtasten und drücken , bis er auf einen kommt , hinter welchem der Druck eine in die Wand eingebaute Repetieruhr zwölf zu schlagen nötigt .
Hier findet er unter dem Bilde eine geheime Tapetentür , hinter welcher eine weibliche Gestalt mit einem offenen Souvenir und mit drei Ringen an der Linken , und mit einem Krayon in der Rechten sitzt .
Drückt er den Ring des Mittelfingers , so richtet sich die Gestalt unter dem Rollen des inneren Getriebes auf , tritt in das Zimmer und das auslaufende Gehwerk stockt mit ihr an einer Wand , woran sie mit dem Krayon ein verstecktes Fach bezeichnet , in welchem ein Taschenperspektiv und der wächserne Abdruck eines Sargschlüssels liegen .
Das Okularglas des Perspektivs ordnet durch eine optische Anamorphose den Wirrwarr alternder Linien auf dein heute empfangenen Medaillon der Schwester zu einer holden jungen Gestalt , und das Objektivglas gibt dem unreifen Bilde der Mutter die Merkmale des längeren reiferen Lebens zurück .
-- Dann drücket er den Ringfinger und sogleich fängt die stumme kalte Figur mit dem Krayon in das Souvenir zu schreiben an und bezeichnet ihm mit einigen Worten den Ort des Sarges , von dessen Schlüssel er den wächsernen Abdruck hat .
Im Sarge liegt eine schwarze Marmorstufe , in Gestalt einer schwarzen Bibel ; und wenn er sie zerschlagen hat , trifft er einen Kern darin , aus dem der Christbaum seines ganzen Lebens wachsen soll .
-- Ist die Stufe nicht im Sarge , so gibt er dem letzten Ringe des Ohrfingers einen Druck -- was aber dann dieses hölzerne Guerike's Wettermännchen seines Schicksals beginne , wußte der Ritter selber nicht vorauszusagen .
-- Ich bin völlig der Meinung , daß man dem bizarren Testamente leicht das Repetir- und das halbe Räderwerk -- so wie man jetzt in London Uhren bloß aus zwei Rädern bauet -- ausbrechen könnte , ohne das Vorlege- oder Zeigerwerk zu beschädigen .
Auf Alban wirkte das testamentarische Getriebe und Gebläse wider meine Erwartung -- fast nichts ; ausgenommen eine weichere Liebe gegen die gute Mutter , welche so sorgend , da sie unten im Strome des Lebens das fliegende Bild vom niederfallenden Habicht des Todes erblickte , nur den Sohn bedachte . Seinem Vater schaute er unter dem Berichte , mit zärtlichem Danke für diese Mühe des Gedächtnisses und der Erzählung , fast auf Kosten seiner Aufmerksamkeit , in das befestigte eiserne Angesicht ; und im Mondschein und vor seiner Phantasie , wuchs der Ritter zu einem rhodischen die halbe Gegenwart verdeckenden Kolossus auf , für welchen ihm dieses testamentarische Memorienwerk fast zu kleinlich schien .
-- Bisher hatte Don Gaspard bloß als echter Weltmann gesprochen , der von seinem Gespräche ( ohne besondere nähere Verhältnisse ) stets jede Erwähnung oder Schmeichelei eines Ich_es , des fremden so gut wie des eigenen ausschließet , und sogar historischer Personen nur als Bedingungen von Sachen gedenkt -- so daß zwei solche Nicht-Ichs mit ihrer grimmigen Kälte , nur zwei sprechende Logiken oder Wissenschaften zu sein scheinen , aber keine Wesen mit schlagenden Herzen : o ! wie sanft floß es , wie eine weiche Tonart in Albanos liebewundes Herz , -- das der hellere und lauere Mond und der insularische dämmernde Kindergarten seiner ersten Vorzeit , und die in seiner Seele laut fort- und nachklingende Stimme seiner Mutter gewaltsam auflösten , -- als nun der Vater sagte :
" Das habe ich von der Gräfin " zu sagen .
Von mir habe ich dir nichts zu sa " gen , als meine bisherige Zufriedenheit mit " deinem bisherigen Leben . "
-- " O geben Sie , " teuerster Vater , meinem künftigen Gebote , " Lehre und Rat " sagte der begeisterte Mensch , und Gaspards rechter Hand , die nach dem schnelleren Herzen zuckte , folgt er mit seiner Linken an die sieche Stelle und drückte heftig das hysterische Herz , als könne er diesem Berg ab umkreisenden Lebensrade in die Speiche greifen .
-- Der Ritter versetzte : " ich habe dir wie " ter nichts zu sagen .
Die Lindenstadt ( Pestiz ) " ist dir nun geöffnet ; deine Mutter hatte sie " dir verschlossen .
Der Erbprinz , der bald Fürst " sein wird , und der Minister von Fraulaie , " der mein Freund ist , werden die deinigen " sein ; ich glaube ' , es wird dir nützen , ihre Bei " Kantschaft zu kultivieren . "
-- Der scharfblickende Gaspard sah hier plötzlich über des Jünglings reine offene Gestalt wunderbare Bewegungen und heiße Rosen fliegen , die aus der Gegenwart mit nichts zu erklären waren und die sogleich wie getötet vergingen , als er so fortfuhr : " für einen " Mann von Stande sind gelehrte und schöne " Wissenschaften , die für andere Endzweck sind , " nur Mittel und Erholung ; und so groß deine " Neigung dafür sein mag : so wirst du doch " am Ende Handlungen den Vorzug vor Ge " Nüssen geben ; du wirst dich nicht geboren füh "len , die Menschen bloß zu belehren oder zu " belustigen , sondern zu behandeln und zu bei " herrschen .
" Es wäre gut , wenn du den Minister ge " wähnest und dadurch die Kenntnisse des Re " gierungs- und Kammerwesens , die er dir ge " ben kann ; denn in dem Abrisse Eines Landes , " so wie Eines Hofes , besitzest du die Grund " Züge eines jeden größeren , wozu du auch ge " langen und dich bilden sollst .
Es ist mein " Wunsch , daß du sogar dem Fürsten und dem " Hofe lieb wirst , weniger weil du Konnexionen " als weil du Erfahrungen brauchst .
Nur durch " Menschen besiegt und übersteigt man Men "schen , nicht durch Bücher und Vorzüge .
Man " muß nicht seinen Wert auslegen , um die " Menschen zu gewinnen , sondern man muß sie " gewinnen , und dann erst jenen zeigen .
Un " Glück ist nichts wie Unverstand und nicht so " wohl durch Tugend als durch Verstand , wird " man furchtbar und glücklich .
-- Du hast hoch " stens die Menschen zu fliehen , die dir zu ähn "lich sind , besonders die ädeln . "
-- Das ätzende Sublimat seines Spottes , bestand hier nicht darin , daß er " edel " mit einem akzentuierten ironischen Tone sagte , sondern daß er_es wider Erwarten kalt ohne einen sagte .
Albanos Hand war in seiner schon längst vom Herzen an der stählernen eckigen Ordenskette herabgeglitten auf das goldene metallisch-kalte Lamm daran .
Der Jüngling hatte , wie alle Jünglinge und Einsiedler , zu harte Begriffe von Hof- und Weltleuten , er hielt sie für ausgemachte Basilisken und Drachen -- wiewohl ich das noch entschuldigen will , wenn er nur mit den Naturforschern unter den Basilisken nichts versteht , als ungeflügelte Eidechsen , und unter den Drachen nichts als geflügelte , so daß er sie für nichts als für kalte fast so fatale Amphibien , wie Line solche definiert , ansieht -- ; ferner hegt er ( so leicht wird Plutarch der Verführer von Jünglingen , deren Biograph er hätte sein können wie ich ) mehr Grimm als Achtung gegen die Artolatrie ( den Brotdienst ) unseres Zeitalters , das aber umgekehrt immer den Gott ins Brot verwandeln will , gegen die besten Brotstudien oder Brotwagen , gegen das Machen einer Karriere , gegen jeden , der kein Waghals war und der statt der Sturmbalken und Kriegsmaschinen etwa unsichtbare Magnetstäbe , Saugwerke und Schröpfköpfe ansetzte und damit etwas etwas zog .
Jeder Jüngling hat ein schönes Zeitalter , wo er kein Amt , und jede Jungfrau eines , wo sie keinen Mann annehmen will ; dann ändern sich beide und nehmen oft sich einander noch dazu .
Als der Ritter die obigen gewiß keinem Weltmanne anstößigen Sätze vorbrachte :
so stieg in seinem Sohne ein heiliger menschenfreundlicher Stolz empor -- es war diesem , als werde von einem steigenden Genius sein Herz und sogar sein Körper , wie der eines betenden Heiligen , gehoben über die Laufbahnen einer gierigen kriechenden Zeit -- die großen Menschen einer größeren traten unter ihre Triumphbogen und winkten ihn , näher zu ihnen zu kommen -- in Osten lag Rom und der Mond und vor ihm der Alpen-Zirkus , eine große Vergangenheit neben einer großen Gegenwart -- er ergriff mit dem liebend-stolzen Gefühl , daß es noch etwas Göttlicheres in uns gebe als Klugheit und Verstand , den Vater und sagte : " der ganze heutige Tag , lieber Vater , war " eine zunehmende Erschütterung meines Her "zens -- ich kann vor Bewegung nicht Spree Titan .
I. E " chen und nichts recht bedenken -- Vater , ich " besuche alle -- ich werde mich über die Men "schen hinausreißen -- aber ich verschmähe den " schmutzigen Weg des Ziels -- ich will im Welt " Meer wie ein Lebendiger durch Schwimmen " aufsteigen , aber nicht wie ein Ertrunkener " durch Verwesen -- Ja Vater , das Schick " soll werfe einen Grabstein auf diese Brust und " zermalme sie , wenn sie die Tugend und die " Gottheit und ihr Herz verloren hat . "
Albano sprach darum so warm , weil er einer unaussprechlichen Verehrung für die kraftvolle Seele des Ritters nicht entsagen konnte ; er stellte sich immer die Qualen und das lange Sterben eines so starken Lebens , den scharfen Rauch eines so großen , kalt ausgegossenen Feuers vor , und schloß aus den Regungen seiner eigenen lebendigen Seele auf die der väterlichen , die nach seiner Meinung nur langsam auf einer breiten Unterlage schwarzer kalter Menschen so zerfallen war , wie man Diamanten nicht anders verflüchtigt als auf einer Unterlage von ausgebrannten toten Schmiedekohlen . -- --
Don Gaspard , der die Menschen selten und nur gelinde tadelte -- nicht aus Liebe , sondern aus Gleichgültigkeit -- antwortete dem Jünglinge geduldig :
" Deine Wärme ist zu loben .
" Mit der Zeit wird sich alles geben . --
Jetzt " lasse ' uns essen . " -- 6. Zykel .
Der Speisesaal unserer Eilender war im reichen Palaste der abwesenden borromäischen Familie .
Man gab der schönen Insel den Parisapfel und Lorbeerkranz .
Augusti und Gaspard schrieben ihr das Belobungsschreiben in einem leichten klaren Stil , nur Gaspard mit mehr Antithesen .
Albanos Brust war mit einer neuen Welt gefüllt , sein Auge mit einem Schimmer , seine Wangen mit freudigem Blut .
Der Baumeister erhob sowohl den Geschmack als den Kammerbeutel des Erbprinzen , der durch beide zwar nicht artistische Meister , aber doch Meisterstücke in sein Land mitbrachte und auf dessen Veranlassung eben dieser Dian nach Italien ging , um für ihn Abgüsse von den Antiken dazu nehmen .
Schoppe versetzte : " ich hoffe , E 2 " der Deutsche ist so gut mit Malerakademien " und mit Malerkoliken versehen als irgend ein " Volk ; unsere Ballenbilder -- unsere Theses " Bilder in Augsburg -- unsere Leisten über Zei " tungsblättern und unsere Buchdruckerstöcke in " jedem dramatischen Werke , durch die wir eine " frühere Shakespeare Gallery besaßen als Lon " don -- unsere Effigie-Gehangnen am Galgen " sind jedem bekannt , und zeigen am ersten , " wie weit wir_es treiben .
-- Aber ich will auch " zulassen , daß Griechen und Welsche so malen " wie wir ; so ragen wir doch dadurch über sie " hinweg , daß wir gleich der Natur und den " adeligen Sponserern , nie die Schönheit iso " lirt ohne angebognen Vorteil suchen .
Eine " Schönheit , die wir nicht nebenher braten , ver " auktionieren , anziehen oder heiraten können , " gilt bei uns nur das , was sie wert ist ; " Schönheit ist bei uns ( hoffe ich ) nie etwas an " des als Anschrot und Beiwerk des Vorteils , " so wie auch auf dem Reichstage nicht die an " gestoßenen Konfekttischchen , sondern die Ses " sionstafeln die eigentlichen Arbeitstische des " Reichs-Corpus sind .
Ächte Schönheit und " Kunst wird daher bei uns nur auf Sachen " gesetzt , gemalt , geprägt , welche dabei nützen " und abwerfen : z. B. gute Madonnen nur " ins Modejournal -- radierte Blätter nur auf " Briefe voll Tabaksblätter -- kamen auf " Tabaksköpfe -- Gemmen auf Petschafte und " Holzschnitte auf Kerbhölzer -- Blumenstücke " werden gesucht , aber auf Schachteln -- treue " Wouwermanne , aber zwischen Pferdeständen " neben Bescheelern * ) -- erhobenes Bildwerk " von Prinzenköpfen , entweder auf Talern oder " auf Baierschen Bierkrug-Deckeln , beide nicht " ohne reines Zinn -- Rosen- und Lilienstücke " aber an tättauwierten Weibern . --
Auf ähnliche Weise war in Basedows Erziehungsan " stahlt stets das schöne Gemälde und das latei " Nische Vokabulum verknüpft :
weil das Phi " lanthropin dieses leichter unter jenem behielt .
"-- So malte Van der Kabel nie einen Hasen " auf Bestellung , ohne ein frisch geschossenes * )
Ein guter Wouwermann heißet in der Malersprache ein gut gemaltes Pferd , dessen Beschauen auf die Schönheit des künftigen Füllen einfließet .
" Model nach dem anderen sich zum Essen und " Kopieren auszubitten .
-- So malte der Ma " leer Kalkar schöne Strümpfe , aber unmittel " bar an seine eigenen Beine . " -- --
Der Ritter hörte so etwas mit Vergnügen an , ob er_es gleich weder belächelte noch nachahmte ; ihm waren alle Farben im genialischen Prisma erfreulich .
Nur für den Baumeister war_es nicht genug im griechischen Geschmack , und für den Lektor nicht genug im höflichen .
Letzterer kehrte sich , während Schoppe neuen Atem zu unserer Verkleinerung holte , wie schmeichelnd zum abreisenden Dian und sagte : " früher " nahm Rom anderen Ländern nur die Kunst " werke hinweg , aber jetzt die -- Künstler . "
Schoppe verfolgte : " Eben so sind unsere " Statuen keine müßigen Staatsbürger auf der " Bärenhaut , sondern sie treiben alle ein Hand " werk ; was Karyatiden sind , tragen Häuser , " was Engel sind , halten Taufschüsseln , und " heidnische Wassergötter arbeiten in Spring " Brunnen und gießen den Mägden das Wasser " in die Scheffel zu . "
-- -- Der Graf sprach warm für uns , der Lek Tor hell : der Ritter bemerkte , daß der deutsche Geschmack und das deutsche Talent für dichterische Schönheiten den Mangel an beiden für andere Schönheiten vergüte und erkläre .
( aus Klima , Regierungsform , Armut etc. )
Der Ritter glich den Himmelssehröhren , hinter denen die Erden größer erscheinen und die Sonnen kleiner , er nahm wie jene den Sonnen den geborgten Schimmer ab , ohne ihnen den wahren größeren zurückzugeben ; er schnitt zwar einem Judas den Strick entzwei , aber einem Christuskopfe goß er den Heiligenschein aus , und suchte überhaupt eine Parität und Gleichheit der Schwärze und des Lichts zu erkünsteln .
Schoppe verstummte nie ; ich Sorge , in seinem Toleranzmandat für Europa waren die deutschen Kreise ausgelassen , erhob wieder an :
" Das Wenige , was ich eben zum Lobe der nützen " den Deutschen vorbrachte , hat mir wie es scheint " Widerspruch zugezogen .
Aber die kleine Lore " Beerkrone , die ich dem h. Reichskörper aufsetze , " soll mich nie abhalten die Stellen gewahr zu wer " den wo er kahl ist .
Ich lobte es oft an Sokrates " und Christus , daß sie nicht in Hamburg , in " Wien , oder gar in einer brandenburgischen " Stadt dozierten und mit ihren Philanthro " Pisten gassatim gingen ; von Magistrats we " gen würde man sie haben befragen lassen , ob " sie nicht arbeiten könnten ; und wären beide " mit Familie in Wetzlar gewesen , so hätte man " dieser die Neglektengelder * ) abgezogen .
-- " Anlangend die Dichtkunst , H. Ritter , so kannte " ich manchen Reichsbürger , der aus einem " Karmen -- wenn_es nicht auf ihn selber war -- " wenig machte ; er glaubte die Eingriffe der " poetischen Freiheit in die Reichsfreiheit zu ken "nen ; ihn , der gewiß überall ordentlich , ge " setzt , bedächtig , in sächsischen Fristen zu Werke " schritt , quälten und störten poetische Schwein " gen sehr . --
Und ist_es denn so unerklärlich und so " schlimm ?-- der gute Reichsstädter bindet eine " Serviette vor , wenn er weinen will , damit er " die Atlasweste nicht betropft , und die Träne , " die ihm aufs Kondolenzschreiben entfallen , Step * )
So heißet das Quantum , daß man den Beisitzern des Kammergerichts , wenn sie nicht genug gearbeitet haben , vorenthält .
" pet er wie jede dunklere Interpunktion :
was " Wunder , wenn er gleich dem Wildmeister keine " schönere Blume kennt als die hinten am Hirsche , " und wenn ihn die poetischen Veilchen gleich " den botanischen * ) mit gelinden Brechkräften " angreifen . . . . Das wäre meines Bedünkens " wenigstens Eine Art , den Tadel abzulehnen , " womit man uns Deutsche anschmißt . "
7. Zykel .
Welche sonderbare Nacht folgte auf diesen sonderbaren Tag ! --
Alle gingen , vom Reisen schläfrig , der Ruhe zu ; bloß Albano , in welchem der heiße volle Tag nachbrannte , sagte dem Ritter , daß er heute mit seiner Brust voll Feuer nirgends Kühlung und Ruhe finde , als unter den kalten Sternen und unter den Blüten des welschen Frühlings .
Er lehnte sich auf der obersten Terrasse an eine Statue neben einem blühenden Dockengeländer aus Zitronen an , um die Augen unter dem Sternenhimmel schön zu schließen , und noch schöner zu öffnen .
* )
Die Ipecacuanha gehört zum Veilchengeschlecht .
Schon in seiner früheren Jugend hatte er sich , so gut wie ich , auf die welschen Dächer warmer Länder gewünscht , nicht um als Nachtwandler , sondern um als ein Schläfer darauf zu erwachen .
Wie herrlich fällt das aufgehende Auge in den erleuchteten hängenden Garten voll ewiger Blüten über dir , anstatt daß du in deinem deutschen schwülen Federpfuhl nichts vor dir hast , wenn du aufblickst , als den Bettzopf !
Als Zesara so Wellen und Berge und Sterne mit stillerer Seele durchkreuzte und als Garten und Himmel und See endlich zu Einem dunklen Kolosse zusammenschwammen , und er wehmütig an seine bleiche Mutter und an seine Schwester und an die verkündigten Wunder seiner Zukunft dachte :
so stieg hinter ihm eine ganz schwarz gekleidete Gestalt mit abgebildetem Totenkopfe auf der Brust mühsam und mit zitterndem Atem die Terrassen hinauf , " Gedenke des Todes !
( sagte sie ) Du bist Al " bano de Zesara ? "
" Ja ( sagte Zesara ) wer " bist du ? "
-- " Ich bin ( sagte sie ) ein Vater " des Todes .
* )
Ich zittere , nicht aus Furcht , " sondern aus Gewohnheit so . "
Die Glieder des Mannes blieben auf eine grausende Art in einem allgemeinen Erbeben , das man zu hören glaubte .
Zesara hatte oft seiner müßigen Kühnheit ein Abenteuer gewünscht ; jetzt hatte er_es vor sich ; indes wachte er doch behutsam mit dem Auge , und da der Mönch sagte : " schaue zum Abendstern hinauf " und sage mir , wenn er untergeht , denn mein " Gesicht ist schwach , " so warf er nur einen eilenden Blick dahin : " noch drei Sterne ( sagt ' " er ) sind zwischen ihm und der Alpe . "
-- " Wenn " er untergeht ( fuhr der Vater fort ) so gibt " deine Schwester in Spanien den Geist auf , " und darauf redet sie dich hier aus dem Him " Mehl an . "
-- Zesara wurde kaum von einem Finger der kalten Hand des Schauders berührt , bloß weil er in keinem Zimmer war , sondern * )
Aus dem Orden des h. Pauls oder Memento mori , der in Frankreich im 17ten Jahrhundert erlosch .
Die obige Anrede ist ihr gewöhnlicher Gruß . in der jungen Natur , die um den zagenden Geist ihre Berge und Sterne als Hüter stellt , oder auch , weil die weite dichte Körperwelt so nahe vor uns die Geisterwelt verdrängt und verbauet ; er fragte mit Entrüstung : " wer bist " du ? was weißt du ?
was willst du ? " und griff nach den zusammengefalteten Händen des Mönchs und hielt beide mit Einer gefangen .
" Du kennst " mich nicht , mein Sohn !
( sagte ruhig der Va " ter des Todes )
Ich bin ein Zahuri , * ) und " komme aus Spanien von deiner Schwester ; " ich sehe die Toten unten in der Erde und " weiß es voraus , wenn sie erscheinen und re " den .
Ich aber sehe ihr Erscheinen über der " Erde nicht und höre ihr Reden nicht . "
Hier blickte er den Jüngling scharf an , dessen Züge plötzlich starrer und länger wurden ; denn eine Stimme , wie eine weibliche bekannte , fing über seinem Haupte langsam an : " nimm die Krone , nimm die Krone -- ich helfe * )
Den Zahuri's in Spanien wird bekanntlich die Kraft zugetrauet , Leichname , Metalladern etc. in der tiefen Erde zu erblicken . " dir : "
Der Mönch fragte : " ist der Abendstern " schon hinunter ?
Spricht es mit dir ? "
-- Zesara blickte in die Höhe und konnte nicht antworten ; die Stimme aus dem Himmel sprach wieder und dasselbe .
Der Mönch erriet es und sagte :
" So hat dein Vater deine Mutter " aus der Höhe gehöret , als er in Deutschland " war ; aber er ließ mich lange in Fesseln le " gen , weil er dachte , ich täusche ihn . "
-- Beim Worte " Vater , " dessen Geisterunglauben Zesara kannte , riß er den Mönch an den beiden Händen mit der festhaltenden starken die Terrassen hinunter , um zu hören , wo jetzt die Stimme stehe .
Der Alte lächelte sanft , die Stimme sprach wieder über ihm , aber so : " liebe " die Schöne , liebe die Schöne , ich helfe dir . --
Am Ufer hing ein Fahrzeug , das er am Tage schon gesehen .
Der Mönch , der ihm vermutlich den Argwohn einer irgendwo verborgenen Stimme nehmen wollte , stieg in die Gondel und winkte ihm nachzufolgen .
Der Jüngling im Vertrauen auf seine körperliche und geistige Macht , und auf seine Schwimmkunst , entfernte sich mit dem Mönche kühn von der Insel ; aber wie griff der Schauder in seine innersten Fibern , da nicht nur die Stimme über ihm wieder rief : " liebe die Schöne , die ich dir " zeige , ich helfe dir " , sondern da er auch gegen die Terrasse hin eine weibliche Gestalt sich bis an das Herz aus den tiefsten Wellen mit langen kastanienbraunen Haaren und schwarzen Augen , und mit einem glänzenden Schwanenhals und mit der Farbe und Kraft des reichsten Klimas , wie eine höhere Aphrodite heben sah .
Aber in wenig Sekunden sank die Göttin wieder in die Wogen zurück , und die Geisterstimme lispelte oben fort : " liebe die Schöne , " die ich dir zeigte . " -- --
Der Mönch betete kalt und schweigend unter der Szene und sah und hörte nichts , endlich sagte er : " am künftigen " Himmelfahrtstage in deiner Geburtsstunde " wirst du neben einem Herzen stehen , daß in " keiner Brust ist , und deine Schwester wird " dir vom Himmel den Namen deiner Braut " verkündigen . "
-- Wenn vor uns flüssigen schwachen Gestalten , die gleich Polypen und Blumen , das Licht eines höheren Elementes nur fühlen und su chen , aber nicht sehen , in der Totalfinsternis unseres Lebens ein Blitz durch den erdigen Klumpen schlägt , der vor unsere höhere Sonne gehangen ist :
* ) so zerschneidet der Strahl den Sehnerven , der nur Gestalten , nicht Licht verträgt ; -- kein heißes Erschrecken beflügelt das Herz und das Blut , sondern ein kaltes Erstarren vor unseren Gedanken und vor einer neuen unfaßlichen Welt sperrt den warmen Strom und das Leben wird Eis. -- -- Albano , aus dessen voller Phantasie eben so leicht ein Chaos als ein Universum sprang , wurde bleich , aber ihm war als verliere er nicht sowohl den Mut als den Verstand ; er ruderte ungestüm , beinahe bewußtlos ans Ufer -- er konnte dem Vater des Todes nicht ins Gesicht schauen , weil seine unbändige alles auseinanderreißende Phantasie alle Gestalten * ) Anspielung auf die Erzählung einiger Astronomen , daß die verfinsterte Sonne zuweilen durch eine Öffnung des Mondes geblitzt habe , wie es z. B. Ulloa einmal gesehen zu haben versichert . gleich Wolken zu gräßlichen umwälzte und ausdehnte -- er hörte es kaum , als der Mönch zum Abschiede sagte : " vielleicht komme ich am " nächsten Karfreitage wieder " .
-- Der Mönch bestieg einen Kahn , der von selber dahinfuhr , ( wahrscheinlich durch ein unter dem Wasser umtreibendes Rad ) und verschwand bald hinter oder in der kleinen Fischerinsel ( Isola peschiere ) .
Eine Minute lang taumelte Alban und ihm kam es vor , als sei der Garten und der Himmel und alles eine weichende aufgelöste Nebelbank , als gebe es nichts , als habe er nicht gelebt .
Diesen arsenikalischen Qualm blies auf einmal von der erstickenden Brust der Atem des Bibliothekar Schoppe , der lustig zum Schlaffenster herauspfiff ; jetzt wurde sein Leben wieder warm , die Erde kam zurück , und das Dasein war .
Schoppe , der vor Wärme nicht schlafen konnte , stieg herunter : um sich auch auf die zehnte Terrasse zu betten .
Er sah an Zesara ein heftiges inneres Wogen , aber er war schon daran gewöhnt und forschte nicht .
8. Zy 8. Zykel .
Nicht von Vernünfteleien sondern von Scherzen schmilzt leicht das Eis in unserem stockenden Räderwerke .
Nach einer gesprächigen Stunde war dem Jünglinge nicht viel mehr davon übrig als eine ärgerliche Empfindung und eine frohe ; jene darüber , daß er den Mönch nicht bei der Kutte genommen und dem Ritter vorgeführt ; und die frohe über die hohe weibliche Gestalt und selber über die Aussicht in ein Leben voll Abenteuer , Gleichwohl fuhren , wenn er die Augen schloß , Ungeheuer voll Flügel , Welten voll Flammen und ein tiefes wogendes Chaos um seine Seele .
Endlich gingen in der Kühle der Nachmitternacht seine müden Sinnen näher fortgezogen und auseinanderfallend dem Magnetberg des Schlummers zu ; -- aber welcher Traum kam ihm auf diesem stillen Berge nach !
" Er lag ( so träumte ihm ) auf dem Krater des " Hekla .
Eine aufdringende Wassersäule hob " ihn mit sich empor und hielt ihn auf heißen " Wellen mitten im Himmel fest .
Hoch in der " Äthernacht über ihm streckte sich ein feinste Titan .
l. F " res Gewitter , wie ein langer Drache , von ver " schlungnen Sternbildern aufgeschwollen aus ; " nahe darunter hing ein helles Wölkchen vom " Gewitter gezogen -- durch den lichten Nebel " des Wölkchens quoll ein dunkles Rot entwe " der von zwei Rosenknospen oder von zwei " Lippen und ein grüner Streife von einem " Schleier oder von einem Oelzweige und ein " Ring von milchblauen Perlen , oder von Ver- " gißmeinnicht -- endlich zerfloß ein wenig " Duft über dem Rot , und bloß ein off "nes blaues Auge blickte unendlich mild und " flehend auf Albano nieder ; und er streckte die " Hände aus nach der umwölkten Gestalt , aber " die Wassersäule war zu niedrig .
Da warf " das schwarze Gewitter Hagelkörner , aber sie " wurden im Fallen Schnee und dann Tau " tropfen und endlich im Wölkchen silbernes " Licht , und der grüne Schleier wallte erleuch " tet im Dunst .
Da rief Albano :
ich will alle " meine Tränen vergießen und die Säule auf " schwellen , damit ich dich erreiche , schönes Au " ge ! --
Und das blaue Auge wurde feucht von " Sehnen , und sank vor Liebe zu .
Die Säule " wuchs brausend , das Gewitter senkte sich und " drückte das Wölkchen voraus , aber er konnte " es nicht berühren .
Da riß er seine Adern auf " und rief :
ich habe keine Tränen mehr , Ge " liebte , aber alle mein Blut will ich für dich " vergießen , damit ich dein Herz erreiche .
Un " ter dem Bluten drang die Säule höher und " schneller auf -- der weite blaue Äther wehte " und das Gewitter verstäubte und alle ver " schlungnen Sterne traten mit lebendigen Blick " ken heraus -- das flatternde freie Wölkchen " schwebte blitzend zur Säule nieder -- das " blaue Auge tat sich in der Nähe langsam " auf und schneller zu und hüllte sich tiefer in " sein Licht ; aber ein leiser Seufzer sagte in der " Wolke : zieh mich in dein Herz ! --
O da schlang " er die Arme durch die Blitze und schlug den " Nebel weg , und riß eine weiße Gestalt wie " aus Mondlicht gebildet an die Brust voll " Glut -- Aber ach der zerrinnende Lichtschnee " entwich den heißen Armen -- die Geliebte ver " ging und wurde eine Träne und die war " me Träne drang durch seine Brust und sank " in sein Herz und brannte darin und es rann F 2 " auseinander und wollte vergehen " . . . . Da schlug er die Augen auf .
Aber -- welches überirdische Erwachen ! --
Das weiße ausgeleerte Wölkchen mit Gewittertropfen befleckt , hing , auf ihn hereingebückt , noch am Himmel -- -- -- es war der helle , liebend-nahe über ihn hereingesunken , Mond .
Er hatte sich im Schlafe verblutet , weil sich darin die Binde von der Wunde des Armes durch das heftige Bewegen desselben verschoben hatte .
Die Entzückungen hatten den Nachtfrost des Geisterschreckens zerschmolzen .
In einem verklärenden Ersterben flatterte aufgebunden sein so festes Dasein umher wie ein beweglicher Traum -- in den gestirnten Himmel war er wiegend aufgeschwebt wie an eine Mutterbrust und alle Sterne waren in den Mond geflossen und dehnten seinen Schimmer aus -- sein Herz , in eine warme Träne geworfen , ging sanft darin auseinander -- außer ihm schattete es nur , in ihm strahlte es blendend -- der Flug der Erde wehte vor der aufgerichteten Flamme seines Ich_es vorbei und bog sie nicht um . --
Ach seine Psyche glitt mit scharfen ungeregten un gehörten Falkenschwingen entzückt und still durch das dünne Leben . . . . Ihm kam es vor als sterbe er , denn spät war er die steigende Erwärmung des linken verblutenden Armes innen geworden , der ihn ins lange Elysium , das aus dem Traume ins Wachen reichte , gehoben hatte .
Er legte ihm die Binde fester um . --
Auf einmal hörte er unter dem Verbinden ein lauteres Plätschern unter sich als bloße Wellen machen konnten .
Er schaute über das Geländer -- und sah seinen Vater mit Dian ohne Abschied -- der für Gaspard nur die giftige Herbstblume in der Herbstminute einer Abreise war -- wie ausgefallene Blütenblätter aus der Blumenkrone seines Lebens über die Wellen fliehen unter dem Schwanenliede der Nachtigallen !
. . . Guter Mensch , wie oft hat dich diese Nacht betöret und beraubt ! --
Er breitete die Arme ihnen nach -- der Schmerz des Traums fuhr fort und begeisterte ihn -- der fliehende Vater schien ihm wieder liebender -- schmerzlich rief er hinab : " Vater , sieh dich um " nach mir ! --
Ach wie kannst du mich so stumm " verlassen ? --
Und du auch , Dian ! --
O trö " stet mich wenn ihr mich hört ! " --
Dian warf ihm Küsse zu und Gaspard legte die Hand auf das sieche Herz .
Albano dachte an die Kopistin des Todes , an die Starrsucht , und hätte gern den verletzten Arm über die Wellen gehalten und das warme Leben als eine Libation für den Vater vergossen ; und rief nach : lebt wohl , lebt wohl ! --
Schmachtend drückte er die kalten steinernen Glieder einer kolossalischen Statue an seine brennenden Adern an und Tränen der vergeblichen Sehnsucht überquollen sein schönes Angesicht , während die warmen Töne der welschen Nachtigallen , die von dem Ufer und der Insel gegeneinanderschlugen , mit linden Vampyrenzungen das Herz Wundsogen . -- --
Ach wenn du einmal geliebt wirst , glühender Jüngling , wie wirst du lieben ! --
Er weckte , im Durste nach einer warmen sprechenden Seele , seinen Schoppe auf und zeigte ihm die Flucht .
Aber indem dieser irgend etwas Tröstendes sagte , schaute Albano unverwandt dem grauen Punkte des Fahrzeugs nach und hörte nichts . --
9. Zykel .
Beide blieben auf und erfrischten sich durch die Streiferei in der betauten Insel ; und sie wurden durch den Anblick , wie das erhobene Bildwer des Tages farbig-gleißend aus den erlöschenden Kreidenzeichnungen des Mondlichts heraustrat , lebendig und wach .
Augusti kam auch und schlug ihnen die halbstündige Fahrt nach Isola matre vor .
Albano flehte beide herzlich an , allein hinzufahren , ihn aber hier in seinen einsamen Spaziergängen zu lassen .
Der Lektor faßte jetzt die Spuren der nächtlichen Angriffe schärfer ins Auge -- wie schön hatte der Traum , der Mönch , die Schlaflosigkeit , die Verblutung die tapfere kecke Gestalt gemildert und jeden Laut erweicht und die Kraft war jetzt nur ein zauberischer Wasserfall im Mondlicht .
Augusti nahm es für Eigensinn und fuhr allein mit Schoppe ; aber die wenigsten Menschen begreifen , daß man nur mit den wenigsten Menschen ( mit keiner Visiten-Armee ) , eigentlich nur mit zwei , mit dem innigsten und ähnlichsten Freunde und mit der Geliebten spazieren gehen könne .
Wahrlich ich will eben so gern im Angesichte des Hofes am Geburtstage der Fürstin zu einer Liebeserklärung öffentlich niederknien als --
denn man zeige mir doch den Unterschied -- zwischen einem langen Vor- und Nachtrabe das trunkene Auge auf dich , Natur , meine Geliebte heften .
-- Wie glücklich wurde durch die Einsamkeit Albano , dessen Herz und Augen voll Tränen standen , die er schamhaft verbarg und die ihn doch vor seinem eigenen Urteile so rechtfertigten und erhoben ! --
Er trug sich nämlich mit dem sonderbaren Irrtume feuriger und starker Jünglinge , er habe kein weiches Herz , zu wenig Gefühl und sei schwer zu rühren .
Aber jetzt gab ihm die Entkräftung einen dichterischen weichen Vormittag wie er noch keinen gehabt , wo er alles weinend umarmen wollte , was er je geliebt -- seine guten fernen Pflegeeltern in Blumenbühl -- seinen kranken Vater , der_es gerade im Frühling war , wo immer der Tod sein blumiggeschmücktes Opferthor aufbauet -- und seine in die Vergangenheit gehüllte Schwester , deren Bild er bekommen , deren After-Stimme er diese Nacht gehört und deren letzte Stunde ihm der nächtliche Lügner näher gemalt .
-- Sogar das nächtliche noch in seinem Herzen verschlossene Schattenspiel machte ihn durch die Unerklärlichkeit -- da er_es keinem bekannten Menschen zuzuschreiben wußte -- und durch die Weissagung beklommen , daß er an seiner Geburtsstunde -- und diese stand so nahe , am Himmelfahrtstage -- den Namen seiner Braut vernehmen würde .
Der lachende Tag nahm zwar den Geisterßenen die Totenfarbe , gab aber der Krone und der Wassergöttin frischen Glanz .
Er durchschwankte alle heilige Stätten in diesem gelobten Lande -- Er ging in die dunkle Arkade , wo er die Reliquien seiner Kindheit und seinen Vater gefunden hatte , und nahm mit einem bangen Gefühle die auf den Boden entfallene zerquetsche Larve zu sich .
Er bestieg die von Limonien mit Sonnenschein besprengte Galerie und sah nach den hohen Zypressen und den Kastaniengipfeln im weiten Blau , wo ihm der Mond wie das aufgegangne Mutter-Auge erschienen war . --
Er trat nahe vor eine Kaskade hinter dem Lorbeerwalde , die sich in 20 Absätze wie er in 20 Jahre zerteilte , und er fühlte auf den heißen Wangen ihren dünnen Regen nicht .
Er stieg nun auf die hohe Terrasse zurück , um seinen Freunden entgegen zu sehen .
Wie gebrochen und magisch stahl sich der Sonnenschein der äußeren Welt in den heiligen dunklen Irrhain der inneren ! --
Die Natur , die gestern ein flammender Sonnenball gewesen , war heute ein Abendstern voll Dämmerlicht -- die Welt und die Zukunft lagen so groß um ihn und doch so nahe und berührend , wie vor dem Regen Eisberge naher scheinen im tieferen Blau -- er stellte sich auf das Geländer und hielt sich an die kolossalische Statue und sein Auge schweifte hinab zu dem See und hinauf zu den Alpen und zu dem Himmel und wieder herab , und unter der freundlichen Luft Hesperiens flatterten leicht bedeckt alle Wellen und alle Blätter auf -- weiße Türme blinkten aus dem Ufer-Grün , und Glocken und Vögel klangen im Winde durcheinander .
-- Ein schmerzliches Sehnen faßte ihn , da er nach der Bahn seines Vaters sah ; ach nach dem wärmeren Spanien voll schwelgerischer Frühlinge , voll lauer Orange Nächte , voll umhergeworfener Glieder zerstückter Riesengebürge , da wäre er gern durch den schönen Himmel hingeflogen ! --
Endlich löste sich das Freuen und das Träumen und das Scheiden in jene unnennbare Wehmut auf , worein das Übermaß der Wonne den Schmerz der Grenzen kleidet , weil ja unsere Brust leichter zu überfüllen als zu füllen ist . -- --
Auf einmal wurde Albano gerührt und ergriffen , als wenn die Gottheit der Liebe ein Erdbeben in seinen inneren Tempel schickte , um ihn für ihre künftige Erscheinung einzuweihen , da er an einem indischen Bäumchen neben sich den Zettel mit dessen Namen Liane las .
Er sah es zärtlich an und sagte immer : liebe Liane !
Er wollte sich einen Zweig abbrechen ; da er aber daran dachte , daß dann Wasser aus ihm rinne , so sagte er : " nein , Liane , durch mich sollst du nicht weinen " und unterließ es , weil in seiner Erinnerung das Gewächs auf irgend eine Art mit einem unbekannten teuren Wesen in Verwandtschaft stand .
Sich unaussprechlich-hinübersehnend blickte er jetzt nach den Tempeltoren Deutschlands , nach den Alpen -- in einem Frühlingswölkchen schien sich der schneeweiße Engel seines Traums tief einzuhüllen und nur stumm darin dahinzuschweben -- und es war ihm als höre er von Fernen Harmonikatöne .
-- Er zog , um nur etwas Deutsches zu haben , eine Brieftasche heraus , worauf seine Pflegeschwester Rabette die Worte gestickt : gedenke unserer ; -- er fühlte sich allein und war nun erfreuet über die Freunde , welche heiter von Isola matre zurückruderten .
Ach Albano , welch ein Morgen wäre dieser für einen Geist wie deinen , zehn Jahre später , gewesen , wo sich die feste Knospe der jungen Kraft schon weiter und weicher und loser auseinander geblättert hätte !
Vor einer Seele wie deiner , wären dann , da die Gegenwart in ihr blaß wurde , zwei Welten zugleich -- die zwei Ringe um den Saturn der Zeit -- die der Vergangenheit und die der Zukunft miteinander aufgegangen ; du hättest nicht bloß über die kurze rückständige Laufbahn an das helle weiße Ziel geblickt , sondern dich umgewandt und die krumme lange durchlaufene überschauet .
Du hättest die tausend Fehlgriffe des Willens , die Fehltritte des Geistes zusammengerechnet und die unersetzliche Verschwendung des Herzens und des Gehirns .
Würdest du auf den Boden haben sehen können , ohne dich zu fragen : ach haben die 1004 Erschütterungen * ) die durch mich wie durch das Land hinter mir gegangen sind , mich eben so befruchtet wie dieses ? --
O da alle Erfahrungen so teuer sind , da sie uns entweder unsere Tage kosten oder unsere Kräfte oder unsere -- Irrtümer : o warum muß der Mensch an jedem Morgen vor der Natur , die mit jedem Tautropfen in der Blume wuchert , so verarmet über die tausend vergeblich vertrockneten Tränen erröten , die er schon vergossen und gekostet hat ? --
Aus Frühlingen zieht diese Allmächtige Sommer auf , aus Wintern Frühlinge , aus Vulkanen Wälder und Berge , aus der Hölle einen Himmel , aus diesem einen größeren -- -- und wir törichte Kinder wissen uns aus keiner Ver- * )
In Kalabrien waren im Zeitraume von 3/4 Jahren ( 1785 ) tausend und vier Erschütterungen .
Münders Reise etc. gangenheit eine Zukunft zu bereiten , die uns stillt -- wir hacken wie die Steindohle nach jedem Glanze und tragen die Glutkohle als Goldstück bei Seite und zünden damit Häuser an -- ach mehr als eine große schöne Welt geht unter in der Brust und läßt nichts zurück , und gerade der Strom der höheren Menschen verspringt , und befruchtet nichts , wie sich hohe Wasserfälle zersplittern und schon weit über der Erde flattern . -- --
Albano empfing die Freunde mit vergütender Zärtlichkeit ; aber dem Jünglinge wurde mit der Zunahme des Tages so öde und bange wie einem , der seine Stube im Gasthofe ausgeleert , der die Rechnung entrichtet und der nur noch einige Minuten in dem rauhen leeren Stoppelfelde auf- und abzugehen hat , bis die Pferde kommen .
Wie fallende Körper , bewegten sich in seiner heftigen Seele Entschlüsse in jeder neuen Sekunde schneller und stärker ; er bat mit äußerer Milde aber innerer Heftigkeit seine Freunde , noch heute mit ihm abzureisen .
-- Und so ging er Nachmittags mit ihnen von der stillen Kindheits-Insel ab , um durch die Kastanienalleen Mailands eilig auf die neue Bühne seines Lebens und an die Falltüre zu kommen , die sich in den unterirdischen Gang so vieler Rätsel öffnet .
-- Antrittsprogramm des Titans .
Ehe ich den Titan dem Flachsenfingischen geheimen Legationsrat und Lehnprobst , H. von Hafenreffer , dedizierte :
so fragt ich bei ihm erst so um die Erlaubnis an :
" Da Sie weit mehr an dieser Geschichte " mit arbeiteten als der russische Hof an Voll " tairens Schöpfungsgeschichte des großen Pe " trus : so können Sie meinem dankbegierigen " Herzen nichts Schöneres geben als die Erlaub " Niß , Ihnen wie einem Judengotte das zu " opfern und zu dedizieren , was Sie geschaf " fen haben . "
Aber er schrieb mir auf der Stelle zurück :
" Aus derselben Raison könnten Sie , wie " es Sonnenfels getan , das Werk noch besser " sich selber dedizieren und in einem richtigeren " Sinne als andere , den Verfasser und Gönner " desselben zugleich vereinen .
-- Lassen Sie mich "( auch schon des Herrn von ** und der Frau " von ** wegen ) aus dem Spiele ; und schrän " ken Sie sich bloß auf die notwendigsten No "tizen ein , die Sie dem Publikum von dem " sehr maschinenmäßigen Anteil , den ich an " Ihrem schönen Werke habe , etwa gönnen " wollen , aber um der Götter Willen hic haec " hoc hujus huic hunc hanc hoc hoc hac hoc . " v. Hafenreffer .
Die römische Zeile ist eine Chiffre und soll dem Publikum dunkel bleiben .
-- Was dasselbe vom Antrittsprogramme zu fordern hat , sind vier Namenerklärungen und Eine Sacherklärung .
Die erste Namenerklärung , welche die Jubelperiode angeht , treffe ich schon bei dem Stifter der Periode , dem Superintendent Franke an , der sie für eine von ihm erfundene Aera oder Zeitsumme von 152 Zickeln erklärt , deren jeder seine guten 49 tropischen Mondsonnenjahre in sich hält .
Das Wort Jubel setzt der Superintendent voran , weil in jedem siebenten Jahre Jahre ein kleines , und in jedem siebenmal 7ten oder 49sten ein großes Jobel- Schalt- Erlaß- Sabbaths- oder Hall-Jahr anbrach , wo man ohne Schulden , ohne Säen und Arbeiten und ohne Knechtschaft lebte .
Glücklich genug wende ich wie es scheint diesen Jubelnamen auf meine historischen Kapitel an , welche den Geschäftsmann und die Geschäftsfrau in einem sanften Zykel voll Frei- Sabbaths- Erlaß- Hall- und Jubelstunden herumführen , worin beide nicht zu säen und zu bezahlen , sondern nur zu ernten und zu ruhen brauchen ; denn ich bin der einzige , der als krummgeschlossener pflügender Fröner an dem Schreibtische steht und welcher Seemaschinen und Ehrenschulden und Handschellen vor und an sich sieht . --
Die siebentausend vier hundert und acht und vierzig tropischen Mondsonnenjahre , die eine Frankesche Jubelperiode enthält , sind auch in meiner vorhanden , aber nur dramatisch , weil ich dem Leser in jedem Kapitel immer so viel Ideen -- und diese sind ja das Längen- und Kubikmaß der Zeit -- vortreiben werde bis ihm die kurze Zeit so lang geworden als das Kapitel verlangte .
Titan. I. G Ein Zykel , -- welches der Gegenstand meiner zweiten Namenerklärung ist -- braucht nun gar keine .
Die dritte Nominaldefinition hat die obligaten Blätter zu beschreiben , die ich in zwanglosen Heften in jeder Jubelperiode herausgebe .
Die obligaten Blätter nehmen durchaus nur reine gleichzeitige mit meinem Helden weniger zusammenhängende Fakte von solchen Leuten auf , die mit ihm desto_mehr zusammenhängen ; auch in den obligaten Blättern ist nicht das kleinste nur einer Brandblase große satirische Extravasat von Ausschweifung ersichtlich , sondern der selige Leser und Lektor wandelt mit den Seinigen frei und aufgeweckt und gerade durch das weite Hoflager und die Reitbahn und Landschaft eines ganzen langen Bandes zwischen lauter historischen Figuren -- auf allen Seiten von fliegenden Korps , von tätigen Knapp- und Judenschafte , anrückenden Marschsäulen , reitenden Horden und spielenden Theatertruppen umzingelt -- und er kann sich gar nicht satt sehen .
Ist aber der Tomus aus :
so fängt -- das ist die letzte Nominaldefinition -- sich ein kleiner an , worin ich mache was ich will ( nur keine Erzählung ) und worin ich mit solcher Seligkeit mit meinem langen Bienenstachel auf und abfliege von einer Blüthen-Nektarie und Honigzelle zur anderen , daß ich das bloß zum Privatvorteile meines Ausschweifens gebaute Filialbändchen recht schicklich meine Honigmonate benenne , weil ich darin Honig weniger mache als esse , geschäftig nicht als eintragende Arbeitsbiene , sondern als zeidelnder Bienenvater .
-- Bisher hatte ich freilich geglaubt , das Durchfahren meiner satirischen Schwanzkometen würde jeder Leser von dem ungestörten Gange meines historischen Planetensystems auf der Stelle absondern und ich hatte mich gefragt : " wird denn in einer Monatsschrift die Einheit " einer Geschichte durch das Abbrechen der letz " teeren und durch die Erbfolge eines anderen " Aufsatzes beschädigt ; und haben sich denn die " Leser darüber beschweret , wenn z. B. in den " Horn-Jahrgängen zuweilen Cellini's Geschich " te abgebrochen und ein ganz anderer Aufsatz " eingehoben wurde ? "-- Aber was geschah ? --
G 2 Wie im Jahre 1795 eine medizinische Gesellschaft in Brüssel den Kontrakt sozial unter sich machte , daß jeder eine Krone Strafgeld erlegen sollte , der in der Session einen anderen Laut von sich gäbe als einen medizinischen ; so ist bekanntlich ein ähnliches Edikt vom 9ten Juli an alle Biographen erlassen , daß wir stets bei der Sache -- welches die Historie ist -- bleiben sollten , weil man sonst mit uns reden würde .
Der Sinn des Mandats ist der , daß wenn ein Biograph in allgemeinen Welthistorien von 20 Bänden , ja in noch längeren -- wie z. B. in dieser -- ein oder zweimal denkt oder lacht d. h. abschweift , Inkulpat auf der kritischen Pillory als sein eigener Pasquino und Marforio ausstehen soll , -- welches man an mir schon mehr als einmal vollstreckte .
Jetzt aber gebe ich den Sachen eine andere Gestalt , indem ich erstlich Geschichte und Digression in diesem Werke strenge auseinander halte -- wenige Dispensationsfälle ausgenommen -- zweitens indem ich die Freiheiten , die ich mir in meinen vorigen Werken nahm , im jetzigen zu einem Rechte , zu einer Servitut ver jähre und verstärke ; der Leser ergibt sich , wenn er weiß , nach einem Bande voll Jubelperioden erscheinet durchaus nie etwas anders als einer voll Honigmonate .
Ich schäme mich , wenn ich mich erinnere , wie ich sonst in früheren Werken mit dem Bettelstabe vor dem Leser stand und um Ausschweifungen bat , indes ich doch -- wie ich hier tue -- mir das Anleihen hätte erzwingen können , wie man von Weibern mit Erfolg nicht nur Tribut als Almosen , sondern auch das don gratuit als Quatembersteuer zu begehren hat .
So macht es nicht bloß der kultivierte Regent auf dem Landtage , sondern schon der rohe Araber , der dem Passagier außer der Barschaft noch einen Schenkungsbrief derselben abnötigt .
Ich komme nun auf den geheimen Legationsrat von Hafenreffer , welcher der Gegenstand meiner versprochenen Sacherklärung ist .
Aus dem 45sten Hundsposttage sollte es einmal bekannt sein , wer Flachsenfingen beherrscht -- nämlich mein H. Vater .
Im Grunde war meine so frappante Standeserhöhung mehr ein Schritt als ein Sprung ; denn ich war vorher schon Jurist , mithin schon die Knospe , oder das Blütenkätzchen eines noch eingewickelten Doktors utriusque , und folglich ein Edelmann , da im Doktor der ganze Rogen und Dotter zum Ritter steckt ; daher er auch so gut wie dieser , wenn gerade etwas vorbeigeht , vom Sattel oder Stegreif lebt , wiewohl weniger in einem Raubschlosse als Raubimme .
Ich habe also seit dem Avancement weniger mich geändert als mein Residenzschloß -- das väterliche in Flachsenfingen ist gegenwärtig mein eigenes .
Ich mag nun nicht gern am Hofe mein Zuckerbrot mit Sünden essen -- wiewohl man gemächlicher Zucker- und Himmelsbrot erwirbt als Schiffsbrot -- sondern ich stelle , um zu wuchern mit meinem Schiffspfunde , das ganze flachsenfingische Departement der auswärtigen Angelegenheiten zu Hause im Schlosse vor samt der erforderlichen Entzifferungskanzlei .
Das will aber getan sein :
wir haben einen Prokurator in Wien -- zwei Residenten in fünf Reichsstädten -- einen Komizialsekretarius in Regensburg unter der Queerbank-- drei Krais- Kanzlisten und einen bevollmächtigten Envoyé an einem bekannten ansehnlichen Hofe unweit Hohenflies , welches eben der obgedachte Herr Lehnprobst von Hafenreffer ist .
Letzterem hat sogar mein H. Vater ein vollständiges Silberservice vorgestreckt , das wir ihm lassen bis er den Rappel erhält , weil es unser eigener Vorteil ist , wenn ein Flachsenfingischer Botschafter dem Flachsenfingischen Fürstenhute oder Krönlein auswärts durch Aufwand mehr Ehre macht als gewöhnliche .
Auf einem solchen Posten wie meinem steht man nun nicht zum Spaße da ; die ganze Legazions- Schreibe- und Lesegesellschaft kuvertiert und schreibt an mich , die Chiffre banal und die Chiffre dechiffrant ist in meinen Händen und wie es scheint , verstehe ich den Rummel .
Unsäglich ist_es , was ich erfahre -- es wäre nicht zu lesen von Menschen , noch zu ziehen von Pferden , wollte ich allen den Seidenwurmsaamen von Novellen biographisch ausbrüten , groß füttern und abhaspeln , den mir das Gesandten- Corpo posttäglich in festen Tüten schickt .
Ja ( in einer anderen Metapher ) das biographische Bauholz , das meine Flößinspektion für mich bald in die Elbe , bald in die Saale , bald in die Donau oben herab wirft , steht schon so hoch vor mir auf dem Zimmerplatze , daß ich_es nicht verbauen könnte , gesetzt daß ich die ästhetischen Bauten meiner biographischen Narrenschiffe , Redoutensääle und Zauberschlösser forttriebe Tag und Nacht , Jahr aus Jahr ein und weder mehr tanzte noch ritt noch spräche noch nieste .
. . , Wahrlich wenn ich oft so meinen schriftstellerischen Eierstock gegen manchen fremden Rogen abwäge : so frag ich ordentlich mit einem gewissen Unmut , warum ein Mann einen so großen zu tragen bekommen , der ihn aus Mangel an Zeit und Platz nicht von sich geben kann , indes ein anderer kaum ein Windei legt und herausbringt .
-- Wenn ich ein Pikett aus meiner Legations-Division den Ritterbüchermachern mit dessen offiziellen Berichten zuschicken könnte : würden sie nicht gern Ruinen gegen Schlösser und unterirdische Klostergänge gegen Korridore und Geister gegen Körper vertauschen , anstatt daß ihnen jetzt aus Mangel an offiziellen Berichten des Piquets die Dirnen die Weltdamen , die Veümer die Justizminister vertreten müssen , so wie die Schalken die Pagen , die Burgpfaffen die Hofprediger und der Raubadel die Pointeurs ?
-- Ich kehre zu meinem Gesandten von Hafenreffer zurück .
Am obgedachten ansehnlichen Hofe sitzt dieser treffliche Herr , und fertigt mir -- seinen Nebenarbeiten unbeschadet -- von Monat zu Monat so viele Personalien von meinem Hohenfliessischen Helden zu , als er durch sieben Legations-Zeichendeuter oder Clairvoyants erwischen kann -- die kleinsten Lappalien sind ihm erheblich genug für eine Depesche .
Wahrhaftig eine ganz andere Denkweise als die anderer Gesandten , die nur für Ereignisse , die nachher in die Universalhistorie einrücken , Platz in ihren Berichten machen ! --
Hafenreffer hat in jeder Sackgasse , Bedientenstube und Mansarde , in jedem Schornstein und Wirtschaftsgebäude seinen Operngucker von Spion , der oft , um Eine Tugend meines Helden auszumitteln , sich zehn Sünden unterziehet .
Freilich bei solchen Hand- und Spanndiensten des Glücks muß es keinen von uns Wunder nehmen , ich meine nämlich bei einem soll chen Schöpfrade , das mir Fortuna selber umdreht -- bei solchen Diebsdaumen , die man meinem eigenen Schreibdaumen anschienet -- bei solchen Silhouetteurs eines Helden , die alles machen außer der Farbe -- kurz bei einer so außerordentlichen Vereinigung von Umständen oder Montgolfieren kann es freilich nichts als was man erwartet , sein , wenn der Mann , den sie heben , droben aus seiner Berghöhe ein Werk zusammenbringt und nachher herunterschickt , das man ( denn es verdientes ) nach dem jüngsten Tage auf der Sonne , auf dem Uranus und Sirius frei übersetzt , und auf welches sogar der glückliche Posenschraper , der die Kiele dazu abzog , und der Setzer , der die Errata druckt , sich mehr einbilden wollen , als der Autor selber , und in welches weder die schnelle Sense noch der träge Zahn der Zeit -- besonders da man dieses Gebiß nach Erfordern mit der Zahnsäge der kritischen Feile entzweibringen kann -- einzuschneiden vermögend sind . --
Fügt der Verfasser solchen Vorzügen noch gar den der Demut bei :
so ist ihm niemand weiter zu vergleichen ; aber leider hält jede Na tur sich , wie D. Krusius die Welt , zwar nicht für die beste , aber doch für sehr gut .
Der gegenwärtige Titan benutzt noch den anderen Vorteil , daß ich gerade den väterlichen Hof bewohne und schmücke und mithin als Zeichner gewisse Sünden recht glücklicher Weise näher und heller vor dem Auge zum Beschauen habe , wovon mir wenigstens der Egoismus , die Libertinage und das Müßiggehen gewiß bleiben und sitzen ; denn diese Schwämme und Moose säte das Schicksal so weit als es konnte in die höheren Stände hinauf , weil sie in den niederen und breiteren zu sehr ausgegriffen und sie ausgesogen hätten -- welches das Muster derselben Vorsicht gewesen zu sein scheint aus der die Schiffe den Teufelsdreck , den sie aus Persien holen , stets oben an den Mastbaum hängen , damit sein Gestank nicht die Fracht des Schiffraums besudle . -- --
Ferner habe ich hier oben am Hofe jede neue Mode zur Beobachtung und Verachtung schon um mich , ehe sie drunten nur gelästert , geschweige gepriesen worden .
Z. B.
Die schöne Pariser Mode , daß die Weiber durch einen kleinen Fall tenwurf ihre Waden vorzeigen , -- welches sie in Paris tun , um sehen zu lassen , daß sie nicht unter die Herren gehören , die bekanntlich auf Steckenbeinen gehen -- diese wird ( denn auf eine einzige Dame kommt es an ) morgen oder übermorgen gewißlich eingeführt .
Doch ahmen die Flachsenfingerinnen diese Mode aus dem ganz anderen Grunde nach -- denn uns Herren fehlet nichts -- , weil sie zu beweisen wünschen , daß sie Menschen und keine Affen ( geschweige weniger ) sind , da nach Camper und anderen nur der Mensch allein Waden anhat . -- Derselbe Beweis wurde vor einem Jahrzehnt , nur mit höheren Gründen geführt .
Denn da nach Haller sich der Mensch in nichts von einem Affen trennt , als durch den Besitz eines Steisses :
so suchten damals die weiblichen Kronebeamten , die Putzjungfern , an ihren Gebieterinnen diesen Geschlechtskarakter , der sie unterscheidet , durch Kunst -- durch den sogenannten zull de Paris -- so sehr als möglich zu vergrößern , und bei einer solchen Pänultima der Ultima war es damals schon auf 200 Schritte weit ein Spaß und ein Spiel . eine Weltdame von ihrer Äffin abzutrennen , welches jetzt viele , die ihren Buffon auswendig können , in keiner größeren Nähe sich getrauen wollen als in einer zu großen -- Ähnliche biographische Denunzianten und Familiaren unterhalt ich in mehreren deutschen Städten -- mein H. Vater bezahlt -- in den meisten einen , aber in Leipzig zwei , in Dresden drei , in Berlin Sechs , in Wien eben soviel in jedem Stadtviertel .
Maschinen solcher Art , die den Perspektiven so sehr gleichen , womit man aus seinem Bette alles beschauen kann , was unten auf der Gasse vorfällt , machen es freilich einem Autor leicht , hinter seinem Tintenfasse in dunkle verbaute Haushaltungen -- in einer 20 Meilen entfernten Winkelgasse geführt -- hell hinunter zu sehen .
Daher kann mir jede Woche der närrische Fall begegnen , daß ein gesetzter stiller Mann , den niemand kennt als sein Barbier und dessen Lebensweg eine dunkle Sackgasse ist -- dem aber heimlich einer meiner Gesandten und Spione mit einem biographischen Hohlspiegel nachgeht , welcher des Mannes Unterkleider und Schritte in meine , an dreißig Meilen abliegende Studierstube hineinspiegelt -- , es kann mir der Fall aufstoßen sage ich , daß ein solcher entlegener Mann zufällig vor den Ladentisch des Buchhändlers tritt , und in meinem Werke , das rauchend aus dem Backofen dort liegt , sich mit seinen Haaren , Knöpfen , Schnallen und Warzen so deutlich auf der 371. Seite abgebildet findet , als man auf den Steinen in Frankreich die Abdrücke indischer Pflanzen antrifft .
Es tut aber nichts .
Leute hingegen , die mit mir an Einem Orte wohnen , welches sonst die Höfer taten , kommen gut davon ; denn neben mir halte ich keine Gesandten .
Aber eben dieser Vorzug , daß ich meine Geschichten nicht aus der Luft greife sondern aus Depeschen , nötigt mich , mehr Mühe anzuwenden , sie zu verziffern , als andere hätten , sie auszuschmücken oder auszusinnen .
Kein kleineres Wunder als das , welches das Mauresche Geheimnis und die unsichtbare Kirche und die unsichtbare Loge vergittert und verdeckt , schien bisher die Entdeckung der wahren Namen meiner Historien abzuwenden , und zwar mit einem solchen Glücke , daß von allen bisher an die Verlagshandlungen eingeschickten mit Mutmaßungen gefüllten Brieffelleisen keines Mäuse merkte .
( Und recht zum Vorteil der Welt ; denn sobald z. B. einer die in der besten Verzifferungskanzlei verzogenen Namen der ersten Bände des Titans auseinanderringelt , so stoße ich das Tintenfaß um und gebe nichts mehr heraus . )
-- Aus den Namen ist bei mir nichts zu schließen , weil ich die Paten zu meinen Helden auf den sonderbarsten Wegen presse .
Bin ich z. B. nicht oft abends , während dem Rochieren und Brikolieren der deutschen Heere , die ihre Kreuzzüge nach dem heiligen Grabe der Freiheit taten , in den Zeltgassen mit der Schreibtafel in der Hand auf- und abgegangen und habe die Namen der Gemeinen , die vor dem Betegehen wie Heiligennamen laut angerufen wurden , so wie sie fielen aufgefangen und eingetragen , um sie wieder unter meine biographischen Leute auszuteilen ?
Und avanzirte dabei nicht das Verdienst und mancher Gemeine stieg zum tafel- und turnierfähigen Edelmann auf , Profoß zu Justizministern , und Rotmäntel zu patribus purpuratis ? --
Und krähte je ein Hahn im ganzen Heere nach diesem herumschleichenden auf zwei Füßen mobilgemachten Observationskorps ? --
Für Autoren , die wahre Geschichten zugleich erzählen und vermummen wollen , bin ich vielleicht im Ganzen ein Model und Flügelmann .
Ich habe länger als andere Geschichtsforscher jene kleinen unschuldigen Verrenkungen , die eine Geschichte dem Helden derselben selber unkenntlich machen können , studiert und imitiert und glaube zu wissen , wie man gute Regentengeschichten , Protokolle von Majestätsverbrechern , Heiligenlegenden und Selbstbiographien machen müsse ; keine stärkere Züge entscheiden als die kleinen , womit Peter von Cortona ( oder Beretino ) vor dem Herzoge Ferdinand von Toskana ein weinendes Kind in ein lachendes umzeichnete , und dieses in jenes zurück .
-- Voltaire verlangte mehr als einmal -- wie bei allen Sachen ; denn er gab der Menschheit wie einer Armee jeden Befehl des Marsches dreimal , und wiederholte sich und alles unver dros Trossen -- , daß der Historiker seine Geschichte nach den Gesetztafeln des Schauspiels stellen solle , nach einem dramatischen Fokalpunkt .
Es ist aber eine der ersten dramatischen Regeln , die uns Lessing , Aristoteles und griechische Muster geben , daß der Schauspieldichter jeder historischen Begebenheit , die er behandelt , alles leihen müsse , was der poetischen Täuschung zuschlägt , so wie das Entgegengesetzte entziehen , und daß er Schönheit nie der Wahrheit opfere , sondern umgekehrt .
Voltaire gab wie bekannt nicht nur die leichte Regel , sondern auch das schwere Muster und dieser große Theaterdichter des Welttheaters blieb in seinen historischen Benefiz-Spauspielen von Peter und Karl nirgends bei der Wahrheit stehen , wo er gewiß sein konnte , er gelange eher zur Täuschung .
Und das ist eigentlich die echte , dem historischen Romane entsprechende romantische Historie .
Nicht ich , sondern Andere -- nämlich der Lehnprobst und die Legazionssekretaire -- können entscheiden , in wiefern ich eine wahre Geschichte illusorisch behandelt habe .
Ein Unglück ist_es , daß schwerlich je die echte Geschichte Titan .
I. H meines Helden zum Vorscheine kommt ; sonst dürfte mir vielleicht die Gerechtigkeit widerfahren , daß Kenner meine dichterischen Abweichungen von der Wahrheit mit der Wahrheit konfrontierten und danach leichter jedem von uns das Seinige geben , sowohl der Wahrheit als mir .
Allein auf diesen Lohn tun alle königliche Historiographen , skandalöse Chroniker nolens volens Verzicht , weil nie die wahre Historie zugleich mit ihrer erscheint . --
Aber unter dem Komponieren der Geschichte muß ein Autor auch darauf auslaufen , daß sie nicht nur keine wahre Personen treffe und verrate , sondern auch keine falsche und gar niemand .
Ehe ich z. B. für einen schlimmen Fürsten einen Namen wähle , sehe ich das genealogische Verzeichnis aller regierenden und regierten Häupter durch , um keinen Namen zu brauchen , den schon einer führt ; so werden in Tahiti sogar die Wörter , die dem Namen des Königs ähnlich klingen , nach seiner Krönung ausgerottet und durch andere vergütet .
Da ich sonst gar keine jetzt lebende Höfe kannte :
so war ich nicht im Stande , in den Schlacht und Nachtstücken , die ich von den Kabalen , dem Egoismus und der Libertinage biographischer Höfe malte , es so zu treffen , daß Ähnlichkeiten mit wirklichen geschickt vermieden wurden ; ja für einen solchen Idioten wie mich war es sogar ein schlechter Behelf , oft den Machiavel vor sich hinzulegen , um mit Zuziehung der französischen Geschichte durch das Malen nach beiden den Anwendungen wenigstens auf Länder zu wehren , in denen nie ein Franzos oder ein Welscher den Einfluß gehabt , den man sonst beiden auf andere deutsche beimisst ; so wie Herder gegen die Naturforscher , welche gewisse mißgestaltete Völker aus Paarungen mit Affen ableiten , die sehr gute Bemerkung macht , daß die meisten Ähnlichkeiten mit Affen , der zurückgehende Schädel der Kalmücken , die abstehenden Ohren der Pevas , die schmalen Hände in Karolina gerade in Ländern erscheinen , wo es gar keine Affen gibt .
Wie gesagt , auffallende Unähnlichkeiten wollten mir nicht gelingen , jetzt hingegen ist jeder Hof , um welchen meine Legations-Flottille schifft , mir bekannt und also vor Ähnlichkeiten gedeckt , besonders jeder , den H 2 ich schildere , der Flachsenfingische , der Hohenfliessische etc .
Die Theatermaske , die ich in meinen Werken vorhabe , ist nicht die Maske des griechischen Komödianten , die nach dem Gesichte des verspotteten Individuums gebosselt war , * ) sondern die Maske des Nero , die wenn er eine Göttin auf dem Theater machte , seiner Geliebten ähnlich sah , ** ) oder wenn er einen Gott spielte , ihm selber .
Genug !
Dieses abschweifende Antrittsprogramm war etwas lang , aber die Jubelperiode war_es auch ; je länger der Johannistag eines Landes , desto länger seine Thomasnacht . -- --
Und nun lasst uns sämtlich ins Buch hineintanzen , in diesen Freiball der Welt -- ich als Vortänzer voraus und dann die Leser als Nachhopstänzer -- , so daß wir unter den läutenden Tauf- und Totenglöckchen am sinesischen Hause des Weltgebäudes -- angesungen * ) Reflexions critiques sur la Poesie etc .
de Du bois .
T. I. Sect. 42 ** ) Sueton .
Nero . von der Singschule der Musen -- angespielt von der Gitarre des Phöbus oben -- munter tanzen von Tomus zu Tomus -- von Zykel zu Zykel -- von einer Digression zur anderen -- von einem Gedankenstrich zum anderen -- bis entweder das Werk ein Ende hat oder der Werkmeister oder jeder ! --
Zweite Jubelperiode .
Die beiden biographischen Höfe -- die Sennenhütte -- das Fliegen -- der Haar-Verschleiß -- die gefährliche Vogelstange -- das in eine Kutsche gesperrte Gewitter -- leise Bergmusik -- das Kind voll Liebe -- H. von Falterle aus Wien -- Tortursoupe -- das zersplitterte Herz -- Werther ohne Bart mit einem Schusse -- die Versöhnung .
10. Zykel .
Mit jugendlichen Kräften und Aussichten flog der Graf zwischen seinen Begleitern durch das helle volle Mailand zurück , wo die Ähre und die Traube und die Olive oft auf Einer Erdscholle zusammen grünen .
Schon der Name Mailand schloß ihm einen Frühling auf , weil er wie ich , an allen Mai-Wesen , an Maiblumen , Maikäfern , sogar an der Maibutter in der Kindheit so vielen Zauber fand , wie an der Kind heit selber .
Dazu kam , daß er ritt ; der Sattel war für ihn ein Rittersitz der Seligen , wie eine Sattelkammer eine Regensburger Grafenbank , und jeder Gaul sein Pegasus .
Auf der Insel war ihm in jener geistigen und körperlichen Ermattung , worin die Seele sich lieber in helldunkle Schäferwelten als in heiße staubige Kriegs- und Fechtschulen begeben will , die Aussicht in die nahen Rätsel und Kämpfe seines Lebens zuwider gewesen ; aber jetzt mit dem Herzen voll Reise- und Frühlingsblut streckte er die jungen Arme eben so sehr nach einem Gegner als nach einer Freundin aus , gleichsam nach einem Doppelsiege .
Je weiter die Insel zurücktrat , desto mehr fiel der Zauberrauch um die nächtliche Erscheinung zu Boden und hinterließ ihm bloß einen unerklärlichen Gaukler aufgedeckt .
Jetzt erst vertraute er die Spukgeschichte seinen Gefährten .
Schoppe und Augusti schüttelten Köpfe voll Gedanken , aber jeder über etwas anders ; der Bibliothekar suchte eine physikalische Auflösung des akustischen und optischen Betrugs ; der Lektor suchte eine politische , er konnte gar nicht fassen , was der Schauspieldirektor dieser Todtengräberßene eigentlich mit allem haben wollen .
Den einzigen Trost behielt der Bibliothekar , daß Alban an seinem Geburtstage dem Herzen ohne Brust eine Visite abzustatten habe , die er nur -- bleiben lassen dürfe , um aus dem Seher einen Myopen und Lügner zu fertigen : " wollte Gott ( sagt ' er ) mir verkündigte einmal " ein Ezechiel , daß ich ihn an den , Galgen brin " gen würde -- ich tat es um keinen Preis , " sondern brächte ihn ohne Gnade statt um den " Hals um Kredit und Kopf . " --
Auch seinem ungläubigen Vater schrieb Albano noch unterwegs mit einigem Erröten die unglaubliche Historie ; denn er hatte zu wenig Jahre und zu viel Kraft und Trotz , um Zurückhaltung an sich oder anderen zu lieben .
Nur weiche Blattwickler- und Igel-Seelen ringeln und krempen sich vor jedem Finger in sich zusammen ; unter dem offenen Kopfe hängt gern ein offenes Herz .
Endlich kamen sie , da helle Berge und schattige Wälder genug , wie durchlebte Tage und Nächte hinter sie zurückgegangen waren , nahe vor das Ziel ihrer mit Ländern gefüllten Reitbahn , und das Fürstentum Hohenflies lag nur noch ein Fürstentum weit von ihnen .
Dieses zweite , das ein Thür- und Wandnachbar des ersteren war und mit diesem leicht zu Einem Staatsgebäude ausgebrochen werden konnte , hieß , wie geographische Leser wissen , Haarhaar .
Der Lektor erzählte dem Bibliothekar neben den Grenzwappen und Grenzsteinen , daß beide Höfe sich fast als Blutfeinde ansähen , nicht sowohl weil sie diplomatische Verwandte wären -- da unter Fürsten Vetter , Oheim , Bruder nicht mehr bedeuten , wie bei Postillionen Schwager und bei alten Brandenburgern Vater oder Mutter -- als weil sie wirkliche wären und einander beerbten .
Es würde mir zu viel Platz wegnehmen , wenn ich die Sippschaftsbäume beider Höfe -- die ihre Gift- und Drachenbäume wurden -- mit allen ihren heraldischen Blättern , Wasserschösslingen und Flechtmoosen für den Leser hereinsetzen wollte ; das Resultat kann ihn beruhigen , daß dem Haarharschen Fürstentum Hohenfliessische Land und Leute zustürben , falls der Erbprinz Luigi , der letzte hohlröhrige Schuß und Fechser des Hohnfliesser Mannsstammes , verdorrte .
Welche Herden von venezianischen Löwenköpfen Haarhaar ins künftige Erbland treibt , die da nichts verschlingen sollen als gelehrte Anzeigen und Wundzettel -- und welche Spitzbubenbande von politischen Mechanikern es da wie in eine Botany-Bay aussetzt , ist gar nicht zu sagen aus Mangel an Zeit .
Doch ist Haarhaar auf der anderen Seite wieder so brav , daß es nichts so herzlich wünscht als den höchsten Flor des Hohnfliesser Finanz-Etats , Handels , Acker- und Seidenbaues und Gestütes und daß es im höchsten Grade jede öffentliche Verschwendung , diese Entnervung des großen Interkostal- Nervs ( des Geldes ) -- als das stärkste kanonische Impediment aller Bevölkerung hasset und verflucht : " der Regent ( sagt der echt men " schenfreundliche Fürst von Haarhaar ) ist der " Ober-Hirt , nicht der Schächter des Staats , " sogar die Wollenschere nehme er nicht so oft " als die Hirtenflöte in die Hand ; nicht über " fremde Kräfte und Ehen ist unser Vetter "( Luigi )
Herr , sondern über seine , diese soll er " ruinieren ! "
Als sie ins Hohenfliessische einritten , hätten sie einen Abstecher nach Blumenbühl , * ) das seitwärts von Pestiz liegt , gleichsam in die Kinderstube Albano's ( Isola bella ist die Wiege ) machen können , wenn dieser nicht fortgeritten wäre aus Heißhunger nach der Stadt und aus Wasserscheu vor einem zweiten Abschiede der ohnehin nur den reinen Nachklang des ersten verwirrt .
Die Reise , die Reden des Vaters , die Bilder des Gauklers , die Nähe der Akademie hatten an unserem Vogel Rock die Flügelfedern -- die in seinem Alter zu lang sind wie die steuernden Schwanzfedern zu kurz -- so aufgespreizt , daß sie im enggehäusigen Blumenbühl sich nur verstauchen konnten ; beim Himmel , er wollte ja etwas werden im Staate oder auf der Erde , weil ihn so tödlich jene narkotische Wüste des vornehmen Lebens anekelte , durch dessen Lilienopium der Lust man * )
Ich habe schon gesagt , daß er da erzogen wurde bei dem Landschaftsdirektor von Wehrfritz . schläfrig und betrunken wankt , bis man an doppelseitigen Lähmungen umfällt .
Man wird es aus der ersten Jubelperiode nicht behalten haben -- weil_es in einer Note stand -- , daß Alban niemals nach Pestiz durste und zwar aus sehr guten Gründen , die dem Ritter allein bekannt sind aber nicht mir .
Dieser lange Thorschluß der Stadt schärfte nur seine Sehnsucht danach noch mehr . --
Sie standen jetzt mit ihren Pferden auf einer weiten Anhöhe , wo sie die Pestizer Kirchtürme in Westen vor sich sahen und -- wenn sie sich umkehrten -- unten den Blumenbühle Turm in Morgen ; aus jenen und aus diesem kam zu ihnen ein verwehtes Mittagsgeläute her ; Albano hörte seine Zukunft und seine Vergangenheit zusammen tönen .
Er sah nieder ins Dorf und hinauf an ein nettes rotes Häuschen auf einem nahen Berge , das ihm wie eine hell bemalte Urne längst ausgewischter Tage nachglänzte ; er seufzte ; er blickte über die weite Baustelle seines künftigen Lebens und sprengte nun mit verhängtem Zügel den Lindenstädter Türmen wie den Palmen seiner Laufbahn zu . -- --
Aber das nette Häuschen gaukelte ihm wie ein roter Schatten voraus .
Ach hatte er denn nicht in dieser Sennenhütte einmal einen träumenden Tag voll Zufälle verlebt , und noch dazu in jener kindlichen Zeit , wo die Seele auf der Regenbogenbrücke der Phantasie trockenes Fußes über die Lachen und Mauern der unteren Erde wegschreitet ?
-- Wir wollen in diesen lieben Tag , in dieses kindliche Vorfest des Lebens , jetzt mit ihm zurückgehen und die früheren Stunden kennen lernen , die ihm so schön mit diesem Kuhreigen der Jugend aus der Sennenhütte nachklingen . --
11. Zykel .
Es war nämlich an einem herrlichen Jakobustage -- und zugleich am Geburtstage des Landschaftsdirektors Wehrfritz , der aber damals noch keiner war -- , als dieser am Morgen den Wagen herausschieben ließ , um darin nach Pestiz zum Minister zu fahren und die Dreschmaschine des Staates als Unterhändler der Landschaft versuchsweise in eine Seemaschine umzustellen .
Er war ein rüstiger Mann , dem ein Ferientag länger wurde als anderen ein Exercizientag und dem nichts Langeweile machte als Kurzweile : " aber Abends ( dachte ' er ) mache " ich mir einen guten Tag , denn es ist einmal " mein Geburtstag . "
-- Sein Angebinde sollte darin bestehen , daß er eines -- machte ; er wollte nämlich aus Pestiz dem kleinen Albano einen Österlinschen Flügel aus seinem eigenen Beutel so wenig darin war -- und obendrein einen Musikmeister auf Don Gaspards Verlangen mitbringen . --
Aber warum will man das dem Leser nicht vorher auf das deutlichste auseinandersetzen ? --
Don Gaspard hatte nämlich in der Revision des Erziehungswesens für Albano gewollt , daß auf dessen körperliche Gesundheit mehr als auf die geistige Superfetation gesehen würde ; der Erkenntnisbaum sollte mit dem Lebensbaume ablaktieret werden .
Ach wer der Weisheit die Gesundheit opfert , hat meistens die Weisheit auch mitgeopfert ; und nur angeborene , nicht erworbene Kränklichkeit ist Kopf und Herzen dienlich .
Daher hatte Albano in seinem Bü cherriemen nicht die vielbändige Enzyklopädie aller Wissenschaften , gebückt zu schleppen , sondern bloß Sprachlehren .
Nach den Schulstunden der Dorfjugend suchte nämlich der Rektor des Orts -- Namens Wehmeier , bekannter unter dem Titel : Schachtelmagister -- seine schönsten Struve'schen Nebenstunden , seine Otia und noctes hagianae darin , daß er ihn unterwies , und in die von inneren Strömen angefaßte Mühlwelle des ewig regen Knaben alphabetische Stifte zu einer Sprachwalze einschlug .
Freilich aber wollte Zesara bald etwas schwereres bewegen , als die Sprach-Tastatur ; so wurde z. B. die Sprachwalze , im eigentlichen Sinne zur Spielwalze ; denn stundenlang versucht er auf der Orgel des Orts ohne sonderliche Kenntnis des Kontrapunkts ( er kannte keine Note und Taste , und stand unter dem Orgelstücke auf dem fortbrausenden Pedale fest ) sich in den entsetzlichsten Mißtönen , wogegen die Enharmonik aller Pizzinisten verstummen muß , senkte sich aber desto länger und tiefer in den zufälligen Treffer eines Wohllauts ein . --
Eben so arbeitete sich die saftvolle Seele gleichsam in Laubknöpfen , Holztrieben und Ranken aus , und machte Gemälde , Thongebilde , Sonnenuhren und Plane aller Art , und sogar in den juristischen Felsen des Pflegevaters , z. B. in Fabri's Staatskanzlei trieb sie wie oft Kräuter in Herbarien , ihre durstigen Wurzeln herum , und über die dürren Blätter hinaus .
O wie schmachtete er ( so wie in der Kindheit von Octav- zu Quarte-Büchern , von Quart zu Folio , von Folio bis zu einem Buche so groß wie die Welt -- welches eben die Welt ist ) jetzt nach geahnten Lehren und Lehrern ! --
Aber desto besser !
Nur der Hunger tauet , nur die Liebe befruchtet , nur der Seufzer der Sehnsucht ist die belebende aura seminalis für das Orpheus-Ei der Wissenschaften .
Das bedenket ihr nicht , ihr Fluglehrer , die ihr Kindern den Trank früher gebt als den Durst , die ihr wie einige Blumisten in den gespaltenen Stängel der Blumen fertige Lackfarben , und in ihren Kelch fremden Bisam legt , anstatt ihnen bloß Morgensonne und Blumenerde zu geben -- und die ihr jungen Seelen keine stille Stunden gönnt , son deren deren um sie unter dem Stäuben ihres blühenden Weins gegen alle Winzer-Regeln mit Behacken , Bedingen , Beschneiden hantiert . --
O könnt ihr ihnen jemals , wenn ihr sie vorzeitig und mit unreifen Organen in das große Reich der Wahrheiten und Schönheiten hineintreibt , gerade so wie wir alle leider mit dunklen Sinnen in die schöne Natur einkriegen , und uns gegen sie abstumpfen , könnt ihr ihnen mit irgend etwas das große Jahr vergüten , das sie erlebt hätten , wenn sie ausgewachsen wie der erschaffene Adam , mit durstigen offenen Sinnen in dem herrlichen geistigen Universum sich hätten umherdrehen können ? --
Daher gleichen auch eure Eleven den Fußpfaden so sehr , die im Frühling vor allem grünen , später aber sich gelb und eingetreten durch die blühenden Wiesen ziehen .
-- Wehrfritz erneuerte , da er schon auf der Wagentreppe das Gesicht in diesen kehrte , wieder den Befehl der Aufsicht über den jungen Grafen und machte die Signatur , womit Kaufleute kostbare Warenkisten der Post empfehlen , recht dick auf diesem :
er liebte das Titan. I. J feurige Kind wie seines ( er hatte nur eins , aber keinen Sohn ) ; -- der Ritter hatte Vertrauen auf ihn , und , um dieses zu rechtfertigen , würde er , da der Ehrenpunkt der Schwerpunkt und die Himmelsaxe aller seiner Bewegungen war , sich ohne Bedenken , wenn der Knabe z. B. den Hals gebrochen hätte , seinen abgeschnitten haben ; -- auch sollte Albano Abends vor dem neuen Lehrer aus der Stadt auffallend gut bestehen .
Albine von Wehrfritz , die Gemahlin , versprach alles hoch und teuer ; sie konnte sich dem Evangelisten Markus und Johannes gleich setzen , weil ihr heftiger Mann die Gesellschafts- Tiere beider , die Tierkönige Löwe und Adler , öfters repräsentierte , so wie sich manche andere Gattin in Hinsicht ihrer Begleitung mit dem Lucas vergleichen mag und meine mit dem Matthäus .
* ) Sie hatte ohnehin auf Abends ein kleines Familienfest voll spielender buntgefärbter Ephemeren der Freude ausgeschrieben ; und zum größten Glück war schon * ) Bekanntlich wird diesem Evangelisten ein Engel beigesellet . vor einigen Tagen das Diplom eingelaufen , das unseren Wehrfritz zum Landschaftsdirektor installierte , und das man als ein Patengeschenk des Geburtstages auf heute aufhob .
Aber kaum fuhr Wehrfritz hinter dem Schloßgarten , so trat Alban mit seinem Projekte hervor , und berichtete , er wolle den ganzen Feiertag droben im einsamen Schießhäuslein versitzen ; denn er spielte gern allein , und ein elterlicher Gast war ihm lieber , als ein Spielknabe .
Die Weiber gleichen dem Pater Lodoli , der ( nach Lamberts Tagebuche ) nichts so mied , als das Wörtchen Ja ; wenigstens sagen sie es erst nach dem Nein .
Die Pflegemutter ( ich will aber künftig bei ihr und der Pflegeschwester Rabette das verdrießliche Pflege wegstreichen ) sagte ohne Bedenken Nein , ob sie gleich wußte , daß sie noch keines gegen den Trotzkopf durchgesetzt .
-- Dann entlehnte sie sehr gute Dehortatorien vom Willen des Landschaftsdirektors , und hieß ihn bedenken -- dann schlug sich die rotbackige gutmeinende Rabette zum Bruder , und bat mit , ohne zu wissen warum -- dann beteuerte Albine J 2 wenigstens das Essen soll er nur nicht auf den Berg nachgeliefert erwarten -- dann marschierte er zum Hofe hinaus .
. . . .
So stand ich schon öfters dabei und sah zu , wie die weiblichen Ellenbogen und Knochen unter dem Wegstemmen allmählich vor meinen Augen Knorpel wurden und sich umbogen .
Nur in Wehrfrizens Beisein halte Albine Kraft zum langen Nein .
12. Zykel .
Unser Held war aus den kindischen Jahren , wo Herkules die Schlangen erdrückte , in die Gottestischfähigen getreten , wo er sie erwärmte unter der Weste , um sie in späteren wieder zu köpfen .
Jubelnd schlugen draußen -- sie flogen nebeneinander -- sein neuer und sein alter Adam die Flügel auf unter einem blauen Himmel , der gar keinen Ankergrund hatte .
Was kümmerte ihn die Mahlzeit ?
Alle Kinder tragen vor und unter einer Abreise keinen Magen unter ihren Flügeln , wie auch den Schmetterlingen jener einschrumpft , wenn ihnen diese aufgehen .
Die oftgedachte Sennenhütte oder das Schiesshäuslein war nichts geringeres als ein Schiesshaus mit einer Wachtstube für eine abgedankte Soldatenfrau , mit einem Schiesstand im unteren Stock , und mit einem Sommerstübchen im oberen , worin der alte Wehrfritz in jedem Sommer eine Landpartie und ein Vogelschießen haben wollte , es aber nie hatte , weil der arme Mann sich in der Arbeitsstube wie andere im Tafelzimmer , entmastete und abtakelte .
Denn obgleich der Staat seine Diener wie Hunde zum zehntenmal wieder herlockt , um sie bloß zum elften wieder abzuprügeln ; und ob Wehrfritz gleich an jedem Landtage alle Staatsgeschäfte und Verdienste schwur -- weil ein redlicher Mann wie er , am Staatskörper überall so viel wie an denen antiken Statuen zu ergänzen findet , wovon nur noch die steinerne Draperie geblieben -- :
so kannt ' er doch kein weicheres Faul- und Lotterbette zum Ausruhen als eine noch höhere Ruderbank , und er strebte jetzt vor allen Dingen , Landschaftsdirektor zu werden .
Die deutschen Höfe werden das Ihrige dabei denken , daß ich ihnen die folgende Knaben- Idylle anbiete .
Mein schwarzäugiger Schäfer lief gegen die Bergfestung der Senne Sturm und erhielt von der Soldatenfrau die Torschlüssel zum weißgrünen Sommerkabinett .
Beim Himmel ! als alle östliche und westliche Fensterladen und Fenster aufgestoßen waren und der Wind von Osten blätternd durch die Akten und kühlend durch den Stuben-Schwaden strich -- und als außen Himmel- und Erde um die Fenster herumstanden und nickend hereinsahen -- als Albano unter dem Fenster nach Osten das tiefe breite Tal mit dem steinigen springenden Bache beschaute , auf welchem alle Glimmerscheiden , die die Sonne wie Steinchen schief anwarf , auf der Bergseite hinausfuhren -- als er vor dem westlichen Fenster hinter Hügeln und Wäldchen den Schwibbogen des Himmels , den Berg von der Lindenstadt sah , der wie ein krummgeworfener Riese auf der Erde schlief -- als er sich von einem Fenster zum anderen setzte und sagte ! " das ist sehr prächtig ! " : so wurden seine Lustbarkeiten im Stübchen am Ende so glänzend , daß er hinausgieng , um sie draußen noch höher zu treiben .
Die Göttin des Friedens schien hier ihre Kirche und ihre Kirchstühle zu haben . --
Die rüstige Soldatenfrau legte in einem hochstaudigen Gärtlein Früherbsen , und warf zuweilen einen Erdenkloß in den Kirschbaum unter die geflügelten Obstdiebe , und begoß wieder unverdrossen die neue Leinwand und den verpflanzten Salat , und lief doch willig zum kleinen zehnjährigen Mädchen , das von Blattern erblindet , auf der Türschwelle strickte , und nur bei gefallenen Maschen sie als Maschinengöttin berief .
Albano stellte sich an den äußersten Balkon des sich lieblich-aufschließenden Tals , und jeder Windstoß blies in seinem Herzen die alte kindische Sehnsucht an , daß er möchte fliegen können .
Ach , welche Wonne , so sich aufzureißen von dem zurückziehenden Erdenfußblock , und sich frei und getragen in den weiten Äther zu werfen -- und so im kühlen durchwehenden Luftbade auf und nieder plätschernd , mitten am Tage in die dämmernde Wolke zu fliegen und ungesehen neben der Lerche , die unter ihr schmettert , zu schweben -- oder dem Adler nachzurauschen , und im Fliegen Städte nur wie figurierte Stufensammlun gen , und lange Ströme nur wie graue zwischen ein paar Länder gezogene schlaffe Seile und Wiesen und Hügel nur in kleine Farbenkörner und gefärbte Schatten eingekrochen zu sehen -- und endlich auf eine Turmspitze herabzufallen , und sich der brennenden Abendsonne gegenüberzustellen , und dann aufzufliegen , wenn sie versunken ist und noch einmal zu ihrem in der Gruft der Nacht hell und offen fortblickenden Auge niederzuschauen , und endlich , wenn sich der Erdball darüber wirft , trunken in den Waldbrand aller roten Wolken hineinzuflattern !
. . . Woher kommt es , daß diese körperlichen Flügel uns wie geistige heben ?
Woher hatte unser Albano diese unbezwingliche Sehnsucht nach Höhen , nach dem Weberschiffe des Schieferdeckers , nach Bergspitzen , nach dem Luftschiffe , gleichsam als wären diese die Bettaufhelfer vom tiefen Erdenlager ?
Ach du lieber Betrogener !
Deine noch von der Puppenhaut bedeckte Seele vermengt noch den Umkreis des Auges mit dem Umkreise des Herzens und die äußere Erhebung mit der inneren , und steigt im physischen Himmel dem idealischen nach ! --
Denn dieselbe Kraft , die vor großen Gedanken unser Haupt und unseren Körper erhebt und die Brusthöhle erweitert , richtet auch schon mit der dunklen Sehnsucht nach Größe den Körper auf , und die Puppe schwillt von den Schwingen der Psyche , ja an demselben Bande , woran die Seele den Leib aufzieht , muß ja auch dieser jene heben können .
-- Wenigstens flog Albano zu Fuß den Berg hinab , um mit dem Bache fortzuwaten , der in die weißgrüne Birken-Holzung , sich abzukühlen , floß .
Schon öfters hatte ihn seine Robinsonaden-Sucht nach allen Strichen und Blättern der Windrose fortgeweht ; und er ging gern mit einer unbekannten Straße ein hübsches Stück Weg , um zu sehen , welchen sie selber einschlage .
Er lief am silbernen Ariadne Faden des Baches tief ins grüne Labyrinth und wollte durchaus unter die Hintertür des langen Dickichts vor eine weite Perspektive gelangen -- er gelangte nicht darunter -- die Birken wurden bald lichter bald düsterer , der Bach breiter -- die Lerchen schienen draußen in hoher Ferne über ihm zu singen -- aber er bestand auf seinem Kopf .
Die Extreme hatten für ihn von jeher magnetische Polarität -- wie die Mitte nur Indifferenzpunkte -- , so war ihm z. B. außer dem höchsten Stande des Barometers keiner so lieb als der tiefste , und der kürzeste Tag so willkommen als der längste , aber die Tage nach beiden fatal .
Endlich nach dem Fortschritte einiger Stunden in Zeit und Raum hörte er hinter den Lichtern Birken und hinter einem stärkeren Rauschen als des Baches , seinen Namen von zwei weiblichen Stimmen öfters leise und lobend nennen .
Jetzt galoppierte er , gleichgültig gegen das Wagen der Lunge und des Lebens , keuchend wieder zurück -- sein Name wurde lange danach wieder um ihn genannt , aber schreiend -- seine heimliche Schutzheilige , die Kastellanin der Senne tat seinetwegen diese Notschüsse unten am Berge .
Er kam hinauf und die runde Tafel der Erde lag hell und sonderbar-erweichend um sein durstiges Auge .
Wahrhaftig die weite Ferne samt der Müdigkeit mußte den Zugvogel hin ter dem Sanggitter der Brust , an seine fernen Länder und Zeiten erinnern , und ihn damit wehmütig machen , als so die mit roten Dächern buntgefleckte Landschaft vor ihm ihre weißen leuchtenden Steine und Teiche wie Licht- Magnete und Sonnensplitter auslegte -- als der lange graue Straßendamm nach Lindenstadt , deren Prospekte im Sommerstübchen hingen und wovon zwei Turmspitzen oben aus dem Gebirge keimten , vor ihm die fernen Wanderer hinauftrug in die für ihn geschlossene Stadt -- und als ja alles nach Westen flog , die vorbeizischenden Tauben , die über die Saaten wogten , und die Wolkenschatten , die leicht über hohe Gärten wegliefen .
. . . . Ach das jüngste Herz hat die Wogen des ältesten , nur ohne das Senkblei , das ihre Tiefe misset ! -- --
Das gelehrte Deutschland macht sich , merke ich , seit mehreren Zickeln , auf große Fata und Fatalitäten gefaßt , die diesem Sonnentage meines Helden die nötige Würde geben ; ich , der sie am ersten wissen müßte , weiß gegenwärtig noch von keinen .
Aus der Kindheit -- ach aus jedem Alter -- bleiben unserem Herzen oft Tage unvergänglich , die jedes andere vergessen hätte ; so ging dieser nie aus Albano's seinem .
Zuweilen wird ein kindlicher Tag auf einmal durch ein helleres Aufblicken des Bewußtseins verewigt ; in Kindern , zumal solchen wie Zesara ist , dreht sich das geistige Auge weit früher und schärfer nach der Welt innerhalb der Brust als sie zeigen und wir denken .
Jetzt schlug_es Ein Uhr im Schloßturme .
Der geliebte nahe Ton , der ihn an seine nahe Pflegemutter -- und an das versagte Essen erinnerte -- und der Anblick der kleinen Blinden , die schon ihren Holzzweig vom Brotbaum oder ihr dürres Rentiermoos in Händen hatte -- und der Gedanke , daß doch heute der Geburtstag des Pflegevaters sei -- und die unsägliche Liebe für seine gekränkte Mutter , der er oft plötzlich einsam an den Hals fiel -- und sein von der Natur betautes Herz machten , daß er zu weinen anfing .
Aber der Trotzkopf ging darum nicht nach Hause ; nur die Älplerin war ungeheißen fortgelaufen , um der suchenden Mutter den Flüchtling zu verraten .
Er wollte in dieser Mittagsstille der kleinen blinden Lea , auf deren Gesicht ein sanftes weiches Zugwerk durch die Punktation der Blattern leserlich durchlief einige Worte oder doch den langen Stecken , womit sie die Tauben von den Erbsen und die Spatzen von den Kirschen treiben mußte , mitarbeitend abgewinnen ; aber sie drückte schweigend den Arm fest auf die Augen blöde vor dem vornehmen jungen Herrn .
Endlich brachte die Frau das Gericht für den verlorenen Sohn und von Rabatten noch dazu ein Riechfläschchen voll Dessert- Wein .
Albine von Wehrfritz gehörte unter die Weiber , die ungleich den Staaten , nur ihr Versprechen halten , aber keine Drohung -- die den Nürnberger Forstämtern gleichen , welche auf den kleinsten Waldfrevel eine Strafe von 100 Fl. setzen und in derselben Stunde sie auf 100 Kreuzer moderieren * ) -- die aber ihre Gesetze , wie Solon seine auf 100 Jahre , * )
An einen deutsch .
Kammerpräsident , I. B. Seite 296. nach Verhältnis ihres kleineren Staats doch auf 100 Sekunden hinaus geben .
13. Zykel .
Ich würde mehr aus Albano's Gedächtnismal machen , das er wie ein Erwachsener im Stübchen tranchieren und mit seiner Hausgenossenschaft teilen und wozu er sich selber einschenken konnte , gieng' ich nicht wichtigeren Begebnissen entgegen , die während dem Zurücktragen des Tafelgeschirres vorfielen .
Albano ging hinaus , indem das ganze Meer seines Inneren vom Wein und vom Vormittage phosphoreßirend leuchtete , und der blaue Himmel flatterte heftiger wehend um ihn -- er hatte das Gefühl als sei der Morgen schon seit langem vorüber , und er erinnerte sich desselben mit weicher Regung , wie wir uns alle in der Jugend der Kindheit , im Alter der Jugend , sogar Abends des Morgens -- und die Bilder der Natur rückten näher heran und bewegten ihre Augen wie katholische .
So bringt uns die Gegenwart nur Bilder zu optischen Anamorphosen und erst unser Geist ist der erhabene Spiegel , der sie in schöne Menschen-Formen umstellet .
Mit welchem süßen Untertauchen in Träume tat er , wenn er dem östlichen Wehen entgegengieng , die Augen zu , und zog das Getöse der Landschaft , das Schreien der Hähne und Vögel und eine Hirtenflöte gleichsam tiefer in die verschattete Seele hinein !
Und wenn er dann am Gestade des Berges die Augen wieder öffnete , so lagen friedlich drunten im Tale die geweideten weißen Lämmer neben dem Flötenisten und oben am Himmel lagerten sich die glänzenden Lämmerwolken über sie hin ! --
Inzwischen mochte er_es einmal versehen und blind zu weit in das Gärtchen -- die Blinde sah ohnehin nicht -- tappen , die Arme offen voraushaltend , um sich nichts auszustoßen : -- als an seiner Brust eine zweite anlag , und er aufsehend das bebende Mädchen so nahe an sich fand , das seitwärts abgebogen stammelte : ach nein , ach nein !
-- " Ich bin_es nur ( sagte " der Unschuldige , sie fassend ) , ich tue dir ja " nichts " -- Und er hielt sie , als sie demütigfurchtsam vertraute , noch ein wenig fest und schaute auf den gebückten Kopf mit süßer Regung nieder .
Herzlich gern hätte er der Erschreckten Schmerzengelder und Benefiziat in dieser Komödie für die Armen gegeben ; er hatte ' aber nichts bei sich , bis ihm zum Glück seine Schwester Rabette -- von welcher Bandagistin er irrig schloß , daß mehrere Mädchen des Teufels auf Bänder sind , und sie wie Taschenspieler verschlingen aber nicht wiedergeben -- und sein neues Zopfband einfiel .
Er spulte freudig das lange seidene Wickelband von seinem Kopf an ihren .
Aber die liebliche Nachbarschaft , das Flechtwerk eines feineren inneren Bandes , und die Süßigkeit zu geben , und das Vivace seines angeborenen Übermaßes machten , daß er ihr gern das Dresdner grüne Gewölbe in die Schürze gegossen hätte ; als ein Schnurjude mit seinem kleineren seidenen auf dem Magen und mit einem Sack voll eingekaufter Haare auf dem Rücken die Pestizer Straße hinzog .
Der Jude ließ sich wohl herrufen , aber nichts ableihen , trotz allen ausgestellten Wechseln auf Eltern und Taschengelder .
Ach ein herrliches herrliches rotes Haubenband hätte Lea es blinden Augen so gut wie eine rote Aderlaßbinde der Wunde getan !
Denn eine blinde Frau putzet sich so gern als eine sehende , sie müßte denn eitel sein und mehr sich im Spiegel gefallen wollen , als anderen außer demselben .
Der Handelsmann ließ gern das Band von ihr befühlen und sagte , er handle auf den Dörfern Haare ein und gestern hätten ihm die Wirtskinder durch einen brennenden Schwamm seinen ganzen Sack voll Chignons in kurze Wolle verkrümelt und wenn ihm die junge Herrschaft ihr braunes Haar bis an das Genicke ablassen wolle , so solle sie das Band und einen noch sehr brauchbaren ledernen Zopf aus der Würzburgischen Fabrik auf der Stelle dazu haben .
-- Was war zu tun ?
Das Band war sehr rot -- Lea war_es vor Hoffnungen -- der Jude sagte , er packe ein -- der Haarzopf lief ohnehin bisher wie ein zweites Rückgrat über das ganze erste hinab , und wurde für Alban durch das langweilige Einwindeln an jedem Morgen ein Sperrstrick und eine Trense seines Feuers -- -- Kurz der arme Rupfhase trat dem Juden Titan .
I. K die königlich-fränkische Insignien ab und schnallte die würzburgische Scheide an .
-- Und nun schüttelte er ihre Hand recht derb auf und ab und sagte mit einem ganzen Paradies voll liebender Freudigkeit auf dem Gesicht : " das Band ist dir wohl recht lieb , du armes " blindes Ding ! "
Jetzt bestieg der unaufhörliche Mäzen gar den Kirschbaum , um droben für Lea als ein lebendiger Popanz den Spatzen die Kirschen zu verleiden und ihr als ein Fruchtgott mehrere Paternoster und Fruchtschnüre von letzteren herunterzuwerfen .
Beim Himmel ! droben unter den Herzkirschen schienen ordentliche Wolfskirschen auf den Kopf des Knaben zu wirken ; wie die Erde ihre finsteren Mittelalter hatte , so haben oft Kinder finstere Mitteltage voll lauter Kapuzinaden und Gikse .
Auf den hohen Ästen schimmelten ihn die wachsende Landschaft und die auf die Berge niederfallende Sonne und besonders die Pestizer Turmspitzen so himmlisch an , daß er sich jetzt nichts höheres denken konnte als die -- Vogelstange neben ihm , und keinen glücklich-thronenden Kron-Adler , als einen auf der Stange . . . .
Aber nun bitte ich sämtliche Leserinnen entweder in das Schießhaus einzutreten oder sich mit der Soldatenfrau daraus -- die fortläuft und den Frevel der gnädigen Frau anzeigt -- mit wegzumachen , weil wenige von ihnen es neben mir aushalten , daß unser Held , der Stammhalter des Titans , von einigen Pachters-Knechten -- denen noch dazu Albine das Remarsch-Reglement seines eiligeren Kommens mitgegeben -- auf ein Querholz , das unterhalb des Hakens der Vogelstange eingefugt ist , festgesetzt und , mit dem Unterleibe an diese angebunden und so in der Lust waagerecht liegend , allmählich durch den weiten Bogen aufgehoben und mitten im luftigen Himmel aufgestellt wird . --
Es ist arg ; aber die Knechte konnten den Bitten seiner mächtigen Augen , seinem malerischen Willen und Mute und den angebotenen Rekompensen und Krönungsmünzen , unmöglich widerstehen und dabei wog er ja nur halb so viel wie der letzte Vogel .
Ich bin dir doch gut , Kleiner , trotz dei K 2 einem starren zwischen Kopf und Herz gebauten Wagehals !
Deine monströsen Barock-Perlen von Kräften wird die Zeit , wie im grünen Gewölbe Künstler physische Perlen , schon noch zum Bau einer schönen Figur verbrauchen ! --
Die Reichsgeschichte unseres Reichsadlers auf seinem Stativ , die sich zugleich über die Ereignisse ausbreitet , welche auf dem Berge vorfielen , als der Schachtelmagister und der Landschaftsdirektor zufällig zur besetzten Vogelstange kamen , soll ungesäumt gegeben werden , wenn wir den 14ten Zykel haben . --
14. Zykel .
Der Magister Wehmeier , der sich von weitem die Gestalt und das Bewegen des Vogels nicht erklären konnte , hatte sich heraufgemacht und sah nun zur Kreuzeserhöhung des Zöglings hinauf .
Er stürzte anfangs ins Plongierbad des Eis-Schauders über die Kühnheit , aber er stieg bald aus ihm heraus unter das Tropfbad des Angstschweißes , den an ihm der Gedanke ansetzte , in jeder Minute falle der Eleve herab und zerschelle in 26 Trüm mehr , wie Osiris , oder in 30 wie die medizeische Venus : " und das jetzt ( dachte ' er hinzu ) , " da ich den jungen Satan in Sprachen soweit " gebracht und einige Ehre an ihm erlebte . "
Daher filzte er nur die Hebemaschinisten , aber nicht den Hochwächter aus , weil zu besorgen war , unter dem Verantworten rutsch er droben aus .
Den optischen Wagen , mit welchen der Teufel den im Angstkreise befestigten Magister zu überrennen drohte , kam endlich ein wahrer nachgefahren , worin der künftige -- Landschaftsdirektor saß .
Ach lieber Gott ! --
Der Direktor schöpfte ohnehin allezeit beim Minister die ganze Gallenblase voll bitterer Extrakte ein , bloß weil er dort artigere und stillere Kinder vorfand , ohne doch zu bedenken -- wie hundert Väter , die hier mit angefahren werden müssen -- , daß Kinder wie ihre Eltern sich Fremden besser präsentieren als sie sind und daß ihnen überhaupt das Stadtleben statt der höckerigen dicken Borke des Dorflebens die glatte weiße Birken-Folie überlege , indes sie am Ende wie ihre Eltern und Hofleute , nur gleich Kastanien an der Außenschale abgeschliffen , innen aber verdammt borstig anzufühlen sind .
So gewiß werden den feinsten Mann vom Lande immer wenigstens Prinzen und Minister überlisten , die zehn Jahr alt sind , -- gesetzt auch , er nehme es leichter mit ihren Vätern auf .
Als Wehrfritz seinen Pflegesohn auf dem Schreckhorne horsten sah , und den Schachtelmagister unten , der hinaufschaute !
so bildete er sich ein , der Instruktor habe es veranstaltet ; und fing laut an , ihm aus dem zugesperrten Wagen einen kleinen Himmel voll Donnerwetter und Donnerschläge auf den Hals zu fluchen .
Der verfolgte Wehmeier fing auf dem Berge auch an , laut zum Schreckhorne hinaufzuzanken , um dem Direktor darzutun , daß er seines Amtes warte und mit dem Hammer des Gesetzes als mit einem bildenden Tiefhammer so gut wie einer am Zögling schmiede .
Die Soldatenfrau rang die Hände -- die Knechte stellten sich zur Kreuzesabnehmung an -- der arme glühende Kleine zog sein Messer und rief herab : " er schneide sich gleich los und " werfe sich hinab , sobald einer jetzt die Stange " niederlasse . "
Er hätte es auch getan -- und sein Leben und meinen Titan frühzeitig ausgemacht -- bloß weil er die Schande der väterlichen Real- Verbal-Injurien vor so vielen Leuten -- ja im Wagen saß gar ein fremder Herr -- ärger noch als Selbstmord und Hölle floh .
Allein der Direktor , selber voll Tollkühnheit und doch voll Haß derselben am Kinde , ließ es darauf ankommen und rief entsetzlich nach dem Bedienten , der den Schlüssel zur Wagentüre hatte ; er wollte heraus und hinauf .
Er war unbeschreiblich erboset , erstlich weil er hinten dem Wagen einen Österlinschen Flügel als Angebinde des heutigen Freudentages aufgebunden -- ach Albano , warum hören deine Freuden wie die Schleifer eines Bierfiedlers mit einem Mißtone auf ? --
und zweitens , weil er drinnen einen Sing- Tanz- Musik- und Fecht-Meister aus dem polierten glänzenden Ministers Hause für Albano neben sich auf dem Polster als Zuschauer der Debütrolle sitzen hatte .
Gottlieb sprang vom Bocke vor die Wagentüre , fuhr fluchend durch alle Taschen , der Wagenschlüssel war in keiner .
Der inkarzerirte Direktor arbeitete im Tierkasten wie ein wedelnder Leopard und sein Grimm sprang , wie ein Löwe , den ein Jäger nach dem anderen anschießet , gegen den dritten an .
Alban sägte auf allen Fall im Stricke hin und her .
Der Schachtelmagister war am besten dran ; denn er war halbtot und vernahm hinter seinem in saurem Angstschweiße geronnenen kalten Körper wenig mehr von der Außenwelt , sein Ich war fest und gut wie Schnupftabak , in kühles Blei verpackt .
-- Ach mit dem geängstigten Knaben leide ich stärker , als säße ich mit auf der Stange ; seinem rührend-edlen Angesichte mit der feingebogenen Nase wirft die westliche Aurora und die Scham den Purpur über und die tiefe Sonne hängt sich küssend an seine Wangen gleichsam an die letzten und höchsten Rosen der dunklen Erde ; und er muß die trotzig-blickenden Augen von der geliebten Sonne und von dem Tage , der noch auf ihr wohnt , und von den beiden Lindenstädter Turmknöpfen , die zu ihren Seiten glimmen , wegziehen und die kräftig-gezeichneten und scharf-winkligen Augenlider , welche Dian mit den zu heroischen und durchgreifenden am Christuskinde der aufsteigenden Madonna von Raphael verglich , bange auf den schwülen Zank des tiefen Bodens niederschlagen .
Gottlieb trieb mit aller Mühe den Wagenschlüssel nicht auf , denn er hatte ihn in der Tasche und in der Hand und wollte ihn aus Schonung für den jungen Herrn , den die ganze Dienerschaft so " freßlieb " hatte wie den Kegelplatz , nicht gern herausgeben .
Er votierte auf das Herholen des Schlossers , aber der Kutscher überstimmte ihn mit dem Rate , lieber gleich vor die Werkstatt hinzufahren -- und schnauzte die Pferde an -- und fuhr den inhaftierten Kontroversprediger in seiner Kanzel mit dem aufgepackten Österlinschen Flügel im Trabe davon .
Das wenige was der Bombardeur unter Gottlieb's Aufsitzen noch aus dem Wagen werfen konnte , bestand darin , daß er ein Fenster einstieß und aus der Schieß- Scharte noch einige der nötigsten nachbrennenden Schüsse zum Unglücks-Vogel auf der Stange hinauftat .
Jetzt bekam der Magister seinen Mut und Ärger wieder und er gebot kühn das Herunternehmen des Absaloms .
Indem das Kind mit der Sitzstange vor ihm vorübersank , legte er die fünf Schneidezähne der Finger wie ein Rostral , in die Kopfhaut und rastrierte damit am Hinterkopf herab , in der Absicht , die krumme Linie des Haars spielend dadurch zu rektifizieren , daß er_es mit seiner Hand wie mit dem Frosch eines Fiedelbogens mäßig anzog , -- als er zu seinem Erstarren meinem Helden den würzburgischen Zopf wie eine Schwanzfeder ausriß .
Wehmeier besah staunend die cauda prendensilis ( den Wickelschwanz ) und durch seine auf den kleineren Fehler gelenkte Aufmerksamkeit gewann Albano dabei soviel wie Alzibiades bei dem abgehackten Schweife seines -- Robespiere .
Der Magister dankte Gott , daß er heute nicht mit dem alten Wehrfritz soupieren durfte und schickte verblüfft ihn mit dem Vexierzopfe nach Haus .
15. Zykel .
Die gutherzige Albine hatte den ganzen Tag vor dem Ehegemahl allen brennenden Stoff ( da die Vitriolnaphtha seines Nervengeistes schon von weitem Zornfeuer fing ) weggeräumt , damit nichts ihre Lustschlösser in Brandstätten der Freude umkehrte -- ja als Vorstadt des abendlichen himmlischen Jerusalems hatte Rabette ein vorbeiziehendes Orchester aus Bergknappen ins Kabinett der Tafelstube versteckt -- und für Albano hatte Albine schon eine heraldische Tracht ausgesonnen , worin er ihm die Vokation der Landschaft überreichen sollte -- ach was hatte aber die Frau davon als Flammen , die der eintretende Wehrfritz auswarf , indes er wie ein Kamel in seinem Magen noch einen kalten langen Wasserstrahl für das Anspritzen des Magisters aufhob ? -- Albine , die wie die meisten Weiber , das männliche Steinigen mit Gallensteinen für die 50 Pfd. Passiersteine nahm , die einem Passagier auf der Ehepost frei passieren , gab ihm anfangs , wie immer , heiter Recht und verbarg jede Zähre des Unmuts , weil kaltes Bespren gen Männer und Salat verhärtet -- dann nahm sie das Recht stufenweise zurück -- machte aber den Tadel erst auf ihrer Zunge mild , wie die Wärterinnen das Waschwasser der Kinder im Munde lau machen -- und sagte zuletzt , er solle das Kind nur ihr überlassen .
Aber so schwillt uns unter der Hand der alte Wehrfritz zu einem apokalyptischen Drachen , zu einem Tiere von Gevaudan und Wüteriche auf ; -- und er ist doch nur ein Lamm mit zwei Hörnchen .
-- Hatte er nicht an seinem Geburtsfeste im Karrenjahre seines frönenden Lebens einen Anspruch auf einen erleichterten Abend , wenigstens bei einem Kinde , das er stärker liebt als seines und für das er einen Flügel und Lehrer aufgeladen ?
Und hatte er ihm -- ob er gleich selber zuviel wagte und ausdauerte -- es nicht hundertmal verboten , ihm nachzuahmen und sich auf Pferde oder in Sturmwinde , in Platzregen und Schneegestöber zu setzen ? --
Und kam er nicht vom pädagogischen Knutenmeister , dem Minister her dessen Erziehungsanstalt nur eine längere Realterrition und kürzere Verdammnis war ?
Und macht nicht der Anblick strenger Eltern strenger , der Anblick milder hingegen nicht milder ? --
Albano begegnete zuerst Rabatten mit seiner ledernen Hinteraxe in der Hand , auf seinem trotzigen Wege zum Studierzimmer des Vaters und also zur Regimentsstrafe vom rechten Revolutionstribunale .
Aber sie fing ihn von hinten mit dem englischen Gruße : bist du da Absalom ? und setzte ihn gewaltsam nieder -- und band ihm , nach dem nötigen Erstaunen und Erfragen die Hohl-Ader der Haare knapp und unsanft an -- und zeigte ihm den Stoßwind des väterlichen Zorns im furchtbaren Lichte -- und die Windstille des musikalischen Bergdepartements wieder im lächerlichen , das neben der Tafelstube , dieser Renn- und Wildbahn des hin- und herlaufenden Direktors , pausierend Friedenszeiten abwarte -- und entließ ihn mit einem Kusse , sagend :
du dauerst mich , Schelm ! --
Er marschierte mit einem Trotze , den das spannende Haar verstärkte , ins Tafelzimmer .
" Aus den Augen ! " sagte der funkelnde Sturmläufer .
Alban trat sofort aus der Türe zurück , zornig über den ungerechten Zorn und eben darum weniger betrübt über den ungesunden , da sein Wohltäter heftig an dem für den Geburtstag gedeckten Tische auf- und ablief und nach der alten Unart die fertig gebrannte Kalkgrube seines Zorns mit Wein ablöschte .
Wenige Minuten nach ihm kam auch die musikalische Akademie und Knappschaft mißmutig und in brummende Kontrabassisten verwandelt , gegangen .
Es war ihnen im trockenen Kabinett die Zeit lang geworden , daher hatten der Bassonist und der Violinist sich durch ein leises Stimmen unterhalten wollen .
Der Direktor , der nicht begreifen konnte , was ihn immer für ein verlorenes Getöne umfliege , Nahms lange für melodisches Ohrenbrausen , als plötzlich der Hammermeister des Hackbretts seinen musikalischen Fäustel auf die besaitete Tenne fallen ließ .
Wehrfritz riß den Augenblick die Türe auf und sah das ganze musikalische Nest und Komplott bewaffnet vor sich im Zirkel sitzen und aufpassen ; -- er fragte sie hastig : " was sie im Kabinett zu suchen hätten " und befahl sogleich nach einer flüchtigen Gabe der ganzen Besatzung ohne klingendes Spiel , mit ihren ledernen Tändelschürzen und culs de Paris abzuziehen .
Albine winkte mit einem sanften Gesicht den geächteten Liebling ins Nähzimmer , wo sie ihn recht gelassen um die Wahrheit befragte , weil sie wußte , er lüge nie .
Nach der Berichtserstattung stellte sie ihm wenig seinen Fehler ( wiewohl sie dem gegenwärtigen Kinde eben so gegen den abwesenden Mann Unrecht gab , wie vorhin dem gegenwärtigen Manne gegen das abwesende Kind ) und mehr die Folgen vor -- sie zeigte ( dabei machte sie ihm das Halstuch auf und um und einige Westenknöpfe zu ) , wie sich ihr Mann vor dem mitgebrachten zweiten Schulkonsul mit 24 Faßibus , dem Musik- und Tanz-Meister H. v. Falterle , der sich droben umkleide , in Albanos Seele schäme -- wie der Tanzmeister es wohl gar an Don Gaspard schreiben werde -- und wie ihrem guten Manne der ganze süße bemalte Gelee- Apfel der heutigen Freude zu Wasser gemacht worden , und er sich gerade an einem solchen feierlichen Tage einsam härme , und vielleicht den Tod hole vom Trunke auf den Zorn .
Die Weiber stimmen gewöhnlich wie Harfenisten , mit geringen Fußtritten die ganzen Töne der Wahrheit unter dem Spielen zu halben um . --
Nachdem sie ihm noch die väterlichen Abendgewitter vorgerechnet , die er immer durch sein Reiten und durch seine Robinsonsegen Entdeckungsreisen über sich hergezogen und deren Schläge nur immer den Wetterableiter ( sie selber ) zerschmolzen hätten :
so setzte sie mit jener rührenden , nicht aus der knöchernen Kehle sondern aus dem wallenden Herzen fließenden Stimme dazu : " ach Alban , du wirst einst an " deine Pflegemutter denken , aber zu spät " und weinte recht sanft .
Bisher waren in ihm die strengflüssigen Schlacken und der geschmolzene Teil seines Herzens nebeneinander aufgewallt und der warme Guß war höher und heißer im Busen emporgedrungen , nur das Gesicht war kalt und hart geblieben -- denn gewisse Menschen haben gerade im Punkte der Zerfließung den Anschein und die Anlage der Verhärtung am meisten , wie der Schnee kurz vor dem Zer schmelzen schmelzen gefriert -- aber jetzt riß er sich durch das Ziehen am zu dicht angegürteten Zopfe , welches das verlegene Zeichen des nahen Durchbruchs war , das würzburgische Anhängsel im Krampfe der Ergrimmung über sich heraus .
Ehe Albine es sah , hatte sie ihm die Direktorats-Bestallung mit den Worten gereicht :
" Kaum sollt ' ich ; aber bring_es ihm nur und " sage , es wäre mein Angebinde und du wohl "test künftig ganz anders sein . " -- Allein da sie seine Hand bewaffnet sah , fragte sie erschrocken mit dem tiefen Nachklange einer verschmerzten Vergangenheit : " Alban ? " und kehrte sich sofort vom armen Kinde , dessen Schmerz sie mißverstand , mit zu bitteren Tränen weg und sagte : " was ist denn das wieder ?
-- " O wie quält ihr heute alle mein Herz ! --
Gehe " fort ! "
-- " O komme her , ( rief sie ihm nach ) " und erzähle ' die Umstände ! "
Und als er_es unschuldig und wahr getan hatte , so konnte ihre von Tränen überwältigte Stimme nicht mehr tadeln , sondern nur milde sagen : " trage denn " das Angebinde hin ! "
Dennoch hatte sie vor , beim Manne die Abbreviatur des Haars für Titan I. L einen Gehorsam gegen ihren Willen und gegen die Mode der vornehmen Stadtkinder auszugeben .
-- Alban ging , aber auf dem harten Wege zersprangen die gefüllten Tränendrüsen und das angehaltene Herz , und er trat mit fortweinenden Augen vor den einsamen Pflegevater , der den müden und sinnenden Kopf aufstützte , und reichte ihm weit voraus das großgesiegelte Schreiben hin und konnte nur sagen : " das Angebinde " und weiter nichts , und Funken sprangen mit den Gewittertropfen aus den heißen Augen .
Lege dich , Unschuldiger , leise an des Vaters aufgeknöpfte Brust und lasse dich von seiner Linken , indem er den Zauberkelch der Ehre mit der Rechten hält und sich aus ihm betrinkt , durchaus nicht wegstemmen !
Die abtreibende Hand wird endlich nur schlaff und ohne Schwere auf deinen nassen Feuerwangen und warmen Augen voll Buße zu pulsieren kommen -- dann wird der Alte das Dekret noch langsamer wieder überlesen , fast um den ersten Laut zu verschieben -- dann wird er , wenn du unbeschreiblich-ungestüm seine Hand in dein küssendes Angesicht eindrückest , sich stellen als wache er eben auf und wird salpeter-kalt sagen mit Schimmern der Augen : rufe die Mutter -- und dann wird er , wenn du dein glühendes von Liebe zuckendes Gesicht unter den hehrübergefallenen Haaren gegen ihn aufhebst und wenn diese sanft von deinen Kirschenwangen zurückschlagen , seinem weglaufenden Lieblinge ziemlich lange nachschauen und aus seinen Augen etwas wegstreifen , damit er die Adresse des Diploms so überlaufen könne wie er will . . . . . Sage Albano , habe ich recht geraten ? 16. Zykel .
Jede Ehrensäule erhebt das Herz eines Mannes , den man daraufstellt , über den Brodem des Lebens , über die Hagelwolken der Drangsale , über den Frostnebel der Verdrießlichkeit und über die brennbare Luft des -- Zorns .
Ich will das Zauberblatt einer günstigen Rezension einem knirschenden Währwolfe vorhalten : -- sofort steht er als ein leckendes Lamm mit quirlendem Schwänzchen vor mir ; L 2 und könnte eine Frau ihrem hitzigen Schriftsteller jedesmal ein kritisches Trompeterstückchen auf Famas Trompete vorblasen , er würde einem Engel und sie jenem Bierfiedler gleich , der im Bärenfange den Saul von Petz durch Tanzstücke besänftigte .
Wehrfritz kam als ein Neugeborene Seraph Alpinen entgegen und erzählte die Ehre .
Ja um die Explosionen seines Ätna ihr abzubitten , sagte er nicht , wie sonst , nolo episcopari , er sagte nicht , eine unersteigliche Bergkette von Arbeiten setze sich jetzt um ihn fest -- sondern statt dieses verlegenen Zurückziehens der Hand vor dem ausschüttenden Fruchthorne des Glücks , statt dieser jungfräulichen Blödigkeit des Entzückens , die Gattinnen gemeiner ist , legte er die Herzhaftigkeit einer Witwe an den Tag und sagte Alpinen , ihre Wünsche des heutigen Morgens wären schon zu Gaben geworden -- , und fragte , wo denn der versprochene Abendschmaus und die Leute und der Magister und der Tanzmeister , den jener gar noch nicht gesehen hätte , und Rabette und alles steckte ? --
Aber Albine hatte dem Magister schon längst durch Albano die Einladung und das Verziehen aller Gewitter und des neuen Kommis Ankunft sagen lassen .
Wehmeier aß eigentlich mit dem größten Widerwillen bei einem Edelmanne , bloß weil er wie ein speisender Akteur des Tisches mit Reden , savoir vivre , Aufpassen , Halten aller Gliedmaßen und Spedieren aller Eßwaren so viel zu tun hatte , daß er aus Mangel an Muße kleine Dinge -- z. B. Essiggurken , Kastanien , Krebsschwänze -- bloß im Ganzen und ohne Geschmack verschluckte , so daß er nachher das Hartfutter wie einen verschlungenen Jonas oft drei Tage in der Weidtasche seines Magens herumtragen mußte .
Allein diesmal zog er sich gern zum Essen an , weil er auf seinen pädagogischen Nebenmann neugierig und ungehalten war , und das aus Angst , der neue Mitpächter gebe vielleicht die herrliche Wintersaat in Albans besätem Lande für seine eigene Sommersaat aus .
Er schrieb seiner abbrevirten Lehrmethode alle Wunderkräfte seines Lehrlings , d. h. dem Boden aus Wasser den aromatischen Geist der Pflanze zu , die darin wuchs. * )
Mit größerer nachsichtiger Liebe kam er , den halbierten Liebling eigenhändig führend , vor Rabettens Kabinett in einem saftgrünen Flaus mit dreiblättrigem Kragen an . -- -- " Herr von Falterle hier --
( sagte bei seinem " Eintritt Rabette , nicht aus Neckerei , sondern " aus Unbesonnenheit -- ) meinten vorhin , Sie " wären es als der Hund hereinwollte . "
-- " Mein Herr , ( versetzte kalt und ernst der Pa " radeur von Falterle neben unserem Ackergaule ) " der Hund kratzte an der Türe -- aber sowohl " bei dem Minister als in allen großen Heu " fern in Paris kratzet jedermann mit dem Fin " gernagel , wenn er bloß in ein Kabinett und " in kein großes Zimmer will . " -- -- Welcher herrliche malerische Abstand beider Amtsbrüder !
Der Exerzitienmeister mit der bun * )
Denn Boyle fand in seinen Versuchen , daß Ranunkeln , Münze etc. , die er im Wasser Großwachsen lassen , die gewöhnlichen aromatischen Kräfte entwickelten .
ten Flughaut oder Rückenschürze eines gelben Sommerkleidchens gleichsam mit den gelben Oberflügeln eines Buttervogels , dessen dunkle Unterflügel das Gilet ( wenn er_es aufknöpft ) vorstellen ; -- Wehmeier aber im geräumigen saftgrünen Flause hängend , den ein Zeltschneider um ihn gespannt zu haben scheint , und mit Unterleib und Schenkeln in der schwarzsamtenen Halbtrauer der Kandidaten pulsierend , die sie anlegen , ehe sie sich zur ganzen verkohlen -- Falterle hat sein Glatteis von Beinkleidern plattiert um die Beine gegossen und jede Falte in diesen bricht sich in seinem Gesichte zu einer , als wäre dieses das Unterfutter von jenen ; indes an den Schenkeln des Schachtelmagisters die Wendeltreppe seiner Wickel-Modesten * ) aufläuft -- jener in Brautschuhen , dieser in Pumpenstiefeln -- jener schnalzt als eine weiche schleimige Goldschleie empor mit den Bauchfloßfedern des Jabots , mit den Seitenfloßfedern der Manschet * ) Modesten wollen einige statt der Beinkleider hören . ten und mit den Schwanzfloßfedern des an drei Hermelin-Schwänzchen hängenden trinomischen Wurzelchens oder Zöpfleins ; der Magister sieht in seinem grünen Flause bloß wie der grüne Schnäbel ( Weißfisch ) oder die Kaulquappe aus -- herrlicher Abstich , wiederhol ich ! --
Der Schnäbel hätte die Schleie gern gefressen , als der Goldfisch mit dem rechten Arme Rabatten und mit dem linken Albano zum Essen vorausführte .
Aber jetzt wurde es viel ärger .
Alban hatte mit seiner gewöhnlichen Heftigkeit die Serviette zuerst offen ; die nun gleichsam das Antrittsprogramm und Dokimastikum von Falterle Lehrart wurde ; " pose "ment , Monsieur ( sagt ' er zum Novizen ) il est " messeant de deplier la serviette avant que les " autres ayent deplier les leurs. * ) "
Nach einigen Minuten gedachte Alban seine Suppe -- es war eine à la Brittanniere mit Locken -- kalt zu blasen :
" il est messeant , Monsieur ( sagte der Exerzi * ) Gemach , es ist unschicklich , wenn man seine Serviette früher aufmacht als andere Leute . " zienmeister ) de soufler sa soupe * ) . "
Der Schachtelmagister , der schon mit dem Gebläse seiner Brust zu einem Zugwinde für einen Löffel voll Locken angesetzt hatte , schnappte erschrocken mit einer Windstille ab .
Als nachher eine farschirte Weißkohlbombe wie eine Zentralsonne auf das Tischtuch niederfiel : schlang der Magister den brennenden Kalbfleisch-Farsch kühn hinein wie ein Taschenspieler oder Vogel Strauß glimmende Kohlen und atmete mehr ein- als auswärts .
Nach der Bombe kam ein Hecht au four herein , dem bekanntlich der Wegschnitt des Kopfes und Schwanzes und die Verschlossenheit des Bauchs die Gestalt eines Rehzimmers schenken .
Als Alban seinen alten Lehrer fragte , was es wäre , versetzte solcher :
ein delikater Rehzimmer .
-- " Pardons , Monsieur ( sagte der Ge " genzüngler ) -- c'est du berocht au four , mon " cher comte -- mais il est messeant de de * )
Es ist unschicklich , wenn man auf seine Suppe bläst . " mander le nom de quelque mets qu' il soit -- " ohne feint de le savoir * ) . "
Es ist leicht zu zeigen , daß dieser Kernschuß aus einer Doppelbüchse dem Magister durch Mark und Bein , durchfuhr ; die Passions- Instrumente , die im weggeschnittenen Kopfe des Hechts au four wie in einer Gewehrkammer lagen , arbeiteten in seinem weiter .
Wie die meisten Schullehrer , glaubte er so lange die feinste Lebensart zu haben als er sie dozierte und die gröbste bekriegte -- eben so lange schätzt er sie ungemein , so wie den Putz -- : wurde er aber in beiden besiegt , so musste er sie von Herzen verachten .
Es brachte ihn wieder auf die Beine , daß er den Exerzizienmeister im Stillen bei sich gegen beide Kato's und die homerischen Heroen hielt , die nicht viel besser aßen wie Schweine und daß er so den Wiener an einen Schandpfahl anband und ihn * )
Um Verzeihung , es ist Hecht au four ; aber es ist unschicklich , nach dem Namen einer Schüssel zu fragen -- man tut als wisse man ihn schon . daran mit der einen Hand wacker drasch , indes er mit der anderen über ihm die Schandeglocke läutete .
Ja er stellte sich , um den Amtsbruder klein zu machen , auf einen fernen Irrstern und sah herunter auf die Bombe und auf den Hecht au four und mußte droben auf seinem Planeten sehr herablachen , als er den gelbseidenen Ladenhüter der Natur mit dem Wrack von Gehirn nicht größer befand als einen Kleisteraal .
Dann dauerte ihn der verlaßene Zögling und er fiel wieder herunter und schwor unterwegs , aus ihm jeden Tag so viel auszujäten als jener einharke .
Wir werden es noch bald genug erfahren wie Alban's Nerven auf dieser Drechselbank unter den Schlichthobeln zuckten .
Den Direktor labte dieses pädagogische Schneiden und Brillantieren eines so großen Demants unbeschreiblich , wiewohl der Schnitt ( nach Jefferies ) allen Demanten die halbe Schwere nimmt , und wiewohl er selber noch die ganze hatte und mehrere Karats als Facetten .
Wehrfritz konnte nie eher rein vergeben -- worauf er jetzt hinarbeitete , weil er dem Kleinen den Österlinschen Flügel mitgebracht -- als bis er wenigstens mit Einem Worte eine kurze Marter angetan ; er teilte also -- blind gegen Albano's verhülltes blutiges Büßen -- , den Gästen mit , wie strenge der Minister seine Kinder erziehe , wie sie z. B. für unwillkürliches Husten und Lachen an der Tafel , gleich preußischen Kavalleristen , welche stürzen oder im Winde den Hut verlieren , Strafen bekommen und wie sie freilich so alt wären wie Albano , aber völlig so gesittet wie Erwachsene .
Beim Minister hatte ' er heute umgekehrt mit den Kenntnissen des Pflegesohns geprunkt ; aber manche Eltern erbauen in jedem fremden Zimmer Rauchopferaltäre für dasselbe Kind , daß sie im eigenen wie Wein und Bienen schwefeln .
Der Henker hole es überhaupt , daß sie wie Landesväter , gerade dann verdoppelte Forderungen machen , wenn die Kinder unmäßige befriedigt haben , so daß diese durch opera supererogationis von majorennen Lernstunden die Spielstunden mehr verwirken als erringen .
Hält man es nicht großen Philosophen z. B. Malebranche , und großen Feldherren z. B. Scipio , zu Gute , daß sie nach den größten Eroberungen , die sie im Reiche der Wahrheiten oder in einem geographischen gemacht , sich in die Kinderstube setzten und da wahre Kindereien trieben , um den Bogen , womit sie so viele Lügen und Menschen zu Boden gelegt , sanft zurückzuspannen ?
Und warum soll dieses Gleichnis , womit der H. Johannes sich verteidigte , wenn er sich eine Spielstunde mit seinem zahmen Rebhuhne erlaubte , nicht Kinder entschuldigen , daß sie auch Kinder werden , wenn sie vorher den noch dünnen Bogen zu krumm angezogen haben ? --
Aber nun weiter !
Der alte Wehrfritz referierte Rabatten ganz freundlich , " wie er heute " die Pupille des Don Zesara die herrliche Grä " fin de Romeiro gesehen , wahrhaftig 12 Jahre " alt , aber von einer Konduite wie nur eine " Hofdame habe ; und der H. Ritter erlebe " an seiner Mündel mehr Freude als sonst . "
Diese harten klirrenden Worte ritzten wie an einem Wasserscheuen , die offenen Nerven des ehrgeizigen Knaben , da für ihn der Ritter bisher das Lebensziel , der ewige Wunsch und der frere terrible war , womit man ihn bezwang ; -- aber er saß still ohne Zeichen da und erstickte das schreiende Herz .
Wehrfritz kannte dieses stumme Verbeißen ; gleichwohl handelte er so als habe ihn Albano nicht verstanden .
Nun fing auch der Wiener an , in alle Ecken und Nischen des Ministerialeschen Vatikans Leuchtkugeln zu werfen , bloß um seine Tanz- und Musikschüler darin und sich selber günstig zu beleuchten .
Kann nicht die Tochter des Ministers , kaum zehn Jahre alt , alle neue Sprachen , und die Harmonika , die Albano noch nicht einmal gehöret , und schon vierhändige Sonaten von Kotzeluch und singt wie die Nachtigall schon in unbelaubten Ästen und zwar Opernauszüge , die ihre zarte Nachtigallenbrust aushöhlen , daher er fortgemußt ? --
Ja kann der Bruder nicht noch weit mehr und hat alle Lesebibliotheken ausgelesen , besonders die Theaterstücke , die er noch dazu auf Liebhaberbühnen auch spielt ?
Und wird er nicht gerade in dieser Stunde im heutigen Ball masque seine Sache recht gut machen , wenn er anders da den Gegenstand antrifft , der ihn bei geistert ? --
Wehmeier tat Unrecht , daß er unserem Juwelenkolibri Falterle gegenübersaß als eine Ohreule oder Vogelspinne , die bereit ist , den Kolibri jede Minute zu rupfen und zu fressen .
Wahrlich Falterle sagte nichts aus Bosheit , er konnte niemand verachten und hassen , weil seine geistigen Augen in seinem aufgeschwollenen Ich so tief saßen , daß er damit gar nicht über das geschwollene Ich herausschauen konnte , er verletzte keine Seele , und umflog die Leute nur wie ein stiller Schmetterling , nicht wie eine stechende sumsende Bremse , und sog kein Blut sondern Honig ( d. h. ein kleines Lob ) .
-- " Sollte sich wohl H. v. Falterle ( sagte " Wehrfritz , der alsdann , sobald er nur diesen " kalten Wetterstrahl auf Albano herunterge "than hatte , diesen nicht mehr fliehend und " kalt anschielen wollte ) der junge Minister zu " weilen auf eine Vogelstange setzen wie unser " Albano da ? "
-- Das war zu viel für dich gequältes Kind !
" Nein ! " sagte Albano ehern und mit der Freundlichkeit eines Leichnams , welche Nachsterben bedeutet , und verließ mit einer optischen Wolke schweifender Farben den unter seinen stummen Zuckungen knackenden Sessel und ging langsam mit eingeklemmten Fingern hinaus .
Der arme junge Mensch hatte heute nach der anscheinenden Vergebung seines adamitischen Falles und nach dem Anblicke des geschmückten neuen Lehrers , auf den er sich schon so lange gefreut und dessen graviertes glänzendes Gehäuse gerade auf ein Kind imponierend wirkte , die letzte Puppenhaut seines Inneren abgeworfen und sich viel vorgesetzt .
Irgend eine Hand riß vor einer Stunde seinen inneren Menschen aus der engen schläfrigen Wiege der Kindheit auf -- er sprang auf einmal aus dem Wärmkorbe -- er warf Fallhut und Flügelkleid weit weg -- er sah die weite toga virilis dort hängen und fuhr in sie hinein und sagte : kann ich denn nicht auch ein Jüngling sein ? --
Ach du Lieber , der Mensch , besonders der rosenwangige , hält betrogen so leicht Bereuen für Besseren , Entschlüsse für Taten , Blüten für Früchte , wie am nackten Zweige des Feigen Baums Baums scheinbare Früchte sprießen , die nur die fleischigen Hüllen der Blüten sind ! --
Und nun , indes alle Nerven und Wurzeln seiner Seele nackt an der harten Luft bloßlagen , -- und bei so schönen frischen Trieben , wurde er jetzt so oft beschämend zertreten .
In seiner Seele glühte die Ehre -- durch die künftigen Jahre wollte sie wie durch eine weiße Kolonade von Ehrensäulen gehen -- schon ein bloßer Alumnus aus der Stadt war seiner ruhm- und wissens-durstigen Seele ein klassischer Autor -- und sollte er_es erdulden , daß ihn bei dem Ritter der Direktor verklagte und der Wiener verzeichnete ? --
Harte Tränen wurden wie Funken aus der stolzen verletzten Seele geschlagen und den Kometenkern seiner inneren Welt trieb die Glut in einen schwülen Nebel .
Kurz er beschloß , in der Nacht nach Pestiz zu rennen -- vor seinen Vater zu stürzen , ihm alles zu melden -- und dann wieder nach Hause zu gehen , ohne ein Wort davon zu sagen .
Am Ende des Dorfs fand er einen eiligen Nachtboten , den er nach dem Pe Titan .
I. M stizer Wege befragte und der sich wunderte über den kleinen Pilger ohne Hut . -- --
Man sehe mit mir vorher nach dem Neste der Tischgenossenschaft .
Eben dieser Bote überbrachte dem Wiener eine böse Neuigkeit , die den so lange gelobten Ministers Sohn betraf , der Roquairol hieß .
Die obengedachte Pupille des Ritters , die kleine Gräfin von Romeiro war sehr schön ; Kalte hießen sie einen Engel und Warme eine Göttin .
Roquairol hatte keine Belgische Venen , worin wie im Saturn alle Feuchtigkeiten als feste gefrorene Körper liegen , sondern afrikanische Arterien , worin wie im Merkur geschmolzene Metalle umlaufen .
Als die Gräfin bei seiner Schwester war , versucht er , mit der Keckheit vornehmer Knaben , sein mit einem Geäder von Zündstricken gefülltes Herz als einen guten Brander auf ihres zuzutreiben ; aber sie stellte die Schwester als Feuermauer vor sich .
Zum Unglück ging sie zufällig als Werthers Lotte gekleidet , in die heutige Retude und die Pracht ihrer despotischen Reize wurde von lauter dunkel-glühenden Augen hinter Larven verschlungen und umblitzt ; er nahm seine innere und äußere ab , drang an sie und forderte mit einiger Eile -- weil sie abzureisen drohte -- , und mit einiger Zuversicht -- auf dem Liebhabertheater errungen -- , und mit pantomimischer Heftigkeit -- womit er auf diesem immer die schönsten Nachtmusiken der klatschenden Hände gewonnen -- , nichts vor der Hand als Gegenliebe .
Werthers Lotte kehrte ihm stolz den prangenden Rücken voll Locken , er lief außer sich nach Hause , nahm Werthers Anzug und Pistole und kam wieder .
Dann trat er mit einem physiognomischen Orkan des Gesichts vor sie hin und sagte -- das Gewehr vorzeigend -- er mache sich hier auf dem Saale tot , falls sie ihn verstoße .
Sie sah ihn ein wenig zu vornehm an und fragte :
was er wolle .
Aber Werther -- halb trunken von Lotens Reizen , von Werthers Leiden und von Punsch -- drückte nach dem fünften oder sechsten Nein ( an öffentliches agieren schon gewöhnt ) vor der ganzen Masquerade das Schießgewehr auf sich ab , lädierte aber glücklicher Weise nur M 2 das linke Ohrläppchen -- so daß nichts mehr hineinzuhängen ist -- und streifte den Seitenkopf .
Sie entfloh plötzlich und reiste sogleich ab und er fiel blutend danieder und wurde heimgetragen . -- --
Diese Geschichte blies viele Lampen an Falterle Ehrenpforte aus -- und an Wehmeiers seiner an --; aber sie setzte auf einmal Alpinen in Angst über den eben so wilden Tollkopf Albano .
Sie fragte nach ihm in der Domestikenstube ; und der Bote half ihr auf die Spur durch den Knaben ohne Hut .
Sie eilte selber in ihrem gewöhnlichen Übermaße der Angst durch das Dorf hinaus .
Ein guter Genius -- der Hofhund Melak -- war da der Musculus Antagonista und Schlagbaum des Flüchtlings geworden .
Melak wollte nämlich mit ; und Alban wollte einen dem Schloßhofe so bedienten und öfter als der Nachtwächter darin abrufenden Schirmvoigt und Küstenbewahrer wieder heim haben .
Melak war in seinen Sachen fest ; er verlangte Gründe , nämlich nachgeworfene Prügel und Steine -- allein der weinende Knabe , dessen glühende Hände die kalte Schnauze des gutwilligen Viehes erfrischte , konnte ihm kein böses Wort geben , sondern er drehte bloß den wedelnden Hund um und sagte leise : fort ! --
Aber Melaken waren bloß laute Dekrete etwas ; er kehrte immer wieder um ; und in diesen Inversionen -- während welchen in Albano's ohnehin immer auf dem Brockengebirge stehenden Geist , der im Nebel Riesenformen ziehend wachsen sah , seine Tränen und jedes unverdiente Wort tiefer einbrannten , fand ihn die unschuldige Mutter .
" Albano , sagte sie freundlich-verstellt , in " der kalten Nachtluft bist du ? "
-- Von diesem Nachgehen und Anreden der allein beleidigten Seele wurde seine volle , der eine Ergießung es sei durch Tränen oder Galle nötig war , so sehr ergriffen , daß er mit einem gichtischen Reißen des überspannten Herzens an ihren Hals aufsprang und sich daran aufgelöst und weinend hing .
Er konnte ihren Fragen seinen harten Entschluß nicht gestehen , sondern drückte sich bloß stärker an ihr Herz . --
Jetzt kam besorgt auch der bereuende Direktor nach , den die kindliche Stellung umschmolz und sagte : " närrischer Teufel , habe ich es denn so böse " gemeint ? " und nahm zurückführend die kleine Hand .
Wahrscheinlich war Albanos Zürnen durch die ergoßene Liebe erschöpft und durch den versöhnten Ehrgeiz befriedigt ; folgsam und sogar -- was sonderbar scheint -- mit größerer Liebe gegen Wehrfritz als gegen Albine ging er mit ihnen zurück und weinte unterwegs bloß aus zarter Bewegung .
Als er ins Zimmer trat , war sein Angesicht wie verklärt , obwohl ein wenig geschwollen , die Tränen hatten den Trotz verschwämmt und alle sanfte Schönheitslinien seines Herzens auf sein Gesicht gezogen , wie etwa der Regen die Himmelsblume , die in der Sonne nicht erscheint , in durchsichtigen zitternden Fäden zeigt .
Er stellte sich aufmerkend an den Vater und behielt den ganzen Abend dessen Hand ; und Albine genoß in der doppelten Liebe ein doppeltes Glück ; und sogar auf den Gesichtern der Bedienten lagen zerstreute Stücke von dem dritten Nebenregenbogen des häuslichen Friedens , dem Bundeszeichen der verlaufenen Wassersnot .
-- Wahrlich , ich habe oft den Wunsch getan -- und nachher ein Gemälde daraus gemacht -- , ich möchte dabei stehen können bei allen Aussöhnungen in der Welt , weil uns keine Liebe so tief bewegt als die wiederkehrende .
Es müßte Unsterbliche rühren , wenn sie die beladenen , vom Schicksal und von der Schuld oft so weit auseinandergehaltenen Menschen sähen , wie sie gleich der Valisnerie * ) , sich vom sumpfigen Boden abreißen und aufsteigen in ein schöneres Element und wie sie nun in der Freiern Höhe den Zwischenraum ihrer Herzen überwinden und zusammenkommen .
* )
Die weibliche Valisnerie liegt zusammengerollt unten im Wasser , aus welchem sie mit der Blumenknospe aufsteht , um im Freien zu blühen ; die männliche macht sich dann vom zu kurzen Stängel los und schwimmt mit ihrem trockenen Blütenstaube der ersteren zu . -- --
Aber es muß auch Unsterbliche schmerzen , wenn sie uns unter dem schweren Gewitter des Lebens gegeneinander auf dem Schlachtfelde der Feindschaft ausgerückt erblicken , unter doppelten Schlägen , und so tödlich getroffen vom fernen Schicksal und von der nahen Hand , die uns verbinden sollte ! --
Dritte Jubelperiode .
Methoden der beiden Kunstgärtner in ihrer pädagogischen Pelzschule -- Schutzschrift für die Eitelkeit -- Morgenrot der Freundschaft -- Morgenstern der Liebe .
17. Zykel .
Wenn wir beide Schulstuben aufmachen , so sehen wir den Schachtelmagister Vormittags über den zweidottrigen Eiern des Eleven sitzen und brüten , und den Exerzitienmeister Nachmittags , so wie der Tauber das Nest in jener Tagszeit , die Taube in dieser hütet .
-- Wehmeier wollte nun so gut wie sein Nebenrenner , sich mit ganz neuen Lehren des Zöglings bemeistern ; aber neue für diesen waren neue für ihn selber .
Wie die meisten älteren Schullehrer wusste er von der Sternkunde außer dem Wenigen , was im Buch Josua stand , und von der Naturkunde außer den wenigen Irrtümern , die in seinen eher vergessenen als zerrissenen Heften standen , und von der Weltweisheit , außer der Gottschedianischen , für die aber ein reiferer Eleve gehörte , und von anderen Realien genau gesprochen-- nichts , ausgenommen etwas Historie .
Kamen ihm zuweilen in seiner literarischen Sarawüste , in welche ihn die quälende Schulstunden-Schraube ohne Ende und die Bettel- oder Kröpelfuhre eines mehr verschlackten als verarzten Lebens ohne Geld verwiesen hatten , neue Lehrmethoden oder neue Entdeckungen zu Ohren ( zu Augen nie ) : so merkte er den Augenblick , daß es seine eigenen wären , nur schwach abgeändert ; und er verhielt niemand das Plagium .
Ich bitte aber alle seidene und gepuderte und lockige Prinzen- Instruktoren von Herzen , verdenket meinem armen von den schweren dicken Erdlagen des Schicksals tief überbauten Wehmeier seine unterirdische Optik und sein Krummstehen nicht zu sehr , sondern zählt seine acht Kinder und seine acht Schulstunden und seine nahen Fünf Zieger in seiner Lebens-Höhle von Antiparas und entscheidet dann , ob der Mann damit wieder herauskann ans Licht ? --
Aber von der Historie wusste er wie gesagt doch etwas ; und diese ergriff er als pädagogischen Diebsdaumen und Fortunatus Wünschhut .
Hatte er nicht schon mit jener epischen ausmalenden Paraphrase , womit er die kleinste Marktflecken-Historie so interessant und lügenhaft erzählte ( denn woher will ein guter Erzähler die 1000 kleineren aber nötigen Züge nehmen als aus der Luft ? ) , seinem Albano Hübner's biblische äußerst rührend vorgetragen ?
Und wer weinte dabei mehr , der Lehrer oder der Schüler ? --
Nun hatte er drei historische Wege vor sich offen .
Er konnte den geographischen einschlagen , der mit der elendesten Geschichte von der Welt anfängt , mit der Landesgeschichte .
Aber bloß höchstens Briten und Gallier können die Geschichte wie eine epische und eine Erdbeschreibung von hinten anfangen ; hingegen eine Haarhaarsche , eine Bayreuthische , eine Mecklenburger Landesväter-Patristik gibt hohe lehn Zähnen hohle Nüsse aufzubeißen , ohne Kern für Kopf und Herz .
Und schwellt man nicht dadurch einen Holzzweig der Historie , auf welchen der Zufall der Geburt den jungen Borkenkäfer abgesetzt , unverhältnismäßig zu einem Stammbaume derselben an ?
Und was fragt man z. B. in Berlin nach einer Markgrafen- , oder in Hof nach der Hohenzollerischen- Regentenlinie ?
Die zweite Methode ist die chronologische oder die vorne anspannende ; diese hebt vom Geburtstage der Welt an , die nach Petav und den Rabbinen den 22sten Oktober * ) Vormet * )
Die vorhergehenden schönen Oktobertage so wie die Kanikularferien und der April und kurz der Vorrest des Jahres wurden am gedachten 22sten Oktober und dieser selber nachgeschaffen .
So lehne ich leicht die Frage nach der Vorzeit ab .
Denn datiert einer die Welt anders , z. B. vom 20sten März , wie Lipsius und die Patres taten :
so muß er immer zu meinem Nachschaffen des Vorjahrs greifen , wenn ich ihm mit seiner eigenen obigen Frage zu Leibe gehe . tags auf die Welt kam , schreitet zum 28sten Oktober , dem ersten Flegel- und Tölpeltage des jungen Adams , dann über den 29sten , den ersten Sonn- Buß- und Karenztag hinweg und so fort bis zum Karenz- und Bußtage des neuesten Adamssöhnchens , das eben der Sache zuhorchen muß .
Diese Milchstraße war unserem Magister zu lang , zu öde , zu fremd .
Er schiffte die mittlere Straße zwischen den vorigen , die nach den reichen beiden Indien der Geschichte führt , nach Griechenland und Rom .
Die Alten wirken mehr durch ihre Taten als durch ihre Schriften auf uns , mehr auf das Herz wie auf den Geschmack ; ein gefallenes Jahrhundert um das andere empfängt von ihnen die doppelte Geschichte als die zwei Sakramente und Gnadenmittel der moralischen Stärkung ; und ihre Schriften , an welche ihre steinernen Kunstwerke jede Nachwelt heften , sind die ewige Bibelanstalt gegen jeden Verfall der Kansteinischen .
Aber nun lasst uns an einem schönen Sommermorgen etlichemal vor der Rektoratswohnung vorbeigehen und es außen mit anhö Ren , mit welcher Stimme der Magister drinnen obwohl in altväterischen Wendungen aus dem Plutarch -- dem biographischen Shakespeare der Weltgeschichte -- nicht die Schattenwelt von Staaten sondern die darin glänzenden Engel der Gemeine zitiert , die h. Familie großer Menschen , und werfet im Vorbeigehen einen Blick auf das funkelnde Auge , womit der begeisterte Knabe an den moralischen Antiken hängt , die der Lehrer wie in einem Abgußsaale um ihn versammelt .
O wenn so die großen Wetterwolken der heroischen Vergangenheit sich an Zesarens Seele , wie an ein Gebirge hingen und daran mit stillem Blitzen und Tropfen niedergingen : wurde da nicht das ganze Gebirge mit himmlischem Feuer geladen und alles , was darauf grünte und keimte , befruchtet , erquickt und herausgetrieben ? --
Und konnte er dann , so schön bewölkt , wohl in die tiefe Wirklichkeit schauen ?
Ja blieb es nicht dem Lehrer wie dem Schüler unter dem Marktgetöse des römischen und des athenischen Forums , wo sie im Gefolge Katos und Sokrates mit herumgienen , völlig unbekannt , daß die rüstige Magisterin neben ihnen koche , bette , keife und scheuere ? von den acht lärmenden Kindern vernahmen sie schon der Menge wegen nichts , denn nur Eine sausende Mücke hält man nicht ohne entsetzliche Anstrengung im Zimmer aus , leicht aber einen ganzen Schwarm .
Eben so wurde die Schulstube , auf deren Boden nichts fehlte was man in Kanarien-Heckkasten zum Nestmachen wirft , Heu , Moos , Rehhaar , ausgezauseter Flanell und fingerlanges Garn , beiden durch den Fußboden der alten ( geographischen und historischen ) Welt zugedeckt , welcher , der römischen Paulskirche ihrem gleich , aus Marmortrümmern voll abgebrochener Inschriften besteht .
18. Zykel .
Der Leser ist nun auf den Nachmittag , wo man den Eleven in die Poliermühle des Wieners schickt , begierig , wie er sich da schleifen lasse .
Es muß ihn noch begieriger machen , wenn ich nachhole , daß Wehmeier , der wie andere Gelehrte dem Elefanten an Verstand und Plumpheit glich , nichts in der alten Geschichte lieber fand -- und also abmalte-- , als einen großen Mann , der wenig anhatte , wie z. B. Diogenes , oder der barfuß ging , wie Kato , oder unbalbiert wie die Philosophen ; ja er fiel in die Mittelmark ein und holte sich Friedrichs II Kleider heraus , womit er soviel gewann als Mr. Page in Paris , und trug dessen Hemden wie des edlen Saladins seines und unter einerlei Ausrufungen , auf Stangen zur Schau und entwarf als ein zweiter Scheiner die beste Karte , die wir von den Sonnenflecken des Tabaks auf Friedrich haben .
Dann nahm er diese nackten rauhen Kolossen und schlichtete sie sämtlich in die eine Wagschale auf , und in die andere warf er getäfelte leichte Figuren wie Falterle und die Nürnberger geleckten Kindergärtchen von neueren Höfen und ersuchte den Scholaren , acht zu geben , wohin das wägende Zünglein schlage . -- --
Ich bin hier nicht ganz auf deiner Seite , Magister , da kraftvolle Jünglinge ohnehin die Folie des Zeremoniellgesetzes zu leicht zerreißen , und oft die Folienschläger , die Oberzeremonienmeister , dazu ; für Schwache ist die Methode gut .
Kam Kam nun Albano zum Exerzizienmeister :
so konnte er vor dem lauten Nachklange der vorigen Stunde -- weil Kinder von einer gewissen Tiefe , wie Gebäude von einiger Größe ein Echo geben -- das nur schwach vernehmen , was Falterle befahl , und nur , wenn er einige Tage ohne die historische Rührung blieb , wurde er für die kleineren Lehrstunden weiter offen , wie vergoldete Sachen erst , wenn das Gold herunter ist , sich versilbern lassen .
Das Unglück war noch , daß er seine Frontänze gerade neben der Schreibstube des Direktors , der da in eigenen begriffen war , zu machen hatte .
Es traf sich oft , daß Wehrfritz , wenn Alban so zerstreuet wie eine verliebte Moitistin , in der Anglaise aufmerkte , drinnen unter dem Diktieren schrie : ins drei Teufels Namen , chassir ' ! --
Eben so viele Fälle würde man aufzählen können , wo der Mann , wenn der Musikmeister wie ein Trommelbaß mit ewigem Ermahnen zum Piano unter dem Adagio weglief , drinnen mit dem erdenklichsten Fortissimo rufen mußte : Pianissimo , Satan , Pianissimo ! -- Einigemal musste er von seinen Arbeiten Titan. I. N aufstehen , wenn in der Fechtstunde alles Zureden zur Quarte nichts half , und die Tür ' aufmachen und ergrimmt zum Wiener sagen :
" Um Gottes Willen , Herr , sein Sie doch kein " Hase und stoßen Sie ihm derb aufs Leder , " wenn er nicht aufpaßt " -- worauf der höfliche Fechtmeister nur leise zu Quartestößen anfrischte .
-- Gleichwohl lernte er viel ; in so frühen Jahren setzet man sich weder über den Putz , noch über die schönen Künste eines Falterle hinweg , der noch dazu mit dem zauberischen Vorzuge mächtig war in der verbotenen Hauptstadt geglänzt und gelehrt zu haben .
Bloß der laute Ausschritt und die Stiefel waren dem Zöglinge nicht zu nehmen ; aber die Achseln waren im Kurzen waagerecht und der Kopf steilrecht gedrückt und die oßillirenden Finger samt dem regen Körper mit einem Stahlschen Augenhalter festgemacht .
Überhaupt haben Menschen mit einer liberalen Seele in einem schöngebauten Körper schon ohne Falterle Spalierwand und Schere einen gefälligen Stand und Wuchs .
Dabei hatte er den niedlichen freundlichen Falterle mit jener heiligen ersten Menschenliebe , womit ein Kinderherz sich an alle Leute des Hauses und des Dorfes anklammert , schon darum lieb , weil den Wiener eine Dame um den Goldfinger , ja innen um den Goldring selber aufwickeln konnte und weil er vom Ritter des goldenen Fliesses wie von einem Könige sprach und log , und weil er die gefälligste Haut war , die je über die Erde lief .
Da ich in meinen Biographien Duldung und eine vielseitige Gerechtigkeit gegen alle Charaktere lehren will :
so muß ich hier mit meinem Muster der Toleranz vorangehen , indem ich von Falterle bemerke , daß seine arme dünne Seele sich selber nicht unter den steinernen Gesetztafeln der Etikette und unterdem hölzernen Joche eines imponierenden Standes aufzubringen vermochte .
Wem tat der arme Teufel etwas an ?
Nicht einmal Damen , für welche er zwar gleich einem Kupferstecher , immer vor dem Spiegel arbeitete an seinem Ich , allein nur um mit diesem Kunstwerke , gleich anderen Figurristen reine Schönheiten darzustellen , nicht N 2 aber solche zu verführen .
Das Seewasser seines Lebens -- denn er ist weder ein Millionär noch eben der größte Gelehrte des Säkuls , ob er wohl bei vielen Bücherverleihern herumgelesen , -- süßet er sich durch das Schönheitswasser ab , worin er sich stündlich badet .
Er säuft und frisst fast nichts ; flucht und schwört er , so tut er_es in fremden Sprachen wie der Päbstler darin betet , und schmeichelt wenigen außer sich .
Der Eitle und noch mehr die Eitle hassen Eitle viel zu stark , die doch mehr am Kopfe als am Willen siechen .
Ich kann mich hier freudig auf jeden denkenden Leser berufen , ob er sich je , wenn er eben ungewöhnlich eitel einhertrat , tiefe Gewissensbisse oder Mißtöne im Ich verspürt zu haben entsinnt , welche doch niemals fehlten , wenn er sehr log oder zu hart war ; er nahm vielmehr ein ungemein liebliches Schaukeln seines inneren Menschen in der Paradewiege wahr .
Daher wird ein Eitler so schwer wie ein Spieler kuriert .
Aber auch noch darum : die meisten Sünden sind Kasualpredigten und Gelegenheitsgedichte und müssen Heu fig ausgesetzt werden , vom 3ten bis 10ten Gebote inclus . --
Die Ehe , den Sabbat , das Wort kann man nicht zu jeder gegebenen Stunde brechen .
-- Verleumden kann einer so wenig als kegeln oder duellieren mit sich selber -- viele beträchtliche Laster sind nur an der Ostermesse -- oder am Neujahrstage -- oder im Palais royal oder im Vatikan zu verüben -- manche königliche , markgräfliche , fürstliche im ganzen Leben nur einmal -- manche gar nicht , z. B. die Sünde gegen den h. Geist . -- --
Hingegen sich innerlich preisen und bekränzen kann einer Tag und Nacht , Sommer und Winter , an jedem Orte , auf dem Katheder , im Prater , im Generalszelte , hinten auf der Schlittenpritsche , auf dem Fürstenstuhle , in ganz Deutschland , z.B. in Weimar .
Wie ? und diese perennierende Balsamstaude , die den inneren Menschen immerwährend anräuchert , sollte man sich ausziehen oder beschneiden lassen ? -- -- 19. Zykel .
Alle diese Geschäfte und Dornen waren für Albano recht gute spitze Erdbeben-Ableiter , da in seiner Brust schon mehr unterirdische Gewittermaterie umherzog als zum Zersprengen der dünnen Brusthöhle eines Menschen nötig ist .
Nun kam er immer tiefer in die wilden Donnermonate des Lebens .
Die Sehnsucht , Don Zesara zu sehen , entflammte sich an der römischen Geschichte mehr , welche Zäsars kolossalisches Bild vor ihm in die Höhe stellte und darunter schrieb : Zesara .
Die verhüllte Lindenstadt wurde von seiner Phantasie auf sieben Hügeln getragen und zum Rom erhoben .
Ein Posthorn schallte in sein Innerstes wie ein Schweizer Kuhreigen , der alle Höhen unserer Wünsche in langen Bergketten glänzend , in den Äther hinausbauet ; und es blies ihm das Zeichen zum Aufbruch und alle Städte der Erde lagen mit offenen Toren und mit breiten Fuhrstraßen um ihn herum .
Und wenn er in jener Zeit an einem kalten hellen Sommermorgen neben einem nach Pestiz gehenden Regimente so lange metrisch mitzog , als die Trommeln und die Pfeifen lärmten :
so feierte seine Seele ein Händelsches Alexandersfest -- sie hörte die Vergangenheit -- das Fahren der Triumphwa gen -- das Gehen der Spartischen Heere und ihre Flöten -- und die helle Trompete der Fama -- und wie unter den letzten Posaunen erstand seine Seele unter lauter glänzenden Toten aus der aufgeriegelten Erde und zog mit ihnen weiter . -- --
Wenn die Geschichte einen edlen Jüngling in die Ebene von Marathon und auf das Kapitolium führt :
so will er an seiner Seite einen Freund , einen Waffenbruder haben -- aber auch weiter nichts , keine Waffenschwester ; denn einem Heros schadet eine Heroine sehr .
In den starken Jüngling zieht die Freundschaft eher als die Liebe ein ; jene erscheint wie die Lerche im Vorfrühlinge des Lebens und geht erst im späten Herbste fort ; diese kommt und fliehet wie die Wachtel , mit der warmen Zeit .
Albano hörte schon diese Lerche unsichtbar in den Lüften über ihm schmettern ; er fand einen Freund , nicht in Blumenbühl , nicht in der Lindenstadt , an keinem Orte , sondern in seiner -- Brust ; aber diesen hieß er -- Roquairol .
Die Sache war diese : für Leute , wie ich , ist das Landleben der Honig , worin sie die Pille des Stadtlebens einnehmen ; Falterle hingegen brachte das bittere Landleben nicht ohne die Versilberung des Stadtlebens hinunter ; wöchentlich lief er dreimal nach Pestiz , entweder in die Logen der Liebhabertheater als Dramaturg oder auf diese selber als Akteur .
Nun nahm er jedesmal sein Rollenbüchlein aufs Dorf hinaus und studierte da -- im Vertrauen auf die Komödienprobe -- seine Rolle insularisch ohne die kollegialischen ein ; so wie noch jeder Staatsdiener seine ohne einen Blick in die mitspielenden memoriert ; daher jeder von uns nur aus Einer Seelenkraft besteht , und , wie in der russischen Jagdmusik , nur Einen Ton zu pfeifen weiß und seine Stärke ins Pausieren setzen muß . --
In diesen von Falterle geliehenen Bruchstücken der Bühne ging nun Albano mit einem Entzücken herum , das jener bald höher zu treiben suchte , durch den Tausche der ganzen dramatischen Weltgloben gegen diese Kugelsektoren .
Der Wiener hatte ihm längst den selbstmörderischen Wildfang Roquairol als ein Genie im Lernen -- besonders sich als eines im Lehren -- vorgelobt ; jetzt führte er den Beweis aus den großen Rollen , die der Wildfang immer gut spiele , Übrigens war es nicht seine Schuld , daß er den Ministers Sohn nicht ungemein heruntersetzte , dem er nicht nur die theatralischen Siege beneidete , sondern auch die erotischen .
Denn der phantasiereiche Roquairol hatte mit dem Selbstschusse des 13ten Jahres das ganze weibliche Geschlecht salutiert und gewonnen und sich zum Opferpriester aus einem Opfertiere gemacht und zum Regisseur des ans Liebhabertheater gestoßenen Liebhaberinnentheater , indes der scheue blöde Falterle mit seiner todtgebohrnen Phantasie keine Schöne zu einem anderen Schritte brachte , als zum Rückpas im Menuett , und statt der Setzung seines Ich_es zu nichts als zur Fingersetzung .
Aber der Eitle kann anderen kein Lob versagen , das sein eigenes wird .
Wie mußte das alles unseren Freund für einen Jüngling gewinnen , den er bald als Karl Moor -- bald als Hamlet -- als Klavigo -- als Egmont durch seine Seele gehen sah ! --
Was den bekannten Retudenschuß in früheren Jubelperioden anlangt , so mußte unser so unerfahrener Herkules , den der blanke Dolch des Kato blendete , einem so verwandten Herakliden den Schuß als eine seiner tragischen 12 Arbeiten anrechnen .
-- Der Lehnprobst Hafenreffer erzählt sogar , Albano habe einmal mit dem Wiener , der längst aus einem Schullehrer zu einem Schulkameraden herunter war , über die schönsten Todesarten gestritten und sei gegen den sanften Falterle , der sich für den Schlaftrunk erklärte , auf Roquairols Seite getreten , sogar mit dem stärkeren Zusatze : " am " liebsten stieg ' er auf einen Turm und zöge " den Wetterstrahl auf seinen Kopf ! " --
Im letzteren zeigt er das hohe Gefühl der Alten , die den Donnertod für keine Verdammnis , sondern für eine Vergötterung hielten ; sollte aber nicht der Körper etwas dabei tun , da seine Ellenbogen und seine Haare oft im Finsteren elektrisches Feuer aussprühen und sein Kopf in der Wiege mehrmals einen heiligen Zirkel ausstrahlt ?
Der Lehnprobst ist sehr dafür . -- --
Albano konnte sein feuriges Herz am Ende nicht anders kühlen als daß er Papier nahm und an den Unsichtbaren schrieb und es dem Wiener zu bestellen gab .
Falterle , der die Gefälligkeit selber war -- und dabei auch die Unwahrheit selber -- , nahm trotz seiner Abneigung gegen Roquairol die Briefe herzlich gern mit , -- " ich bin beim Minister ja wie zu " Hause " sagte er -- , bestellte aber , da er sowohl im stolzen Froulayschen Palaste als bei dem Sohne wenig galt , keinen einzigen und brachte bloß jedesmal eine neue gültige Ursache mit , warum Roquairol nicht darauf antworten können ; er war entweder zu sehr in der Arbeit oder auf dem Krankenstuhle -- oder in Gesellschaft -- jedesmal aber entzückt darüber gewesen ; -- und unser argloser Jüngling glaubte alles fest und schrieb und hoffte fort .
Vom Legationsrate wäre ' es brav gewesen , wenn er mich , falls er anders konnte , sich verbindlich gemacht und mir Albanos Palme-Blätter eines liebenden Herzens eingeliefert hätte ; nicht für das Archiv dieses Buchs , sondern bloß für meine Manualakten , für den Blumenblätterkatalog , den ich mir zu eigenem Gebrauche von Albano's Nelkenflore hefte und leime . --
20. Zykel .
Plötzlich wurde unser Zesara , der in die Jahre trat , wo der Gesang der Dichter und der Nachtigallen tiefer in die aufgeweichte Seele quellt , ein anderer Mensch .
Er wurde stiller und wilder zugleich , sanfter und aufbrausender , wie er denn einmal einem unter Prügeln schreienden Hunde im wildesten Harnische zu Hilfe lief -- Himmel und Erde , die bisher in ihm wie nach dem ägyptischen Systeme , in einander gelegen , nämlich das Ideal und die Wirklichkeit , arbeiteten sich voneinander los und der Himmel stieg rein und hoch und glänzend zurück -- über die innere Welt ging eine Sonne auf und über die äußere ein Mond , aber beide Welten und Halbkugeln zogen sich zu einer ganzen an -- sein Ausschritt wurde langsamer , sein helles Auge träumerisch , seine Athleten-Gymnastik seltener -- er mußte jetzt alle Menschen wärmer lieben und sie näher fühlen , und er fiel oft seiner Pflegemutter mit geschlossenen Augen zitternd um den Hals oder nahm draußen im Freien von dem verreisenden Pflegevater einen einsameren und heißeren Abschied .
-- Und nun wurde vor solchen reinen und scharfen Augen der Ifis-Schleier der Natur durchsichtig und eine lebendige Göttin blickte mit seelenvollen Zügen darunter in sein Herz .
Ach als wenn er seine Mutter fände , so fand er jetzt die Natur -- jetzt erst wusste er , was der Frühling sei und der Mond und das Morgenrot und die Sternennacht . . . . . Ach wir haben es alle einmal gewußt , wir wurden alle einmal von der Morgenröte des Lebens gefärbt !
. . . . O warum achten wir nicht alle ersten Regungen der menschlichen Natur für heilig , als Erstlinge für den göttlichen Altar ?
Es gibt ja nichts Reineres und Wärmeres als unsere erste Freundschaft , unsere erste Liebe , unser erstes Streben nach Wahrheiten , unser erstes Gefühl für die Natur ; wie Adam , werden wir erst aus Unsterblichen Sterbliche ; wie Ägypter werden wir früher von Göttern als Menschen regiert ; -- und das Ideal eilet der Wirklichkeit wie bei einigen Bäumen , die weichen Blüten den breiten rohen Blättern vor , damit nicht diese sich vor das Stäuben und Befruchten jener stellen .
-- Wenn oft Albano von seinen inneren und äußeren Irrgängen nach Hause kam , zugleich trunken und durstig -- zugleich mit geschlossenen Sinnen und mit geschärften , träumend aber wie Schläfer , die das Auslöschen des Lichts herber empfinden -- : so brauchte es freilich wenige kalte Tropfen von kalten Worten , damit die heiße in Fluß gebrachte Seele von den fremden kalten Körpern in Zickzack und Klumpen zerschoß , indes eine warme Form den Guß zur lieblichsten Gestalt geründet hätte .
-- Bei so bewandten Umständen wird sich freilich keiner wundern über das , was ich bald berichten werde .
Der Tanz- Musik- und Fecht- Meister , der wenig auf seine Pas , Griffe und Stöße großtat , aber desto_mehr auf seine ( Reichstags- ) Literatur -- denn die neuen Monatsnamen , die Klopstocksche Rechtschreibung und die lateinischen Lettern in deutschen Briefen hatte er früher in seinen als einer von uns -- wollte dem Wehrfrizischen Hause gern zeigen , daß er ein wenig mehr von Literatur verstehe und da wisse wo der Hase liegt , als andere Wiener ( um so mehr , da er gar nichts las , nicht einmal politische Zeitungen und Romane , weil ihm lebendige wahre Menschen lieber waren ) ; -- er trat daher nie ins Haus , ohne zwei Taschen voll Romane und Verse für Rabette und Albano .
Dazu half seine unendliche Dienstbeflissenheit -- und sein kollegialisches Wettrennen mit Wehmeier im Bilden -- und sein Anteilnehmen am verstummenden Jünglinge , dem er aus den süßen Träumen , die der Rubin * ) des glänzenden jugendlichen Lebens schenkt , mit den exegetischen Traumbüchern , den Dichterwerken helfen wollte .
Die Umwälzung des Jünglings , der nun ganze romantische Verdingens Wiesen abmähte und ganze poetische Huysums Blumenrabatten abpflückte , auch nur leidlich zu schildern , habe ich jetzt wegen der oben versprochenen Wundersache weder Zeit noch Lust ; genug , daß Albano , so * )
Man glaubte sonst , daß ein Rubin angenehme Träume gebe . dasitzend -- der Himmel der Dichtkunst vor ihm aufgetan , das gelobte Land des Romans vor ihm ausgebreitet -- einem Erdballe glich , an welchen mehrere Schwanzsterne sich brausend anwerfen und der mit ihnen gemeinschaftlich aufbrennt .
Allein wie weiter ? der Wiener , das muß ich noch vorher sagen , war ein eitler Narr ( wenigstens in Punkten der Demut , z. B. seiner Zwergfüße , seiner Literatur , seines Glücks bei Weibern ) und ließ besonders durch vertraute Gemälde von Großen und Damen gern auf sein Föderativsystem mit den Originalen schließen .
Der arme Teufel war freilich arm und glaubte mit mehreren Autoren , er und diese hätten -- ungleich dem Salomo , der Weisheit erbat und Gold erhielt -- umgekehrt das Unglück gehabt , nur erstere zu empfangen , indes sie um letzteres geworben .
Kurz aus solchen Gründen wollte er -- im Vorbeigehen gesagt -- gern den Glauben im Wehrfrizischen Hause ausgebreitet wissen , daß er sehr gut stehe bei seiner vorigen Schülerin , der Ministers Tochter -- Liane glaube ich , wenn ich anders anders Hafenreffers Hand richtig lese -- , und daß er sie oft genug sehe und spreche bei ihrer Mutter .
Dazu kam noch , daß kein wahres Wort daran war ; durch den Tempel , worin Liane war , ging kein Durchgang für ihn .
Allein um so weniger konnte er den Direktor vorauslassen , der sie öfters sah und zu Hause immer eifriger lobte , bloß um die rohunschuldige von niemand je erzogene Rabette auszuschelten .
Der Wiener wollte freilich auch noch den Grafen -- dem er nur die Küste der Freundschaftsinsel Roquairols von weitem zeigte , aber keine Anfuhrt zur Landung -- durch die Schwester listig von dem Bruder ablenken , ( er war unvermögend , ihn länger zu belügen und hinzuhalten ) :
denn warum malt er_es ihm so lange aus , wie giftig vor einigen Jahren der Nacht- und Todesfrost über den Retraiteschuß des Bruders , den sie zu innig liebe , auf diese so zarten weißen Herzblätter gefallen sei ?
Öfters hing er unter dem Essen breite von Wehrfritz kontrasignierte Meritentafeln von Lianen musikalischen und malerischen Fortschritten auf , um scheinbar seinen Klavier Titan. I. D und Zeichenschüler zu größeren anzutreiben .
Denn wäre es nicht scheinbar : warum klebt er eben so lange Altarsblätter von Lianen Reizen bei Rabatten auf , bei dieser Unparteiischen , die , nur mit Pfarrers- nicht mit Ministers- Töchtern wettrennend , fast so freudig städtische Schönheiten , wie wir Homerische , preisen hörte und vor der nur ein windiger Tropf , der sich vor Weibern aufrecht und im Sattel durch Lobgesänge auf fremde erhalten will , seine auf Lianen anstimmen konnte .
Wahrlich , vor einer so resignierten und neidlosen Seele als Rabette war -- zumal da ihre Gesichtshaut und Hände und Haare nicht am weichsten waren wenigstens härter als die Falterleschen -- wäre ich um keine Medaille in der Welt im Stande gewesen , -- wie er_es doch war -- , den glücklichen Erfolg näher zu kolorieren , womit der Minister um Lianen ungewöhnliche Schönheit der jüngern Jahre durch Erziehung in die jetzigen herüberzubringen , das Seinige getan durch zarte und fast magere Kost -- durch Einschnüren -- durch Zusperren seines Orangeriehauses , dessen Fenster er selten von dieser Blume eines milderen Klimas abhob -- noch weniger hätte ich wie er malen können , daß sie dadurch ein zartes nur aus Pastelstaub zusammengelegtes Gebilde geworden , das die Windstöße des Schicksals und die Passatwinde des Klimas fast zerblasen können -- und daß sie sich wirklich nur mit Seifenspiritus waschen könne und nur mit den weichsten Linnen ohne Schmerzen trockenen und nicht drei Stachelbeeren ohne blutende Finger abnehmen . --
Der flache Wiener , der vor keinem auf einer Bergkuppe stehenden Manne von Stande unten im Sumpfe den Hut abziehen konnte , ohne leise dabei zu sagen : Ihr ganz untertänigster ! und der von vornehmen Leuten höchstens nur im vertrauten oder satirischen Tone ( seine Konnexion zu zeigen ) aber nie im ernsthaft-kritischen sprach , war freilich -- was doch seine Pflicht war -- nicht im Stande , den alten Froulay einen festen scharfen Leichenstein zu heißen , unter welchem zwei so weiche Blumen wie seine Frau mit dem ihr angeschlungenen Efeu , mit Lianen , sich gebogen und gedrückt ans Licht aufwinden .
H. v. Hafenreffer O 2 macht hier zu seiner Ehre -- in Betracht , daß er ein Legationsrat und Lehnprobst ist -- die ganz andere , gefühlvollere Bemerkung , daß die harten Erdschichten solcher Verhältnisse wodurch Lianen Lebensquelle dringen und sickern müsse , diese reiner und heller machen , so wie alle harte Schichten Filtriersteine des Wassers sind -- und alle ihre Reize werden zwar durch ihren Vater Qualen , aber auch alle ihre Qualen durch ihr Dulden Reize . -- --
Aber , guter Zesara !
wenn du nun das alles täglich hören mußt , -- und wenn der Exerzitienmeister ohnehin nicht zu schildern vergisst , wie sie ihn nie mit einer ungehorsamen Mine , oder einer Zögerung gekränkt , wie froh sie ihm die papiernen Stundenmarken und am Ende das Schulgeld oder eine Einladung gebracht -- und wie besorgt und mild und höflich sie gegen ihre Dienerschaft gewesen und wie man hätte denken sollen , ihr Herz könne nicht wärmer werden , als schon die Menschenliebe es mache , hätte man nicht ihre noch heißere Tochterliebe gegen die Mutter gesehen -- -- guter Zesara , sage ich , wenn du das alles neben deinen Romanen vernimmst und noch dazu von der Schwester deines Roquairols , -- weil jeder , wenn es nur halb praktikabel ist , sich gern mit der Schwester seines Freundes einspinnt in Eine Chrysalide -- und noch überdies von einem Mädchen in der geheiligten Lindenstadt , um welche Don Gaspard wie die alten Preußen * ) um ihre Götter-Haine , noch mystische Vorhänge herumzieht -- und was ärger als alles ist , gerade nach deinem 161/2 Jahre , Zesara , wo schon die Moussons und Frühlingswinde der Leidenschaften über die Blutwellen fahren !
Denn früher freilich war_es allerdings von dir mitten im gelehrten Kränzchen von so vielen Linguisten -- d. h. von Büchern der Linguisten -- von Eklektikern -- Ober-Rabinern -- von 10 Weisen aus Morgen- und aus Griechenland -- und wegen der ungemein blendenden Epiktetslampen , die das gedachte Weisen-Dezemvirat Tags-Sterne der Weisen angezündet hatte , da war_es wenig zu vermuten , daß dir Amors Turiner Licht * ) Arnolds Kirchengeschichte von Preußen .
1. B. chen , das er noch unaufgebrochen in der Tasche hatte , sehr ins Auge fallen möchte ! --
Aber jetzt , mein Lieber , jetzt sage ich ! --
Wahrlich nirgends war es uns allen weniger übel zu nehmen , wenn wir ungemein attent darauf sind , was er im 21sten Zykel macht , als im zwanzigsten .
Vierte Jubelperiode .
Hoher Stil der Liebe -- der gothaische Taschenkalender -- Träume auf dem Turme -- das Abendmahl und das Donnerwetter -- die Nachtreise ins Elysium -- neue Akteurs und Bühnen und das Ultimatum der Schuljahre .
21. Zykel .
Wie viele selige Adams von 161/2 Jahren werden gerade jetzt in ihrer Sieste im Grase des Paradieses liegen und aus Teilen ihres eigenen Herzens dessen künftige Schoßjüngerin erschaffen sehen ! --
Aber sie suchen sie nicht wie der erste Adam , neben sich auf der Baustelle sondern recht weit vom eigenen Lager , weil die Ferne des Raums so glänzend verherrlicht wie die Ferne der Zeit .
Daher setzet sich jeder Jüngling mit dem Glauben auf die Post , daß in den Städten , wohin er eingeschrieben ist , ganz andere und göttlichere Madonnen unter der Haustür stehen als in seiner verdammten ; -- und die Jünglinge jener Städte sitzen wieder ihrer Seits auf dem ankommenden Postwagen und fahren hoffend in seine hinein .
-- Ach das klingt für alles , was ich vorhabe , viel zu rauh und roh , und mir ist als bringe ich dem Leser statt des lebendigen fliegenden Rosendufts nur die starre schwere dicke Porzellanrose ! -- Albano , ich will dein stilles , dicht verhangenes Herz aufdecken und aufschließen , damit wir alle darin Lianen Heiligenbild , die aufschwebende Raffaels Marie , aber , wie Heiligengestalten in der Leidenswoche , hinter dem Schleier hängen sehen , den du bebend wegziehest , um es anzubeten , wenn du die Andachtsbücher -- die Romane -- aufschlägst und wenn du darin die Gebete antriffst , die deiner Heiligen gehören .
Sogar mir wird es schwer , nicht , wie du und die Alten , den Namen deiner Schutzgöttin zu verheimlichen -- über innere Geistererscheinungen ( denn äußere sind Körpererscheinungen ) schweiget der Seher gern neun Tage lang -- und bei deinem blöden Glauben an einen tausendmal höheren Tugendgehalt Lianen als deiner ist , und bei deiner heiligen Ehrliebe , die über die fremde wacht , ist dir_es freilich ein Rätsel , wie andere , z. B. der Wiener oder Wehrfritz ohne das geringste Erröten so laut und lieb von ihr sprechen konnten , da du selber kaum wagst , vor anderen viel von ihr zu -- träumen .
Wahrlich , Albano ist ein guter Mensch ! -- ferner , wie vollends eine solche in gediegenen Äther verarzte lichte Psyche wie Liane , etwa gleich dem auferstandenen Christus , Karpfen essen und ausgräten könne -- oder mit den langen hölzernen Heugabeln im Kleinen , den Salatschober im blauen Napfe umstechen -- oder in der Sänfte ein halb Pfund mehr wiegen als ein blauer Schmetterling -- oder wie sie laut lachen könne ( das tat sie aber auch nie , mein Freund ! ) ; alles das und überhaupt der ganze kleine Dienst des beleibten Erdenlebens war dem geflügelten Jünglinge ein Rätsel und eine wahre Unmöglichkeit oder die Wirklichkeit davon eine Fixsternbedeckung :
was soll ich_es verhalten , daß er über ein Paar in welsche Felsen eingestampfte Fußtritte von Engeln schwächer erstaunet wäre als über ein Paar von Lianen in der Erde , und daß er für irgend eine irdische Spur und Reliquie von ihr -- ich nenne nur einen Zwirnwickler oder eine Tambourblume -- nichts geringeres hingegeben hätte als ganze Klaftern vom h. Kreuze samt den Fässern der h. Nägel und mehrere apostolische Kleiderschränke samt den h. Doubletten-Leibern dazu . --
So habe ich oft sehnlich gewünscht , nur ein Pfund Erde vom Monde , oder nur eine Tüte voll Sonnenstäubchen aus der Sonne , vor mir auf dem Tische zu haben und anzugreifen . --
So schweben wir meisten Autoren von Gewicht einem Leser außer Landes , als ähnliche feine ätherische Gebilde vor , von denen schwer zu fassen ist , wie sie nur einen Schnitt Schinken , oder ein Glas Märzbier oder ein Paar Stiefel gebrauchen können ; es ist als wenn die Leute zusammenführen , wenn sie etwas lesen oder sehen müssen von Lessings Rasermesser -- Shakespears englischem Sattel -- Rousseaus Bärenmütze -- des Psalmodisten Davids Nabel -- Homers Ärmel -- Gellerts Zopfband -- Rammlers Schlafmütze -- und der Glatze unter der meinigen , wiewohl sie wenig mehr bedeutet .
-- Der alte Landesdirektor tat zur Heiligsprechung Lianen -- da eine Jungfrau durch nichts so viel bei einem Jünglinge gewinnt als durch Lobreden , die ihr seine Eltern geben -- dadurch ansehnliche Zuschüsse , daß er die ländlich- und wie er selber lachende Rabette häufig mit jener wog , und seine nachgiebige Frau heimlich mit der strengen Ministerin ; er nahm dann Gelegenheit , auseinander zu setzen , nach welchen strengen Regeln des reinen Satzes diese Kontrapunktistin die melodischen Töne Lianen harmonisch ordne und wie sie besonders Rohheit und Gelächter ausmerze .
Die weiblichen Seelen sind Pfauen , deren Juwelen-Gefieder man in reinen und geweißten Wohnungen unterbringen muß , indes unsere in Entenställen sauber bleiben .
-- Albano zeichnete sich Mutter und Tochter bloß in den doppelten Gestalten vor , worin uns Maler die Engel geben , nämlich die verständige strenge Mutter als einen der in einer langen Wolke steckt nur mit dem Kopfe sichtbar , und Liane als ein verklärtes Kind , das mit den zarten Flügeln eine weiße Wolke umflattert .
-- Nur etwas , und wäre es eine verblichene zerfallene Rose aus -- Seide , wünscht er sich herzlich aus Pestiz , -- und konnte doch verschämt den Wiener um nichts ersuchen als ganz zuletzt nach langem Sinnen , obwohl verräterisch-erglühend um eine -- Stunden-Marke ; " denn er habe noch keine gesehen " sagte er .
-- Falterle hatte noch eine in der Tasche -- die Zahl 15 , Lianen voriges Alter , stand darauf -- sie konnte die Zahl recht gut geschrieben haben -- etwas war_es immer .
Ach konnte er denn den Direktor nicht lieber um Romane aus der Handbibliothek der Ministerin angehen , in welchen die Tochter gewiß gelesen , ja sogar einige Lesezeichen vergessen haben wird ? --
Er tat es auch ; aber Wehrfritz verwünschte und verurteilte zuerst alle Romane als vergiftete Briefe ; auch vergaß er_es über fünfmal , einige zu fordern ; -- und endlich brachte er ihm einen von Mde .
Genlis mit , samt einem gothaischen Taschenkalender .
Diese Bücher der Seligen -- wogegen meine eigenen Werke und die Alexandriner Bibliothek und die blaue nur elende remittenda sind -- hatten alle Stempel weiblicher Bücher ; denn sie trugen alle Zieraten weiblicher Köpfe , nämlich einen Fingerhut voll Puder wie diese -- seidene Band-Endchen wie diese , als Demarkationslinien und Gedenkzettel der Lektüre -- und einen Wohlgeruch wie diese , ( den Semler auch an alchymischen rühmt ) welchen sie aus den Blüten des Paradieses angezogen zu haben schienen .
Ach seliger Leser des schönsten Buchs , ( ich meine den Grafen ) willst du mehr ? -- Allerdings ; und er fand auch mehr , nämlich hinten im gothaischen Taschenkalender auf den beiden Final-Pergamentblättern die Worte : " Armenkonzert d. 21. Februar " und " Schau " Spiel für die Armen d. 1. Nov. " -- Ich habe auf meiner Jagd nach Mysterien oft auf diesen Blättern die wichtigsten aus dem Busche geklopft .
-- " Das ist ja meiner Schülerin Hand "( sagte Falterle ) -- sie versäumt mit ihrer " Mutter so was selten , weil_es der Minister " nicht leidet , daß sie sonst den Armen viel ge " ben. " -- -- Haltet mich hier nicht mit der Schönheit ihrer Handschrift auf -- da man ohnehin auf Pergament und Schiefer schöner schreibt als auf Papier und da gerade eine Gelehrte ungleich den Gelehrten , mehr Kalligraphie hat als Ungelehrte -- sondern lasst mich zur Wirkung dieser Inkunabeln Lianen eilen , deren Sonntags-Buchstaben einen liebenden Menschen mit lauter inneren hellen Sonntagen bedecken und deren Blätter an Heiligkeit den Briefen gleichen die im Mittelalter vom Himmel auf die Erde fielen .
Erst jetzt war ihm als wenn der fliegende Engel , dessen Schatten nur vorher über die Erde weglief , die Schwingen falte und auf der Laufbahn des Schattens nicht weit vom Stande Albanos die Niederfahrt halte .
Er lernte den gothaischen Taschenkalender auswendig , Da er glaubte , Liane sei viel sanfter und besser als er und da sie ihm wie der Hesperus vorkam , der unter allen Planeten mit der kleinsten Exzentrizität um die Sonne geht , und er sich als der ferne Uranus , des mit der Größe ten tut ; -- und da er nicht ohne schamhafte Wangen-Lohe daran denken konnte , einmal vor der moralischen Politur der Tochter und Mutter mit einer kleineren zurückzustehen :
so wurde er auf einmal ( kein Mensch wußte warum ) leiser , milder , williger , über seine Außenseite wachsamer , dem Wiener folgsamer --
denn Liane war_es ja auch gewesen -- , und sein ganzer Vesuv * ) wurde vom Schleier einer Heiligen gebändigt .
Der Nordamerikaner betet die Gestalt , die ihm in dem Traume erscheint , als seinen Schutzgeist an : o wird nicht oft eben so für den Jüngling ein schöner Traum sein Genius ? --
22. Zykel .
Ein Pfingsten , wie ich_es jetzt beschreiben will , Albano , trifft man außer in der Apostelgeschichte wohl in keiner an , als in deiner ! --
Er hatte bisher oft Lianen Krankengeschichte mit der Taubheit eines markigen Feuer * )
In Catana ist der Schleier der h. Agatha das einzige Gegengift des Ätna . festen Jünglings angehört , als einmal der Direktor es nach Hause brachte , daß die fromme Ministerin die Tochter am ersten Pfingsttage das Abendmahl empfangen lasse , weil sie besorge , der Tod halte solche für eine Erdbeere , die man pflücken müsse ehe sie die Sonne beschienen . --
Ach Albano sah nun schon den Tod unter dem Suchen mit der steinernen Ferse auf die bleichrote Beere tappen und sie ertreten .
Und dann hatte diese Philomele ohne Zunge , weil sie bisher verstummen mußte , ihm wie einer Progne , nur die gemalte Geschichte ihres schweren Daseins gesandt und nur die Pergamentblätter ! --
Alle liebenden Empfindungen gehen , wie Gewächse , bei gewitterhafter Luft des Lebens schneller in die Höhe ; Albano fühlte zugleich ein weites tiefes Weh und eine quälende Fieber-Wärme in seinen vom Tode ausgehöhlten Herzen .
-- Auf eine sonderbare Art mengten sich bei seinem musikalischen und poetischen Phantasieren auf dem Österlinschen Flügel die geträumten Töne von Lianen Stimme und das tönende Weinen , die Harmonika , die sie spielen konnte und die er nie gehört , gehört , gleichsam als ihr Schwanengesang mit seinen Harmonien zusammen .
Aber nicht genug :
er schrieb sogar heimlich ein -- Trauerspiel ( du gute Seele ! ) , worin er alle seine zartesten und bittersten Gefühle mit nassen Augen auf fremde Lippen legte -- aber sie fürchterlich anfachte , indem er sie ausdrückte .
-- Jeder kann merken , daß er damit dem Schwätzer und Spione , dem Zufalle , entgehen wollte ; aber nicht jeder merkt -- etwas ganz Eigenes ; in fremdem Namen dürfe er , glaubte er , dem tiefen Schmerze eine heftigere Sprache geben , zu welcher er in seinem vor so vielen stoischen klassischen Helden verschämt den Mut nicht hatte .
So aber konnten die Klassiker nichts anfangen .
Das stille warme Schwärmen wuchs unter dieser bedeckenden heißen Glasglocke noch viel größer ; nämlich dergestalt , daß er die Pflegeeltern rührend bat , ihn am ersten Pfingsttage zum -- h. Abendmahle zu lassen .
Die Baufälligkeit der Dorfkirche , worin man es schwerlich ein Jahr später nehmen konnte , mußte für ihn so gut , wie die körperliche für Liane sprechen .
-- Titan .
I. P Ewig wird den armen durch Leiber und Wüssten zerteilten Menschenseelen die Sehnsucht bleiben , miteinander wenigstens zu gleicher Zeit dasselbe zu tun , zu Einer Stunde Blicke an den Mond , oder Gebete über ihn hinauf ( wie Addison erzählt ) ; und so ist dein Wunsch , Albano , ein menschlicher , zarter , mit deiner unsichtbaren Liane zu Einer Stunde an der Altarstufe zu knien und dann feurig und regierend aufzustehen nach der Krönung des inneren Menschen ! --
Er hatte auf dem stillen Lande den Altar der Religion in seiner Seele hoch und fest gebaut , wie alle Menschen von hoher Phantasie ; auf Bergen stehen immer Tempel und Kapellen .
Aber ich werde ihn nie früher in die Pfingstkirche begleiten als auf den Kirchturm .
Gibt es etwas Trunkeneres als wenn er damals an schönen Sonntagen , sobald durch den weiten Himmel nichts als die schwere Sonne schwamm , zum Glockenstuhle des Turms aufstieg und überdeckt von den brausenden Wellen des Geläutes einsam über die tiefe Erde blickte und an die westlichen Grenzhügel der geliebten Stadt ? --
Wenn alsdann der Sturm des Klanges alles ineinander und zusammenwehte ; und wenn die Juwelenblitze der Teiche und das blumige Lustlager des hüpfenden Frühlings und die roten Schlösser an den weißen Straßen und die langsamen verstreuten Kirchleute zwischen dunkelgrünen Saaten , und der um reiche Auen gegürtete Strom und die blauen Berge , diese rauchenden Altäre der Morgenopfer , und der ganze ausgedehnte Glanz der Sichtbarkeit ihn dämmernd überfüllte und ihm alles wie eine dunkle Traum- Landschaft erschien : o dann ging sein inneres Kolosseum voll stiller Götterformen der geistigen Antike auf und der Fackelschein der Phantasie * ) glitt auf ihnen als ein spielendes wandelndes magisches Leben umher -- -- und da sah er unter den Göttern einen Freund und eine Geliebte ruhen und er glühte und zitterte .
. . .
Dann schwankten die Glocken bang * ) Anspielung auf die Fackeln , vor denen man das Kolosseum und die Antiken -- und die Gletscher , die beides sind -- magischer glänzen sieht . P 2 verstummend aus -- er trat vom hellen Frühlinge in den dunklen Turm zurück -- er heftete das Auge nur an die leere blaue Nacht vor ihm , in welche die ferne Erde nichts heraufwarf , als zuweilen einen verwehten Schmetterling , eine vorbeikreuzend Schwalbe und eine vorüberwogende Taube -- der blaue Schleier des Äthers * ) flatterte tausendfach gefaltet über verhüllten Göttern in der Weite -- o dann , dann mußte das berückte Herz verlassen ausrufen : ach wo sind ich , wo finde ich in den weiten Räumen , in dem kurzen Leben die Seelen , die ich ewig liebe und so innig ? --
Ach du Lieber , was wird denn schmerzlicher und länger gesucht als ein Herz ?
Wenn der Mensch vor dem Meere und auf Gebirgen und vor Pyramiden und Ruinen und vor dem Unglücke steht und sich erhebt , so strecket er die Arme nach der großen Freundschaft aus . --
Und wenn ihn die Tonkunst und der Mond und der * )
Wie die Himmelskönigin , Juno , von den Alten immer blau verschleiert wird .
Hagedorn über die Malerei .
Frühling und die Freudentränen sanft bewegen , so zergeht sein Herz und er will die Liebe . --
Und wer beide nie suchte , ist tausendmal ärmer als wer beide verlor . -- --
Lasst uns jetzt in die Pfingstkirche treten , wo der tiefe Strom seiner Phantasie zum erstenmal in seinem Leben übertrat und sein Herz weit fortriß und damit in einem neuen Bette brauste ; ein physisches Gewitter hatte sich in diesen Strom ergossen .
Schon am Morgen stand der schwarze Pulverturm einer Gewitterwolke stumm neben der heißen Sonne und wurde an ihr glühend und nur zuweilen entfiel einer fernen fremden Wolke unter dem Gottesdienste ein Schlag auf die Feuertrommel ; aber als Albano vor den Altar mit erhobenen verklärten Gefühlen trat und als er seine Liebe für Liane nur in ein inniges Beten für sie verkleidete und in ein Gemälde ihrer heutigen Andacht und ihrer blassen Gestalt im frommen dunklen Braut-Putze und als er sanft fühlte , jetzt sei seine gereinigte geheiligte Seele dieser schönen werter :
so rückte das Gewitter mit allen seinen spielenden Kriegsmaschinen und Totenorgeln * ) von der Lindenstadt herüber und trat bewaffnet und heiß über die Kirche .
-- Aber Albano im Bewußtsein einer heiligen Begeisterung erschrak nicht , sondern er dachte , schon als er das ferne Rollen der fallenden Lauwine hörte , bloß an Lianen und an das Einschlagen in die Kirche zu Lindenstadt -- und nun als die Sonne den Pulverturm der Wetterwolke über ihm mit ihren heißen Blicken entzündete und in tausend Blitze und Schläge zersprengte : dann jagte ihm seine von den Alten genährte Achtung für den Donnertod die schreckliche Vermutung ins Herz , Liane sei ihm nun gestorben in der Glorie der verklärten Frömmigkeit . --
O dann musste er ja auch glauben , daß ihn jetzt die Schwinge des Blitzes über die Wolken schlage .
-- Und als lange Blitze um die Heiligen und die Engel des Altars loderten und als das zitternde stärkere Singen und das Wetterläuten der vertrauten Glocken und die vollströmende Orgel sich mit dem zusammenbrechenden * )
Eine alte Maschine , die viele Schüsse auf einmal tut .
Donner vermischte und er im betäubenden Getöse einen hohen feinen Orgelton vernahm , den er für den ungehörten der Harmonika hielt :
da stieg er vergöttert auf dem Triumph- und Donnerwagen neben seiner Liane ein -- der Theatervorhang des Lebens und die Bühne brannten unter ihnen ab -- und sie flogen verbunden und leuchtend in den kühlen reinen Äther weiter hinauf .
. . .
Aber die zwölfte Stunde vertrieb diese Geistererscheinungen und das Gewitter -- Albano trat heraus in einen blaueren Kühlern luftigen Himmel -- und die glänzende Sonne lachte freundlich die erschrockene Erde an , der noch die hellen Tränen in allen ihren Blumenaugen zitterten .
-- Da nun Albano Nachmittags noch den friedlichen Durchzug des Donners durch Lianen Stadt vernahm :
so wurde durch den Glauben an ihr neuversichertes Leben -- und durch das sanfte Mattgold der ausruhenden Phantasie -- und durch die heilige Stille der bekehrten Brust -- und durch die innigere Liebe , aus allen Gegenden seiner Seele ein abendro These magisches Arkadien -- -- und nie betrat ein Mensch ein holderes . -- --
23. Zykel .
Es kommt nicht bloß aus meiner Gefälligkeit gegen die Lese-Nachwelt her , mein lieber Zesara , sondern auch aus einer wirklichen gegen dich , daß ich alle Akte in diesem Schäferspiele deines Lebens so treu nachschreibe -- in deinen alten Tagen sollen dir diese melodischen labend aus meinem Buche nachklingen und du sollst abends nach deinen Arbeiten nichts lieber lesen als meine hier .
Die folgende Nacht verdient ihren Zykel .
Bald nach Pfingsten wurde er mit wöchentlichen medizinischen Bedenken über ein neues Kranksein der armen Liane gequält , das am Abendmahlstage , gleich als hätte er recht geahnt begonnen hatte .
Er hörte , daß sie in Lila , dem Lust- und Wohngarten des alten Fürsten , nebst ihrem Bruder lebe oder leide , von dessen Schweigen jetzt der Wiener an 1001 Ursachen aufgebracht hatte .
Um Lila , obwohl nahe an Pestiz , hatte sein Vater keine Sperrketten gezogen -- Lianen Nachtlicht konnte ihm vielleicht entgegenschimmern , oder gar ihre Harmonika entgegentönen -- ja ihr Bruder konnte wohl noch im Garten herumgehen -- die Junius-Nacht war ohnehin hell und herrlich -- -- ach kurz er ging .
Es war spät und still , weit außer dem schlafenden Dorfe ohne Lichter konnte er die Flötenstücke der Stubenuhr im Schlosse , noch auf dem Pestizer Berge vernehmen .
Es erquickte ihn , daß sein Weg eine Strecke lang auf der Lindenstädter Chaussée fortlief .
Er drückte das Auge an die westlichen Berge fest , wo die Sterne Ihr wie weiße Blüten zuzufallen schienen .
Oben auf der weiten Höhe , dem Herkules Scheidewege lief der rechte Arm hinunter und wand sich dem blühenden Lila durch Haine und Auen zu .
Schreite nur freudentrunken voll junger lichter Bilder durch die italienische Nacht , die um dich schimmert und duftet und die wie über Hesperien nicht weit vom warmen Monde einen vergoldeten Abendstern * ) im blauen Westen aufhängt , gleichsam über der Wohnung der geliebten Seele . Dir und deinen jungen Augen werfen die Sterne nur Hoffnungen , noch keine Erinnerungen herunter , du hast einen abgebrochenen starren Apfelzweig voll roter Blütenknospen in der Hand , die wie Unglückliche zu blassen werden , wenn sie aufblühen , aber du machst noch nicht solche Anwendungen davon wie wir .
Jetzt stand er in einer Talrinne vor Lila glühend und bange , das aber ein sonderbarer runder Wald aus Laubengängen noch versteckte .
Der Wald wuchs in der Mitte zu einem blühenden Berge auf , den breite Sonnenblumen , Fruchtschnüre von Kirschen und blinkende Silberpappeln und Rosenbäume in so künstlicher Verschränkung einhüllten und umliefen , daß er vor den malerischen Irrlichtern des Mondes ein einziger ungeheurer Kesselbaum voll Früchte und Blüten zu sein schien .
Albano wollte sei * )
In Italien sehen die Sterne nicht silbern , sondern golden aus . einen Wipfel besteigen , gleichsam die Sternwarte des unten ausgebreiteten Himmels oder Lilars ; er fand endlich am Walde einen offenen Laubengang .
Die Lauben drehten ihn in Schraubengängen in eine immer tiefere Nacht hinein , durch welche nicht der Mond sondern nur die stummen Blitze brechen konnten , von denen der warme Himmel ohne Wolken überschwoll .
Der Berg hob die Zauberkreise immer kleiner aus den Blättern in die Blüten hinauf -- zwei nackte Kinder hatten unter Myrten die Arme liebkosend einander um die zugeneigten Köpfe gelegt , es waren die Statuen von Amor und Psyche -- Rosennachtfalter leckten mit kurzen Zungen den Honigtau von den Blättern ab und die Johanniswürmchen , gleichsam abgesprungene Funken der Abendglut , wehten wie Goldfaden um die Rosenbüsche -- er stieg zwischen Gipfeln und Wurzeln hinter dem aromatischen Treppengeländer gen Himmel , aber die kleine mit ihm herumlaufende Spiralallee verhing die Sterne mit purpurnen Nachtviolen und die tiefen Gärten mit Orangegipfeln -- endlich sprang er von der obersten Sprosse seiner Jakobsleiter mit allen Sinnen in einen unbedeckten lebendigen Himmel hinaus ; ein lichter Berggipfel nur von Blumenkelchen buntgesäumt , empfing ihn und wiegte ihn unter den Sternen und ein weißer Altar leuchtete hell neben ihm im Mondlichte . -- --
Aber schaue hinunter , feuriger Mensch mit deinem frischen Herzen voll Jugend , auf das herrliche unermeßliche Zauber-Lilar !
Eine dämmernde zweite Welt , wie leise Töne sie uns malen , ein offener Morgentraum dehnt sich vor dir mit hohen Triumphtoren , mit lispelnden Irrgängen , mit glückseligen Inseln aus -- der helle Schnee des gesunkenen Mondes liegt nur noch auf den Hainen und Triumphbogen und auf dem Silberstaube der Springwasser , und die aus allen Wassern und Tälern quellende Nacht schwimmt über die elysischen Felder des himmlischen Schattenreichs , in welchem dem irdischen Gedächtnisse die unbekannten Gestalten wie hiesige Otaheiti-Ufer , Hirtenländer , daphnische Haine und Pappelinseln erscheinen -- seltsame Lichter schweifen durch das dunkle Laub und alles ist zauberisch-verworren -- was bedeuten jene hohen offenen Tore oder Bogen und die durchbrochenen Haine und der rötliche Glanz hinter ihnen und ein weißes Kind unter Orangelilien und Goldblumen schlafend , aus deren Kelchen weiche Flammen perlen * ) gleichsam als wären Engel zu nahe über sie hingeflogen -- die Blitze erleuchten Schwanen , die unter lichttrunkenen Nebeln auf den Wellen schlafen , und ihre Flammen lodern golden nach in den tiefen Bäumen , ** ) wie Goldfische den brennenden Rücken aus dem Wasser drehen -- und selber um deine Bergspitze , Albano , schauen dich die großen Augen der Sonnenblumen feurig an , gleichsam von den Funken der Johanniswürmchen entzündet . -- --
" Und in diesem Reiche des Lichts ( dachte " zitternd Albano ) verbirgt sich der stille En * )
Bei gewitterhafter Luft steigen aus Orangelilien , Goldblumen , Sonnenblumen , indischen Nelken etc. kleine Flammen . ** ) Wahrscheinlich auf flatternden Goldblechen gegen die Vögel .
" gell meiner Zukunft und verklärt es , wenn er " erscheint . --
O wo wohnest du , gute Liane ?
" In jenem weißen Tempel ?
-- Oder in der " Laube zwischen den Rosenfeldern ? --
Oder " drüben im grünen arkadischen Häuschen ? " --
Wenn die Liebe schon Schmerzen zu Freuden macht und den Schattenkegel der Erde zum Sternenkegel aufrichtet , o wie wird sie erst die Entzückung bezaubern !
-- Albano war in diesem äußeren und inneren Glanze unvermögend , sich Lianen krank zu denken ; er dachte sich jetzt bloß die selige Zukunft und kniete sehnsüchtig und umfassend an dem Altare nieder -- er blickte nach dem glänzenden Garten und malte es sich , wie es wäre , wenn er einmal mit Ihr jede Insel dieses Edens beträte -- wenn die heilige Natur seine und Ihre Hände auf diesen Altarstufen ineinander legte -- wenn er Ihr unterwegs das Hesperien des Lebens , das Hirtenland der ersten Liebe zeichnete und ihr frommes Jauchzen und ihr süßes Weinen und wenn er sich dann nicht umsehen könnte nach den Augen des weichsten Herzens , weil er schon wüßte , daß sie überfließen vor Seligkeit . --
Jetzt sah er im Mondscheine über die Triumphbogen zwei beleuchtete Gestalten wie Geister gehen ; aber seine brennende Seele fuhr im Malen fort und er dachte es sich , wie er vor ihr wenn die Nachtigallen in diesem Eden schlagen , wahnsinnig-liebend sagen würde : " O Liane , " ich trug dich früh in meinem Herzen -- einst " Mals droben auf jenem Berge , als du krank " warst. " -- -- -- Hier kam er erschrocken zu sich -- er war ja auf dem Berge -- aber er hatte die Krankheit vergessen .
-- Nun legte er kniend die Arme um den kalten Stein und betete für die , die er so liebte , und die gewiß auch hier gebetet ; und ihm sank weinend und verdunkelt das Haupt auf den Altar .
Er hörte nähere Menschenschritte unten am Schneckenberge und furchtsam-freudig dachte er daran , es könne sein Vater sein ; aber er blieb kühn auf den Knien .
-- Endlich trat über den Blumenrand ein großer gebückter Greis herein , ähnlich dem edlen Bischof von Spangenberg , das ruhige Angesicht lächelte voll ewiger Liebe und keine Schmerzen standen darauf und keine schien es zu fürchten .
Der Alte drückte dem Jünglinge stumm und erfreut die Hände zum Fortbeten zusammen , kniete neben ihn hin und jene Entzückung , zu welcher öfteres Beten verklärt , breitete den Heiligenschein über die Gestalt voll Jahre .
-- Sonderbar war diese Vereinigung und dieses Schweigen .
Die nur noch aus der Erde ragende Trümmer des Mondes brannte düsterer ; endlich sank sie ein ; da stand der Alte auf und tat mit der aus Gewohnheit der Andacht kommenden Leichtigkeit des Übergangs Fragen über Albano's Namen und Ort ; -- nach der Antwort sagt ' er bloß : " bete un " terwegs zu Gott dem Allgütigen , lieber Sohn , " -- und gehe schlafen , ehe das Gewitter " kommt . "
-- Nie kann diese Stimme und Gestalt aus Albano's Herzen weggehen ; die Seele des alten Mannes ragte , wie die Sonne bei der ringförmigen Finsternis , über den dunklen Körper , der sie mit seiner Moder-Erde überdecken wollte , mit dem ganzen Rande leuchtend hinaus .
-- Tief bis an die Nervenanfänge getroffen , stand Albano auf und die breiteren Blitze Blitze zeigten ihm jetzt drunten neben dem Zaubergarten einen zweiten düstern , verwickelten , schrecklichen , gleichsam den Tartarus des Elysiums . --
Er schied mit seltsamen gegeneinandergehenden Gefühlen -- die Zukunft und die Menschen darin schienen ihm unterwegs ganz nahe zu stehen und hinter dem durchsichtigen Vorhange schon als Theaterlichter hin- und herzulaufen -- und er sehnte sich nach einer schweren Tat , als nach der Erquickung dieses entzündeten Herzens ; aber er mußte das innere Steppenfeuer auf das Kopfküssen betten ; und in sein Einträumen mischte sich der hohe Donner wie ein Gott der Nacht mit den ersten Schlägen .
24. Zykel .
Der alte unbekannte Mann blieb viele Tage lang in Albanos Seele stehen und wollte nicht weichen .
Überhaupt war jetzt dem Bette seines Lebens eine Krümmung nötig , die den Zug des Stromes brach .
Menschen wie ihn kann das Schicksal nur durch den Wechsel der Lagen bilden , so wie Schwache nur durch den Titan .
I. Q Bestand derselben .
Denn ging es länger so fort und kam der Kronleuchter in seinem Tempel durch innere Erdstöße in immer größere Schwankungen :
so konnte ' am Ende keine Kerze mehr darauf Fortbrennen .
Welche Reichstags-Beschwerden führen nicht schon Wehrfritz und Hafenreffer verbunden darüber , daß der Schiffspatron Blanchard in Blumenbühl mit seinen ärostatischen Seifenblasen aufstieg und daß Zesara beinahe durch den ganzen Despotismus des Direktors kaum von dem Einschiffen abzuhalten war ?
Und wie göttlich stellte er sich es nicht vor , nicht nur der Erde ihre Eisenringe und Haftbefehle herunterzuwerfen und über alle ihre Markthaufen und Grenzbäume und Herkulessäulen steilrecht wegzufliegen und als ein Sternbild um sie zu ziehen , sondern auch über dem magischen Lila und der plombierten Lindenstadt mit verschlingenden Augen zu schweben und eine ganze schwere volle Welt an der Handhabe Eines Blicks zum durstigen Herzen zu heben ? --
Aber das Schicksal brach den Fall dieses schnellen Stroms .
Es wollte nämlich zum Glück schon lange die Blumenbühle Kirche täglich einfallen -- und ich wollte , der Pfingstdonner wäre darein gefahren und hätte der Baudirektion Ohren und Beine gemacht -- als zu noch größerem Glück der alte Fürst unpäßlich wurde .
In der Kirche war nun das Erbbegräbnis des Fürsten , das nicht schicklich wieder das Erbbegräbnis der Kirche werden konnte .
Es mußte sich treffen , daß die alte Fürstin mit dem Minister Froulay durch das Dorf passierte .
Beide hatten sich längst zu Reichsvikarin und Geschäfts- und Zepterträgern des Staates bevogtet , weil der alte matte Herr gern die Spiele und die Bürden , den Glimmer und das Gewicht der Krone weggegeben und jene beiden Lehnsvormünder ins Erbamt des Zepters eingelassen hatte . --
Kurz das Alter der Kirche entschied neben dem Alter des Fürstenpaars die Baute einer neuen Bedachung und Kapsel für die Gruft .
Der Landschaftsdirektor besichtigte mit ; und invitierte die vornehme Gesellschaft in sein Haus , in welcher aus dem Gefolge besonders der Landbaumeister Dian und der Kunstrat Q 2 Fraischdörfer als Kunstverständige , und die kleine Prinzessin als Naturverständige auszuheben sind .
Der arme Tanzmeister bekam durch ein Sehrohr Wind von dem Zuge , als er die Füße voll Pas eben in ein warmes Fußbad streckte .
Es wird niemand vergnügen , daß der Wiener das einzige mit dem Magister gemein hatte , was der Teufel mit dem Pferde , nämlich den Fuß , der seine guten anderthalb Pariser Fuß maß ; und daß daher sein doppelter Wurzelast in den engen Treibscherben von Schuhen zu einem fruchttragenden Knotenstock voll Okulird. h. Hühneraugen ausschlug .
Heute hätte er diese gordischen Knoten im Fußbade zerschnitten ; aber so musste er bei einer solchen Visite -- wiewohl er sie nie ausgezogen -- seine engsten Kinderschuhe anlegen um Effekt zu tun .
So fangen sich die Menschen oft mit zu leichten , wie die Affen mit zu schweren Schuhen .
Albano hingegen stand auf Kothurnen .
Jeder überhaupt , der nur aus Pestiz kam , hatte für ihn geweihte h. Erde an den Sohlen ; und hier sah er mit der liebenden Achtung eines Dorfjünglings der bejahrten , aber rotwangigen und hochstämmigen Fürstin auf das von der Zeit aufgebogene Kinn und ins freundliche Gesicht , das sich in ein ganzes tiefes Haubengebüsch -- vielleicht zur Decke der vielen Lebenslinien -- vergrub .
Sie wiegte diesen Kopf lächelnd-vergleichend , im Wahne der Verschwisterung , zwischen ihm und Rabatten hin und her , weil Mütter immer an Müttern zuerst nach den Kindern sehen .
Er hätte es noch wissen sollen , daß er eine Freundin Lianen an der kleinen krausköpfigen Prinzessin vor sich hatte , die , wiewohl schon in seinem Alter , noch mit einer freundlichen Lebhaftigkeit , die nie vom Hofmarschallamte unterschrieben werden kann , an alle hinansah und sogar Rabatten bei der Hand nahm und ihr ein unbeschreiblich-gutmütiges und steifes Anlachen abzwang .
Furchtbar kam ihm der Minister vor , ein Mann voll starker Partien an Leib und Seele , voll reißender würgender nur an Blumenketten liegender Leidenschaften und von welchem , obwohl sein hartes Gesicht erst höflich mit freundlichen 12 himmlischen Zeichen von Liebe überschrie ben war , doch nicht sonderlich einleuchten wollte , wie von der nerven-weichen Liane ein Mann der Vater und Führer sein könne , bei welchem die Eisenteile , deren der Mensch mehrere im Blute trägt , als irgend ein Tier , sich nicht wie bei Göze , auf die Hand geworfen hatten , sondern auf die Stirn und das Herz .
Ich gehe über das einzige Glied in der Gesellschaft , das Albanen unausstehlich war , nur flüchtig weg , über den Kunstrat Fraischdörfer , der sein Gesicht wie die Draperie der Alten , in einfache edle große Falten geworfen hatte .
Vor vielen Jahren wollte er nämlich unseren verschämten kleinen Helden bis auf die Herzgrube zum Sitzen haben , um dessen Gesicht und breite hohe , aus der Hemdkrause glänzende Platosbrust ich weiß nicht ob nachzupinseln oder nachzubossieren .
Allein das verschämte Kind schlug mit Händen und Füßen um sich und es war ihm nichts nachzumünzen alo das nackte Gesicht ohne das Postament , den Thorax .
-- Hingegen vor mir , liebe Akademie , mußt du nun Jahre lang wie ein Stylet auf dem Modell-Stative aushalten und mei einer Reißfeder deinen Kopf und deine Brust samt ihrem Kubikinhalt bloß stellen , der Gruppierungen gar nicht zu gedenken ! --
Seiner edlen Gestalt hatte er es vielleicht zu danken , daß der schöngebildete geradnasige und herrlich-schlanke Grieche Dian mit seinem Rabenhaare und schwarzen Adlerauge , der in jeder gelenken Bewegung eine höhere Freiheit des Anstands zeigte als in Tanz- und Cour- Zimmern gewonnen wird , feurig zu ihm trat und mit wenigen Blicken dem tiefen , aber reinen Meere des Jünglings auf den grünenden Boden und auf die Perlenbänke sah .
Albano stellte mit seiner zu lauten heftigen Stimme , mit seinen ehrerbietigen , aber scharf aufschlagenden Blicken , mit seiner eingewurzelten Stellung eine holde Mischung von innerer Kultur und Übermacht mit äußerer ländlicher Errötung und Milde dar , gleichsam einen noch zu keinem Tulpenbeete verschnittenen Tulpenbaum , eine ländliche Eremitage und Waldklafter mit goldener Ausmeublirung .
-- Er hatte die Fehler der einsiedlerischen Jugend ; aber Menschen und Win terrettiche muß man weit säen , damit sie groß werden ; engstehende Menschen und Bäume haben zwar einen schlankeren Stangenschuß , aber keine Wetterfestigkeit , keine so reiche Krone und Aestung wie freistehende .
-- Mit der unbefangensten Herrlichkeit entdeckte der Baumeister dem glühenden Jünglinge : " sie wür " den sich von nun an jede Woche sehen , da er " täglich , um den Bau der Kirche zu besorgen , " komme. " -- -- -- Das ganze Wehrfrizische Haus guckt jetzt dem hohen Zuge bis auf das letzte verschwindende Wagenrad hinterdrein und ist doch begierig , über das nachduftend Lavendelwasser der Freude drei Worte zu sagen , das der Zug in alle Winkel und auf alle Möbeln verspritzet hatte .
Vom Exerzizienmeister an , der mit den Kompressionsmaschinen an den Füßen bloß bis an die Knorren im Fegefeuer stand und dann bis an den Wirbel im Himmel , weil die gesprächige Prinzessin sich seiner fünf Positionen sehr gut entsonnen hatte -- bis zur bescheidenen Rabette , der Lobrednerin ihrer Siegerin , -- und bis zu Alpinen , der an einer Fürstin die warme Mutterliebe gegen die Prinzessin wohltat -- und bis zum Direktor , den die schönbestandene Klingen- und Ankerprobe des Pflegesohns und die allgemeine Redlichkeit dieses bekehrten Weltteils der großen Welt nachfreute , weil der Mann es nie behielt , daß Fürsten und Minister , so wie sie in ihrer Garderobe Berghabite zum Einfahren haben , auch Direktoratsanzüge , Justiz-Wildschure , Konsistorial-Schafspelze und Weiber-Opern- Kleider , in der Anziehstube führen -- von allen diesen Menschen bis zum Direktor wuchs der frohe Nachklang , um in Zesara mit einer -- Lärmkanone aufzuhören : sein Ehrgeiz trat unter Waffen -- sein Freiheitsbaum fuhr in Blüten aus -- die Standarten seiner Jugend- Wünsche wurden eingeweiht und flatterten aufgewickelt im Himmel -- und auf den Myrtenkranz deckt er einen schweren Helm mit einem glänzenden hoch-aufwallenden Federbusche . . . .
Der folgende Zykel ist bloß dazu gemacht , um anzugeben , wie man das zu nehmen habe .
25. Zykel .
Auch meine Meinung ist_es , daß das antiphonirrende Doppelchor der beiden Erziehungs- Kollegien , Wehmeier und Falterle , unseren Norman bisher so gut erzog , als zwei ähnliche Gymnasiarchen , die Gouvernante England und die Hausfranzösin Frankreich die Kurrentschülerin Deutschland nach den besten Schulbüchern wirklich erzogen haben , so daß wir nun wieder unseres Orts im Stande sind , Polacken zu schulen und solche mit dem Schulbakel aus dem Katheder unserer Fürstenschule herab so viel als nötig zu kantschuen . --
Aber jetzt war zu viel in Albano aufgewacht .
Er fühlte überschwellende Kräfte , die keinen Lehrer fanden -- sein in Italien herumstreifender Vater schien ihn zu versäumen -- den Musensitz Pestiz ( der noch dazu eine Muse mehr hatte ) schien er ihm ungerecht zu versperren -- er wußte oft nicht zu bleiben -- Phantasie , Herz , Blut und Ehrliebe goren .
In solchem Falle ist wie in jedem gehrenden Fasse nichts gefährlicher als ein leerer Raum ( es sei an Kenntnis oder Arbeit ) .
Dian füllte das Fass auf .
Er kam in jeder Woche aus der Stadt , als hätte er das Einhämmern der Kirche so gut nach Rissen zu ordnen als ihr Aufmauern .
Ein Jüngling , der den ersten Griechen sieht , kann_es anfangs gar nicht recht glauben , er hält ihn für klassisch-verklärt und für einen gedruckten Bogen aus dem Plutarch .
Wenn ihm nun gar das Herz so brennt wie meinem , und wenn sein Grieche noch dazu ein Spartische Nachkömmling ist wie Dian , nämlich ein unbesiegter Mainote , der im klassischen Doppelchor der ästhetischen Singschule , in Atiniah ( Athen ) und Roma erzogen worden :
so ist es natürlich daß der begeisterte Jüngling jeden Tag in den Staub- und Moder-Wolken des fallenden Kirchengemäuers steht und darauf wartet , ob sein Heerführer hinter der Wolkensäule vortrete .
Dian begleitete den Geliebten auf seine Spaziergänge -- las oft halbe Nächte mit ihm -- und nahm ihn auf die architektonischen Landreisen mit , die er immer zu machen hatte .
Er führte ihn mit begeisterter Ehrfurcht in die heilige Welt des Homers und des Sophokles ein ; und ging mit ihm unter die höheren , ganz entwickelten , von einseitiger ständischer Kultur noch unverrenkten schöngegliederten Menschen dieses Zwillings-Prometheus , die wie Salomo für alles Menschliche , für Lachen , Weinen , Essen , Fürchten und Hoffen eine Zeit hatten und die bloß die rohe Grenzenlosigkeit flohen ; die auf den Altären aller Götter opferten , aber auf dem der Nemesis zuerst .
Und Dian -- dessen innerer Mensch ein ganzer war , dem kein Glied ausgerissen ist , keines aufgeblasen und alle großgewachsen -- ging selber als ein solcher Sophokles-Homerischer Grieche mit dem Lieblinge um .
Er machte ihm -- indes Wehmeier und die Pflegeeltern ihm überall mit einer Kanzel und einem Kirchenstuhle nachliefen , bei jedem heftigen Unwillen oder Wünsche oder Jubel , den er zeigte -- mit schöner liberaler Freiheit Raum , sich breit und hoch zu entwickeln .
Er ehrte am Jünglinge das St. Elms oder Hellenen-Feuer , wie am Greise das Eis ; das Herz kräftiger Menschen , glaubte er , müsse wie ein Porzellangefäß anfangs zu groß und zu weit gedreht sein , im Brennofen der Welt laufen beide schon gehörig ein .
Eben so fordere ich von einem Jünglinge erst Intoleranz , dann nach einigen Jahren Toleranz , jene als die steinige saure harte Frucht eines kräftigen jungen Herzens , diese als das weiche Lager- Obst eines älteren Kopfes .
Aber indem der Baumeister mit ihm zeichnete , mit ihm Abgüsse der Antiken und Kunstwerke anschaute :
so machte er am schönsten vor diesen seine Liebe für das artistische Zeichen der Waage am Menschen , der sein eigenes Kunstwerk sein soll , und seine Abneigung vor jedem Parorysmus offenbar , der die äußere Schönheit in Falten bricht wie die innere , und seinen Wunsch , seine Gestalt und sein Herz nach der hohen Stille auf den Antiken zu ordnen , Der Baumeister bewahrte wie oft der Künstler und öfter der Schweizer , europäische Kultur und ländliche Naivetät und Einfachheit nebeneinander , seiner geliebten Baukunst gleich , worin mehr als in den anderen Künsten Schönheit und messende Vernunft zusammengrenzen ; er ließ daher zuerst Albano in den Hörsaal der Philosophie , aber im Freien außen am Fenster stehend hineinsehen und hineinhören .
Er führte ihn nicht in den Steinbruch , vor die Kalkgrube und auf den Zimmerplatz der Metaphysik , sondern sogleich in das damit fertig gemachte schöne Bethaus , sonst die natürliche Theologie genannt .
Er ließ ihn keine eiserne Schlußkette Ring nach Ring schmieden und löten , sondern er zeigte sie ihm als hinunterreichende Brunnenkette , woran die auf dem Boden sitzende Wahrheit herauf , oder als eine vom Himmel hängende Kette , woran von den Untergöttern ( den Philosophen ) Jupiter heruntergezogen werden soll .
Kurz das Skelett und Muskeln- Präparat der Metaphysik versteckt er in den Gottmensch der Religion . -- --
Und so soll es ( anfangs ) sein ; aus der Sprache lernt man die Grammatik leichter als jene aus dieser , aus den Kunstwerken leichter die Kritik , aus dem Leibe das Gerippe als umgekehrt , wiewohl man es immer umkehrt .
-- Unglücklich sind unsere jetzigen Jünglinge , die vom Baume des Erkenntnisses früher die Tropfen und die Käfer schütteln müssen als die Früchte .
Und nun machte er ihm kühn alle Stubentüren der philosophischen Schulen auf , d. h. alle drei Himmel ; denn in dieser Jugendzeit hält man noch den Docht jedes gelehrten Lichtes der Welt für Asbest , wie Bramahnen sich in Asbest kleiden -- und die Eisstücke an den Polen unserer geistigen Welt stellen noch , wie die der hiesigen , Städte und Tempel auf himmelblauen Säulen vor .
Wenn nun Albano über irgend eine große Idee , über die Unsterblichkeit , über die Gottheit , sich in Flammen gelesen :
so mußt ' er darüber schreiben , weil der Baumeister glaubte -- und ich auch -- , daß in der erziehenden Welt nichts über das Schreiben gehe , nicht einmal Lesen und Sprechen , und daß ein Mensch 30 Jahre mit weniger Ertrag seiner Bildung lese als ein halbes schreibe .
Dadurch schwingen eben wir Autoren uns zu solchen Höhen ; -- daher werden sogar schlechte , wenn sie aushalten , am Ende etwas und schreiben sich von Schilda nach Abdera und von da nach Grubstreet hinauf .
-- Allein welche glühende Stunde ging dann für unseren Liebling an !
Was sind alle sinesische Laternenfeste gegen das hohe Fest , wo ein entflammter Jüngling alle Gehirnkammern erleuchtet und in diesem Glanze seine ersten Aufsätze hinwirft ?
Vorn auf der Schwelle des Aufsatzes ging Albano vielleicht noch Schritt für Schritt und bediente sich bloß des Kopfes ; -- aber wenn es weiter kam und das Herz mit den Flügeln zuckte und er wie ein Komet vor lauter schimmernden Sternbildern großer Wahrheiten vorüberfahren mußte -- konnte er sich da enthalten dem rosenroten Flammantvogel nachzuahmen , der im Zuge gegen die Sonne sich zu einem fliegenden Brande anzufärben und sich mit Doppelflammen zu beschwingen scheint ? --
Kam er vollends auf die Nutzanwendung : wahrhaftig !
so war jede wie die andere -- in jeder formte und besäte er ein Arkadien voll menschlicher Engel , die in drei Minuten in das so nahe schwimmende Elysium aussteigen konnten auf auf einem dazu hineingeworfenen Charons Ponton -- in jeder Nutzanwendung waren alle Menschen Heilige , alle Heilige Selige , alle Morgen Blüten und alle Abende Früchte , Liane gesund und er nicht weit davon ihr Liebhaber -- alle Völker stiegen die Mittagshöhe lichter hinan und er auf seiner eigenen erblickte , wie Menschen auf Bergen , alles Gute näher -- ach die ganze sumpfige Gegenwart voll Stürzeln und Egeln hatte er mit einem Fuße seitwärts weggestoßen und war nur von den grünenden Welten voll Auen umflogen , die die Sonnenkugel seines Kopfes in den Äther geworfen hatte . -- -- Selige , selige Zeit ! du bist schon lange vorbei !
O die Jahre worin der Mensch seine ersten Gedichte und Systeme liest und macht , wo der Geist seine ersten Welten schafft und segnet , und wo er voll frischer Morgengedanken die ersten Gestirne der Wahrheit kommen sieht , tragen einen ewigen Glanz und stehen ewig vor dem sehnenden Herzen , das sie genossen hat und dem die Zeit nachher nur astronomische Ephemeriden und Refrakzionstabellen Titan. I. R über die Morgengestirne reicht , nur veraltete Wahrheiten und verjüngte Lügen ! --
O damals wurde er von der Milch der Wahrheit wie ein frisches durstiges Kind getränkt und großgezogen , später wird er von ihr nur als ein welker skeptischer Hektikus kuriert ! --
Aber du kannst freilich nicht wiederkommen , herrliche Zeit der ersten Liebe gegen die Wahrheit , und diese Seufzer sollen mir eben nur deine Erinnerung wärmer geben ; -- und kehrst du wieder , so geschieht es gewiß nicht hier im tiefen niedrigen Grubenbaue des Lebens , wo unsere Morgenröte in den Goldflämmlein auf dem Goldkiese besteht und unsere Sonne im Grubenlicht -- nein , sondern dann kann es geschehen , wenn der Tod uns aufdeckt und den Sargdeckel des Schachtes von den tiefen blaßgelben Arbeitern wegreißet , und wir nun wieder wie erste Menschen , in einer neuen vollen Erde stehen und unter einem frischen unermeßlichen Himmel !
-- In dieses goldene Zeitalter seines Herzens fiel auch seine Bekanntschaft mit Rousseau und Shakespeare ; wovon ihn jener über das Jahr hundert erhob und dieser über das Leben .
Ich will es hier nicht sagen , wie Shakespeare in seinem Herzen gebietend regierte -- nicht durch das Atmen der lebendigen Charaktere sondern -- durch die Erhebung aus dem irdischen lauten Reiche ins stumme unendliche .
Wenn man Nachts den Kopf unter das Wasser taucht :
so ist eine fürchterliche Stille um uns her ; in eine ähnliche überirdische der Unterwelt bringt uns Shakespeare .
-- Was viele Schullehrer an Dian tadeln können , ist , daß er dem Jünglinge alle Bücher untereinander gab , ohne genaue Ordnung der Lektüre .
Aber Alban fragte in späteren Jahren : " ist eine solche Ordnung etwas anders als " Narrheit ? --
Ist sie möglich ?
Ordnet denn " das Schicksal die Erscheinung der neuen Bü " cher oder Systeme oder Lehrer oder die äus " fern Begebenheiten oder die Gespräche je so " paragraphenmäßig , daß man weiter nichts " brauchte , als die Gegenwart abzuschreiben " ins Gedächtnis , um die Ordnung obendrein " zu haben ? --
Braucht und macht nicht jeder " Kopf seine eigene ? --
Und kommt es mehr R 2 " auf die Rangfolge der Speisen oder auf ihre " Verdauung an ? " --
26. Zykel .
Während Dian einen schöneren Tempel in die Höhe steigen ließ als den steinigten im Dorfe : verstarb die Fürstin , deren castrum doloris dieser werden sollte ; sie mußte man also vor der Hand in das Absteigequartier einer Pestizer Kirche beisetzen .
Das änderte ein Paar tausend Sachen .
Der Hohnfliesser Kronprinz Luigi sollte und mußte nun aus Welschland zum Fürstenstuhle zurück , worauf der alte von den Jahren zusammengewickelte Fürst winzig und sprachlos mehr lag als saß -- wiewohl der hinter der Fürstenstuhl-Lehne stehende Minister dessen Figur und Stimme munter genug nachspielte --; Don Gaspard , der alle bisherige Briefe Albanos nicht erhöret hatte , fertigte nun diesem die gleich feurigem Weine die Adern durchbrausende Ordre zu : " auf mei " einem Rückwege aus Italien sehen wir uns in " deinem Geburtsorte Isola bella .
Man wird "dich abholen . "
-- Auch Leser , die noch keine Woche lang Briefe eines Gesandten-Personale zugeschnitten und zugesiegelt haben , merken leicht , daß der Vlies-Ritter gedenkt , seinen Sohn mit dem jungen Fürsten und ihre ersten Pestizer Verhältnisse zu verknüpfen und zu mischen .
-- Ich bitte aber die Welt , nun das Paradies eines Menschen auszumessen , der nach so langer Seefahrt endlich die langen Ufer der neuen Welt im Meere hinliegen sieht .
War ihm jetzt nicht das Leben an hundert Ecken aufgetan ? --
Lorbeerkränze --
Epheukränze --
Blumenkränze --
Myrthenkränze --
Ährenkränze -- -- alle diese Girlanden überhingen das Pestizer Haupttor und seine Hausture .
Du Bruder , du Schwester , ( ich meine Roquairol und Liane ) welcher volle schmachtende Mensch zog euch entgegen !
-- Und welcher träumende und unschuldige !
Homer und Sophokles und die alte Geschichte und Dian und Rousseau -- dieser Magus der Jünglinge -- und Shakespeare und die britischen Wochenschriften ( worin eine höhere humanere Poesie spricht als in ihren abstrakten Gedichten ) alle diese hatten im glücklichen Jünglinge ein ewiges Licht , eine Reinheit ohne Gleichen , Flügel für jeden Tabors-Berg und die schönsten aber schwierigsten Wünsche zurückgelassen .
Er glich nicht den bürgerlichen Franzosen , die wie Teiche die Farbe des nächsten Ufers , sondern den höheren Menschen , die wie Meere die Farbe des unendlichen Himmels tragen .
-- Überhaupt war jetzt der reifste beste Zeitpunkt für seine Veränderung .
Durch Dian und durch dessen Reisen war sogar sein äußerer Mensch schöner entwickelt in Gastzimmern .
Die Menschen gehen wie Schießkugeln weiter , wenn sie abgeglättet sind ; bei Zesara blieben ohnehin genug Demant-Spitzen stehen , woran sich das Mittelgut stößt und sticht ; und selber ungewöhnlicher Wert ist ungewöhnlicher Fehler -- wie hohe Türme eben darum übergebogen scheinen .
Zesara lernte eben außerhalb des ländlichen Junkerzirkels , eine Behendigkeit der Ideen und Worte ein , die ihm sonst nur im Enthusiasmus zu Gebote stand ; denn der Witz , sonst ein Feind des letzteren , war bei ihm bloß ein Diener und Kind davon .
Er kokettierte nicht wie witzige Säuglinge , mit allen Ideen , sondern er wurde von ihnen entweder angepackt oder gar nicht angestreift ; daher kam jenes stumme , langsame , unscheinbare Reifen seiner Kraft , er glich langsam-aufsteigenden Gebirgen , die stets mehr Ausbeute abwerfen als schnell-aufstehende .
Bei großen Bäumen ist der Same kleiner und im Frühlinge die Blüte später als bei dem kleinen Gesträuche .
-- Die Zeit , ehe ' Gaspards abholender Bote kam , wurde dem aufgehaltenen Jünglinge eine Ewigkeit und das Dorf ein Kerker , es schrumpfte zu den Wirtschaftsgebäuden eines Klosters ein .
Der bedeckte , aber mit Enkaustik in sein Gehirn geschriebene Plan des Lebens war ( wie bei allen solchen Jünglingen ) der , nichts größeres zu werden und zu tun als -- alles , nämlich zugleich sich und ein Land zu beglücken , zu verherrlichen , zu erleuchten -- ein Friedrich II auf dem Throne , nämlich eine Gewitterwolke zu sein , welche Bannstrahlen für den Sünder , elektrisches Licht für Taube und Blinde und Lahme , Güsse für die Insek ten und warme Tropfen für durstige Blumen , Hagel für Feinde , eine Anziehung für alles , für Blätter und Staub , und einen Regenbogen für das Ende hat . -- --
Da er nun Friedrich II nicht sukzedieren durfte so wollte er künftig wenigstens Minister werden ; -- zumal da Wehrfritz soviel aus der Länge dieses Nebenzepters , des Ablegers und Schnittlings vom Mutterzepter machte -- und in den Freistunden nebenbei ein großer Dichter und Weltweiser .
Es soll mir lieb sein , Graf , wenn du der zweite Friedrich der zweite und einzige wirst ; --
mein Buch hier wird davon profitieren und ich selber poussiere dadurch mein Glück als ein seltener aus Xenophon , Kurtius und Voltaire zusammengewachsener Historiograph ! --
27. Zykel .
Zesara wird nie den Frühlingsabend vergessen , woran er einen Passagier im Überrocke -- ein wenig hinkend und mit brauner Reise- Schminke , wogegen die weißen Augäpfel glänzend abstachen -- den seichten Bach neben dem hohen Stege durchwaten sah , und wie ferner der Passagier einen Wächterspieß , den der zeitige Bettler-Polizei-Lieutenant als seinen vikarirenden Mitarbeiter an seine Haustür angelehnt , mitnahm und solchen unterwegs einem Krüppel mit den Worten reichte :
" Alter , ich " habe nichts Kleineres bei mir als den Spieß .
" Wenn Ihn jemand fragt , so sage Er nur , " Er wache im Dorfe gegen das verhenkerte " Bettelvolk , aber Er habe nicht Augen genug . " -- Dabei streckte der Pilger noch sein Schnupftuch einem Rektors-Söhnchen , dem nötig war , auf 3 Minuten vor .
-- Natürlich war es unser alter Titularbibliothekar Schoppe , den Don Gaspard mit der Einladungskarte für Isola bella abgesandt .
Albanos Entzückung war so groß , daß er erst einige Tage später sich im humoristischen Sonderlinge jugendlich irrte , indes dieser sehr bald den leichten , heißen , stillen Wildling richtig auswog .
-- Ging es nicht dem alten Landschaftsdirektor noch schlimmer , welcher , bloß weil er den deutschen Reichskörper so hoch anschlug als wäre er die darin eingepfarrte Reichs Seele , über Schoppe's Ausfälle gegen die Konstitution in einen patriotischen Harnisch kam :
" Herr , ( sagt ' er aufgebracht ) wenn_es auch wo " haperte : so muß ein redlicher Deutscher still " dazu schweigen , wenn er nicht helfen kann , " zumal in so verfluchten Zeiten . "
Das Schönste war , daß auf Luigi's Begehre zugleich der Baumeister abzureisen hatte , um aus Rom Abgüsse der Antiken zu holen . -- --
Und nun zieht fort , damit ihr wiederkommt und wir endlich einmal einlaufen in Pestiz ! -- Freilich wirst du , gutes Kind , ( Waldbiene sollt ' ich sagen ) deinen Abflug aus dem ländlichen Honigbaume in den städtischen gläsernen Bienenstand mit tieferen Schmerzen halten als du vorausgesetzt -- reiset nicht sogar der alte Pflegevater ohne Abschied fort , um nur dem deinigen zu entfliehen -- und deiner guten Mutter ist , als reiße eine zornige Parze ihr einen Sohn von der Brust , als lange sein zartes nur aus der kindlichen Gewohnheit gesponnenes Liebes-Band nicht hinein in die weite Zukunft -- und deine Schwester sperret sich in die Mansardenstube ein mit ihrem ländlichen von Feuerfoltern tobenden Herzen und kann dir nichts sagen und nichts geben als eine von ihr bisher heimlich gestickte Brieftasche mit der seidenen Umschrift : gedenke unserer ! -- und selber auf deinen lorbeer-süchtigen Kopf wird der Triumph- oder Regenbogen des Abschiedes , wenn du unter ihm durchschreitest , schwere schwere Tropfen werfen , ( ach an den nachblickenden Augen werden sie länger hängen bleiben ) -- dein alter redlicher Lehrer Wehmeier wird an dir den letzten Strom seiner Worte und Tränen vergießen und sagen ( und dein weiches Herz wird nicht lächeln ) : " er sei ein al " ter abgeschabter Kerl und habe nun nichts vor " sich als das Loch ( das Grab ) -- du hingegen " seiest ein frischer blutjunger Mann , voll " Sprachen und Altertümer und herrlicher Ta " lente von Gott -- freilich werde er_es nicht er "leben , daß aus dir ein berühmter Mann " werde , aber seine Kinder wohl ; und dieser " Würmer sollest du dich einmal annehmen , " junger Herr ! " -- -- Du reine Seele , an jedem bekannten Hause , an jedem teuren Garten und Tale wird ja der Schmerz sein Einlegemesser schleifen und damit in dein glühendes zartes Herz leise-quellende Wunden ritzen -- wie ? sogar von deinen befreundeten Abend- und Morgen- Höhen ( den Sprachgittern deiner heiligsten Hoffnungen ) , und von Lianen selber wirst du zu entweichen glauben .
Aber wirf deine weinenden Augen in das offene blaue Italien und trockene sie an Frühlinslüften -- das Leben hebt an -- die Signale zu den Waffenübungen und Lusttreffen der rüstigen Jugend werden gegeben -- und mitten in den olympischen Kampfspielen wirst du herrlich von nahen Konzert- und Tanzsäälen umschmettert .
Was phantasier ich da her ? --
Wie , ist_es nicht uns allen mehr als zu wohl bekannt , daß er längst fort ist schon seit der ersten Jubelperiode , ja sogar wieder retour und er hält schon seit der zweiten -- jetzt zählen wir die vierte -- mit dem Bibliothekar und dem Lektor zu Pferde vor Pestiz und kann nicht hinein wegen der Torsperre der -- fünften Jubelperiode ?
Prunkeinzug -- D. Sphex -- der trommelnde Kadaver -- der Brief des Ritters -- Retrogradation des Sterbetags -- Julienne -- der stille Karfreitag des Alters -- der gesunde und verschämte Erbprinz -- Roquairol -- das Erblinden -- Sphexens Liebhaberei für Tränen -- das fatale Gastgebot -- das doloroso der Liebe .
28. Zykel .
Über den Gabelweg , dessen rechte Zinke nach Lila geht , spornte Albano sein Pferd bange hinüber und flog den Berg hinauf , bis die helle Stadt wie eine erleuchtete Beterskuppel lang und breit in der Frühlingsnacht seiner Phantasien brannte .
Sie legte wie ein Riese den Oberleib ( die Bergstadt genannt ) auf die Anhöhe und streckte die andere Hälfte ( die Tal Stadt ) in das Tal .
Es war Mittag und keine Wolke am Himmel ; in der Mittagszeit steht eine Stadt mit voller blanker Scheibe da , indes ein Dörfchen erst abends aus dem ersten Viertel ins Volllicht tritt .
Sie war gut fortifiziert , nicht von Rempler oder Vauban , sondern von einem wachsenden Pfahlwerke aus Linden .
Oben leuchtete unserem Alban die lange Wand der Paläste der Bergstadt entgegen und die Statuen auf ihren welschen Dächern richteten sich wie Wegweiser und Ausrufer der Freude gegen ihn -- über alle Paläste zog sich das eiserne Gebälk der Ableiter als ein Throngerüst des Donners mit goldenen Scepterspitzen -- seitwärts hinab lagerte sich die Talstadt neben den Fluß zwischen Alleenschatten , mit den bunten Fassaden gegen die Gassen und mit dem weißen Rücken gegen die Natur gewandt -- die Zimmerleute klopften wie Hammerwerke auf dem Anger unter abgeschäälten Stämmen und die Kinder klatschten mit den Rinden -- die Tuchmacher spannten grüne Tücher wie Vogelwände gegen die Sonne aus -- aus der Ferne zogen weißbedeckte Fuhrmanns wagen die Landstraße daher , und an den Seiten des Weges grasten geschorene Schafe unter dem warmen Schatten der fetten hellen Lindenknospen -- und über alle diese Massen schwebte das Mittagsgeläute aus den lieben vertrauten Türmen , ( diesen Resten und Leuchttürmen aus seiner dunkleren Zeit ) gleichsam verknüpfend und beseelend und rief die Menschen freundlich zusammen .
Betrachtet das erhitzte Gesicht meines Helden , der endlich in die offenen aus Sonnentempeln gebauten Gassen einreitet , wo ja vor jedem langen Fenster , auf jedem Balkon Liane stehen kann -- wo sich die lügnerischen oder prophetischen Rätsel von Isola bella entwickeln müssen -- wo sich alle Hausgötter und Hausparzen seiner nächsten Zukunft verstecken -- wo nun der Montblanc des Hofes und die Alpen des Barnasses , die er beide zu besteigen hat , dicht mit ihrem Fuße an ihm liegen . -- --
Mich hätte es in etwas beklommen ; aber im Jünglinge zumal vor dem Kronleuchter der Sonne loderte ein Leuchtregen nieder .
O wenn der Morgenwind der Jugend weht :
so steht die innere Merkur Säule hoch , gesetzt auch , das äußere Wetter wäre nicht das beste .
Wenige von uns werden , da sie die Akademie bezogen , mit ihren Pferden in ein so labendes Getümmel geraten sein wie mein Held ; Schlotfeger sangen oben aus ihren Kanzeln und schwarzen Höhlen herunter und ein Bauredner auf dem Satteldache eines neuen Hauses besprach droben sehr die künftige Feuersbrunst und dämpfte eine eigene und schleuderte den gläsernen Feuereimer weit über das Gerüste , ja sind wir mit ihm auch durch die lachende Kirchengemeinde des Dach-Sprechers geritten und durch die Armreihen blühender Musensöhne , worunter Alban das feurige Auge nach seinem Roquairol herumdreht :
so stoßen wir doch vor seiner künftigen Wohnung auf ein neues Geschrei .
Es macht es der Landphysikus Sphex , sein Mietsherr der ihm den halben Palast ( denn der Doktor ist begütert durch Kuren ) absteht , weil das Haus gerade auf der Bergstadt oder dem Westmünster des Hofes liegt ; denn in der Talstadt hausen die Studenten und die City .
Der Der kurze untersetzte D. Sphex stand , als das Kleeblatt anritt , neben einem langen Menschen , der auf einer Steinbank saß und zwei Klöppel über eine Kindertrommel in Bereitschaft hielt .
Auf ein Zeichen von Sphex schlug der Lange auf seiner Trommel einen schwachen Wirbel und der Doktor sagte gelassen zu ihm : Strauchdieb !
Ob sich gleich Sphex ein wenig gegen die lauten Reiter umdrehte , so ließ er doch bald im Wirbeln fortfahren und sagte :
Range ! -- musste aber unter dem letzten Schlage nur eilig einschalten : Racker !
Die Reiter saßen ab , der Doktor führte sie ohne Zeremonie ins Haus , nachdem er dem Trommler einen Wink mit der Hand gegeben , sich nicht zu regen .
Er machte ihnen ihre vier oder zwölf Pfähle auf und sagte kalt : " treten " Sie in Ihre drei Kavitäten . "
Albano zog aus dem warmen Glanze des Tages in den kühlen purpurnen Erebus seines rotverhangenen Zimmers wie in einen Bildersaal malender Träume ein , gleichsam in die Silberhütte für das dunkle Bergwerk des Lebens .
Er fand darin die geöffnete Hand seines reichen Vaters Titan. I. S von den Bildern des Fußteppichs an bis zu den Alabasterstatuen der Wand ; und im Kabinett traf er unter den Gaben seiner Pflegeeltern alle seine nachgeschickten dichterischen und philosophischen Studienbücher , holde Reflexe aus der stillen ihm durch die Reise weit entrückten Jugend , an , in deren Nelkenscherben nur Konkordien floriert hatten , indes jetzt Feuerfaxe gesät werden .
Da warf , nicht die Göttin der Nacht den Mantel , sondern die Göttin der Dämmerung den Schleier über sein Auge und ließ im Helldunkel die Gestalten der Zukunft , manche bewaffnet , manche bekränzt , einen Trupp aus Parzen und Grazien an seinem Herzen , das bisher so ruhig war , Hände und Hebel ansetzen und sein Herz wurde weich und locker -- -- auf drei Minuten : wahrhaftig ein Jüngling , zumal dieser , hat die Seestürme , die dem Maler , die arbeitenden Vulkane , die den Physiker , die Kometen , die den Astronomen erfreuen in der physischen Welt , eben so lieb in der moralischen .
Albano , jetzt von Lianen nur durch Gassen und Tage getrennt , fürchtete sich fast , daß seine träumerischen Entzückungen ihr Ziel verrieten .
" Sind Briefe da ? " fragte der Lektor nach seiner für Bürgerliche abbrevirten kecken Manier .
" Hole ' ihn herauf , van Swieten ! " sagte Sphex zu einem Söhnchen , das mit zwei anderen , Boerhave und Geolenis genannt , bisher eine korrespondierende Entzifferungskanzlei der neuen Mietsleute hinter einem Vorhange gemacht hatte .
" Unser alter Herr , ( setzte Sphex " auf einmal dazu als häng es mit dem Briefe " zusammen ) hat auch ausgeharrt ; seit 5 Tagen " ist er Maustod wie ich längst vorausgesagt . "
" Der alte Fürst ? " fragte erstaunt Augusti .
" Aber " warum werde ' ich noch nichts von Traurige " läute , schwarz-angelaufenen Schnallen , Thrä " nentöpfen und Jammer in der Stadt ge " wahr ? " fragte Schoppe .
Das erklärte der Physikus .
Er hatte nämlich als Leibarzt die Sterbensterzie des alten Fürsten kühn genug geweissagt und glücklich getroffen .
Allein da gerade einen Tag nach dem Trauerfalle der Erbfolger Luigi in Pestiz einziehen wollte und da die Publikation des hohen Todes die ganze für den Sohn einige S 2 ölte Illumination ausgegossen hätte mit Tränentöpfen und die geblümten Ehrenpforten verhangen mit Trauerflor :
so hatte man , bevor der Nachfahrer empfangen war , obwohl zum größten Schaden des prophetischen Sphex , die Sache nicht wollen laut werden lassen , so wie jener Grieche bei der Todespost seines Sohnes die Trauer erst auf die Vollendung seines frohen Opferns verschob .
Sphex beteuerte , schon vor vielen Jahren habe er dem Höchstseeligen aus den weißen Zähnen * ) die Nativität der Schwindsucht gestellt und nie die Todesstunde besser getroffen als dasmal ; er lasse aber jeden selber beurteilen , ob ein Arzt , der seine Prophezeiung überall kund gegeben , viel Seide spinne bei einer solchen politischen Unterschlagung .
-- " Aber ( versetzte Schoppe ) wenn man " verstorbene Herren gleich ihren toten Solda " ten , noch als lebendige in der Liste fortführt : " so kann man fast nicht anders ; denn da es " bei Großen überhaupt so verdammt schwer zu * )
Nach Camper haben Hektiker sehr weiße und schöne Zähne . " erweisen ist , daß sie leben , so ist_es auch nicht " leicht auszumitteln , wenn sie tot sind ; Kälte " und Unbeweglichkeit und Fäulnis beweisen " zu wenig .
Doch mag man vielleicht König " liche Sterbebetten wie die Perser königliche " Gräber auch darum verstecken , um den ar " men Landeskindern den herben Zwischenraum " zwischen dem Tode und der neuen Huldigung " möglichst abzukürzen .
Ja da nach der Fiktion " ein König gar nicht stirbt , so haben wir " Gott zu danken , daß wir_es überhaupt ersah " Ren und daß es nicht mit dem Tode desselben " wie mit dem Tode des eben so unsterblichen " Voltaire geht , den die Pariser Journalisten " gar nicht melden durften . "
Van Swieten und Boerhave und Geolenis brachten nach langem Ausbleiben einen Brief an -- Albano mit Gaspards Siegel ; er riß ihn jugendlich-arglos auf ohne einen Blick auf den Umschlag ; aber der Lektor nahm diesen in die Hand und drehte ihn wie ein Postsekretär , Heraldiker und Siegelbewahrer nach seiner Gewohnheit zur Visitation sphragistischer Wunden herum und schüttelte über die schlechte Er Neuerung des Briefadels d. h. des Wappens leise den Kopf .
" Haben die Jungen etwas am " Siegel verletzt ? " sagte Sphex .
" Mein Va " ter , ( sagte lesend Albano , um eine bis nach " außen reichende Erschütterung zu überdecken , " worein ein Flug schwerer Gedanken plötzlich " alle seine inneren Zweige setzte ) weiß den Tod " des Fürsten auch schon . "
Da schüttelte Augusti noch mehr den Kopf ; denn da sich vorhin Spher vom Briefe auf einmal auf das fürstliche Sterben versprang , so setzte dieser Sprung fast die Lesung des ersteren voraus .
Der Leser ziehe sich hiervon die Regel ab , daß er über die Entfernung zweier Töne , zwischen welchen die Leute vor ihm hüpfen , stutzen und daraus auf den Leitton zwischen beiden raten müsse , den sie verstecken wollen .
Für den Grafen war es jetzt recht gut , daß der Doktor den Hofmeistern ihre Zimmer anwies ; ach seine vom heutigen Tage schon schwankende Seele wurde jetzt so heftig vom Inhalte des Briefes erschüttert ! --
29. Zykel .
Als Sphex dem Bibliothekar die Stube auftat , war solche schon besetzt von einer Kiste ( auch aus Italien angelangter ) Vipern , von 3/4 Zentner Flachs , einem bleichen Reifrocke und von 3 durchbohrten Seidenschuhen der Doktorin samt einer Waise und einem Vorrate von Kamillenkraut ; das medizinische eheliche Paar hatte gedacht , das pädagogische niste beisammen .
Aber Schoppe versetzte recht gut und fast mit einiger Ironie gegen den vornehmertraktirten Augusti : " je kräftiger und Geisterei " cher und größer zwei Menschen sind , desto " weniger vertragen sie sich unter Einem Deck " Kernstück , wie große Insekten , die von Früch " ten leben , ungesellig sind ( z. B. in jeder Ha " selnuß sitzt nur Ein Käfer ) , indes die kleinen , " die nur von Blättern zehren , z. B. die " Blattläuse nesterweise beisammenkleben . "
-- Zesara hätte allerdings an seinem unersättlichen Herzen den Geliebten , den ihm das Geschick daran gelegt hätte , unaufhörlich in jeder Lage und Stunde wie einen Waffenbruder behalten wollen ; aber Schoppe hat Recht .
Freunde , Liebende und Eheleute sollen alles gemein haben , nur nicht die -- Stube ; die groben Forderungen und die kleinlichen Zufälle der körperlichen Gegenwart sammeln sich als Lampenrauch um die reine weiße Flamme der Liebe .
Wie das Echo immer vielsilbiger wird , je weiter unser Ruf absteht , so muß die Seele , aus der wir ein schöneres begehren , nicht zu nahe an unserer sein ; und daher nimmt mit der Ferne der Leiber die Nähe der Seelen zu .
Der Doktor ließ seine lauten Kinder als einen ausräumenden Strom in die Augiasstube laufen ; er aber ging wieder zum Trommler hinunter , mit dem es nach seiner Erzählung diese Vewandtniß hatte :
Sphex hatte schon vor mehreren Jahren besondere Vermutungen über die Fett-Absonderung und den Durchmesser der Fett-Zellen in einem Traktate gewagt , den er nicht eher herausgeben wollte , bis er die anatomischen Zeichnungen dazu konnte stechen lassen , mit denen er auf die Sektion und Ausspritzung des dasitzenden Trommlers wartete .
Diesen kranken , einfältigen , schlafen Menschen , Malz mit Namen , hatte er vor einem Jahre , als sich einige Fett-Augen auf ihm ansetzten , unter der Bedingung in die Kost genommen , daß er sich zerlegen ließe , wenn er verstorben wäre .
Zum Unglück findet Sphex seit geraumer Zeit , daß der Kadaver täglich abfällt und eindorret aus einem Aale zu einer Hornschlange ; und es ist ihm unmöglich herauszubringen , was es macht , da er ihm nichts Aussaugendes zulässt , weder Denken noch Motion noch Passionen , Empfindsamkeit , Essig noch sonst etwas .
Die Trommel muß der Kadaver -- da er eben so harthörig als hartsinnig ist und schon darum keine Vernunft annimmt , weil er keine hört -- immer umgehangen tragen , weil er unter ihrem Rühren besser vernimmt , was sein Brotherr und Prosektor an ihm aussetzt .
* ) --
Der Doktor filzte ihn nun drunten , -- Schoppe * ) Derham ( in seiner Physiko-Theologie 1750 ) bemerkt , daß Taube unter dem Getöse am besten hören , z. B , ein Harthöriger unter dem Glockengeläute ; eine taube Wirtin unter dem Trommeln des Hausknechts .
Daher wird vor hörte zum Fenster hinab -- so aus : " ich wollte , " der Teufel hätte lieber Seinen verdammten " seligen Vater geholt als daß er gestorben " wäre .
Er schießet ja über Sein Lamentieren " ein wie Soldatentuch und weckt ihn doch nicht " auf , und wenn Er sich die Nase wegweinte .
" Besser getrommelt , Kahlmäuser ! --
Weiß Er " denn nicht , Schuft , daß Er mit einem an " deren einen Kontrakt gemacht , ins Fett zu " wachsen so gut Er kann , und daß man den " Brotdieb kostbar ernährt , bis er brauchbar " wird ? --
Andere würden gern fett , wenn " sie es hätten .
-- Und Ihr ! --
Redet , Strick ! " --
Malz ließ die Trommelstöcke unter die Schenkel Niederklappen und sagte :
" Sie ha " ben recht Seine Not mit mir -- es ist kein " rechter Segen bei unserem Schmalz -- und " darüber mergelt sich unser einer im Stillen " ab. -- Meinen Vater seel. schlage ich mir * ) * ) Fürsten und Ministern , die meistens schlecht hören , Musik- Pauken- und Kanonen-Lärm , wenn sie durchpassieren , geschlagen , damit sie das Volk leichter hören . " wahrhaftig aus dem Kopfe , er mag mir ein " fallen wenn er will . " -- 30. Zykel .
Der väterliche Brief , der Albanos Seele in allen ihren Fugen erschütterte , lautet übersetzt so :
" Lieber Albano , im Kampanerthal er " hielt ich leider einen Brief über die im " mehr heftiger wiederkommenden Aphyxien " deiner Schwester , er war am Charfrei " Tage geschrieben und setzte ihren Tod " schon als ausgemacht voraus .
Auch bin " ich darauf gefasst .
Desto_mehr frappierte " mich deine Nachricht vom Gaukler der " Insel , der den Propheten spielen wollen .
" Eine solche Weissagung setzt irgend einen " Anteil voraus , dem ich in Spanien nä "her nachspüren muß .
Ich glaube den " Betrüger schon zu kennen . --
Sei an " deinem Geburtstage vorsichtig , bewaff " net , kalt und kühn und halte wo möge " lich den Jongleur fest ; gib dir aber kein " ridicule durch Sprechen darüber .
-- Dian " ist in Rom und arbeitet recht brav .
-- " Lege Hoftrauer für den lieben alten Für " sten an aus Gefälligkeit .
Addio ! --
G. de C .
" Ach teure Schwester ! " seufzte er innig , und zog ihr Medaillon heraus und sah weinend die Züge eines ihr versagten Alters an , und las weinend die widerlegte Unterschrift :
wir sehen uns wieder .
Jetzt da sich ihm das Leben lachend und weit aufschließet , ging es ihm viel näher , daß das Schicksal die Schwester so eng bedeckt ; ja der harte Gedanke kam dazu , ob er nicht Schuld an ihrem Verschwinden habe , da seinetwegen der fürchterliche Zahuri der Insel vielleicht eine opfernde Gaukelei getrieben : sogar der Umstand , daß sie seine schwächliche Zwillingsschwester war , wurde ein Schmerz .
-- Allein kämpfend standen jetzt die Gefühle in seinem Geiste wie auf einem Schlachtfelde gegeneinander .
Welches Schicksal zieht mir entgegen ! dachte er .
" Nimm " die Krone ! " hatte jene Stimme gesagt ; -- " welche ? " fragte aufstehend sein ruhmdurstiger Geist und versuchte kühn , ob sie aus Lorbee Ren oder Dornen oder Metallen bestehe .
-- " Liebe die Schöne ! " hatte sie gesagt ; aber er fragte nicht : " welche ? " , -- nur hatte er , seitdem der Vater des Todes seinen Namen und seine Glaubwürdigkeit fürchterlich zu bewähren schien , die Furcht daß die angekündigte Stimme in der Himmelfahrts- und Geburtsnacht einen anderen Namen nenne als den geliebtesten .
-- Abends nachdem die drei Ankömmlinge ihre häuslichen Einrichtungen , die aus dem wellenschlagenden Albano noch immer nicht den vervielfältigten Zauberglanz der Lindenstadt wegbrachten , hinter sich hatten : führte der Lektor den Grafen zum Erbprinzen Luigi .
Dieser kopierte täglich eine halbe Stunde lang im Bilderkabinett ; und beschied beide dahin zum Warten auf ihn .
Sie gingen hinein .
Ein anderer als ich würde hier der Welt einen räsonierenden Küchenzettel aller Schaugerichte des Kabinetts zustellen ; aber ich mag sie nicht einmal mit den 17 Gemälden beschenken , über deren Reizen jene seidenen Tändelschürzen oder Schleier hingen , die in Paris eine Dame gern von ihren eigenen abheben würde , um nur da mit verschämt das Kunstwerk zu bedecken .
Man kann leicht denken , daß unserem Alban im Bilderkabinett das mütterliche * ) einfiel und daß er gern an jedem Nagel gerückt hätte , wäre niemand da gewesen .
Aber die Prinzessin Julienne war da , die er ( und wir alle ) noch recht gut von Blumenbühl her kannte , wie sie ihn .
Sie war zwar voll junger Reize , aber man fand diese doch nicht eher als bis man ein Paar Tage vorher sehr in sie verliebt gewesen war -- das machte sie darauf jede Minute hübscher , wie denn überhaupt Amor mehr der Vater als der Sohn der Huldgöttinn ist , und sein Köcher das beste Schmuckkästchen und die reichste Toilettenschachtel , und seine Binde das beste mouchoir de Venus und Schminkläppchen , das ich kenne .
Sie zeichnete gerade den Gypsabguß eines schönen alten Kopfs , der dem Grafen gleichsam aus dem Antikenkabinett seiner Erinne * )
In dessen Wand , die Frau mit dem Souvenir ist . Runge geholt zu sein schien und dem sein wallendes Herz recht liebend entgegenfloß ; aber er entsann sich des Urbilds nicht . --
Endlich sagte Julienne , die Etikette verschmähend , recht gutmütig und aufblickend : " ach lieber " Augusti , mein Vater ist verschieden in Li " lar . "
Das Wort Lila kolorierte plötzlich in Albano das bleiche Gedächtnisbild -- völlig wie diese blasse Büste sah im Mondscheine der alte Mann aus , der in jener dichterischen Sommernacht Zesarens Hände auf dem Berge zum Gebet zusammenlegte und sagte : gehe schlafen , lieber Sohn , ehe das Gewitter kommt .
Ein anderer hätte sich nun nach dem Namen der Büste erkundigt und erst dann die nächtliche Historie entdeckt ; aber der Graf tat im Feuer bloß das letztere , nach einem kurzen Warten auf das Auslaufen des Gesprächs , Augusti wollte ihn , als er die ihm fremde Geschichte der Bekanntschaft mit dem Urbilde anhob , sorgend unterbrechen ; aber Julienne gab ihm einen Wink , ihn zu lassen ; und der Jüngling teilte treuherzig der teilnehmenden Seele das schöne Zusammenkommen gerührt und brennend mit , und wurde beides noch mehr als ihre Augen überflossen in ihr Lächeln .
-- " Es war mein Vater , das ist sein Abguß ! " sagte Julienne weinend und freudig ; Albano schlug nach seiner Art , mit seufzender Brust die Hände vor der Büste zusammen und sagte : " du edle herzlich geliebte Gestalt ! " und sein großes Auge schimmerte von Liebe und Trauer .
Die gute weibliche Seele wurde von einer so unhöfischen Teilnahme fortgerissen und sie überließ sich ganz ihrem angeborenen Feuer .
Das weibliche und das höfische Leben ist zwar nur die längere Strafe des Gewehrtragens -- Oberhofmeisterinnen sind , wie es nach dem Modelle der Jahren Neinherren gibt , wahre Neinfrauen -- die siebenfarbige Kokarde der heiteren tanzenden Freiheit wird da abgerissen oder läuft schwarz an von der Hoftrauer -- jeder weibliche Lusthain ist ein unheiliger -- fataleres kenne ich nichts -- -- -- aber die kraushaarige Julienne brach , mir nichts dir nichts , durch das ewige Gefängnis bei süßem Brote und gebranntem Wasser des Tages wohl 12mal hinaus und lachte den freien Himmel an an und beleidigte (-- sich und andere nie -- ) die Oberhofmeisterin stets .
Sie erzählte nun dem Grafen ( indem sie aus Nervenschwäche und Lebhaftigkeit immer stärker lächelte und schneller sprach ) , wie ihr lieber schwacher , mehr kindlicher als kindischer Vater dessen alten Lippen und entkräfteten Gedanken nur noch nachgelallte Gebete möglich waren , sich mit einem eisgrauen mystischen Hofprediger in Lila ins Betzimmer eingeschlossen ( ein graues Haupt verbirgt sich gern ehe es verschwindet und sucht wie Vögel einen dunklen Ort zum Entschlafen ) -- und wie sie und das Fräulein von Froulay ( Liane ) dem halbblinden Manne abwechselnd Gebete vorgelesen und gleichsam die Abendglocke der Andacht vor dem müden schlaftrunkenen Leben angezogen .
Sie malte , wie er in diesem Vorhofe der Gruft alles Geliebte überlebt oder vergessen habe , wie er immer nach ihrer Mutter gefragt , deren Sterben ihm stets von neuem entfallen und wie das verdunkelte Auge jede Tageszeit für einen Abend und daher jeden Fortgehenden für einen , der schlafen gehen wolle , genommen habe .
Titan. I. T Wir wollen nicht zu lange auf diese späte Zeit des Lebens blicken , wo sich die Menschen wieder als Kinder für die längere Wiege des Grabes verkürzen ; und wo sie gleich den Abends schlafenden Blumen unkenntlich sind und einander früher als im Tode gleich werden .
Besonders dem Lektor war wie allen Hofleuten schlecht mit diesen Funeralien gedient ; auch wollte er gern die Hiobskrankheit ihres Klagens durch Versetzung heilen und führte sie näher zu Lianen .
Aber eben , indem sie den Anteil und die Opfer dieser Freundin beschrieb und indem ihr wieder die lange weinende Umarmung erschien , worin Liane sie und den Schmerz gleichsam fest an sich geschlossen hatte , so kehrte jeder dunkle schwere Blutstropfe den die kräftigen Pulsadern fortgetrieben hatten , wieder in das Herz zurück und sie hörte auf , zu malen , sowohl diese Geschichte als den Kopf .
Die beiden Freundinnen waren keine solche , die sich den Kuß durch zwei Flore hinauslangen , oder die einander abzuherzen wissen , ohne die kleinste Quetschwunde der Frisur , oder deren Liebesmahl sich jedes Jahr , wie das Abend mahlbrod jedes Jahrhundert , leichter und dünner bricht :
sondern sie liebten sich innig mit den Augen , mit den Lippen , mit dem Herzen , wie zwei gute Engel .
Und wenn vorher die Freude ihren Erntekranz nahm und ihn für sie zum Trauring der Freundschaft machte :
so versuchte jetzt der Gram mit seinem Stachelgürtel dasselbe .
-- Ihr guten Seelen ! mir ist es ganz leicht denklich , wie ein so reiner glänzender Seelenbund das Herz eueres Freundes Albano zugleich peinlich ausdehnt und selig erhebt , wie die ärostatische Kugel zugleich zerstörend schwillt und steigt .
Für Lianen Einzug standen ohnehin schon geschmückte Ehrenpforten in seinem Inneren in die Höhe !
Inzwischen hätte ein Fremder ohne diese meine Feder , oder auch ich ohne den Lehnprobst Hafenreffer , nichts am sprechenden Grafen merken können , als ein irres Glühen im Gesicht und schnelle Worte .
31. Zykel .
Auf einmal tritt in diese Schilderungen und Genüsse der Thronfolger , oder vielmehr T 2 der Nachwinter des kalten Greises ein , Luigi .
Mit einem flachen Schnitzwerke des schwammigen Gesichts , auf dem sich nichts ausdrückte als der ewige Mißmut der Lebens-Verschwender , und mit einigem reifen Grauwerke auf dem Kopfe ( als Vorläufer der Weisheitszähne ) und mit der unfruchtbaren Superfetation eines voluminösen Unterleibes ging er mit der größten Höflichkeit auf Albano zu , in der ein flacher Frost gegen alle Menschen vorstand .
Er stäubte sogleich mit der Kleie von leeren schnellen , unähnlichen Fragen um sich und eilte stets ; denn er hatte fast noch mehrere Langeweile als er machte , wie sich überhaupt für keinen das Leben so widrig verlängert , als für den , der es verkürzet .
Luigi war durch die Erde so schnell wie durch ein Puderstübchen gelaufen und war wie in diesem , gehörig grau geworden ; die Milchgefäße seines äußeren und inneren Menschen hatten sich , weil sie Sahne- oder Rahmgefäße sein sollten , eben deswegen in Giftgefäße und Leidensbecher verkehrt .
So oft ich vor einer gemalten Fürsten-Suite in einem Korridor vorbeigehe , so verfall ich stets auf mein altes Projekt und sage ganz überzeugt : " vermöchten wir nur wie die Spar " ter und alle ältere Völker es durchzusetzen , " daß wir einmal einen Regenten gesund auf " den Thron hinaufbrächten ; so hätten wir ei "nen guten obendrein und alles ginge .
Aber " ich weiß , es sind die Zeiten nicht dazu .
Sünde " leger Weise assistieren nur bei der Tortur , " nicht bei der Freude , Chirurgen und Ärzte " die auf den Grad der Freude wie der Folter " und auf die unschädlichen Stellen genau hin " weisen . " -- Albano , fremd vor und in dieser Menschenklasse , sah anfänglich die Kluft zwischen sich und Luigi flacher gegraben als sie war ; bloß unbehaglich und drückend wurde es ihm , wie gewissen Leuten , wenn ohne ihr Wissen eine Katze im Zimmer ist .
Die fortgehende moralische Entkräftung und Verfeinerung wird alle unsere Außenseiten noch so absäubern und ausgleichen -- und zwar nach demselben Gesetze wonach physische Schwächung die Hautausschläge zurückjagt und in die edleren Teile verweiset -- , daß wahrhaftig ein Engel und ein Satan zuletzt in nichts zu unterscheiden sind als im Herzen .
-- Alban brachte schon von Wehrfritz , den er immer die Rechte der Landschaft gegen den Fürsten verfechten hörte , Abneigung gegen den Nachfolger mit ; desto leichter entbrannte in ihm ein moralischer Grimm , da Luigi sich gegen die Bilder kehrte und die Vorhänge oder Bergleder von einigen der indezentesten wegzog , um ihren artistischen Gehalt nicht ohne Geschmack und Kenntnis auszuwägen .
Eine kopierte Venus von Tizian auf einem weißen Tuche liegend war nur die Vorläuferin .
Obgleich der unschuldige Erbprinz die voyage pittoresque durch diese Galerie mit der artistischen Kälte des Galerieinspektors und Anatomikers machte und mehr seine Kenntnisse zu zeigen als zu bereichern suchte :
so nahm doch der unerfahrene Jüngling alles mit einer tauben und blinden Entrüstung auf , die ich mit nichts , nicht einmal mit der Gegenwart der Prinzessin zu verteidigen weiß , um so mehr , da erstlich diese ihre Seele nur zwischen der Gipsbüste und deren Kopie , arbeitend teilte und da zweitens in unseren Tagen Damenuhren und Fächer ( wenn sie geschmackvoll sind ) , Gemälde tragen , gegen die Albano wieder Fächer nehmen würde .
Die zwei Flammen des Zorns und der Scham überdeckten sein Angesicht mit einem glühenden Widerscheine ; aber sein unbehilflicher Trotz kontrastierte gegen die Gewandtheit des Lektors , der mit seinem kalten eben so bestimmten als leichten Tone Selbständigkeit bewahrte und Reinheit schützte .
" Sie gefallen mir alle nicht "(sagt' er barsch ) ich gäbe sie für ein einziges " Gewitter von Tempest weg . "
Luigi lächelte über sein schülerhaftes Auge und Gefühl .
Als sie in das zweite Bilder-Zimmer traten , hörte Albano die Prinzessin fortgehen .
Da ihm dieses Gemach mit noch mehreren zerrissenen Vorhängen des Unheiligsten drohte :
so nahm er seinen Abschied ohne sonderliche Zeremonie und ging ohne den Lektor zurück , der heute vorzulesen hatte .
Nie faßte Schoppe seine pulsierende Hand herzlicher an als diesmal ; der Anblick eines verschämten Jünglings ist fast holder ( seltener zumal ) als der einer verschämten Jung Frau , jener erscheint weiblich-sanfter ; wie diese männlich-stärker durch das zugemischte Zürnen der Tugend .
Schoppe , der wie Pope , Swift , Boileau Heiligkeit des Geschlechts mit Zynismus der Kleidung und Sprache zusammenzwang , leerte die größten Zornschalen über jede Libertinage aus und fiel als eine satirische Bellona die besten freien Leute an ; dasmal aber nahm er sie mehr in Schutz und sagte : " die ganze Gattung liebt fremde Schamröte " entschieden und bekämpfet sie lieber als Schamlosigkeit , so wie ( und aus einerlei Gründen ) " Blinde die Scharlachfarbe vorziehen .
" Man kann sie den Kröten vergleichen , die " den kostbaren Krötenstein ( ihr Herz ) auf kein " anderes Tuch wie auf ein rotes setzen . "
-- Der Lektor der bei aller Reinheit und Zucht doch dem Scarron ohne Bedenken an der Ode auf das Gesäß einer Herzogin hätte schreiben helfen , wußte -- als er die Flucht des Grafen behandeln wollte -- gar nicht , wie ihm geschah , als ihn dieser mit einigem Rosenessig ansprengte und sagte : " der Vater liegt dem " schlechten Menschen auf dem Brette und " ihm liegt eines vor der eisernen Stirn : o " der Schlechte ! "
-- Allerdings hatte die physische und moralische Nähe der zwei schönen weiblichen Herzen und die Liebe dafür den Grafen am meisten gegen Luigi's artistischen Zynismus empört .
Der Lektor versetzte bloß : " Er werde bei dem Minister und überall das " selbe hören ; und seine falsche Delikatesse werde " sich schon noch geben . "
-- " Die Heiligen "( fragte Schoppe ) wohnen nur auf , nicht in " den Palästen ? "
Froulays seiner trug nämlich auf seiner Platteform einen ganzen Kordon von steinernen Aposteln ; und auf einer Ecke stand eine Marinestatue , die zwischen lauter Dächern aus Sphexens Hause zu sehen war .
Junger Zesara !
wie jagt dir diese marmorne Madonna Blutwellen durchs Gesicht , gleichsam die Schwester deiner schöneren , oder die Schutz- und Hausgöttin derselben ! --
Aber er beschleunigte den Eintritt in dieses Lararium seiner Seele , die Abgabe des väterlichen Empfehlungsschreibens mit keinem Laute aus Scheu des Argwohns :
so viele Fehltritte tut der Gute schon im Heidenvorhofe der Liebe ; wie soll er im Weibervorhofe bestehen , oder im finsteren Allerheiligsten fußen ? 32. Zykel .
Der Hof ließ jetzt ( er konnte vor Schmerz nicht sprechen ) ausschreiben , daß der tote Nestor mit Tode abgegangen .
Ich setze hier den Jammer der Stadt samt der Freude derselben über die neue Perspektive bei Seite .
Der Landphysikus Sphex mußte den Regenten -- anstatt daß man uns Untertanen gleich Schnepfen und Grundeln mit dem ganzen Eingeweide und Gescheite auf die Tafel des Gewürms serviert -- wie ein großes Tier ausweiden .
Abends ruhte der Erblaßte auf seinem Paradebette aus -- der Fürstenhut und der ganze elektrische Apparat des Throndonners lag eben so ruhig und kalt neben ihm auf einem Tabouret --; er hatte die gehörigen Kerzen und Leichenwächter um sich .
Diese Toten-Schweizer -- der Klang frappiert mich und ich sehe jetzt die Freiheit auf dem Paradebette der Alpen liegen und die Schweizer wachen -- bestehen bekanntlich aus zwei Regierungsräten , zwei Kammerräten und so fort .
Der eine Kammerrat war der Hauptmann Roquairol .
Es kann hier nur einschaltungsweise berührt werden , wie dieser Jüngling , der vom Camerale fast nicht mehr verstand als ein Kammerrat im * * heischen , doch zu einem Rate in Kriegssachen darin aufstieg -- , nämlich wider seinen Willen durch den alten Froulay , der ( an sich eben kein sentimentalischer Herr ) den alten Fürsten immer die Jugenderinnerungen auffrischte und auffärbte , weil man in dieser weichen Laune von ihm erbetteln konnte was man wollte .
Wie häßlich und niedrig !
So kann ein armer Fürst kein Lächeln , keine Träne , kein freudiges Bild haben , woraus nicht irgend ein Hofprezist , des sieht , einen Türgriff arbeitet , sich etwas zu öffnen , oder einen Degengriff zum Verwunden ; keinen Laut kann er von sich geben , den nicht ein Waidmann und Wildrufdreher zum Mundstück und Wildruf verbrauche .
-- Julienne besuchte abends um 9 Uhr das einzige Herz , das am Hofe wie ihres und für ihres schlug , ihre gute Liane .
Diese bot gern ihrer anfangenden Migräne die Stirn und suchte nur fremde Schmerzen zu fühlen und zu stillen .
Die Freundinnen , die vor fremden Augen nur Scherze und voreinander nur einen weichen schwärmerischen Ernst entfalteten , versanken immer tiefer in diesen vor der religiösen strengen Ministerin , die nie an Julienne so viel Seele fand als in dieser sanft nachweinenden Stunde , wie Levkoien zu duften anfangen , wenn sie begossen werden .
Nicht der kämpfende Schmerz , sondern der fliehende verschönert die Gestalt ; daher verklärt der Tote seine , weil die Qualen erkaltet sind .
Die Mädchen standen schwärmerisch miteinander am Fenster , das zunehmende Mondlicht ihrer Phantasie wurde durch das äußere voll ; sie machten den Nonnen-Plan , auf Lebenslang beisammen zu leben und zusammenzuziehen .
Es kam ihnen in dieser stillen Rührung oft mit Erschrecken vor als wehe der klingende Flug abgeschiedener Seelen vorüber -- ( bloß ein Paar Fliegen hatten auf der Harfe der Ministerin mit Füssen und Flügeln die Töne gegriffen ) -- ; und Julienne dachte recht schmerzlich an ihren toten Vater in Lila .
Endlich bat sie die Seelenschwester , mit ihr heute nach Lila zu fahren und das letzte und tiefste Weh einer Waise zu teilen und zu milderen .
Sie tat es willig ; aber der Ministerin war das Ja mühsam abzuringen .
Ich sehe die sanften Gestalten aus der langen Umarmung im Wagen , in das Trauerzimmer in Lila treten , die kleinere Julienne mit zuckenden Augen und wechselnder Farbe , Liane von Migräne und Trauer blasser und milder und über jene durch ihre schon vom zwölften Jahre geschenkte Länge * ) erhoben .
Wie überirdische Wesen strahlten beide die an allen Ecken brennende Seele Roquairols an .
* )
Diese frühzeitige Vollendung des Wuchses habe ich an mehreren ausgezeichneten Weibern bemerkt , gleich als sollten diese Psychen Schmetterlingen gleichen , die nicht wachsen nach der Entpuppung .
Ein einziger Tränentropfe konnte in diesen Kalzinierofen Sieden und Verwüstung bringen .
Schon diesen ganzen Abend blickte er den Greis mit furchtsamen Schaudern über das kindische Ende dieses gewichenen Geistes an , der sonst so feurig gewesen als seiner jetzt ; und je länger er hinsah , desto dickere Rauchwolken schwammen vom offenen Krater des Grabes in das grünende Leben herein , und er hörte darin donnern und er sah darin eine Eisenfaust dunkel glühen , die nach unserem Herzen greift .
Unter diesen grimmigen Träumen , die jeden inneren Schmutzflecken beleuchteten und die hart ihm drohten , auch an seinem Vulkane werde nichts fruchtbar sein als einst die -- Asche , traten die traurigen Mädchen herein , die unterwegs nur über die erkaltete Gestalt , und jetzt noch heftiger über die verschönerte weinten ; denn die Hand des Todes hatte aus ihr das Linienblatt der letzten Jahre , das vortretende Kinn , die Feuermale der Leidenschaften und so viele mit Runzeln unterstrichene Qualen weggelöscht und gleichsam auf die Hülle den Widerschein des frischen stillen Mor genlichts gemalt , das jetzt den entkleideten Geist umgab .
Aber auf Julienne machte ein schwarzes Taftpflaster auf dem Augenknochen , das noch von einem Stoße daraufgeblieben war , dieses Zeichen der Wunden einen heftigeren Eindruck als alle Zeichen der Heilung ; sie bemerkte nur die Tränen , aber nicht die Worte Lianen : o wie ruht Er so schön !
-- " Aber " warum ruht er ?
( sagte ihr Bruder mit jener " aus dem Innersten murmelnden Stimme , die " sie von seiner Liebhaber-Bühne her kannte ; " und faßte ihre Hand erschüttert , weil er und " sie einander innig liebten und seine Lava " brach nun durch die dünne Rinde ) -- dar " um , -- weil das Herz aus seiner Brust ge " schnitten ist , weil darin das Feuerrad der " Entzückung , das Schöpfrad der Tränen " nicht mehr geht . " -- Diese tyrannische Erinnerung an die Leichenöffnung wirkte fürchterlich auf die kranke Liane und sie mußte die Augen von der zugedeckten Brust abwenden , weil der Schmerz mit einem Lungenkrampfe den Atem sperrte ; und doch fuhr der wilde , andere wie sich verhee rende Mensch , der vorher neben der steifen Leichengarde geschwiegen hatte , im doppelten Zertrümmern fort : " fühlst du wie sich dieser " Fangeball des Schicksals , dieses Ixionsrad der " Wünsche so schmerzlich in uns bewegt ? -- " nur die Brust ohne Herz wird ruhig . " -- Auf einmal schaute Liane länger und starrer auf die Leiche -- eine eiskalte Schneide , wie von der Todessichel , drückte sich durch das warme Gehirn -- die Trauerkerzen brannten ( schien es ihr ) trüber und trüber -- dann sah sie im Winkel des Zimmers eine schwarze Wolke spielen und aufwachsen -- dann fing die Wolke zu fliegen an und stürzte voll herausquellender Nacht über ihre Augen -- dann schlug die dicke Nacht tiefe Wurzeln in den wunden Augen und die erschrockene Seele konnte nur sagen : ach Bruder , ich bin blind .
Nur der harte Mann , aber kein Weib wird es fassen , daß in Roquairols entsetzlichen Schmerz einige ästhetische Freude über das mörderische Trauerspiel eindrang .
Julienne schied vom Toten und von dem alten Schmerze und warf sich mit dem neuen an ihren Hals und und klagte :
" o meine Liane , meine Liane ! " siehst du noch nicht ? --
Sieh mich doch an ! " --
Der zerrissene und zerreißende Bruder führte die Schwester , der nur einzelne Tropfen als kaltes hartes Wasser auf die blassen Wangen schlugen , mit der scharfen Frage fort : " schwirret kein Würgengel mit roten Fittichen " durch deine Nacht , wirft er keine gelbe Nat " teeren auf dein Herz und keine Schwertfische " in deine Nervengewebe , damit sie sich darin " verstricken und an den Wunden die Sä " Gezähne wetzen ? --
Mir ist wohl in mei "ner Pein , solche Disteln kratzen uns , nach gu " ten Moralisten , auf * ) und bereiten uns zu .
"-- -- Du jammervolle Blinde , was sagst du , " habe ' ich dich wieder recht elend gemacht ? "
-- Wahnsinniger , sagte Julienne , lassen Sie nach , Sie bringen sie um .
-- " O was kann Er da " für ( sagte Liane ) ; die Migräne machte mir " es schon vorhin neblig . "
-- Der Abschied der Freundinnen wurde in * )
Mit Disteln wird das Tuch gerauht , d. h. aufgekratzt , um es besser zu scheren .
Titan. I. U mehr als einer Finsternis genommen und darin will ich ihn mit allen seinen Qualen lassen . --
Dann bat Liane ihr Mädchen , es der Mutter so kurz vor dem Schlafe zu verschweigen , da es sich vielleicht in der Nacht noch gebe .
Aber umsonst ; die Ministerin war es gewohnt , ihren Tag an der Brust und der Lippe ihrer Tochter zu schließen .
Nun trat diese geleitet herein und suchte das Mutterherz irrig seitwärts und dem sanfteren Weinen konnte sie in dieser geliebten Nähe nicht mehr wehren :
da wurde ja alles verraten und alles gestanden .
-- Die Mutter ließ erst den Doktor rufen , ehe sie mit feuchten Augen und mit leisen Armen an der angedrückten Tochter den Bericht anhörte .
Sphex kam , prüfte die Augen und den Puls und machte nichts daraus als ein Nerven-Falliment .
Der Minister , der überall im Hause Leithunde mit feinen -- Ohren hatte , kam , unterrichtet , herein und machte in Sphexens Beisein außer weiten Schritten nichts als die kleine Note :
" Voyes , Madame , comme " Votre le Kain * ) joue son Rolle à mehr " veille . " -- Sobald Sphex hinaus war , ließ Froulay einige Billionenpfunder und Wachteln ( dreipfündige Handgranaten ) auf die Gattin los .
" Das sind , notierte er , die Folgen Ihrer visio " nähren Erziehung ( freilich schlug seine eigene " am Sohne auch nicht sonderlich an ) --
War " um ließen Sie die kranke Närrin gehen ?
( Er hätte es selber aus höfischen Rücksichten noch lieber erlaubt ; aber Männer tadeln gern die Fehltritte , die man ihnen -- ersparte ; überhaupt setzen sie wie Köchinnen das Messer lieber an Hühner mit weißem Gefieder als an die mit dunklem ) .
-- Vous aimes , ce me sein " ble , à anticiper le sort de cette Reveuse un " peu avant qu' il soit decide du nôtre ** )
( Ihr * )
" Sehen Sie wie vortrefflich Ihr Le Kain ( ein " berühmter Schauspieler ) seine ( Mord- ) Rolle " spielt . " ** )
" Sie wollen wie es scheint das Schicksal die " sehr Seherin noch eher entscheiden als das un " srige entschieden ist . "
Er meint hier die Ehe U 2 " Schweigen machte ihn immer bitterer ) -- " Oh ! ce sied si bien à votre art cosmetique " que de rendre aveugle et de ledre , le dieu "de l'amour , sie prête de modele * ) . "
Von dieser schreienden Härte ergriffen -- besonders da bloß der Minister wider die mütterlichen Wünsche eben diese kosmetische Erziehung Lianen für seine politischen gewählt und befohlen hatte -- mußte die Mutter das nasse Auge an der Tochter verbergen und trockenen .
Die Ehemänner -- und die neuesten Literatoren -- halten sich für Feuersteine , deren Lichtgeben man nach ihren scharfen Ecken berechnet .
Unsere Voreltern schrieben einem Diamant-Gehenke das Vermögen , Liebe unter Ehegatten anzufachen zu -- auch finde ich in der Tat noch an Juwelen diese Kraft -- ; nur lässt ** ) * )
" So gehört sich_es für Ihre Verschönerungskunst , " sowohl blind zu machen als zu sein ; der Lie " besgott ist das Modell dazu . "
* * ) Scheidung , die zwischen beiden nur durch den wechselseitigen Wunsch , Lianen zu behalten , verschoben wurde . dieser zum Kiesel gehörige Stein nach den Ehepakten so kalt und hart als er selber ist .
Wahrscheinlich war Froulays Eheband ein solches edelsteinernes .
Allein die Frau sagte nur : " lieber Mini " ster , lassen wir das ! ; aber schonen Sie die " Kranke . "
-- " Voilà precisement ce qui faut vo " tre Affäre * ) " sagte er hohnlachend .
Vergeblich redete Liane ihn rührend-irrig von der falschen Weltgegend an und sprach für ihren Bruder -- welches ewige zu viel beweisende Defensorrat aller Leute ihr einziger Fehler war -- ; vergeblich , denn sein Mitleiden mit einer Gepeinigten bestand in nichts als im Grimme gegen die Peiniger und seine Liebe gegen Liane zeigte sich nur im Hassen derselben : " schweige , " Närrin !
Aber Monsieur le Kain soll mir " nicht ins Haus , Madame , bis auf weitere " Ordre ! "
-- Ich sage zum alten Ehe-Bramarbas aus Schonung weiter nichts als : gehe zum Teufel , wenigstens zu Bett ' ! -- * )
" Das wäre eben vorher Ihre Sache ge " Wesen . " 33. Zykel .
Das deutsche Publikum wird sich noch der vom Antrittsprogramm versprochenen obligaten Blätter erinnern und mich fragen , wo sie bleiben .
Der vorige Zykel war das erste , bestes Publikum ; aber sieh daraus , wie obligate Blätter sind und daß vielleicht so viel Geschichte darin stecke als in irgend einem Zykel , wie er auch heiße .
Der Graf hatte noch nichts von Lianen Unglück erfahren , als er mit den anderen hinunter zum Diener des Doktors ging , der heute sehr gastfrei war .
Sie fanden ihn im heftigsten Lachen begriffen , die Hände in die Seiten gestützt und die Augen über zwei Salbennäpfchen auf dem Tische gebückt .
Er stand auf und war ganz ernsthaft .
In Reil's Archiv für die Physiologie hatte er nämlich gefunden , daß nach Fourcroy und Vauquelin die Tränen den Vielsaft grün färben und also Laugensalz enthalten .
Um nun den Satz und die Tränen zu prüfen , hatte er sich hingesetzt und ernsthaft stark gelacht , um zu weinen und einige Tropfen für die Sohlwage des Satzes zu ge winnen ; er hätte sich gern anders erschüttert durch Rührung , aber er kannte seine Natur und wußte , daß nichts dabei herauskäme , nicht ein Tropfe .
Er ließ die Gäste ein wenig allein -- die Frau war auch noch nicht zu sehen -- Malz saß in einer Ottomane -- die Kinder hatten satirische Minen -- kurz die Unverschämtheit wohnte in diesem Hause wie in ihrem Tempel . --
Auf den Alten wirkte kein Spott und er ordnete nur ab , was ihm , nicht was anderen mißfiel .
Endlich schwenkte sich als Voressen oder Vorbericht der Suppe die rosabackige Physikussin in die Stube herein mit 3 oder 4 Esprits oder Federstutzen -- mit einer scheckigen Hals- Schürze -- in einem roten Ballkleide , dem die Walzer die Farbe ausgezogen , die sie ihr aufgelegt -- und mit einem durchbrochenen Putzfächer .
Wenn ich wollte , könnte ich mich ihrer annehmen ; denn anlangend die Esprits ( da oft der Esprit wie bei den Embryonen das Gehirn , sich auf die Gehirnschale heraussetzt und da sonnet ) , so dachte sie , Weiber und Rebhühner würden am besten mit Federn auf dem Kopfe an der Tafel serviert -- anlangend den Fächer , so gab sie vor , sie komme von einem Morgenbesuche ( wobei sie recht deutlich voraussetzte , daß Damen so wenig ohne Fächerstäbe als Tischler ohne Maßstab durch die Gasse dürfen ) -- anlangend den Rest , so wußte sie , der Gast sei ein Graf .
Sonach scheint es , daß sie unter die Honoraziorinnen gehöre , die ( der größeren Anzahl nach ) gleich den Klapperschlangen nie besser zu genießen sind als wenn man vorher ihren Kopf beseitigt ; aber das haben wir noch immer Zeit zu glauben , wenn wir besser hinter sie kommen .
Der schöne Zesara war für sie blind , taub , stumm , geruch- , geschmack- , gefühllos ; aber manchen Weibern kann man mit der größten Mühe und Langeweile kaum -- mißfallen ; Schoppe vermochte es leichter .
Sphex machte sich für seine Person aus einer Fett-Zelle Malzens mehr als aus dem ganzen Zell- und Florgewebe einer oder seiner Frau ; gleich allen Geschäftsleuten hielt er die Weiber für wahre Engel , die Gott zum Dienste der Frommen ( der Geschäftsmänner ) ausgesandt .
-- Der Zug des Essens hob an -- Augusti , ein feiner Esser , freute sich auf viel und hielt sich nicht nur ans feine Service , sondern auch an die zerrissenen Servietten , dergleichen er oft an Höfen auf dem Magen gehabt , weil man da in der Moral und im Weißzeuge Wunden lieber hat als Pflaster .
-- Es traten sogar schon wie gewöhnlich Vorposten und erste Treffen von elenden Speisen auf , die gewöhnlichen Propheten und Vorläufer des besten Kerns , wiewohl ich an hundert Tafeln es verwünschte , daß sie nicht wie gute Monatsschriften die besten Stücke zuerst und die magersten zuletzt geben . --
Der Physikus hatte schon zu den 3 Knaben gesagt :
" Geolenis !
Boerhave !
" Van Swieten ! wie sitzet man artig ? " --
und die 3 Ärzte hatten schon 3 rechte Hände zwischen die Westenknöpfe und drei linke in die Westentaschen geschoben und passten steilrecht -- als guter Schabzieger anlangte zum Nachtisch .
Sphex gab teils Lust zum Käse teils Abscheu davor wie er_es gerade offizinell fand .
Er merkte auf der einen Seite an , wie die Tischler in ihrem Leimtopfe keinen besseren Leim hätten als was da vor ihnen stehe -- er binde eben so im Menschen -- doch würde er für seine Person ihn lieber mit D. Junker wie Arsenik äußerlich überschlagen ; -- aber er gestand auch auf der anderen Seite , daß der Schabzieger für den Lektor Gift sei .
" Ich wollte mich dafür ver " pfänden , ( sagt ' er , ) daß Sie , wenn man Sie " untersuchen könnte , hektisch wären ; die lassen " gen Finger und der lange Hals sprechen für " mich und besonders sind die weißen schönen " Zähne nach Camper ein böses Zeichen .
Peso "nen hingegen , die ein Gebiß haben wie meine " Frau da , dürfen sicher sein . "
Augusti lächelte und fragte bloß die Doktorin , zu welcher Zeit man am besten zum Minister komme .
Solche vergiftende Reflexionen so wie den Mittags-Katzentisch , gab er nicht aus satirischer Bosheit sondern aus bloßer Gleichgültigkeit gegen andere , auf die er gleich einem Rechtschaffenen , nie unter seinem Handeln Rücksicht nahm .
Mit der Freiheitsmütze des Doch Torhuts auf dem Kopfe erhielt er von seiner medizinischen Unentbehrlichkeit so viele akademische Freiheiten , daß er zwischen seinen 4 Pfählen nicht freier aß und agierte als zwischen dem bunten spitzen Pfahlwerke des Hofes .
Brachte er da jemals -- das frag ich -- einen Tropfen süßen Wein über die Lippen , ohne vorher einen Ephraimiten , der selber die Probationstage nicht überlebte , herauszuziehen und ins Glas zu hängen , bloß um vor dem Hofe zu untersuchen , ob der Ephraimit darin nicht schwarz werde ?
Und wenn_es das Silber tat , war da nicht das Überschwefeln des Weins so gut als demonstriert , und hätte der Physikus nicht den Hof , die Süßigkeit , das Schwärzen , Vergiften und Überschwefeln recht artig applizieren können , wenn er der Mann dazu gewesen wäre ? --
Dem Zufalle , daß der Lektor über die Einlaßzeit bei dem Minister für heute nachforschte , hatte es Albano zu danken , daß er den schmerzlichen Unfall nicht im Hause des Ministers oder neben der Blinden selber erfuhr .
" Sie " können , ( antwortete Sara , die Doktorin , ) " auch den Bedienten hinschicken ; der unter " schreibt sich für Sie alle ; mich aber dauert " niemand wie die Tochter . "
-- Nun brach ein Sturm von Fragen nach dem unbekannten Vorfalle los .
" Es ist so , " fing der Physikus mürrisch an , legte sich aber bald , weil er in einigen Augen Wasser für seine Mühle sah , -- und weil er alle medizinische Schuld von sich auf den Hauptmann Roquairol zu wälzen suchte -- so gut er konnte , auf pathetisches Detail und log fast sentimental .
Er schob mit einem unbemerkten Winke der gerührten Frau einen leeren Teller zu als Lakrymatorium , damit nichts umkäme .
Aus den verfinsterten Augen des vergeblich-kämpfenden Jünglings riß der erste Lebensschmerz einige große Tropfen .
" Ist wohl eine Herstellung möglich , " fragte Augusti sehr bekümmert , wegen seiner Verbindungen mit der Familie .
" Wahrlich ein bloßer Nervenzufall ist_es "(versetzte Schoppe keck ) und weiter nichts ; " Whytt erzählt , daß eine Frau , die zu viel " Säuere im Magen hatte ( im Herzen wäre_es " noch ärger ) alles umnebelt erblickte , wie " Mädchen vor naher Migräne . "
-- Sphex , der nur des Pathos und Laugensalzes wegen gelogen hatte und den es ärgerte , daß der Bibliothekar seiner heimlichen Meinung gewesen , antwortete so als hätte dieser gar nicht geredet : " der höchste Grad der Schwindsucht , " H. Lektor , schließet sich oft mit Erblinden ; " und zu beiden wäre hier wohl Rat .
Inzwi "schen kenne ich eine gewisse nervöse periodische " Blindheit -- ich hatte den Fall an einer " Frau * ) , die ich bloß durch Aderlassen , " Dampf von gebrannten Kaffeebohnen und " die Abenddünste des Wassers aufbrachte -- " das wird nun an der Nervenpazientinn wie " der versucht .
Ein pflichtmäßiger Arzt wird " aber immer wünschen , daß der Teufel Mut " ter und Bruder hole . "
Nämlich der Wiederstrich von Lianen Zugkrankheit setzte ihn außer sich .
Beleidigungen * )
Eine nervenschwache ( ich weiß nicht obs die nämliche ist ) , welche viel Religion , Phantasie und Leiden hatte , wurde wie sie mir erzählt , auf dieselbe Weise blind und auf dieselbe geheilt . der Ehre , der Liebe , des Mitleidens machten den Physikus nie warm und er behielt seinen Überzug aus Glatteis an ; aber Störungen seiner Kuren erhitzten ihn bis zum Zerspringen ; und so sind wir alle Springgläser , die den Hammer vertragen und nicht eher in tausend Splitter zerfahren als bis man die kleine Spitze abbricht ; bei Achilles war_es die Ferse , bei Sphexen der Arznei-D .
Ringfinger , bei mir der Schreibfinger .
Der Doktor schüttete nun sein Herz aus , wie einige ihre Gallenblase nennen ; er schwor bei allen Teufeln , er habe mehr für sie getan als jeder Arzt -- er habe es aber schon vorausgewußt , daß eine so dumme Erziehung bloß für das Schönaussehen und Beten und Lesen und Singen eine verdammte Wirtschaft wäre -- er , hätte gern oft die Harmonikaglocken und Tambournadeln * ) zerbrochen -- er habe oft die Mutter ohne Schonen auf Lianen soge * )
Das ewige Prickeln der empfindlicheren Finger- Nerven durch Strick- Lambour- u. a. Nadeln macht vielleicht so gut wie das Berühren der Harmonikaglocken , durch Reizen nervenschwach . nannte Reize , und auf die Empfindsamkeit , helle Wangenröte und Samt-Weiche Haut aufmerksam genug gemacht , habe aber damit fast mehr zu erfreuen als zu betrüben geschienen -- was ihn allein belustige , sei daß das Mädchen vor einigen Jahren todkrank geworden vom ersten h. Abendmahle , wovon er sie abzuhalten versucht , weil er schon an der vierten Pazientinn die betrübtesten Folgen dieses h. Aktus kennen lernen . -- --
Zum allgemeinen Erstaunen schlug sich mein Graf gegen alle auf Roquairols Partei .
Ach deine ersten Frühlingsstürme zogen jetzt gefangen in deiner Brust umher ohne eine freundschaftliche Hand die ihnen einen Ausweg gab , und du wolltest deinen blutigen Gram bedecken ! --
Und suchtest du nicht einen Geist voll Flammen , ein Auge voll Flammen für deine und hättest du dich nicht lieber mit einem donnernden Höllengotte verbrüdert als mit einem pietistischen matten gleich einer Schabe unterhöhlenden Himmelsbürger ? -- Barsch fragt er den Doktor : " wo haben " Sie das Herz des Fürsten ? "
-- " Ich habe es " nicht , " sagte Sphex betroffen , " im Tarte " rus * ) liegt -- wiewohl der Wissenschaft " profitabler gewesen wäre , hätte man es un " ter seine Präparate stellen dürfen ; groß war_es " und sehr singulär . "
Er dachte daran , daß er oft -- wo er konnte -- wie ein Augur unter dem Sezieren ein oder das andere bedeutende Glied als ein Prinzen- und Junkern- Räuber à la Minute heimlich bei Seite geschafft -- für sein Studium , ein Honig , den er sich gern mit seinem Anatomir- und Zeidelmesser ausschnitt .
" Hat sonach das Fräulein eine Unglück " liche Liebschaft oder dergleichen , " fragte Schoppe .
" Mehr als eine ( sagte Sphex ) Krü " pel -- Presshafte -- Waisenjungen -- blinde " Methusalems ; alle diese Liebschaften hat sie .
" Späße und junge Herren , sage ich oft zur " Alten , bekämen ihr gesünder . "
Aber darin , in der Forderung der Heiterkeit gebe ich ihm nach -- Freude ist die einzige Univer * )
Der Tartarus ist die melancholische Partie in Lila .
Universaltinktur , die ich präparieren würde -- sie wirkt ( und stets ) als antispasmoticum , als glutinans und adstringens .
-- das Freudenöhl dient zur Brand- und Frost-Salbe zugleich .
-- Der Frühling z. B. ist eine Frühlingskur , eine Landpartie eine Austernkur , eine Brunnenbelustigung eine Maß Bitterwasser , ein Ball eine Motion , ein Fasching ein medizinischer Kursus -- und daher ist der Sitz der Seligen zugleich der Sitz der Unsterblichen . -- --
" Ja er habe , beschloß der Doktor , weil_es " Leute von Stande wären , zuletzt zum Hoch " Mut geraten , der alle offizinellen Heil " Kräfte der Freude zeige ; sehr starker wirke " völlig wie diese , belebe den Puls , stähle die " Fibern , sperre die Poren auf und jage das " Blut durchs lange Aderngewinde * ) .
-- Seiner " schwächlichen Frau , wie man sie da sehe , habe * )
Den Blutumlauf beschleunigt Hochmut bis zum Wahnsinn .
Übrigens ist die ganze Bemerkung von dem pharmazeutischen Werte des Hochmuts aus Tissots Trait sur les Nervs geholt .
Titan. I. X " er früher durch Kleider und Doktors-Rang " dieses Medikament beigebracht und ihr damit " auf die Beine geholfen .
-- Aber er wolle Li " ber 60 gemeine Weiber als Eine vornehme " kurieren -- und er bedauere als Hausarzt bloß " seine Rezepte und medizinischen Bedenken , " falls einmal , wie er gewiß glaube , die schöne " Liane von hinnen fahre . "
-- Die erste Frage , die der nie etwas überhörende Albano auf dem Rückwege vom Doktor an Augusti tat , war was die Doktorin mit dem unterschreibenden Bedienten haben wollen .
Er erklärte es .
Es ist nämlich in Pestiz wie in Leipzig die Observanz , daß , wenn ein Mensch verstirbt oder sonst verunglückt , dessen Familie einen leeren Bogen Papier samt Tinte und Feder in den Vorsaal legt , damit Personen , die nähern Anteil nehmen und zeigen , einen Lakaien dahin schicken können , der ihren Namen auf den Bogen setzt so gut er weiß ; -- dieses kaufmännische Indossament des nähern Anteils , dieses niedersteigende repräsentative System durch Bediente , die überhaupt jetzt die Telegraphen unseres Herzens sind , macht beiden Städten großen Schmerz und Anteil süß und leicht durch Tinte und Feder .
" Ach das , o Gott ? --
( sagte Alban und " erzürnte sich ungewöhnlich , als dringe man " ihm Bedienten zu Chrysographen und Geschäfts " Trägern seiner Gefühle auf ) -- " o ihr egoisti "schen Gaukler ! durch die Feder schreibender " Lakaien gießet ihr euch aus ? --
Lektor , dem " Satan selber würde ich wärmer kondolieren " als so ! " --
Warum ist dieser verhüllte Geist so rege und laut ? --
Ach alles hat ihn bewegt .
Nicht bloß der Jammer über die , von allen nächtlichen Pfeilen des Verhängnisses verfolgte Liane trat eisern in sein offenes Herz , sondern auch das Erstaunen über das dunkle Einmischen des Schicksals in sein junges Leben ; -- Roquairols wiederkommender Ausdruck " Brust ohne " Herz " klang ihm als wenn er ihm bekannt sein sollte ; endlich fiel ihm die Umkehrung ein , das Wort der insularischen Sphinx :
Herz ohne Brust -- -- Also sogar dieses Rätsel war gelöst , und der Ort bestimmt , wo er wie X 2 der , jede Erwartung die Weissagung der Geliebten hören sollte -- aber wie unbegreiflich , unbegreiflich !
-- " O Liane heißet sie und kein Gott soll den " Namen ändern " sagte seine innerste Seele .
-- Denn in früheren Jahren hat eben der kräftigste Jüngling an Mädchen reizende Kränklichkeit und weiche Vollgefühle und nasse Augen lieber -- so wie man überhaupt in Albanos Jahren die Flut ( später die Ebbe ) der Augen zu hoch anschlägt , ob sie gleich oft wie zu reiches Begießen die Samenkörner der besten Entschlüsse wegschwemmen --; indes er später ( weil er den Ehestand und die Wirtschaft antreten will ) sich mehr nach hellen und scharfen Augen als nach feuchten , und mehr nach kaltem und gesundem Blute erkundigt .
-- Da Alban das Feuer seiner inneren Wolken meistens an den Ausladeketten der Klaviersaiten niedergehen ließ -- seltener in die Hippokrene der Poesie -- : so machte er aus seinem inneren Charivari unbewußt einen Klavierauszug .
Ich transponiere seine Fantaisie folgender Maßen in meine Phantasie .
Auf den weich sten Molltönen ging die Erblindung mit ihren langen Schmerzen vorüber und im Sprachgewölbe der Tonkunst hörte er alle leisen Seufzer Lianen laut . --
Dann führten ihn härtere Molltöne in den Tartarus an das Grab und Herz des alten freundlichen Mannes , der mit ihm einmal gebetet hatte , und da sank in der Geisterstunde leise wie ein Tau der Laut vom Himmel :
Liane ! --
Mit einem Donnerschlage des Entzückens fiel er in den Majore-Ton und er fragte sich : " diese fromme " lichte Seele konnte das Schicksal deinem un " vollkommenen Herzen versprechen ? "
Und da er sich antwortete , daß sie ihn vielleicht lieben werde ; weil sie ihn nicht sehen könne --
denn die erste Liebe ist nicht eitel -- und da er sie von ihrem gigantischen Bruder führen sah und da er an die hohe Freundschaft dachte , die er ihm geben und abverlangen wollte :
so gingen seine Finger in einer erhebenden Kriegsmusik über die Tasten und es klangen die himmlischen Stunden vor ihm , die er genießen werde , wenn seine zwei ewigen Träume lebendig aus der Nacht in den Tag herübergiene gen , und wenn Ein verschwistertes Paar seinem so jungen Herzen zugleich den Freund und die Freundin gäbe . --
Hier verklang leise sein inneres und sein äußeres Stürmen -- und die gleichschwebende Temperatur des Instruments wurde die des Spielers . . . .
Aber eine Seele wie seine wird leichter vom Schmerze befriedigt als vom Glücke .
Als wäre die Wirklichkeit da , so drang er weiter :
unbeschreiblich-hold und überirdisch sah er Lianen Bild in ihrem Leidenskelche zittern ; denn die Dornenkrone veredelt leicht zum Christuskopfe und das Blut der unverdienten Wunde ist Wangenrot am inneren Menschen und die Seele , die zu viel gelitten , wird leicht zu viel geliebt . -- --
Die zarte Liane schien ihm schon für die Flora der zweiten Welt in den Leichenschleier eingesponnen , wie die weichen Glieder der Bienennymphe durchsichtig über der kleinen Brust gefaltet liegen -- die weiße Gestalt aus Schnee , die einmal in seinem Traume auf seinem Herzen zerronnen war , öffnete das helle Wölkchen wieder und sah blind und weinend auf die Erde und sagte :
" Albano , ich " werde sterben , ehe ich dich gesehen habe . "
-- " Und wenn du mich auch , sagte das sterbende " Herz in seiner Brust , niemals siehst :
so will " ich dich doch lieben . --
Und wenn du auch " bald vergehst , Liane , so erwähl ' ich gern den " Schmerz und gehe treu mit dir bis du im " Himmel bist . "
. . . .
Der Himmel und die Hölle hatten vor ihm zugleich ihre Vorhänge aufgezogen -- nur wenige und dieselben Töne und höchste und unterbrochene konnte er noch leise bestreifen -- und endlich sanken die Hände unter -- und er fing zu weinen an , aber ohne zu harte Schmerzen , wie das Gewitter , das seine Blitze und Donner aufgelöst hat , nur noch mit einem leisen weiten Regen über der Erde steht . -- --
Sechste Jubelperiode .
Die 10 Verfolgungen des Lesers -- Lianen Morgenzimmer -- Disputation über die Geduld -- die malerische Kur. 34. Zykel .
Heischsätze -- Apophthegmen -- Philosopheme -- Erasmische Adagia -- Bemerkungen von Rochefoucauld , La Bruyere , von Lavater ersinn ich in Einer Woche unzählige und mehrere als ich in sechs Monaten loszuwerden und als Einschiebeessen in meinen biographischen petits soupees wegzubringen im Stande bin .
So läuft der Lotto-Schlagschatz meiner ungedruckten Manuskripte täglich höher auf , je mehr ich dem Leser Auszüge und Gewinne gedruckter daraus gönne .
Auf diese Weise schleiche ich aus der Welt und habe nichts darin gesagt .
Lavater nimmt sich hierin vernünftiger , er lässt das ganze mit Schätzen gefüllte Lottorad unter dem Titel : Manuskripte ( so wie wir umgekehrt Manuskripte den Verlegern auf der Post unter dem Titel gedruckter Sachen zufertigen ) , selber unter die Gelehrten laufen .
Aber warum tue ich_es nicht und lasse wenigstens eine oder ein Paar Wasseradern meines Wasserschatzes springen und auslaufen ? --
Auf zehn Verfolgungen des Lesers -- bloß so nenne ich meine zehn Aphorismen , weil ich mir die Leser als Märtyrer ihrer Meinungen und mich als den Regenten denke , der sie mit Gewalt bekehrt -- schränk ich mich ein .
Der folgende Aphorismus ist -- wenn man den vorhergehenden als die erste Verfolgung anschlägt -- hoffe ich die zweite .
Nichts fegt und siebt unsere Vorzüge und Liebhabereien besser durch als eine fremde Nachahmung derselben .
Für ein Genie sind keine schärfere Poliermaschinen und Schleifscheiben vorhanden als seine Affen .
-- Wenn ferner jeder von uns neben sich noch ein Doppel- Ich , einen vollständigen Archimimus * ) und Repetenten im Komplimentieren , Hutabnehmen , Tanzen , Sprechen , Zanken , Prahlen etc. herlaufen sähe : beim Himmel ! ein solches genaues Repetierwerk unserer Mißtöne würde ganz andere Leute aus mir und anderen Leuten machen als wir gegenwärtig sind .
Der erste und kleinste Schritt , den wir zur Besonnenheit und Tugend täten , wäre schon der , daß wir unsere körperliche Methodologie , z. B. unseren Gang , Anzug , Dialekt , unsere Schwüre , Minen , Leibgerichte etc. nicht besser sondern gerade so befänden als alle fremde .
Fürsten haben das Glück , daß sich alle Hofleute um sie zu treuen Supranumerarkopisten und Pfeilerspiegeln ihres Ich_es zusammenstellen und sie durch diese Heloten-Mimik besseren wollen .
Aber sie erreichen selten die gute Absicht , weil der Fürst * )
So hieß bei den Römern ein Mann , der hinter der Leiche ging und die Gebärden und das Wesen derselben im Leben nachäffte .
Pers. Sat. 3. -- und das wäre von mir und dem Leser auch zu befürchten -- wie der Grundsatz des Nichtzuunterscheidenden an keine wahre Menächmen glaubt , sondern sich einbildet , in der Moral wie in der Katoptrik zeige jeder Spiegel und Nebenregenbogen alles verkehrt .
Dritte .
Es ist dem Menschen leichter und geläufiger , zu schmeicheln als zu loben .
Vierte .
In den Jahrhunderten vor uns scheint uns die Menschheit heranzuwachsen , in denen nach uns abzuwelken , in unserem herrlich-blühend aufzuplatzen : so scheinen uns nur die Wolken unseres Scheitelpunktes gerade zu gehen , die einen vor uns steigen vom Horizonte herauf , die anderen hinter uns ziehen gekrümmt hinab .
Fünfte .
Das Alter ist nicht trübe , weil darin unsere Freuden , sondern weil unsere Hoffnungen aufhören .
Sechste .
Das Alter der Weiber ist trüber und einsamer als das der Männer : darum schont in jenen die Jahre , die Schmerzen und das Geschlecht ! -- Überhaupt gleicht das Leben oft dem Fang-Baume mit Aufwärtsgerichteten Stacheln , an welchem der Bär leicht hinauf zum Honig-Köder klettert , wovon er aber unter lauter Stichen wieder zurückrutschet .
Siebente .
Habt Mitleiden mit der Armut , aber noch hundertmal mehr mit der Verarmung !
Nur jene , nicht diese macht Völker und Individuen besser .
Achte .
Die Liebe vermindert die weibliche Feinheit und verstärkt die männliche .
Neunte .
Wenn zwei Menschen im schnellen Umwenden mit den Köpfen zusammenstoßen :
so entschuldigt sich jeder voll Angst und denkt , nur der andere habe den Schmerz und nur er selber die Schuld .
( Nur ich excusire mich ganz unbefangen , eben weil ich aus meinen Verfolgungen weiß , wie der andere denkt ) .
Wollte Gott , wir kehrten bei moralischen Stößen nicht um !
Letzte Verfolgung des Lesers .
Der Hintergangene bedeckte und vom Trauerschleier zum Leichenschleier lebende Mensch glaubt , es gebe kein Übel weiter als das , was er zu besiegen hat ; und vergisst , daß nach dem Siege die neue Lage das neue mitbringe .
Daher geht -- wie vor schnellen Schiffen ein Hügel aus Wasser vorschwimmt und eine nachgleitende Wellengrube hinter ihm zuschlägt -- immer vor uns her ein Berg , den wir zu übersteigen hoffen und hinter uns noch eine Tiefe , aus der wir zu kommen glauben .
So verhofft der Leser , jetzt nach überstandenen 10 Verfolgungen in den historischen Hafen einzufahren und da ein ruhiges Leben zu führen vom unruhigen meines Personale ; aber kann ihn der geist- und weltliche Arm denn decken gegen einzelne Gleichnisse -- gegen halb seidige Kopfschmerzen -- Waldraupen -- Rezensionen -- Gardinenpredigten -- Regenmonate -- oder gar Honigmonate , die nach dem Ende jedes Bandes einfallen ? -- --
Nun zur Historie !
Abends fuhren Albano und Augusti mit dem väterlichen Kreditbriefe zum Minister .
Den Frost und Stolz desselben suchte der Lektor unterwegs durch das Lob seiner Arbeitsamkeit und Einsicht zu überfirnissen .
Mit Herzklopfen faßte der Graf den Türklopfer am Himmels- oder Höllentore seiner Zukunft an .
In der Antichambre -- diesem höheren Bedientenzimmer und Limbus infantum et patrum -- standen noch Leute genug , weil Froulay ein Vorzimmer für eine Bühne hielt , die nie leer sein darf und auf der es , wie im jüdischen Tempel nach den Rabbinen , denen die knien und beten , nie zu enge wird .
Die Ministerin war als eine Pazientinn abwesend , bloß weil sie eine hüten wollte .
Der Minister war auch nicht da -- weil er wenig Zeremonien machte und nur ungemein viel forderte -- sondern in seinem Arbeitskabinett ; er hatte bisher den Kopf unter dem warmen Thron Himmel gehabt und tief in den verbotenen Reichsapfel gebissen , daher opferte er willig auf ( nicht anderen , sondern andere ) und ließ sich als eine Heiligenstatue mit Votivglieder behängen , ohne seine zu regen , und wie der h. Franziskus zu Oporto , mit Dank- und Bittschriften , die er niemals erbricht .
Froulay kam und war -- wie immer , außer den Geschäften -- so höflich wie ein Perser .
Denn Augusti war sein Hausfreund -- d. h. die Ministerin war dessen Hausfreundin -- und Albano war nicht gut vor den Kopf zu stoßen ; weil man dessen Pflegevater in Landschafts-Votis brauchte und weil Don Gaspard viel bei dem Fürsten galt und weil der Jüngling durch einen ihm eigenen anständigen Stolz gebot . --
Es gibt einen gewissen edlen , durch welchen mehr als durch Bescheidenheit Verdienste heller glänzen .
-- Fronlay hatte für die Zukunft nicht die bequemste Rolle ; denn der Haarhaarsche Hof war dem Vlies-Ritter so ungewogen wie dieser jenem * ) ; Haarhaar * )
Dieser hatte früher dem spanischen Ritter die Prinzessin abgeschlagen ; es sind mir aber über wurde aber ohne Zweifel ( allen welschen chirurgischen Berichten zufolge ) und in wenig Jahren ( allen nosologischen gemäß ) der Erbe von dessen Erbschaft oder Throne . --
Nun war das Schlimme dabei , daß der Minister , der wie ein Christ mehr auf die Zukunft sah , sich zwischen dem deutschen Herrn von Bouverot , der eine Haarharsche Kreatur heimlich war , und zwischen der kurzen Gegenwart zugleich durchzuschleichen hatte .
Er nahm sagte ich den Grafen ungemein verbindlich auf so wie den Lektor ; und entdeckte beiden , er müsse ihnen seine Frau vorstellen , die ihre Bekanntschaft wünsche .
Er ließ es ihr sagen ; führte beide aber , ohne Erwarten der Antwort , in ihr Zimmer .
Dem Jünglinge war nun als drehe sich die schwere Tür eines heiligen stillen Tempels auf . --
Sogar ich bin jetzt , während ihres Ziehens durch die Zimmer , mit so närrisch , daß ich in eine eben so große Angst * ) * ) diesen wichtigen Artikel hinlängliche Dokumente versprochen .
Angst gerate als gieng' ich mit hintennach .
Als wir ins Morgenzimmer , welches Papiertapeten zu einer gegitterten Jelängerjelieber- Laube ausfärbten , eintraten : saß bloß die Ministerin da , die uns gefällig aufnahm , mit fester und kalter Haltung in Mine und Ton .
Ihre streng-geschlossenen und wenig bezeichneten Lippen taten stumm einen Ernst , der die Gabe des frommen Herzens , und eine Stille kund , die der Schmuck der Schönheit ist -- wie manche Flügel nur wenn sie zugefaltet sind , Pfauenspiegel gießen -- und das Auge glänzte im Wohlwollen der Vernunft ; aber die Augenlider waren von harten Jahren tief und kränklich über die milden Blicke hereingezogen .
Ach wie zwischen Neuvermählten oft ein Schwert trennend lag , so schliff Froulay täglich am Dreischneidigen , das ihn und sie absonderte .
Sonderbar stach mit dem hellen Nachsommertage auf ihrem Angesichte , das unreine Gewühl auf seinem ab , wiewohl er vor Zeugen wie es schien , seiner Höflichkeit gegen sie die Ironie benahm und den Haß , wie andere die Liebe , nur für die Einsamkeit aufhob .
Titan. I. Y Zum Glück verpflanzte sich dieser Nussbaum der einen ungesunden frostigen Nußschatten auf den ganzen Nelkenflor der Liebe und der Dichtkunst warf , bald unter ähnlichere Gäste zurück .
Die Ministerin richtete sich nach den ersten Gaben der Gefälligkeit , mehr an den Lektor , dessen korrekte bürgerliche Mensur zu ihrer religiösen ganz stimmte ; besonders da nur er über Liane fragen und kondolieren konnte .
Sie versetzte , dieses Zimmer Lianen sei gerade so gelassen wie es am Abend der Erblindung gewesen , damit es , wenn sie heile eine schöne Erinnerung für sie bleibe , oder eine traurige für andere , wenn sie nicht genese . --
O bewegter Albano , wenn jede Abwesenheit verklärt , wie muß es erst eine mit so vielen Spuren der Gegenwart tun !
Ich bekenne , außer einer Geliebten kenne ich nichts schöneres als ihr Wohnzimmer in ihrer Abwesenheit .
Auf Lianen Arbeitstische lag ein umrissener Christuskopf neben der aufgeschlagenen Messiade -- ein zusammengelegter Spatzierflor nebst dem grünen Spatzierfächer mit eingeschriebenen Wünschen von Freundinnen -- einige aufgeschnittene Couverts -- der Gevatterbrief eines Froulayschen Pachters -- eine ganze lackierte Schäferei mit Wagen , Stallung und Haus , mit deren Liliputtischen Arkadien sie Dians Kinder * ) erfreuen wollen -- ein aus dem verfliegenden Stammbüchlein einer Freundin ausgerupftes Blatt , das sie mit einer getuschten Blumenrabatte gerändert und dann mit holden Wünschen vollgepflanzt hatte , die das Schicksal aus ihrem eigenen Leben weggenommen . -- --
Ach schönes Herz , wie gern wollte ich über alle kleine Rudera deiner lichten Vorzeit etwas Tabellarisches entwerfen und verteilen , hätte sich der Lehnprobst näher darauf eingelassen ! --
Was aber mich und den Grafen am tiefsten bewegt , ist eine aufgespannte Stickerei , auf welche ihre Nadel wie ein Inokuliermesser an jenem düstern Tage eine Rose mit zwei Knospen geimpft hatte und woran nichts mehr fehlte als die Dornen -- -- o diese zog an deinen Freudenrosen das Verhängnis nur zu weit * ) Dians Familie wohnt in Lila . Y 2 hervor und press' te sie dann so tief durch deine Brust bis ans Herz ! --
In keiner Stunde seines Lebens war Albano's Liebe so heilig-zart als in dieser , oder sein Mitleiden so innig .
Zum Glück blickte die Ministerin immer durch das Fenster in den Garten und nahm seine Rührung nicht wahr .
Zuletzt zeigte sie noch auf Lianen dastehende Harmonika ; nun wurde ihm das Herz zu voll und zu sichtbar , er sprang auf mit den hastigen Worten , er habe noch keine gehört und trat davor .
Ach er wollte etwas berühren , worauf so oft ihre Finger gewesen .
Er legte die Hand wie an ein Heiligtum an diese Betglocken , die so oft unter der ihrigen für fromme Gedanken gezittert hatten ; aber sie gaben ihm keine Antwort , bis ihm der Lektor , ein Kenner des Abc es wie der Technologie aller Künste , das Nötigste in drei Worten gewiesen .
Jetzt sog er in die Seele voll Seufzer und Kriege den ersten Dreiklang ein , die ersten Klagesilben dieser Muttersprache der lechzenden Brust -- ach dieser Stummenglocken , die der innere Mensch in der Hand schüttelt , weil er keine Zunge hat -- ; und seine Adern schlugen wild als Flügel , die ihn vom Boden aufwehten und ihn vor eine höhere Aussicht trugen als die in die letzte Freude oder Marter ist .
Denn in starken Menschen werden große Schmerzen und Freuden zu überschauenden Anhöhen des ganzen Lebensweges . -- --
Ich weiß nicht , ob viele Leser den Fehler möglich finden werden , den er jetzt wirklich beging .
Die Ministerin war im Gespräche sehr natürlich -- durch Liane und Roquairol -- auf den Satz geraten , daß Kindern keine Schule nötiger sei als die der Geduld , weil entweder der Wille in der Kindheit gebrochen werde oder im Alter das Herz .
Ach sie und ihre Tochter knieten ja selber voll Geduld vor dem beladenden Schicksale oder auch vor dem bewaffneten ; wiewohl die Mutter mit einer frommen , die mehr an den Himmel als auf die Wunde sah , Liane mit einer liebenden , die sich in neue Leiden wie in alte Krankheiten ergibt wie eine Königin am Krönungstage in die Schmerzen und Friktionen des schweren Juwelenputzes , und wie ein Kind , das die Wundenmale süß verschläft und süßer verträumt .
-- Aber Zesara , der gleich dem Wolfe schon den Klang einer Kette floh , und erbittert gegen jede , von den leichten Panster- und Ritterketten an bis zu den schweren Hafenketten , die den Jünglingen die Fahrt ins arbeitende Meer verhängen , erbittert ansprengte , konnte sich nicht halten , zumal mit diesem Herzen voll Bewegungen , in zu großer zu sagen : " der " Mensch soll sich wehren -- lieber will ich auf " dem regen Schlachtfelde freiarbeitend alle " Adern ausgießen als einen Tropfen daraus " über die Folterleiter angebunden . "
-- " Die " Geduld ( sagte die Ministerin voll davon ) " streitet und siegt auch , aber im Herzen . "
-- Lie " ber Graf , ( sagte Augusti , nicht bloß auf die Ar " Ria anspielend ) die Weiber müssen noch immer " zu den Männern sagen :
es schmerzet nicht ! "
Ich hatte nicht eher als jetzt Gelegenheit , den Fehler Albans bekannt zu machen , daß er seine Meinung niemals freier und stärker sagte als da , wo er mit ihr gerade einen oder ein Paar Himmel seines Lebens zu verspielen fürchten konnte : bei geringerer Gefahr konnte er nachgiebiger sein .
Ob er also gleich merkte , daß die Ministerin dabei an die muskulöse aber auch hartgreifende Hand ihres wilden Sohnes mit schmerzlichen Erfahrungen denke ; -- oder vielmehr , eben weil er_es merkte und weil er für diesen künftigen Freund gern der Waffenschmidt und Waffenträger werden wollte -- :
so blieb er dabei , warf alles Brechzeug des jungen männlichen Willens aus den Schulstuben auf die Gasse , und sagte in seiner abstechenden Sprache : " die Goten schickten ihre " Knaben lieber in keine Schule , damit sie Lö " wen blieben .
Wenn man auch Mädchen " einen Tag vor dem Pflanzen in die bürger " liche Welt in Milch einweichen muß :
so soll " man doch Knaben wie Aprikosen mit der stei " nernen Schale in die Erde stecken , weil sie " den Stein durch ihr Wurzeln und Wachsen " schon abwerfen und verlassen . "
-- Der Lektor mit seiner feinen Offenheit -- ein kristallenes Gefäß mit goldenem Schnitt -- bemerkte mit leiser Rüge von Albans Heftigkeit : wenigstens habe selber die Art , womit beide ihre Beweise geführt , zu den Beweisen gehört ; und die Weiber bedürften und bewiesen mehr Geduld bei Personen , und wir mehr bei Sachen .
Die Ministerin , die mehr ihren Sohn als seinen Freund zu hören glaubte , schwieg und trat näher ans Fenster .
Unter den Kriegstrouble hatte der Abend seinen licht-vollen Mond auf die Morgenberge gewälzt und die Güsse seines Lichts flossen jetzt von allen Seiten herein durch den ganzen vor dem Morgenzimmer ausgespannten Garten und blieben in seinen breiten Alleen und in seinen Blumenzirkeln stehen : als auf einmal ein rundes Häuschen durch aufschießende vom Mondlicht zu Ehrenbogen entzündete Wasserstrahlen bis an sein welsches umgittertes Dach umlodert wurde .
Stillgerührt sagte die Ministerin : " auf je " einem Wasserhäuschen steht meine Liane ; sie " gebraucht die Ausdünstung der Fontänen ; " der Arzt verspricht sich viel davon .
Und die " Vorsicht gebe es ! "
-- Allein der erschütterte Zesara konnte mit seinen so scharfen Augen doch mitten im Blendwerke des wagrechten Mondenscheins und hin ter dem zitternden Nonnengitter aus verschränkten Silber- oder Wasseradern jetzt nichts aus dem dämmernden Eden absondern als eine unkenntliche stille weiße Gestalt .
Aber es war genug für ein Herz , das weint und glüht .
" Du " Engel meiner Jugendträume , dachte er , " wirst du es sein ?
Sei du mir gegrüßt mit " tausend Schmerzen und Freuden . --
Ach kön "nen denn Leiden in dir sein , du Himmels " Seele ? "
-- Und es ergriff ihn , daß sie mit ihrer gequälten und entzückenden Gestalt , wenn sie hier im Zimmer wäre , sein ganzes Wesen zerknirschen würde durch Mitleid , und er hätte jetzt die Umarmung des Bruders verworfen , mit dessen Hand das Verhängnis die sanften Augen zum langen Traume zugedrückt .
Die Stickluft des bangsten Mitleids zwang ihn wegzusehen und sich umzuwenden und in den aufgeschlagenen Messias die Augen zu heften , deren Tropfen er nicht zeigen wollte ; aber sie wurden durch die Erinnerung , daß er ihre letzte Lese-Freude wiederhole , nur heißer und dichter .
Plötzlich richtete etwas Verfinsterndes , das vor dem Fenster wie ein fallender Rabe niederflatterte , seinen Blick wieder auf Lianen , über welche ein vollgestrahltes Wölkchen stand , gleichsam ein aufgezogener oder niederkommender Heiligenschein -- Unsterbliche schienen darauf wie auf Ossians Wolken zu wohnen und die Schwester zu erwarten -- und da sie endlich sich bewegte und langsam in das Wasserhäuschen untersank , schien es da nicht , als gehe ihre Hülle in die Erde und ihr stiller Geist in die Wolke ? --
Hier gab ihm Augusti , da die Mutter der zurückkommenden Kranken ins Krankenzimmer folgen mußte , den Wink zum Abschiede , den er willig nahm ; seine Liebe befriedigte sich jetzt mit Einsamkeit und mit der Hoffnung des Wiedersehens : Junge Liebe und junge Vögel haben anfangs nur Wärme durch bedecken nötig , erst später Nahrung . --
Aber ein Paraklet oder Tröster sagte unter dem Weggehen dem Jünglinge leis ins Herzohr : morgen siehst du sie wenige Schritte von dir im Garten !
-- Und das ist recht leicht zu machen ; er darf nur morgen in der Abenddämmerung , wenn die Abendwandlerin die Augenkur gebraucht , sich in die Allee begeben und aus den Blättern frei hinauf in das zauberische Antlitz schauen und dann die ganze Glückseligkeitslehre in Einem Paragraphen , in Einem Zuge , Atem , Momente verschlingen -- -- aber welche Aussicht !
Der Graf bat den Lektor nicht lange bei dem beschäftigten Minister zu sitzen .
Als sie ihn wiederfanden , wusste er hinter einem Aktenstocke kaum nach einigem ( vielleicht maskierten ) Besinnen , daß sie da gewesen , und bedauert ' es innig , daß sie fortgiengen .
-- Ach der Tröster lispelt den ganzen Abend und die ganze Nacht : morgen , Albano ! --
35. Zykel .
Da unseren Albano die gaukelnde Nacht von einer Seite und Träumerei auf die andere warf -- denn nicht die nahe Vergangenheit sondern die nahe Zukunft mattet uns mit Probekomödien unserer wachen Akte , mit Träumen , ab -- , wie war er am Morgen so froh , daß die schönste Zukunft noch nicht vorüber war .
Im Menschen hausen oft zwei sehr eulenspiegelsche Wünsche ; ich tue oft den von ganzem Herzen , daß eine wahre Freude für mich , z. B. ein Meisterwerk , eine Luftfahrt etc. doch möge endlich ein Ende nehmen , und zweitens den obigen , daß eine und die andere Luft noch wenig Außenbleibe .
Der Abend kam mit der größten , wo Zesara -- wie Le Gentil nach Ostindien -- nach dem östlichen Park des Ministers abreiste , um den Durchgang des Hesperus und Venussternes , aber nur durch den Mund , zu observieren .
Vor den erleuchteten Pallastfenstern hielt er mitten unter den Leuten und sann nach , ob es sehr lasse , so in den Garten zu laufen ; aber wahrhaftig , wäre er umgekehrt , das dürstende Herz hatte ihn zurück durch einen ganzen davor postierten Klerus und diplomatischen Kongreß hindurch getrieben .
Kühn schritt er durch den lauten Palast vor einer angespannten Wagenburg vorbei , dichte das eiserne Gattertor auf und trat hastig in den nächsten Laubengang .
Hier ging er von einem Fackeltanze leuchtender Hoffnungen begleitet hin und her , aber sein Auge war ein Seh- und sein Ohr ein Hör- Rohr .
Die Lauben-Allee wuchs oben quer über den Garten in eine andere dem Wasserhäuschen nahe hinein ; in diese trat er , um der Blinden oder vielmehr ihrer Leiterin nicht zu begegnen .
Es kam aber nichts .
Freilich war er nicht wie der Mond -- wie doch zu fordern war -- um eine halbe Stunde später gekommen , sondern gar um eine früher .
Der Mond , dieser Stern , welcher Weise voll Weihrauch zum Anbeten leitet , ließ endlich breite lange Silberblätter als Festtapeten an Lianen Morgenzimmer niederfallen -- die Madonna auf dem Palaste war in den Heiligenschein und Nonnenschleier seiner Strahlen eingekleidet -- die Ministerin stand schon am Fenster -- die Natur spielte das Larghetto eines magischen Abends in immer tieferen Tönen -- als Albano weiter nichts vernahm als ein kleineres bloß aus Klängen gemachtes , das aus dem Wasserhäuschen , dem Lustsitze aller seiner Wünsche kam , und das sterbend mit dem Frühlingstage vertönen wollte .
Aber er konnte nicht erraten , wer es spiele ; man hätte ' es herausbringen können , daß es Roquairol war , bloß weil er nachher , wie ich erzählen werde , nach der April-Sitte seines musikalischen Gelichters , aus dem Pianissimo in ein zu wildes Fortissimo hinaufsprang .
Der vom Vater relegierte Bruder konnte wenigstens im Wasserhäuschen die teure Schwester sehen und trösten und ihr seine Liebe und seine Reue zeigen ; wiewohl seine stürmische Reue eine zweite nötig macht und am Ende nur eine frommere Wiederholung seines Fehlers war .
Obgleich die Phantasie Albanos eine Retina des Universums war , worauf jede Welt sich scharf abmalte , und sein Herz der Gangboden jeder Sphärenmusik , worin eine umlief :
so konnten doch weder der Abend noch das Larghetto mit ihren Strahlen und Klängen durch die hohen Wellen hindurch , die in ihm sowohl die Erwartung als die Sorge ( beide verdunkeln die Natur und die Kunst ) aufwarf .
Das Ufer der Fontänen umflocht ein grüner Ring von Orangen , deren Blüte im Morgenlande nach der Selam-Chiffre Hoffnungen ansagt ; aber wahrhaftig eine nach der anderen wurde flüchtig , wenn er an die kalte helle Mutter dachte oder an sein vielleicht leeres Warten .
Die Fontänen sprangen noch nicht -- er rupfte wie ein Vorherbst immer mehr breite Fächerblätter aus seiner grünenden spanischen Wand und sah doch durch alle weitere Fenster Lianen nicht über den Kiesweg herkommen ( welches schon darum unmöglich war , weil sie längst im Wasserhäuschen bei ihrem Bruder stand ) -- und er verzagte an ihrer Erscheinung : als dieser plötzlich ins gedachte Fortissimo stürmte und als alle Fontänen vor dem Monde rauschende Kränze aus Flittersilber aufwarfen .
Albano blickte hinaus .
. . . Liane stand droben im Mondschimmer hinter dem flatternden Wasser .
Welche Erscheinung ! --
Er riß die Laubenzweige an seinem Angesichte auseinander und schaute unbedeckt und atemlos an die heilig-schöne Gestalt !
Wie griechische Götter überirdisch vor der Fackel stehen und blicken , so glänzte Liane vor dem Monde von dem umherrennenden Widerscheine der silbernen Regenbogen beschattet und der selige Jüngling sah die junge offene stille Marinestirn bestrahlt , auf der noch kein Un Mut und keine Spannung eine Welle geworfen -- und die dünne zarte , kaum gebogene Augenbraunen-Linie -- und das Angesicht , gleich einer vollendeten Perle oval und weiß -- und die loßgeringelte Locke auf den Maiblümchen an ihrem Herzen liegend -- und den feinen Grazienwuchs , der wie die weiße Bekleidung die Gestalt zu erhöhen schien -- und die idealische Stille ihres Wesens , mit der sie statt des Arms nur die Finger auf das Geländer legte , gleichsam als schwebe die Psyche nur über der Lilienglocke des Körpers und erschüttere und beuge sie nie -- und die großen blauen Augen , die sich , indes das Haupt ein wenig sank , unaussprechlich-schön aufschlugen und sich in Träume und in ferne unter Abendröten wiederglänzende Ebenen zu verlieren schienen .-- -- Du überglücklicher Mensch ! -- Dir erscheint die einzige sichtbare Göttin , die Schönheit , so plötzlich mit ihrer Allmacht und von allen ihren Himmeln begleitet und die Göttin gibt dir den Wahnsinn -- die Gegenwart mit ihren Gestalten wird dir unbekannt -- die Vergangenheit vergeht -- die nahen Töne ziehen ziehen aus tiefer Ferne her -- die überirdische Erscheinung überfüllt und überwältigt mit Glanz die sterbliche Brust ! --
Ach warum durfte durch diesen hohen reinen Himmel eine tiefe kalte Wolke ziehen ? --
Ach warum fandest du die Himmlische nicht früher oder später ? --
Und warum mußte sie selber dich , an ihren Schmerz erinnern ? --
Denn Liane -- in deren überflortes Auge nur ein starkes Licht durchsickern konnte -- suchte den Mond , den seine eigene Aurora ein wenig verhing , mit dem wiegenden Kopfe irrend auf , weil sie dachte , ein Lindengipfel verdecke ihn ; -- und dieses Wanken malte ihm ihr Unglück so plötzlich mit tausend Farben !
Ein schneller Schmerz zertrat seine Augen , daß Tränen daraus spritzten und Funken und das Mitleiden schrie in ihm : " O du unschuldiges " Auge , warum wirst du verhüllt ?
Warum " wird dieser dankbaren frommen Seele der " Mai genommen und die ganze Schöpfung ?
"-- Und sie wirft vergeblich den Blick der " Liebe auf die Mutter und auf die Freundin Titan .
I. Z " und -- o Gott ! -- sie weiß nicht , wo sie " stehen . "
-- Aber der Vorhang des Mondes flatterte bald seitwärts und sie lächelte den Schimmer heiter an wie der blinde Milton in seinem ewigen Gesange die Sonne oder wie ein irdischer den ersten Glanz nach dem Leben .
-- Eine Nachtigall , die bisher zwischen weiten Blumen einem leuchtenden Würmchen nachhüpfend den Tönen im Zimmer nur mit einzelnen Wildrufen und Nachschlägen der Freude geantwortet hatte , flog Lianen näher und die geflügelte Zwergorgel riß auf einmal alle Flötenregister heraus , daß Liane im Vergessen ihrer Blindheit niederblickte und Albano erschrocken zurücktrat als sehe sie auf ihn .
Da wurde unter den Tönen des Bruders und der Nachtigall ihr blasses , gleich der weißen Federnelke auf den Wangen leicht gerötetes Angesicht zart vom matten Blütenrot der Rührung überdeckt -- die Augenlider zuckten öfter über die glänzenden Augen hin -- und endlich wurde der Glanz eine ruhige Träne -- es war keine des Schmerzes noch der Freude sondern jene sanfte , worein die Sehnsucht des Herzens überquillt , wie im Frühling überfüllte Zweige unverwundet weinen . -- -- -- Im Menschen wohnt ein rauher blinder Zyklop , der allemal in unseren Stürmen zu reden anfängt und uns Zertrümmerung anrät ; furchtbar regte sich jetzt in Zesara die ganze aufgewachte Kraft der Brust , der wilde Geist , der uns auf Kuntursfittigen vor Abgründe schleppt und der Zyklop rief laut in ihm : " stürze hinaus -- Knie vor sie -- sage ihr " dein ganzes Herz -- was ist es wenn du dann " auf ewig verloren bist , hast du nur einen " Laut dieser Seele vernommen -- und dann " kühle und opfere dich in den kalten Quellen " zu ihren Füßen . "
-- Wahrlich er dürstete nach dem frischen Bassin , worein die Fontänen zurücksprangen -- --
Aber ach vor dieser Sanften , vor dieser Gequälten und Frommen !
-- " Nein sagte der gute Geist in ihm , verwunde " sie nicht wieder wie ihr Bruder -- o schone , " schweige , ehre ; dann liebst du sie . "
Hier trat er heraus in die erleuchtete Erde wie in einen Himmelssaal und nahm den offenen Z 2 Sonnenweg , aber leise , vor den Fontänen vorüber .
Als er vor ihr vorbeigieng , brach auf einmal die Arkade aus Tropfen , die sie halb vergittert hatte , zusammen , und Liane stand wolkenlos wie eine reine Luna ohne Nebel-Hof im tiefen Himmelsblau ; eine glänzende Lilie * ) aus der zweiten Welt , die sich selber das Zeichen ist , daß sie bald in diese fliehe . -- --
O sein Herz voll Tugend empfand erschüttert die Nähe der fremden ; und mit allen Zeichen der tiefsten Verehrung ging er vor dem ruhigen Wesen vorüber , das sie nicht bemerken konnte .
Erst als ihm mit jedem Schritte ein Himmel entfallen war und er endlich keinen mehr hatte als den über sich :
wurde ' er ganz sanft und freute sich , daß er nicht kühner gewesen .
-- Wie glänzt ihm jetzt die Erde , wie nähert sich ihm der Sonnenhimmel , wie liebt sein Herz !
* )
Sonst glaubte man , daß eine im Chorstuhle liegende Lilie den Tod dessen bedeute , dem er gehörte . --
O noch nach vielen Jahren einst , wenn dieser glühende Rosengarten der Entzückung schon weit hinter deinem Rücken liegt , wie wird er dir , wenn du dich umwendest und danach blickst , so sanft und magisch als ein weißes Rosenparterre der Erinnerung nachschimmern !
-- Siebente Jubelperiode .
Albano's Eigenheit -- das Nestelknüpfen der Politik -- der Herostrat der Spieltische -- väterliches mandatum sine clausula -- gute Gesellschaft -- H. von Bouverot -- Lianen Gegenwart des Geistes und Körpers .
36. Zykel . -- --
Wäre der Le ihn pr ob st von Hafenreffer nicht , sondern nur meine Phantasie :
so würde ' ich gewiß in meiner Historie fortfahren und der Welt als wahr berichten ( und das ganze romantische Schreibgelage ließe sich darauf totschlagen ) , Albano sei am anderen Morgen blind und taub hinter der breit vorgebundenen Binde des Bandagisten , Amor , dortgesessen -- er habe nicht mehr über fünf zählen können , außer abends , an der Glocke , um nachher das Froulay'sche Wasserhäuschen magisch zu umkreisen wie einer , der das Feuerbesprechen will , das sich ihm nachschlängelt -- aus den beiden Blaselöchern , womit sentimentale Walfische sich öffentlich ausweinen in Buchläden , habe er beträchtliche Ströme aufgespritzt -- übrigens habe er kein Buch mehr angesehen ( ausgenommen einige Bogen im Buche der Natur ) und keinen Menschen mehr ( einen blinden ausgenommen ) -- -- " und unter diesen " meinen Wundzettel erotischer Wundfieber "(würd' ich am Schlusse meiner Lüge sagen ) " setzt wohl offenbar die Natur ihr Sekrets- " Insiegel . "
Das tut sie nicht , sagt Hafenreffer ; -- nichts wie verdammte Lügen sind_es ; die Sache ist vielmehr so :
Zesara schlich kein zweitenmal mehr in Froulay's Garten ; eine stolze Schamröte überflog ihn schon bei dem Gedanken an die peinliche , mit der er das erstemal einem mißtrauischen oder fragenden Auge aufgestoßen wäre .
Aber auf diese Weise blieb ihm vor der Heilung die liebe Seele verhüllt wie ihr der Mai ; und er quälte sich still mit Berechnungen ihrer Leiden und mit Zweifeln an ihrer Kur .
Er schämte sich der Freude während ihrer Trauerzeit und verbot sich den Genuß des Frühlings und den Besuch von Lila ; ach er wußte ja auch , es würde durch den liebenden Frühling und durch das Lila , wo sie so viele Freuden und die letzte Wunde empfangen , sein Herz zu unbändig werden und zu voll .
Sein Durst nach Wissen und Wert , sein Stolz , der ihm bei dem Vater und seinen beiden Freunden in einem rühmlichen Lichte zu stehen gebot , trieben ihn in seine Laufbahn hinein .
Mit allem ihm eigenen Feuer warf er sich über die Jurisprudenz und machte keinen anderen Weg mehr als den zwischen dem Hörsaale und dem Studierzimmer .
Zu diesem Eifer zwang ihn ein eigentümlicher Trieb nach Komplettierung ; alles Unvollendete war ihm beinahe ein physischer Greuel ; ihn schmerzten defekte Sammlungen -- abgebrochene Monatsschriften -- eingeschlafene Prozesse -- Bibliotheken , weil er sie nie auslesen konnte -- Leute die als Aczessisten starben , oder in Bau- Planen , oder ohne ein abgerindetes Denksystem , oder als Gesellen , Tuchknappen und Schuhknechte -- und sogar Augusti's Flötenblasen , der_es so beiher mittrieb .
Es war dieselbe Stärke , womit er Psyche Flügelpferde den Zügel Strafe hielt und womit er ihm das Spornrad einstieß ; schon als Kind hatte er diese Stärke an der Zurückhaltung des Atems , oder am peinlichen Pressen einer wunden Stelle versucht -- und beim Himmel ! figürlich tat er ja nun beides wieder .
In ihm wohnte ein mächtiger Wille , der bloß zur Dienerschaft der Triebe sagte :
es werde !
Ein solcher ist nicht der Stoizismus , welcher bloß über innere Missetäter oder Hämlinge oder Kriegsgefangene oder Kinder gebietet , sondern es ist jener genialisch-energische Geist , der die gesunden Wilden unseres Busens dingt und bändigt , und der königlicher zu sich , als der spanische Regent zu anderen , sagt : Ich , der König ! -- -- Ach freilich -- wie konnte seine warme Seele anders ? -- stand er oft in der Nachmet ternacht am luftigen Fenster und schaute voll Tränen auf die weiße Madonna des Ministerialeschen Palastes , die der reine Mond versilberte .
Ja am Tage zeichnete er oft in sein Souvenir ( zufällig war_es ein Springbrunnen und eine Gestalt dahinter , weiter nichts ) -- oder er las im Messias ( natürlich fuhr er in dem Gesange fort , den er schon bei der Ministerin angefangen ) -- oder er belehrte sich über Nervenkrankheiten ( war er bei seinem Studieren dagegen gedeckt ? ) -- oder er ließ das Feuer seiner Finger über die Saiten laufen -- ja er hätte nichts als Rosen gepflückt , obwohl mit Dornen , wäre ihre Blütezeit gewesen .
Und diese seufzende schwüle Seele mußte sich verschließen !
O er war schon in Sorge , jede Taste werde eine Schriftpunzen , das Klavier ein Letternkasten , und alle Handlungen verräterisch-leserliche Worte .
Denn er mußte schweigen .
Die erste junge Liebe hat wie die der Geschäftsleute ( die kursächsischen ausgenommen ) keine Sprachwerkzeuge , höchstens eine tragbare Schreibfeder mit Tinte .
Nur die Weltleute , die ihre Liebeserklärungen eben so wiederholen wie Schauspieler , sind im Stande -- und aus gleichen Gründen -- sie eben so zu publizieren wie diese .
Aber in der heiligeren Zeit des Lebens wird das Bild der geliebtesten Seele nicht im Sprach- und Vorzimmer sondern im dunklen stillen Oratorium aufgehangen ; nur mit Geliebten spricht man von Geliebten .
Ach er hörte über seine Himmelsbürgerin ungern sogar andere reden ; und er entwich oft ( mit dem inneren Rauchopferaltar in sich ) aus dem Zimmer , worin man für sie eine Rauchpfanne mehr voll Kohlendampf als Wohlgeruch herumtrug . --
37. Zykel .
Man erwartete in Pestiz jeden Tag die Zurückkunft des deutschen Herrn , Mr. de Bouverot , der in Haarhaar an die fest skizzierte Vermählung zwischen Luigi und einer Haarharschen Prinzessin , Isabella , die letzte retouchirende Hand gelegt .
Augusti war ihm nicht gut , und sagte sogar , Bouverot habe keine honette ; * ) und erzählte Folgendes , aber mit der weichen Ironie eines Weltmannes .
Vor einigen Jahren wurde Bouverot in Kapitel-Streitigkeiten vom Haarharschen Hofe ** ) nach Rom an den Papst versandt ; gerade zur Zeit , wo auch Luigi den gewöhnlichen Römerzug der Fürsten tat mit seinen Römer-Zinszahlen .
Nun wollte Haarhaar -- das eigentlich schon Chapeaubass geht mit dem Hohnfliesser Fürstenhute und das alle mögliche offizinelle Aussicht hat , ihn aufzusetzen -- eben darum nicht gern den Anschein geben , als sehe es das Erlöschen des Hohnfliesser Stammes mit kalten Augen an , um so mehr , da eben der Stammhalter Luigi gleich in den ersten Jahren kein Held von nervöser Bedeutung war .
Ja dem Haarhaarer Hofe mußte daran liegen , * ) Honnetete schließet in den höheren Ständen Morden , deshonnetete , Lügen etc. völlig aus ; ausgenommen in einem gewissen Grade . ** )
Dieser Hof ist katholisch , aber das Land lutherisch , und zu dieser letzteren Konfession bekennt sich auch der Hohnfliesser . daß der gute dünne Stamm-Herbstflor wo möglich anders wiederkäme , als er ausgezogen war ; und eben aus solchen Gründen war von jenem dem Deutsch-Herrn heimlich aufgetragen , dergestalt über alle seine Freuden und Leiden als maitre de plaisirs , zumal bei Maitresse de plaisirs -- zu walten und zu wachen , daß man damit zufrieden wäre .
War inzwischen Abiturient schon als Fötus eingesessen , so wurde er leider gar zum punctum saliens ausgeschliffen zurückgefahren , besonders da er durch mehrere Bocks- und andere Sprünge durch den Reif der Lust verdorben war zu einem Rittersprunge .
Es kann möglich sein , daß der Deutsch-Herr der Verjüngung des Fürsten zu sehr entgegengieng ; ja er kann_es der jungmachenden Wunderessenz des Marquis d' Aymar * ) nachgetan haben , welche eine alte unschuldige Dame , die vom Elixier mehr salbte , als gegen ihre Jahre nötig war , durch das übermäßige Verjüngen zum kleinen * ) S. des Grafen Lammberg Tagebuch eines Weltmannes .
Kinde einzog .
Kurz durch diesen Kreuzzug hinter dem Kreuzherrn Bouverot wird einmal -- wie öfters durch Kreuzzüge -- der Hohnfliesser Fürstensessel offen zu rechter Zeit und Haarhaar setzt sich darauf . -- --
Ich gestehe ungern , daß Albano anfangs -- weil bei aller seiner Scharfsicht seine Reinheit eben so groß war -- das Faktum nur verworren faßte , als er_es aber begriff , war_es für ihn pharmazeutisches Manna , wie für Schoppe israelitisches .
" Der Kreuzherr , "( sagte dieser , ) trägt sein Kreuz nicht umsonst "-- es tut ihm eben so viel Dienst wie den " Häusern in Italien ein daran geschmiertes , " es darf beide keine Seele anpissen , ob man_es " gleich in Rom vor jedem Vorzimmer mag . " -- Nicht lange danach gingen unsere drei Freunde in der Stunde , wo die Wagen lärmend zum Tee und Spiele rollen , auf der Gasse , als man vor ihnen eine Sänfte mit dem Sitze rückwärts , worin gleichwohl jemand saß , vorübertrug .
" Du heiliger Vater !
( rief " Schoppe , ) da drinnen sitzt der leibhafte Ze " fisio aus Rom , der mich irgend einmal " durchprügeln muß . "
-- " Leise , leise !
( sagte " Augusti ) das ist der deutsche Herr ; Zesisio ist " sein arkadischer Name * ) . "
-- " Nun so freue " ich mich desto_mehr , daß ich mit der Rotnase " einmal herzlich schlecht umsprang " sagte er und kehrte um und begleitete mit untergesteckten Armen die Sänfte fast zehn Schritte weit , um den Vogel des Bauers besser zu beschauen , bis dieser die Vorhänge vorriß .
Albano ertappte darin im Vorübereilen nur einen scharfen gleich einem Dolche gezogenen Blick und einen rotglimmenden Nasenknopf .
-- Schoppe kam wieder und erzählte die Händel in Rom .
Nämlich gegen alle Todsünder , Blutschuldner und Sündenbalge trug er keinen so bitteren Ingrimm als gegen Professions-Bankhalter , Croupiers und Grecs ; er sagte , hätte er ein Raupeneisen , womit er dieses Gewürm von der Erde wegschaben , oder eine Kochenille- Mühle , worin er es zerknicken könnte , er täte es ganz lustig ; " o Himmel , ( rief er dann aus ) , * ) Wer in die Akademie der Akadier tritt , nimmt einen arkadischen Namen an . " hielt ' ich vollends über den ringelnden ver " wickelten Wurmstock gerade meinen ausge " streckten Fuß ( und wäre auch das Podagra " daran ) freudig stieß ich ihn darein und träte " den Bettel aus . "
-- Was er aber konnte , tat er .
Da er sein eigener Reisediener und eine in ganz Europa hin- und herfahrende Lauferspinne war :
so hatte ' er recht oft die Freude , diese Pharao-Blattwickler und Blattminierer unter die Finger zu bekommen -- ihr Schein- Genosse zu werden -- ihre Kriegslisten einzulernen -- und dann irgend ein Feuerrad in ihre zischende Schlangenhöhle zu rollen .
Ich bin nicht näher unterrichtet , ob man es in Leipzig weiß , wer der Rädelsführer war , der vor kurzem in der Messe eine Vexier-Polizei mit Schein-Stadtknechten spielte und eine Bank aufhob ; -- wenigstens waren die Banquiers darüber irrig , weil sie den anderen Tag der wahren Polizei aufwarteten und um einige Indulgenzen und Unrechtswohltaten anbettelten ; aber ich bin hier im Stande , den Diebsfänger zu nennen :
Schoppe war_es gewe sein . sein . -- --
Die Beute legte er meistens zu neuen Fladderminen unter Pharao-Tischen an .
Mit Zefisio hatte er es anders gekartet .
Er trat vor dessen Bank und sah einige Minuten zu und belegte endlich ein Blatt mit einem Schildlouisdor .
Es gewann , und er zeigte hinter der Karte eine lange Rolle von Louis .
Bouverot wollte diese Rolle nicht bezahlen ; " er habe ( sagt ' er ) nichts gesehen . "
Wozu sitzt Ihr Croupier denn dort ? sagte Schoppe und erklärte sie für Betrüger , wenn sie nicht zahlten .
Man zahlte ihm , um größeren Schaden zu vermeiden , den Gewinn .
Er nahm ihn kalt und schied mit den Worten an die Pointeurs : " meine Herren , Sie spielen " hier doch mit ausgemachten Betrügern ; aber " bloß weil ich sie kenne , haben sie mich bezahlt . "
Unter dem Steif- und Blaßwerden der Interessenten ging er langsam mit seiner breitschultrigen gedrungenen Figur und mit seinem Knotenprügel unversehrt davon . -- -- Augusti , wünschte von Herzen , -- der Verfolgung wegen -- daß Bouverot den Bibliothekar nicht mehr kenne .
Zu Hause fanden sie Titan .
I. Aa eine Einladung vom Minister auf Tee und Souper : " die arme Tochter !
( sagte Augusti ) Die " ses Bouverot wegen muß die Halbblinde mor " gen an die Tafel . "
Indes sieht sie doch unser Jüngling endlich wieder und nur ein Frühlingstag sondert ihn vom teuersten Wesen ab ! --
Hat Augusti Recht :
so trifft meine Bemerkung hier ein , daß ein guter Filou immer der motivierende Hecht wird , der den frommen Karpfensatz der Stillen im -- Teiche zum Schwimmen bringt ; die versteckte Blattermaterie , die kalte Kinder auf einmal lebendig macht .
38. Zykel .
Lianen Augen heilten , aber nur langsam ; die Natur wollte sie nicht auf einmal aus ihrem düstern Kerker in die Sonne führen ; jetzt konnte sie erst wie die Philosophen , mehr Licht als Gestalten erkennen .
Gleichwohl gab der Minister den Kabinettsbefehl , sie müsse übermorgen die Harmonika spielen , bei dem Souper erscheinen und sogar den Salat machen und dabei ihre Blindheit maskieren .
Er befahl zuweilen unmögliche Dinge , um so viel Unge horsam zu finden als sein Zorn zum Bestrafen brauchte ; gewisse Leute sind den ganzen Tag schon im Voraus voll Ärger für irgend eine Zukunft , gleich dem Urinphosphor , der immer unter dem Mikroskope kocht , oder den Eisenhütten , worin jeden Tag Feuer auskommt .
Die Ministerin sagte dazu ein sanftes festes Nein .
Über die Harmonika , sagte sie , habe sie in seinem Namen den Doktor gefragt , der es streng ' verboten , und das Übrige sei eine Unmöglichkeit .
Hier konnte er schon , so gut wurde es ihm , über mehrere Dinge ungehalten werden , besonders über das Fragen des Doktors , das aber gar noch -- nicht geschehen war ; er wurde toll genug und schwor , er handle nach seinen Prinzipien und frage den Teufel nach fremden .
Dieses Prinzip war dasmal der deutsche Herr .
Die obige Anekdote nämlich -- Bouverots Fürsorge für den reisenden Erbprinzen -- oder die Absicht dabei war an beiden Höfen assemblee- und tafelfähig , und nur dem Fürsten Luigi verdeckt ; denn an Thronen gibt es fast für niemand Geheimnisse ( kaum für seine A a 2 Frau ) als für den der darauf sitzt , wie in Schallgewölben die Leute in fernen Winkeln alles laut vernehmen , nur der nicht , der in der Mitte steht .
Der deutsche Herr war also im Hohnfliesser Systeme die wichtige Pfortader und Lungenpulsader , womit auch Froulay sich wässern wollte .
Dieser mußte durchaus der Gegenwart und der Zukunft oder zwei Herren dienen , von denen der Haarhaarer sehr bald seiner werden konnte .
Bouverot war nicht bloß an Froulay den Minister , sondern auch den Vater geknüpft ; ein Mann wie er , der sich aus Italien ein ganzes Kunstkabinett nachfahren lasst und dessen Kunst-Kenntnisse eben ihn und den Fürsten so lange verknüpfen , mußte eine Madonna von solcher Karnazion wie Liane und aus der römischen Schule und die noch dazu von der Leinwand abgelöst sich als eine volle atmende Rose bewegte , ein solcher mußte dergleichen zu schätzen wissen .
Heiraten konnte er die Rose nicht wollen , da er deutscher Herr war .
Er hatte sie seit seiner welschen Reise nicht gesehen -- der Graf auch nicht -- beiden wollte sie der Minister zeigen als eine Zahlperle von besonderer Weiße und Figur .
Froulay hatte -- was überhaupt öfter ist als man denkt -- gleich viel Eitelkeit und Stolz ; diesen gegen Tadel , jene für das Lob .
Aber ich müßte nun ein Turnierbuch schreiben , um sein Toben , Rennen , Lanzenstoßen in einem Gefechte , wo er unter den Fahnen der Feindschaft , der Eitelkeit und Habsucht diente , nur zum Teil auf die Nachwelt zu bringen .
Er war so wenig tot zu jagen als ein Wolf .
Alle Waffen waren ihm gleich und er nahm immer schärfere und giftigere .
In den alten gerichtlichen Zweikämpfen zwischen Mann und Frau stand gewöhnlich der Mann bis an den Magen in einem Loche , um seine Stärke zur weiblichen herabzubringen und sie schlug gegen ihn mit einem in einen Schleier gewickelten Stein ; in den ehelichen aber scheint der Mann im Freien zu stehen und die Frau in der Erde und hat oft nur den Schleier ohne den Stein . -- --
In diesem Gefechte stelle sich ein glänzender Friedensengel zwischen beide und fing die Wunden auf , nämlich Liane .
Die Tochter die eine schwärmerische Liebe für die Mutter und die weibliche Achtung des stärkeren Geschlechts für den Vater hatte , und die so unendlich unter dem Zwiespalte litt , fiel der Mutter um den Hals und bat sie , ihr das zu erlauben , was der Vater forder -- sie wolle alles gewiß so machen , daß man nichts merke , sie wolle sich recht anstrengen und vorher besonders üben -- ach er werde sonst ihrem armen Bruder nur noch ungewogener -- diese Uneinigkeit bloß ihretwegen sei ihr so schmerzlich , und vielleicht schädlicher als das Harmonika-Spiel .
" Mein Kind , du weißt , ( sagte die Mutter , " denn hatte sie gefragt ) was gestern der Arzt " gegen die Harmonika gesagt hat ; das andere " kannst du wagen ! "
Liane küßte sie freudig .
Man mußte sie zum Vater führen , damit sie vor ihm die Freude ihres Gehorsams Lautmage .
" Ich dank ' euchs mit dem Henker , "(sagt' er sanft , ) es ist eure verfluchte Schuldig " keit . "
-- Sie ging mit zerstobener Freude , aber ohne große Schmerzen , sie war es schon gewohnt .
39. Zykel .
Der Lektor bat Albano noch auf dem Wege zum Minister , das Feuer seiner Behauptungen und seiner Pantomime zu mäßigen .
Er machte ihm vom Hauskriege nur so viel bekannt , als nötig war , damit er nicht Lianen durch den Wahn der Heilung in Verlegenheit setze .
Als sie ins Spielzimmer traten , war schon alles im Feuer .
Da ihm jetzt niemand präsentiert wird :
so muß ich es tun ; es sind Jünger ( wenigstens Zwölfte ) des Ministers .
Zuerst stelle ich dir den H. Justizpräsidenten von Landrock vor , eine gute Apothekerwoge der Themis , die Skrupel auswägt und worin keine falsche Gewichte liegen , aber , was eben so schlimm ist , viel Schmutz , Reste und Rost .
Die am L' Hombretisch daneben sind die Herren und Frauen von Fei , Flöl und Cob , glatte feine Seelen , die wie Mineralien in Kabinetten auf der Schauseite abpolirt sind , nur aber auf der verborgenen Basis noch eckig und kratzend .
Gehe mit mir an den Eingang des anderen Zimmers ; hier habe ich dir zu präsentieren den jungen aber fetten Domherrn von Meiler , der , um seinen inneren Menschen mit einem dicken warmen äußeren zu bekleiden und auszuschlagen , jährlich nicht mehr Bauern abzurinden braucht als der Russe Lindenstämme für seine Bastschuhe abschindet , nämlich 150 .
Das Zimmer , worein du siehst , präsentier ich dir als ein Fliegenglas voll Hofbediente , die um ins Himmelreich zu kommen , nicht bloß Kinder , sondern gar Embryonen von vier Wochen wurden , die bekanntlich aussehen wie Fliegen ; sie wollen wenn Swift von seinen Bedienten nichts begehrt als das Zumachen der Türen , nichts von ihrem Brotherrn als das Offenlassen derselben .
Ich habe die Ehre dir dort -- es ist der , der nicht spielt -- den H. Kirchenrat Schäpe der Oberhofprediger werden will , vorzustellen , einen weichen Halunken , der die Samenkörner des göttlichen und menschlichen Worts wie Melonenkerne ( sie sollen dadurch früher in den Herzen aufgehen ) so lange in gezuckertem Weine einweicht , bis sie in jenen verfaulen ; ein geistlicher Herr , der in seinem Leben nie andere Bitten tat als die beiden , die er stets abschlägt , die vierte und die fünfte . -- --
Aber der Lektor wird dir im Fenster ja alle Herren und Damen kalt , leise und ohne Pantomime nennen .
Jetzt führt dich der Minister selber einem spielenden Herrn mit einem Kreuze zu , der Wasser mit Salpeter trinkt und immer den dürren Mund beleckt ; es ist Bouverot -- jetzt steht er vor dir auf , betrachte das kalte , aber kecke und schneidend-geschliffne Auge , dessen Winkel eine offene Blechschere oder aufgestellte Falle scheinen -- die rote Nase und den harten lippenlosen Mund , dessen rötliche Krebsschere sich abgewetzt zusammenzwickt -- das aufgestülpte Kinn und die ganze stämmige feste Figur .
Albano überraschet ihn nicht , er hat alle Menschen schon gesehen und er fragt nach keinem .
Der Minister erquickte den in sich verworrenen Jüngling mit der Verheißung , bei dem Souper werde er ihm seine Tochter vorstellen .
Er bot ihm ein Spiel an ; aber Alban versetzte mit einem zu jugendlichen Akzent :
er spiele nie . --
Er konnte nun die Spieltischgassen durchstreichen , und alles besehen was er wollte .
In einem solchen Falle postiert man sich , wenn man niemand in der Gesellschaft ausstehen kann , gerade vor oder neben das Gesicht , das man am meisten anfeindet , um sich über jedes Wort und jeden Zug des Gesichts heimlich zu erärgern .
Albano hätte viele Gesichter gehabt , die wenigstens in einem kleinen Grade nicht zu leiden waren und zu denen er sich hätte stellen können ; -- ja es wären keine hinlängliche Gründe anzugeben , warum er nicht einen gewissen ausgespelzten eingetrockneten Kleisteraal , einen Schwächling voll Impertinenz in Einem fort angesehen hätte , da dieser mit einer Flügelbrille die aufgehenden Kartengestirne observierte , indes Albano die Fühlhörner seiner Sehnerven bis zu den Kartenfarben des zweiten Zimmers ausstrecken konnte -- es wären keine Gründe da gewesen , wäre nicht der deutsche Herr dagewesen ; vor diesen musste er sich stellen ; von diesem wusste er das Meiste und Schlimmste ; dieser stand ja mit Schoppe in weiter Verbindung , sogar mit Lianen -- --
Verdammt ! neben gewissen Gesichtern krümmen und mausern sich die Seelenschwingen , wie neben Adlerkiele Schwanen- und Taubenfedern zerfallen ; allen schuldlosen Gefühlen in der so geräumigen Brust Albanos wurde es so unruhig und eng wie einem Taubenfluge in dessen Schlag man einen Iltisschwanz geworfen .
Ich darf es nicht verhehlen , er murrte und grollte innerlich über alles was der Mann tat und hatte -- dieser mochte nun Finger tragen , deren Spitzen feingeschabt waren für das Pharaospiel und deren Nägel von einem ganz noch schlimmeren Hasardspiele sich etwas abgeblättert hatten -- oder er mochte zuweilen durch die Haare der Augenbraunen blicken -- oder ( nur Einmal ) eine Mücke durch ein schnelles Schnappen der Lippen erquetschen wie die Fliegenfalle -- oder bald eine deutsche bald eine gallische Zeile sagen , was ich doch von guten Zirkeln erwarte , indes nur schlechte kein deutsches Wort vorbringen , wenige solche wie Lansquenet , canif ( Kneif ) , birambrot ( Bier am Brot ) ausgenommen -- -- -- genug er dachte immer an Schoppe's schönen Ausspruch : " es gibt Menschen und Zeiten , wo einen " rechtschaffenen Mann nichts mehr erquicken " könnte als -- Prügel , die er gäbe . "
Duellieren ist eben so gut , meinte der Graf .
Indes muß er hier entschuldigt werden durch eine Autorität .
Nämlich selber Schreiber dieses -- sonst ein so weiches warmes Schwanenfell -- wurde immer zu einem völligen Kampfhahne hinter Spiel-Sesseln und spreizte den kratzenden struppigen Flügel weiter auf , je länger er müßig zusah ; der Grund ist der , weil man überhaupt nur die Menschen immer leidlicher und besser findet , mit denen man einerlei treibt und will .
Albano wünschte sich herzlich seinen Waffenbruder Schoppe her ; er ging zwar oft zu Augusti , sich auszuschütten ; aber dieser linderte stets ; ja er schnitt ihm durch die Verflechtung mit dem Kirchenrate die Gelegenheit ab , seine jugendliche unerfahrene Seele Horchern zu verraten .
Auch wählte der Lektor nachher auf eine halbe Stunde -- was Hausfreunde oft tun in Abwesenheit der Hausfreundinnen -- letztere ( die Abwesenheit ) .
Der Graf stand einige Zeit hinter Bouverots Sessel und sah in einen innen mit grotesken Bildern lackierten , sinesischen Spiegel , und veränderte seine Stellung solange bis er darin Zefisios Gesicht hart neben einem gemalten Drachen stehen hatte zur bloßen Vergleichung ; -- das alles fiel vor , aber mit immer stärkeren Herzschlägen für Lianen unterbrochen :
-- -- als die Bedienten die Türen öffneten zu dem Speisesaale ; und ihm nun das Herz bis zum Schmerzen pochte und seine ohnehin so jugendlich-blühende Gestalt ganz voll Rosen der frohen und verschämten Röte hing .
40. Zykel .
Schnellatmend und glühend machte er sich in die bunte Wandel-Reihe mit irgend einer alten Dame hinein , die ihn eitel mißverstand und auf einmal als eine Armschnalle mit Ressort an seinem Arme hing und die nichts von ihm erhielt als -- Antworten .
Mit durchfliegenden Blicken trat er in den hellen wie aus Licht kristallisierten Saal voll Köpfe .
Er antwortete eben , als er im Tumulte hinter sich das leise Wort vernahm : " ich höre ja den " Bruder " -- und sogleich die leisere Widerlegung : " es ist mein Graf . "
-- Er drehte sich um -- zwischen dem Lektor und der Mutter stand die liebe Liane , der verschämte , erschrockene blaßrote Engel im schwarzen Seidenkleide , das nur der blinkende Frühlingsreif einer silbernen Kette überlief , und mit einem leichten Band im blonden Haar .
Die Mutter stellte sie ihm vor und die zarte Wange blühte röter auf --
denn sie hatte ja die gleichen Stimmen des Gastes und des Bruders vermengt -- und sie schlug die schönen Augen nieder , die nichts sehen konnten .
Ach Albano wie zittert dein Herz so sehr , da die Vergangenheit zur Gegenwart , die Mondnacht zum Frühlingsmorgen wird und du diese stille Gestalt in der Nähe noch allmächtiger wirkt als in jedem Traume !
-- Sie war ihm zu heilig , als daß er vor ihr über die scheinbare Heilung hätte lügen können ; er schwieg lieber ; -- und so kam der wärmste Freund ihres Lebens zum erstenmal nur verhüllt und stumm zu ihr .
Der Lektor führte sie bald weg an ihren Sitz unter dem zweiten Lüstre -- ihr gegenüber saß die Mutter ( wahrscheinlich darum , damit die gute unwissende Tochter , die doch nicht immer die Augenlider senken konnte , diese freundlich und mit Anstand gegen ein geliebtes Wesen heben durfte ) -- der deutsche Herr , als Bekannter , setzte sich ohne Weiteres zu ihrer Rechten , Augusti zur Linken -- Zesara als Graf kam oben weit hinauf neben die höchste Dame . -- --
Der Henker hole_es ! --
das ist leider so oft mein eigener Fall !
Ich behaupte oben den Ehrenplatz -- und bemerke unten eine Meile von mir die Tochter , aber als Myope nur halb und kann den ganzen Abend nichts machen .
-- Rangiert mich doch ungescheut hinunter zu ihr -- ihr habt mit nichts weniger als einem aufgeblasenen Manne zu tun -- warum sollen denn auch auf der Erde , wie im Himmel , gerade die größten Wandelsterne am weitesten von ihrer Sonne absitzen ? --
Ich ziehe jetzt die Leser an des Ministers Tafel , nicht um ihnen die Ministerialesche auf Habsucht eingeimpfte Pracht oder seinen zwischen das Parallellineal der Etikette eingesperrten Ehrentanz oder auch dessen Familienwappen zu zeigen , das auf jedem Wärmteller und Salzfaß und mit dem Eise und Senfe herumgegeben wurde -- uns sei die Allgegenwart des Wappenwerks auf seinen Blumentöpfen , Hemden , Bettschirmen , Hunds-Kravatten und Gedanken genug -- sondern der Leser soll jetzt nur auf meinen Helden sehen .
Sehr sticht er hervor .
Über einen solchen Ankömmling hat man in einer Residenzstadt noch früher als er dem Schwager das Trinkgeld gegeben , schon alles mögliche Licht der Natur und der Offenbarung ; 19 Anwesende waren als seine moralischen Schrittzähler an ihm fest gemacht .
Die Kühnheit seines Wesens und sein Rang ersetzten bei ihm die Welt ; und diese vermißte man nirgends als darin , daß er keinen anderen Anteil nahm als den stärksten und daß er sich immer in allgemeine und weltbürgerliche Betrachtungen verlief .
Aber seht seht doch -- o ich wollte , Liane könnte es sehen -- wie die Rosenglut und das frische Grün seiner Gesundheit unter den gelben Maroden des Jahrhunderts glänzt , denen wie Schiffen , an der afrikanischen Küste der Jugend alles zusammenhaltende Pech abgeflossen war -- und wie ihn das Wangenrot der geistigen Gesundheit , ein zartes immer wiederkommendes Erröten ( aus Sorge um Lianen ) schmückt , indes mehrere Weltleute am Tische gleich der Baumwolle alle Farben leichter anzunehmen scheinen als die rote !
Er schaute und horchte , wider die Ordnung des Visiten-Heils , zu sehr Lianen zu .
Sie aß , unter dem höheren Rote der Furcht , fehlzugreifen , nur wenig , aber unbefangen ; der Lektor sperrte ihr mit leichter Hand den kleinsten Irrweg zu .
Was ihn wunderte war , daß sie ein so empfindliches und so leicht weinendes Herz mit einer so unbefangenen Heiterkeit des Angesichts und des Gesprächs bedeckte -- -- junger Mann , das ist bei den weichsten Mädchen ohne Schmerzen der Liebe , kein Bedecken und Verstellen , sondern Genuß des Augenblicks b und gewohnte Gefälligkeit !
-- Sie behielt so besonnen die ( wahrscheinlich vorher gelernte ) Rangordnung der bekannten Stimmen , daß sie ihre Antwort nie gegen eine falsche Stelle richtete .
Sie blickte aber oft zu ihrer Mutter mit vollen Augen auf und lächelte dann noch heiterer , aber nicht um zu täuschen sondern aus rechter herzlicher Liebe .
-- Anlangend ihren Salat , so würde die beste und tafelfähigste Leserin , die ihn mischen sehen , mehrere Gabeln davon nehmen .
Ungemein gut ließ es , da sie ernster und röter vor der blauen Himmels-Halbkugel aus Glas die Handschuhe abzog -- mit weißen Händen und mit geschmeidigen Armen ohne eine seidene Falte , zwischen dem gläsernen Blau und seidenem Schwarz im Grünen arbeitete -- bedächtig nach dem Essig- und Ölgestelle fasste und so viel zugoß als ihre Übung ( und der verzifferte Rat des Lektors ; wenigstens scheint mir_es so ) gebot . -- --
Beim Himmel ! das Machen ist hier der Salat ; und der eitle Minister , der sich nicht auf Gemälde verstand , hatte viel Einsichten in Dingen , die zu Gemälden taugten .
Die Mutter schien kaum auf die Blätter- Mengerei hinzusehen . -- --
Dem Grafen schien heute die Ministerin nur Welt und keine fromme Strenge zu haben ; aber er kannte noch nicht genug jene hellen Weiber , die Feinheit ohne Witz , Empfindung ohne Feuer , Klarheit ohne Kälte haben ; die von den Schnecken die Fühlhörner , die Weichheit , die Kälte und den stummen Gang entlehnen und die mehr Vertrauen verdienen und fordern als erhalten .
Nun trat Zefisio , als ein Engel unter drei Menschen im feurigen Ofen ein , aber als ein schwarzer .
Dem Grafen war dessen Nahsitzen und jedes Wort zu ihr ohnehin eine Kreuzigung -- nur von ihr zu ihm mit dem Blicke zu gehen war schon ein Jammer , wenig verschieden von dem , den ich haben würde , wenn ich in Dresden einen Tag im Antiken-Olymp der alten Götter zubrächte und dann bei dem Herausgehen in ein Refektorium voll geschwollener Mönche oder in ein Naturalienkabinett voll ausgestopfter Malefikanten-Balge und einma B b 2 rinirter Fötus-Kanker geriete .
-- Indes wurde er doch dadurch beruhigt -- nach meiner Meinung nur getäuscht -- , daß der deutsche Herr nicht neben ihr lyrisch loderte , noch im Himmel oder außer sich war , sondern bei sich und ganz gesetzt und sehr artig .
Auf keine Tauben , Graf , -- frage die Landwirte , -- schießen die Habichte öfter nieder als auf glänzend-weiße ! --
Der deutsche Herr brachte jetzt eine Tabatiere hervor mit einem niedlichen Gemälde von Lila und fragte Lianen , wie es ihr gefalle ; ihm gefalle daran das Sentimentalische vorzüglich .
Der Lektor erschrak , bog sich dem Dosenstücke entgegen und jagte einige Urteile voraus , die die Halbblinde in den ihrigen führen sollten ; aber nachdem sie damit ein paarmal schief gegen die Lichter und nahe vor ihren Augen vorbeigefahren war , konnte sie selber das eigene fällen , daß das von der halbuntergesunkenen Sonne angestrahlte Kind , das unter dem Triumphbogen eine Blumenkette in die Höhe zieht , nach ihrem Gefühle " so gar lieblich " sei .
Hier kam -- und ich habe denselben Fall an einer halbblinden Frau von mächtiger Phantasie und offenem Kunstsinne bemerkt -- die Anstrengung und der Kunstsinn oder das geistige Auge dem leiblichen auf halbem Wege entgegen .
-- Die Dose wurde wie ihr Tabak weiter präsentiert und stieg hinab zum Kunstrat Fraischdörfer -- dem jetzt die Kunstliebe des neuen Fürsten und die Kunstgelehrsamkeit des Günstlings neue Kronen aufsetzen --; er rügte nichts als das Blütenweiß ; " der Früh " ling ( sagt ' er , ) ist wegen seines verdrußlichen " Weißes ein leeres Monochrome ; ich habe Li " lar nur im Herbste besucht . "
-- " Wir können " ja den Nachtigallengesang auch nicht malen , " und hören ihn doch " sagte Liane heiter : er war ihr Lehrer , und jetzt in der malerischen Technologie sogar ihres Vaters seiner .
Über allen ihren Kenntnissen und inneren Früchten und Blüten war die Rose des Schweigens gemalt ; daran hatte sie der gebieterische Vater überhaupt gewöhnt , und vor Männern besonders ; in welchen sie immer kopierte Väter furchtsam ehrte . --
Als die Landschaft zu Albano kam und er jene Frühlingsnacht verkleinert vor sich hielt wo ihm Lila und der edle Greis so zaubernd erschienen -- und da er berührte , was die liebe Seele angerührt -- und da in der seinigen alle Wohllaute zitterten :
so griff wieder der Teufel einen dissonierenden Septimenakkord :
" Der Fürst , gnädiger Herr ( sagte der Mi " Nister zum deutschen Herrn ) wurde gestern " heimlich beigesetzt ; schon in acht Tagen ha " ben wir das öffentliche Begräbnis .
Wir " müssen eilen , weil die Suspension der Hof " Trauer so lange dauert bis die Huldigung " am Himmelfahrtstage vorüber ist . "
Ich bin zu feurig , mich über den ewigen Zeremonienmeister Froulay auszulassen , der auf der Sonne Laternensteuer eingetrieben hätte und Brückenzoll vor Parks- und Eselsbrücken ; aber Albano , von so vielen inneren Seiten- und Streiflichtern geblendet -- erinnert an Lianen Trauer über den alten Mann , an seinen Geburtstag , an das Herz ohne Brust und an den Wahnsinn der Welt -- war nicht im Stande , so sehr er sich vorgesetzt , in Sanftmut und Lammskleidern vor Froulay zu erscheinen , letztere anzubehalten :
sondern er mußte ( und lauter als er meinte ) gegen seinen Gegennachbar , den Kirchenrat Schäpe , mit zu großer Jugend- Ergrimmung -- ( die durch das nach der Bruderstimme sehnsüchtige Zuhören Lianen nicht kleiner wurde ) sich erklären gegen viel -- gegen das ewige tote Vexierleben der Menschen -- gegen den zeremoniellen Hohn einer entseelten Gestalt -- gegen dieses Darben an Liebe bloß aus Vorspiegeln derselben -- ach sein ganzes Herz brannte auf seiner Lippe . . . .
Der redliche Schäpe , den ich oben einen Halunken genannt , trat ihm mit mehreren Minen bei . --
Aber ich gar nicht ; Freund Albano !
du mußt erst noch lernen , daß die Menschen , in Rücksicht der Zeremonien , Moden und Gesetze , gleich einem Zug Schafe , insgesamt sofern man nur den Leithammel über einen Stecken setzen lassen , an der Stelle des Stabes , den man nicht mehr hinhält , noch aus Vorsicht aufspringen ; -- und die meisten und höchsten Sprünge im Staate tun wir ohne den Stecken .
Aber ein Jüngling wäre mittelmäßig , der das bürgerliche Leben sehr zeitig lieb hätte ; so gewiß auch er und wir alle über die Fehler eines jeden Amtes zu bitter richten , das wir nicht selber bekleiden .
Die Gesellschaft hörte schweigend zu und wunderte sich aus Artigkeit nur innerlich ; Auf Lianen Gestalt trat weicher Ernst .
Man stand auf -- die Enge verschwand sein Eifer auch ; -- aber ich weiß nicht , kam es von der Trunkenheit des Sprechens oder des liebenden Anschauens , oder von einem jugendlichen Überspringen der Visiten-Zäune -- ( von Mangel an Lebensart Kamms aber nicht her ) genug das Faktum ist nicht zu leugnen ( und ich tue auch am besten , es geradezu zu geben ) , daß der Graf die arme alte von ihm hergeführte Dame -- Hafenreffer weiß selber nicht wie sie heißet -- stehen ließ und ich glaube unbewußt zum Führen Lianen nahm . --
Ach diese !
Was soll ich sagen von der magischen Nähe der geträumten Seele -- vom leichten Aufliegen ihrer Hand , das nur der Arm des inneren Menschen , nicht des äußeren spürte -- von der Kürze des Himmelsweges , der wenigstens so lang hätte sein sollen als die Friedrichs-Straße ?
-- Wahrhaftig er selber sagte nichts -- er dachte bloß ans abscheuliche Inhibitorial-Zimmer , wo ihre Scheidung vorfallen mußte -- er zitterte unter dem Suchen eines Lauts .
" Sie haben wohl ( sagte " Liane leicht und offen , die gern die befreun "dete Stimme , zumal nach der warmen " Rede hörte ) unser Lila schon besucht ? "
-- " Wahrhaftig nicht , aber Sie ? " sagte er zu verwirrt .
" Ich und meine Mutter wohnten " gern in jedem Frühlinge da . "
-- Nun waren sie im Scheide-Zimmer .
Leider stand er so mit ihr , die nichts sah , einige Sekunden fest und sah geradeaus Willens , etwas zu sagen , bis die Mutter ihn aufweckte , die für ihre , von dem ganzen Abend so genährte Liebe eifrig eine abgetrennte Stunde am Tochterherzen suchte .
-- Und so war alles vorbei ; denn beide schwanden wie Erscheinungen weg .
Aber Alban war wie ein Mensch , den ein herrlicher Traum verlässt und der den ganzen Morgen so innig-selig ist , aber ihn nicht mehr weiß . --
Und wie , steht ihm nicht Lila offen und sieht er_es nicht gewiß , sobald nur Liane es auch sehen kann ? --
Nie war er sanfter .
Der aufmerksame Lektor legte in dieser warmen fruchtbaren Säezeit einigen guten Samen ein .
Er sagte , als sie miteinander noch in die Mondnacht heraussahen , Albano habe heute fast bloß stachlige und sperrige Wahrheiten vorgebracht ; die nur erbittern , nicht erleuchten . --
Zu einer anderen Zeit hätte ihn der Graf befragt ob er_es wie Froulay und Bouverot hätte machen sollen , die einander ganz tolerant Theses und Antitheses vortrugen wie ein akademischer Respondent und Opponent , die vorher bei einander logische Wunden und Pflaster von gleicher Länge bestellen -- ; aber heute war er ihm sehr gut .
Augusti hatte so delikat und liebreich für Mutter und Tochter gesorgt -- er hatte ohne Schwärzen und Schminken viel Gutes , aber nicht hastig gesagt und man hatte seinem Auseinandersetzen ruhig zugehört -- er hatte weder geschmeichelt noch beleidigt .
Albano ver setzte also sanft : " aber erbittern ist doch besser , " lieber Augusti , als einwiegen . --
Und wem " soll ich denn die Wahrheit sagen als denen , " die sie nicht haben und nicht glauben ?
-- " Doch nicht den anderen ? " --
Man kann jede sagen , sagte er , aber man kann nicht jede Art und Stimmung , womit man sie sagt , zur Wahrheit rechnen .
" Ach ! " sagte Albano und blickte hinauf ; unter dem Sternenhimmel stand wie eine Schutzheilige die Marmor-Madonna des Palastes sanft beglänzt -- und er dachte an ihre Schwester -- und an Lila -- und an den Frühling -- und an viele Träume -- und daß sein Herz so voll ewiger Liebe sei und daß er doch noch keinen Freund und keine Freundin habe . --
Achte Jubelperiode .
Le petit lever des D. Sphex -- Steige nach Lila -- Waldbrücke -- der Morgen in Arkadien -- Chariton -- Lianen Brief und Dankpsalm -- empfindsame Reisen durch einen Garten -- das Flötental -- über die Realität des Ideals , 41. Zykel .
Ich bin in voriger Nacht bis gegen Morgen aufgesessen , -- denn ich kann keinen fremden Dechiffrier darüber lassen -- , um die Jubelperiode bis zum letzten Worte zu entziffern , so fest hielt mich ihr Reiz ; ich hoffe aber , da schon das dünne Blätterskelett aus Hasenreffers Hand so viel tat , so soll jetzt das Blatt , wenn ich seine Adern mit Saftfarben und gleißendem Grüne durchziehe , vollends Wunder tun .
Mit dem Grafen stand es seit dem letzten Abend betrübt .
Denn die duldende bescheidene Gestalt , die er gesehen , glänzte wie der Vorsatz einer großen Tat , allen Bildern seiner Seele vor und in seinen Träumen und vor dem Einschlafen wurde ihre holde Stimme die Philomele einer Frühlingsnacht . --
Dabei hörte er noch immer von ihr sprechen , besonders den Physikus , der jeden Tag weitere Fortschritte der Augenkur verkündigte und zuletzt Lianen Abreise nach Lila immer näher stellte --
( Von einer Geliebten aber hören ist , sei es immer etwas Gleichgültiges , weit mächtiger als an sie denken ) -- Er hörte ferner , daß ihr Bruder sich seit der Ermordung ihrer Augen der ganzen Stadt entzogen , in welcher er nicht wieder erscheinen will als auf einem sogenannten Freudenpferde bei der Fürstenleiche ; -- --
Und um dieses Eden , oder vielmehr um die Schöpferin derselben , war eine so hohe Gartenmauer gezogen und er ging um die Mauer und fand kein Tor . -- --
Verhaßteres kenne ich nichts als das ; aber in welcher Residenzstadt ist_es anders ?
Schrieb ich jemals einen Roman , ( wozu es keinen An Schein hat ) das beteuer ich öffentlich , vor nichts würde ich mich so hüten als vor einer Residenzstadt und vor einer stiftsfähigen Heldin darin .
Denn die Konjunktion der oberen Planeten trägt sich leichter zu als die hoher Amanten .
Will Er ein Wort mit Ihr allein reden am Hofe oder beim Tee oder bei ihrer Familie , so steht der Hof , die Teegesellschaft , die Familie dabei ; -- will Er Ihr im Park aufstoßen , so reiset Sie , wie die sinesischen Kuriere , doppelt , weil man den Mädchen gern das Gewissen , wie die Natur alle wichtige Glieder , doppelt gibt wie gutem Weine doppelten Boden ; -- will Er Ihr zufällig wenigstens auf der Gasse begegnen , so schreitet ( wenn diese in Dresden liegt ) ein saurer Bedienter hinterdrein als ihr Pestessig , Seelensorger , curator sexus , chevalier d'honneur , Sokrates-Genius , Kontradicktor und Pestilenziarius -- -- Hingegen auf dem Lande läuft ( das ist alles ) die Pfarrtochter , weil der Abend so himmlisch ist , um die Pfarrfelder spazieren und der Kandidat braucht nun weiter nichts zu tun als Stiefel anzuziehen .
-- Wahrlich unter Leuten von Stande scheint der Mantel der ( erotischen ) Liebe anfangs ein D. Fausts Mantel zu sein , der alles zu überfliegen schwört , indes er bloß alles überdeckt ; allein am Ende steht einem das Schreckhorn , der Pilatusberg und die Jungfrau vor der Nase .
Seliger Held !
Am Freitage kam der Lektor und referierte , am Montage werde der Höchstselige -- nämlich dessen leere Särge -- beigesetzt , und Roquairol reite das Freudenpferd -- und Liane sei fast genesen , denn sie gehe mit der Ministerin morgen nach Lila , höchstvermutlich um einigen trüben mit einem Trauerrande umfaßten Gedenkzetteln und Leichen-Erinnerungen zu entrinnen -- und am Himmelfahrtstage darauf sei Huldigung und Redoute . . . . Seliger Held ! wiederhol ich .
Denn bisher , was besaßest du vom blühenden Tempe- Tal als die dürre Anhöhe , worauf du standest und in den Zauber hinuntersahst ? --
42. Zykel .
Am Mai-Sonnabend schwand um 7 Uhr jeder Dunst aus dem Himmel , und die hellentweichende Sonne zog einem herrlichen Sonntage entgegen .
Albano , der dann endlich das ungesehene Lila besuchen wollte , war abends vorher so heilig-froh , als feiere er den Beichtabend vor dem ersten Abendmahle ; -- sein Schlaf war ein stetes Entzücken und Erwachen und in jedem Traume ging ein betörender Sonntagsmorgen auf und die Zukunft wurde das dunkle Vorspiel der Gegenwart .
-- Sonntags früh wollte er fort , als er vor der halben Glastüre des Physikus vorübermußte : " H. Graf , auf einen Augenblick ! " rief dieser .
Da er eintrat : sagte der Doktor : " gleich lieber H. Graf ! " und fuhr fort . -- --
Den Zeichnern , die in künftigen Jahrhunderten so aus mir schöpfen wollen wie bisher aus dem Homer , gebe ich folgende Gruppe des Doktors als einen Schatz : er lag auf der linken Seite ; Geolenis bügelte mit einer kleinen Kratzbürste den Rücken des Vaters , indes neben ihm Boerhave mit einem weiten Kam stand stand und solchen unaufhörlich steilrecht ( nicht schief ) durch die Haare führte .
Er sagte stets , er wüßte nichts was ihn so aufheiterte und öffnete als Bürste und Kamm .
Vor dem Bette stand van Swieten in einem dicken Pelze , den der Züchtling , bei warmem Wetter und schlimmer Aufführung tragen mußte , um darin sowohl ausgelacht als halb gekocht zu werden .
Zwei Mädchen warteten in voller Sonntagsgalle da und gedachten aufs Land zu einer Pfarrtochter und in die Dorfkirche ; diese klopfte er erst von Glied zu Glied mit dem Hammer des Gesetzes ab .
Er stellte seine Kinder , als Gegenfüßler römischer Beklagter in Lumpen , gern in Manschetten und Quasten und galoniert auf die Pillory , besonders vor Fremden .
Der Graf hatte sich schon längst der roten Kinder wegen gegen das offene Fenster gekehrt ; konnte sich aber doch nicht enthalten lateinisch zu sagen : " wäre ' er sein Kind , " er hätte sich längst umgebracht ; er kenne " nichts mehr beschämendes als im Putze ge " Scholten zu werden . "
-- " Desto tiefer ( sagte " Sphex deutsch ) greift es eben ein " und holte Titan .
I. Cc bei den Mädchen nur noch dieses nach : " ihr " seid ein paar Gänse und werdet in der Kirche " nur von eurem Lumpenkram schnattern -- " warum gebt ihr nicht auf den Pfarrer Acht ?
" Er ist ein Esel , aber für euch Eselinnen Prä " dicht er gut genug ; abends sagt ihr mir " die Predigt ganz her . "
-- " Hier ist ein Laxiertrank , Herr Graf , den " ich Sie , da Sie nach Lila gehen , der Land " Baumeisterin zu geben bitte für ihre kleinen " Kröten ; aber nehmen sie es nicht übel ! " --
Beim Henker ! das sagen gerade die Leute am häufigsten , die sich nichts übelnehmen .
Der Graf -- der ihm zu anderer Zeit verachtend den Rücken zugekehrt hätte -- steckte es errötend und schweigend vor dem Retter seiner Liane zu sich , auch weil es für die Kinder seines geliebten Dians war , an dessen Gattin er Grüße und Nachrichten bringen wollte .
43. Zykel .
Lila ist nicht wie so viele Fürstengärten , ein herausgerissenes Blatt aus Hirschfeld -- ein toter Landschafts-Figurant und Vexir- und Miniaturpark -- ein schon an jedem Hofe aufgesetztes und abgegriffenes Schaugericht von Ruinen , Wildnissen und Waldhäusern :
sondern Lila ist das Naturspiel und bukolische Gedicht der romantischen und zuweilen Gaukelhaften Phantasie des alten Fürsten .
Wir kommen bald insgesamt hinter dem Helden hinein , aber nur ins Elysium ; der Tartarus ist ganz etwas anders und Lilars zweiter Teil .
Diese Absonderung der Kontraste lob ich noch mehr wie alles ; ich wollte schon längst in einen besseren Garten gehen als die gewöhnlichen Chamäleontischen sind , wo man Sina und Italien , Lust- und Gebeinhaus , Einsiedelei und Palast , Armut und Reichtum , ( wie in den Städten und Herzen der Inhaber ) auf Einem Teller reicht und wo man den Tag und die Nacht ohne Aurora , ohne Mitteltinte neben einander aufstellt .
Lila hingegen , wo das Elysium seinen frohen Namen durch verknüpfte Lustlager und Lusthaine rechtfertigt wie der Tartarus seinen düstern durch einsame überhüllte Schrecken , das ist mir recht aus der Brust gehoben . -- C c 2 Aber wo geht jetzt unser Jüngling mit seinen Träumen ? --
Noch auf der romantischen einleitenden Straße nach Lila , eigentlich dem ersten Gartenwege desselben .
Er wanderte auf einer belaubten Straße , die sanft auf Hügel mit offenen Baumgärten und in gelbblühende Gründe stieg und die wie der Rhein sich bald durch grünende Felsen voll Efeu drängte , bald fliehende lachende Ufer hinter den Zweigen auftat .
Jetzt wurden die weißen Bänke unter Jasminstauden und die weißen Landhäuser vielfältiger , er kam näher und die Nachtigallen und Kanarienvögel * ) Lilars streiften schon hierher , wie Land ansagende Vögel .
Der Morgen wehte frisch durch den Frühling und das zackige Laub hielt noch seine leichten ätherischen Tropfen fest .
Ein Fuhrmann lag schlafend auf seinem Leiterwagen , den die rechts und links abrupfenden Tiere sicher auf dem glatten Wege zogen .
Albano hörte am stillen Sonntage nicht das Feldgeschrei der drängen * ) Sie haben eine ganze Stube zum Winterleben , der man im Sommer bloß die Fenster aushebt . den Arbeit , sondern die Ruhe-Glocken der Türme ; im Morgengeläute spricht die zukünftige , wie im Abendgeläute die vergangene Zeit ; und an diesem goldenen Alter des Tages stand auch eines in seiner frischen Brust . --
Jetzt zuckten gabelschwänzige Rauchschwalben mit der Purpurbrust über das Himmelblau des wilden Gamanders und kündigten mit ihren Wohnungen unsere an : als seine Straße durch ein zerstörtes altes offenes , von fetten dicken Blättern wie Schuppen behangenes Schloß durchwollte , an dessen Ein- oder Ausgange ein wegweisender roter Arm sich mit der weißen Aufschrift :
" Weg aus dem " Tartarus ins Elysium " gegen eine nahe Waldung ausstreckte .
Sein Herz fuhr auf bei dieser doppelten Nähe so verschiedener Tage .
Mit weiten Schritten drang er gegen den Elysiums Wald , den ein breiter Graben abzuschneiden schien .
Aber er kam bald aus dem Buschwerke vor eine grüne Brücke , die sich in den Bogen der Riesenschlange über den Graben , aber nicht auf die Erde sondern in die Gipfel schwang .
Sie trug ihn durch dir hereinblühend Wildnis von Eichen- Tannen- Silberpappeln- Frucht- und Linden-Wipfeln .
Dann hob sie ihn hinaus in die freie Gegend und Lila warf ihm schon von Osten über die weite spitzige Gipfel-Saat den Glanz einer hohen Goldkugel entgegen .
Die Brücke senkte sich mit ihm wieder ins duftende dämmernde Geniste und unter und neben ihm riefen und flatterten die Kanarienvögel , Singdrosseln , Finken und Nachtigallen und die geätzte Brut schlief gedeckt unter der Brücke .
Endlich stieg diese nach einem Bogengange wieder ans Licht -- er sah schon die grünende Bergkuppe mit dem weißen Altar , woran er in einer jugendlichen Nacht gekniet hatte ; und mehr südlich hinter sich die Decke und Scheidewand des Tartarus , einen hochaufgebäumten Wald -- und wie er weiter trat , deckte sich ihm das Elysium weiter auf -- eine Gasse kleiner Häuser mit welschen Dächern voll Bäumchen lachte den Blick freudig und einheimisch aus der grünen Weltkarte von Tiefen , Hainen , Bahnen , Seen an -- und in Morgen schlossen fünf Triumpfthore dem Auge die Wege in eine weitausgespannte wie ein grünendes Meer fortwogende Ebene auf und in Abend standen ihnen fünf andere mit geöffneten Ländern und Bergen entgegen . -- --
So wie Albano die langsam-niederschwebende Brücke herabgieng , so kamen bald brennende Springbrunnen , bald rote Beete , bald neue Gärten im großen entwickelt hervor und jeder Tritt schuf das Eden um .
Voll Ehrfurcht trat er wie auf einen geheiligten Boden heraus , auf die geweihte Erde des alten Fürsten und des frommen Vaters * ) und Dians und Lianen ; sein wilder Gang wurde wie von einem Erdbeben umwickelnd gehalten ; das reine Paradies schien bloß für Lianen reine Seele gemacht ; und jetzt erst machte ihm die scheue Frage über die Schicklichkeit seiner hastigen Nachreise und die liebende Furcht , zum * )
So hieß überall der einsiedlerische Emeritus , der da wohnende Hofprediger Spener , der mit dem edlen alten frommen Spener nicht nur von väterlicher Seite verwandt war , sondern auch von geistiger . erstenmal ihrem genesenen Auge zu begegnen , den frohen Busen enge .
Aber wie festlich , wie lebendig ist alles um ihn her !
Auf den Wassern , die durch die Haine glänzen , ziehen Schwanen , in die Büsche schreitet der Fasan , Rehe blicken hinter ihm neugierig aus dem Walde , über den er gegangen war , und weiße und schwarze Tauben laufen emsig unter den Toren und an den Abendhügeln hängen rufende Schafe neben liegenden Lämmern ; sogar der Turteltaube zittert in irgend einem verhüllten Tale die Brust vom Languido der Liebe .
Er schritt durch ein langes hochstaudiges Rosenfeld , das die Niederlassung und Pflanzstadt von Grasmücken und Nachtigallen schien , die aus den Büschen auf die wachsenden Grasbänke hüpften und vergeblich ausliefen nach Würmchen ; und die Lerche zog oben über diese zweite Welt für die frommeren Tiere und fiel hinter den Toren in die Saaten nieder .
Berausche dich immer , guter Jüngling , und kette deine Blumen so ineinander wie der Knabe , dem du zueilst ! --
Nämlich oben auf dem welschen Dache , vor dessen Brustgeländer Silberpappeln von breiten Rebenblättern umgürtet spielen , und das er in der Frühlingsnacht für eine Laube in Rosen angesehen , stand ein kerniger herübergebeugter Knabe , der eine Dotterblumenkette niederließ und dem zu kurzen grünen Ankerseile immer neue Ringe einsteckte .
" Pollux heiß ' ich , ( versetzt ' er frisch " auf Albans sanfte Frage , ) aber meine Schwa " ster heißet Helena * ) aber das Brüderchen " heißt Echion . "
-- " Und dein Vater ? "
-- " Er " ist gar nicht da , er ist weit draußen in Rom ; " gehe nur hinein zur Mutter Chariton , ich " komme gleich . "
-- An welchem schöneren Tage und Orte , mit welchem schöneren Herzen konnte er in des geliebten Dians h. Familie kommen als an diesem Morgen und mit dieser Brust ?
Er ging ins helle lachende Haus , das voll Fenster und grüner Jalousieladen war .
Als er in die Frühlingsstube eintrat :
so fand er Chariton , ein junges , schmächtiges fast noch jungfräulich-aussehendes Weib von 17 Jahren * )
Sie hatten als Zwillinge diese Namen . mit dem kleinen Echion an der säugenden Brust , sich während gegen die kränklich-lebhafte Helena , die auf einem Stuhle stehend immer aus dem Fenster eine vielblättrige Rebenschlinge hereinzog und die Hülle um die Augen der Mutter gürten wollte .
Mit zauberischer Verwirrung , da sie zugleich aufstehen , mit der Linken die belaubten Fessel ohne Zerreissen abnehmen und den Säugling tiefer verhüllen wollte , trat sie dem schönen Jünglinge gebückt entgegen , kindlich-freundlich und feurig , aber unendlich schüchtern , nicht seiner standesmäßigen Kleidung wegen , sondern weil er ein Mann war und so edel aussah sogar ihrem Griechen ähnlich .
Er sagte ihr mit einer zauberischen Liebe auf dem kräftigen Angesichte , die sie vielleicht nie so herrlich gesehen , seinen Namen und den Dank , den sein Herz ihrem Gatten aufbewahre und Nachrichten und Grüße von diesem .
Wie loderte an der furchtsamen Gestalt das unschuldige Feuer aus den schwarzen Augen !
" War denn mein Herr ( so nannte " sie ihren Mann ) sehr gesund und froh ? "
Und so fing sie jetzt unbefangen wie ein Kind , ein langes Verhör bloß über ihren Gatten an .
Pollux sprang mit seiner langen Kette herein -- Alban nahm den Trank vom Doktor scherzend aus der Tasche und sagte , " das " sollst du einnehmen "
-- " Soll ich_es gleich aus " saufen , Mutter ? " sagte der Heros .
Hier erkundigte sie sich eben so unbefangen nach dem ausführlichen Rezepte des Doktors und so lange , bis der kleine Säugling am Busen rebellierte und sie in ein Nebenzimmer über die Wiege trieb .
Sie entschuldigte sich und sagte , der Kleine müsse schlafen , weil sie mit Lianen spazieren gehe , auf die sie jede Minute aufsehe .
Kinder lieben kräftige Gesichter ; Alban wurde zugleich von Kindern und von Hunden geschätzt ; nur konnte er auf dem kindlichen Spielplatze nie mit der keinen springenden Truppe agieren , wenn erwachsene Logen dabei waren .
" Ich kann sehr viel " sagte Pollux ; -- " ich kann auch lesen , Herr ! " versetzte dem Bruder Helena .
" Aber doch nur deutsch ; ich " aber kann lateinische Briefe prächtig herlesen , " Du ! " erwiderte ihr das junge Männlein , und lief in der Stube nach Lektüre und Leseproben umher , aber umsonst .
" Mann ! warte " ein wenig ! " sagte er und lief die Treppe hinauf in -- Lianen Zimmer und holte einen Brief von Lianen . -- --
43. Zykel .
Albano wußte nicht , daß Liane ordentlich das obere so blühend beschattete Zimmer für sich innen habe , worin sie häufig -- zumal wenn die Mutter in der Stadt zurückblieb -- zeichnete , schrieb und las .
Die kindliche Chariton , vom Liebestranke der Freundschaft begeistert , wußte gar nicht , wie sie nur der schönen liebreichen Freundin ihr Feuer so recht zeigen konnte ; ach was war ein Zimmer ?
-- In dieses immer offene kamen nun die Kinder , die Liane zuweilen lesen ließ ; und so konnte jetzt Pollux aus dem einsamen den Bogen holen , den sie an diesem Morgen geschrieben .
-- Als Albano während des Holens so allein im Wohnzimmer des fernen Jugendfreundes neben dessen stiller , blasser Tochter saß , die bald auf ihn bald auf eine ihm noch aus Lianen Morgenzimmer bekannte Spiel-Schäferei hinsah -- als das Morgenwehen durchs kühle Fenster das herrliche Getümmel hereintrieb -- besonders als im lichten Ausschnitte des Fußbodens die sinesischen Schatten des Wein- und Pappellaubes sich ineinander kräuselten -- und als endlich Chariton den Säugling mit einem eiligeren lauteren Wiegenliede einsang , das ihm tönte wie ihr nachhallender Seufzer nach dem schönen Jugendlande :
so wurde ihm das volle vom ganzen Morgen angeregte Herz so wunderbar und -- besonders durch das wankende Schattengefecht -- fast bis zum Weinen bewegt ; und das Kind blickt ' ihm immer bedeutender ins Gesicht .
Da kam Pollux mit seinen beiden Quarteblättern zurück und setzte sich nun selber auf seine Leseprobe .
Schon die erste Seite komponierte zu Albans inneren Liedern die Melodie ; aber er erriet weder die Verfasserin noch das Datum des Briefes , außer später durch ein hin- und herspringendes Lesen .
Die Blätter gehörten zu vorigen -- nicht einmal Streusand bezeugte ihre junge Geburt ( denn Liane war zu höflich , einen zu brauchen ) -- ferner waren alle Namen anders ; nämlich Julienne , an die sie gerichtet waren , hatte leider , in d' Argensons bureau decachetage d. h. am Hofe wohnhaft , verzifferte verlangt , und sie hieß mithin Elisa , Roquairol Karl und Liane ihre kleine Linda .
Linda ist bekanntlich der Taufname der jungen Gräfin von Romeiro , mit welcher die Prinzessin am Tage jener für Roquairol so blutigen Retoude ein ewiges , Herzens- und Korrespondenz-Bündnis aufgerichtet hatte ; -- Liane , vor deren reinen dichterischen Augen sich jedes edle weibliche Wesen zur Gebenedeiten und Heroine , der undurchsichtige Edelstein zum durchsichtigen aufhellte und reinigte , liebte die hohe Gräfin gleichsam mit dem Herzen ihres Bruders und ihrer Freundin zugleich , und die sanfte Seele nannte sich , ihres Wertes unbewußt , nur die kleine Linda ihrer Elisa .
Auch die zarte ausgezogene Handschrift kannte Albano nicht ; Julienne liebte die galli sche Sprache bis zu den Lettern , aber Lianen ihre glichen nicht den gallischen Sudel-Protokollen , sondern der reinlichen geründeten Handschrift der Briten .
Hier ist endlich ihr Blatt -- -- du holdes Wesen !
wie lange habe ich nach den ersten Lauten deiner erquickenden Seele gedürstet ! --
Sonntags-Morgen . --
Aber heute , Elisa , bin ich so innigfroh und der Abendnebel liegt als eine Aurora am Himmel .
Ich sollte dir wohl das Gestrige gar nicht geben .
Ich war zu bekümmert .
Konnte aber nicht meine liebe Mutter , die doch bloß meinetwegen hierher gegangen war , dadurch noch kränker werden , so leidlich sie auch eben deswegen sich gegen mich anstellte ? --
Und dann kam ja deine Gestalt , Geliebte , und all dein Schmerz und die harte Nachbarschaft * ) und unser letzter Abend hier , o alles das zog ja so klagend vor mein banges Herz ! -- * )
Der Tartarus mit dem Vaterherzen Julienne .
Sich , als wir vor dem Hause der lieben Chariton hielten und sie meiner Mutter die Hand mit freudigen Tränen küßte :
so war ich so schwach , daß ich auch abgewandte vergoß , aber andere und über die Frohlockende selber , die ja nicht wissen konnte , ob nicht in dieser Stunde ihr teurer Freund in Rom erkranke oder untergehe . -- --
Nun aber ist der dunkelgraue Nebel auf dem Blumengarten deiner kleinen Linda ganz verweht und alle Blüten des Lebens glänzen in ihren reinen hohen Farben vor ihr . -- --
Nach Mitternacht wich die Migräne meiner Mutter fast ganz und sie schlummerte so süß noch an diesem Morgen .
O wie war mir da ! --
Nach 5 Uhr schon ging ich in den Garten hinunter und fuhr über den Glanz zusammen , der im Taue und zwischen den Blättern brannte -- die Sonne sah erst unter den Triumpfthoren herein -- alle Seen sprühten in einem breiten Feuer -- ein glänzender Dampf umfloß wie ein Heiligenschein den Erdenrand , den der Himmel berührte -- und ein hohes Wehen und Singen strömte durch die Morgenpracht -- -- -- Und Und in diese aufgeschlossene Welt kam ich genesen zurück und so froh ; ich wollte immer rufen :
ich habe dich wieder , du helle Sonne , und euch , ihr lieblichen Blumen , und ihr stolzen Berge , ihr habt euch nicht verändert , und ihr grünet wieder wie ich , ihr duftenden Bäume ! -- --
In einer unendlichen Seligkeit schwebt ich wie verklärt , Elisa , schwach aber leicht und frei , ich hatte die drückende Hülle -- so war es mir -- unter die Erde gelegt und nur das pochende Herz behalten und im entzückten Busen flossen warme Tränenquellen gleichsam über Blumen über und bedeckten sie hell .
" Ach Gott , sagte ich in der großen Freude " schreckhaft , war es denn ein bloßer Schlaf , " das unbewegliche Ruhen der Mutter ? " und ich mußte -- lächle immer -- ehe ich weiter ging , wieder zu ihr hinauf .
Ich schlich atemlos vor das Bette , bog mich horchend über sie und die gute Mutter schloß die immer leise schlummernden Augen langsam auf , sah mich müde aber liebreich an und tat sie , ohne sich Titan .
I. Dd zu regen , wieder zu und gab mir nur die liebe Hand .
Nun durfte ich recht selig wieder in meinen Garten gehen ; ich brachte aber der immer heiteren Chariton den Morgengruß und sagte ihr , daß ich auf dem breiten Wege zum Altare * ) bliebe , sollte ich etwan gesucht werden . --
Ach Elisa , wie war mir dann !
Und warum hatte ich dich nicht an meiner Hand und warum sah mein bekümmerter Karl nicht , daß seine Schwester so glücklich war ? --
Wie nach einem warmen Regen das Abendrot und das flüssige Sonnenlicht von allen goldgrünen Hügeln rinnt :
so stand ein zitternder Glanz über meinem ganzen Inneren und über meiner Vergangenheit und überall lagen helle Freudenzähren .
Ein süßes Nagen nahm mein Herz auseinander wie zum Sterben , und alles war mir so nahe und so lieb !
Ich hätte der lispelnden Zitterpappel antworten und den Frühlingslüften danken mögen , die so kühlend das heiße * )
So heißet jener Berg , den Albano in der bekannten Frühlingsnacht gefunden .
Auge umwehten !
Die Sonne hatte sich mütterlich-warm auf mein Herz gelegt , und pflegte uns alle , die kalte Blume , den jungen nackten Vogel , den starren Schmetterling , und jedes Wesen ; ach so soll der Mensch auch sein , dachte ich .
Und ich ging den Sandweg und schonte das Leben des armen Gräschens und der liebäugelnden Blume , die ja hauchen und erwachen wie wir -- ich vertrieb die weißen durstigen Schmetterlinge und Tauben nicht , die sich nebeneinander von der nassen Erdscholle zum Tranke bückten -- o ich hätte die Wellen streicheln mögen -- -- diese Schöpfung ist ja so kostbar und aus Gottes Hand und das noch so klein gestaltete Herz hat ja doch sein Blut und eine Sehnsucht und in das Augen-Pünktchen unter dem Blatte kehrt ja doch die ganze Sonne und ein kleiner Frühling ein . --
Ich lehnte mich , ein wenig ermattet , unter den ersten Triumpfbogen , ehe ich zum Altare aufstieg ; und sah hinaus in die glimmende Landschaft voll Dörfer und Baumgärten und Hügel ; und der flimmernde Tau und das Läuten der Dörfer und das Glockenspiel der Heer Dd 2 den und das Schweben der Vögel uber allem füllte mich mit Ruhe und Licht .
Ja , so ruhig und unbekannt und heiter will ich mein eilendes Leben führen , dachte ich : redet mir nicht der Trauermantel zu , der vor mir mit seinen vom Herbste zerrissenen Schwingen doch wieder um seine Blumen flattert ; und mahnet mich nicht der Nachtschmetterling ab , der erkältet an der harten Statue klebt und sich nicht zu den Blüten des Tages aufschwingen kann ? --
Darum will ich nie von meiner Mutter weichen -- bleibe nur die teure Elisa auch so lange bei uns als ihre kleine Linda lebt und rufe sie ihre hohe Freundin bald , * ) damit ich sie sehe und herzlich liebe ! --
Ich stieg den grün-schattigen Berg hinan aber mit Mühe ; die Freude entkräftet mich so sehr -- denke an mich , Elisa , ich werde einmal an einer großen sterben , oder an einem großen allzugroßen Weh .
Der Schneckenweg zum Altare war von den Farben des Blütenstaubes gemalt und droben wanden sich nicht * )
Linda de Romeiro . gefärbte feste sondern rege brennende Regenbogen durch die Zweige des Berges .
Warum stand ich heute in einem Glanze wie niemals sonst ?
* )
Und als die Morgenluft mich wie ein Flügel anflatterte und hob und als ich mich tiefer in den blauen Himmel tauchte :
so sagte ich : nun bist du in Elysium .
-- Da war mir als sage eine Stimme :
das ist das irdische und du bist noch nicht geheiligt für das andere .
O feurig faßte ich wieder den Entschluß , mich von so manchen Mängeln loszuwickeln und besonders dem zu schnellen Wahne der Kränkung abzusagen , den ich anderen zwar verhehle womit ich sie aber doch verletze .
Und da betete ich am Altare und sagte der ewigen Güte Dank und weinte unbewußt vielleicht zu sehr , aber doch ohne Augenschmerzen .
Zuletzt schrieb ich das hier beigelegte Dankgedicht , das ich in Verse bringe , wenn es der fromme Vater gutheißet .
* )
Die Ursache ist , weil sie nach der Genesung noch kurzsichtig war , und ein Kurzsichtiger sieht den Tau glänzender .
Dankgedicht .
So schau ich wieder mit seligen Augen in deine blühende Welt , du Alliebender und weine wieder , weil ich glücklich bin ?
Warum habe ich denn gezagt ?
Da ich unter der Erde ging in der Finsternis wie eine Tote und nur von fern die Geliebten und den Frühling über mir vernahm : warum war das schwache Herz in Furcht , es gebe keine Öffnung mehr zum Leben und zum Lichte ? --
Denn du warst in der Finsternis bei mir und führtest mich aus der Gruft in deinen Frühling herauf ; und um mich standen deine frohen Kinder und der helle Himmel und alle meine lächelnden Geliebten ! -- --
O ich will nun fester hoffen ; brich immer der siechen Pflanze üppige Blumen ab , damit die anderen voller reifen !
Du führest ja deine Menschen auf einem langen Berge in deinen Himmel und zu dir und sie gehen durch die Gewitter des Lebens am Berge nur verschattet , nicht getroffen hindurch und nur unser Auge wird naß . -- --
Aber , wenn ich zu dir komme , wenn der Tod wieder seine dunkle Wolke auf mich wirft und mich weg von allen Geliebten in die tiefere Höhle zieht und du mich Allgütiger noch einmal freimachst und in deinen Frühling trägst , in den noch schöneren als diesen herrlichen : wird dann mein schwaches Herz neben deinem Richterstuhle so freudig schlagen wie heute und wird die Menschenbrust in deinem ätherischen Frühlinge atmen dürfen ?
O mache mich rein in diesem irdischen und lasse mich hier leben , als wenn ich schon in deinem Himmel ginge ! -- --
Wenn schon euch , ihr Freunde , die duldende reine Gestalt ungesehen lieb und rührend wird , die sich ergeben freuen kann , daß doch die Wetterwolke nur Platz-Tropfen , und keine Schlossen auf sie warf : wie mußte sie erst das bewegte Herz ihres Freundes erschüttern ! --
Er fühlte eine Heiligung seines ganzen Wesens ; gleichsam als komme die Tugend in diese Gestalt verkörpert vom Himmel nieder , um ihn heiligend anzulächeln , und fliege dann leuchtend zurück und er folge ihr begeistert und gehoben nach .
Er drang eifrig dem Knaben das Zurücktragen der Blätter ab , um ihr und sich , da sie jede Minute erscheinen konnte , die peinlichste Überraschung zu ersparen ; doch beschloß er fest -- was es auch koste -- , wahr zu sein und ihr noch heute sein Lesen zu beichten .
Der Kleine lief die Treppe hinauf , wieder herab , blieb lange vor der Türe und kam herein mit -- Lianen an der Hand , die weiß gekleidet und schwarz verschleiert war .
Sie sah ein wenig betroffen umher als sie mit beiden Händen den Schleier von ihrem freundlichen Gesichte zurückhob , hörte aber Charitons Wiegenlied .
Sie kannte ihn nicht , bis er sprach ; und hier errötete ihr ganzes schönes Wesen wie eine beleuchtete Landschaft nach dem Abendregen ; sie habe die Freude , sagte sie , seinen Vater zu kennen .
Wahrscheinlich kannte sie den Sohn durch Julienne und Augusti's Malereien noch besser und von verwandteren Seiten ; auch bewegte sich gewiß ihr schwesterliches Herz von seiner Bruderstimme ; denn der Reiz und sogar Vorzug der Ähnlichkeit und Kopie ist so groß , daß sogar einer , der einem gleichgültigen Wesen ähnlich sieht , uns lieber wird , wie das Echo eines leeren Rufs , bloß weil hier wie in der nachahmenden Kunst die Vergangenheit und Abwesenheit eine durch die Phantasie durscheinende Gegenwart wird .
Das immer leisere Einsingen der Mutter sagte das tiefere Einschlummern des Säuglings an und endlich verstummte das diminuendo , und Chariton lief mit blitzenden Augen der Hand Lianen zu .
Eine heitere offene Freundschaft blühte zwischen den unschuldigen Herzen und verstrickte sie wie der Wein die nahen Pappeln .
Chariton erzählte ihr Albano's Erzählung mit der Voraussetzung der innigsten Teilnahme ; Liane hörte gespannt-aufmerkend der Freundin zu ; aber das war ja so viel als blicke sie die nahe historische Quelle selber an. 44. Zykel .
Endlich reiste man in den Garten aus ; Pollux blieb ungern , und nur auf Lianen Verheißung , ihm heute wieder ein Pferdstück zu zeichnen , als Schutzheiliger der Wiege zu rück .
Alban sagte zur höchsten Freude der Baumeisterin , die nun alles dem schönen Manne zeigen konnte , er habe noch wenig von Lila gesehen .
Wie reizend gingen vor ihm die befreundeten Gestalten nebeneinander !
Chariton , wiewohl eine Frau , doch griechischschlank flatterte als die kleinere Schwester neben der Lilientaille seiner ein wenig längeren Liane fort , jene schien nach der Einteilung der Landschaftsmaler , die Natur in Bewegung zu sein , Liane die Natur in Ruhe .
Als er wieder neben Liane trat , an deren linken Hand Helena lief -- zur rechten die Mutter -- so fand er ihr weich-niedergehendes Profil unbeschreiblich-rührend und um den Mund Züge , die der Schmerz zeichnet , die Narben wiederkehrender Tage ; indes das schöne Mädchen in der Sonnenseite des Vollgesichts wie in ihrem leichten Gespräche , eine unbefangene beglückende Heiterkeit entfaltete , die Albano , der noch an keiner Schultüre eines weiblichen Philanthropin angeklopft , mühsam mit ihrer weinenden Dichtkunst ausglich .
O wenn die weibliche Träne leicht flieht , so entflattert ja noch leichter das weibliche Lächeln und dieses ist ja noch öfter als jene , nur Schein !
Er suchte aus Sehnsucht des durstigen Herzens das Händchen der Kleinen zu fassen , allein sie hing sich mit beiden auf Lianen Linke ; entlief aber gleich und holte drei Irisblumen -- wie sie , den Schmetterlingen ähnlich -- und teilte der Mutter eine zu und Lianen mit den Worten zwei : gib dem auch eine !
Und Liane reichte sie ihm freundlich-anschauend mit jenem heiligen Mädchenblicke , der hell und aufmerksam , aber nicht forschend , kindlich-teilnehmend ohne Geben und Fordern ist .
Gleichwohl senkte sie diese heiligen Augen heute mehrmals nieder ; aber -- das zwang sie dazu -- auf Zesaras felsigem , obwohl von der Liebe erweichtem Gesichte ruhte ein physiognomisches Recht des Stärkeren , er schien eine scheue Seele mit hundert Augen anzusehen und seine beiden wahren loderten so warm , obwohl eben so rein , wie das Sonnenauge im Äther .
Die Irisblumen haben das Sonderbare , daß der eine sie riecht , der andere aber nicht ; nur diesen dreieinigen Menschen taten sich die Kelche gleich weit auf und sie erfreuten sich lange über die Gemeinschaft desselben Genusses .
Helena lief voraus und verschwand hinter einem niedrigen Gebüsche ; sie erwartete auf einer Kinderbank neben einem Kindertische lächelnd die Erwachsenen .
Der gute alte Fürst hatte überall für Kinder niedrige Moosbänke , kleine Gartenstühle , Tischchen und Scherben- Orangerien und dergleichen um die Ruheplätze ihrer Eltern gestellt ; denn er trug diese erquickenden offenen Blumen der Menschheit so nah an seinem Herzen !
-- " Man wünscht so oft , "( sagte Liane ) , in der patriarchalischen Zeit , oder " in Arkadien und auf Tahiti zu leben ; die " Kinder sind ja -- glauben Sie es nicht ? -- " überall dieselben und man hat eben an ihnen " das , was die fernste Zeit und die fernste Ge " gähnt nur gewähren mag . " -- Er glaubte es wohl und gern ; aber er fragte sich immer , wie wird aus dem toten Meere des Hofes eine so unbefleckte Aphrodite geboren , wie aus dem salzigen Seewasser reiner Tau und Regen steigt ? --
Unter dem Sprechen zog sie zuweilen ein ungemein holdes -- wie soll ich_es beziffern -- Hm nach , das wiewohl ein Cour- Donaschnitzer , eine unsägliche Gutmütigkeit verriet , ich schreibe es aber nicht dazu her , damit den nächsten Sonntag alle Leserinnen diesen Interpunktionsreiz hören lassen .
" Das Nämliche , ( versetzte Albano , aber " gutmeinend ) gilt von den Tieren , der " Schwan dort ist wie der im Paradiese . "
Sie nahm es eben so auf wie er_es meinte :
aber die Ursache war der fromme Vater , Spener , ihr Lehrer ; denn auf Albans Frage über Lilars Fülle an schönen sanften Tieren antwortete sie : " der alte Herr liebte diese Wesen ordentlich " zärtlich und sie konnten ihn oft bis zu Thrä "nen bringen .
Der fromme Vater denkt auch " so ; er sagt , da sie alles auf Gottes Geheiß " tun durch den Instinkt , so sei ihm , wenn " er die elterliche Sorge für ihre Jungen " sehe , so als tue der Allgütige alles selber . "
Sie stiegen jetzt eine halbbelaubte Brücke über einen langen von Pappeln umflatterten Wasserspiegel hinauf , worin Lianen Ebenbild , nämlich ein Schwan auf den Wasserringen schlief , den gebogenen Hals schön auf den Rük ken geschlungen , den Kopf auf dem Flügel , und leise mehr von den Lüften gedreht als von den Wellen .
" So ruht die unschuldige " Seele ! " sagte Albano und dachte wohl an Liane , aber ohne Mut zum Bekenntnis ' .
" Und so erwacht sie ! " setzte bewegt Liane dazu , als diese weiße vergrößerte Taube den Kopf langsam von dem Flügel aufhob ; denn sie dachte an das heutige Erwachen ihrer Mutter .
-- Chariton wandte sich wie ganz aus hupfenden Punkten zusammengesetzt , immer fragend an Liane : " wollen wir dahin ? oder dort " hinein ? oder hier hinaus ? --
Wäre nur mein " Herr da !
der kennt alles ! "
-- Sie hätte ihn gern um jede Quelle und Blume herumgeführt ; und blickte dem Jünglinge so liebend wie der Freundin ins Gesicht .
-- Liane sagte ihr auf dem Kreuzwege an der Brücke : " sie glaube , " das Flötental dort mit der leuchtenden Gold " Kugel sei vielleicht am schönsten , besonders " für einen Freund der Musik ; auch werde man " sie da suchen , wenn man ihrer Mutter die " Harfe bringe . "
Sie hatte ihr mit dieser zu Rückzukommen versprochen .
Sie mied alle Steige nach Süden , wo der Tartarus hinter seinem hohen Vorhange drohte .
Liane sprach jetzt über den Wettstreit der Malerei und Musik und über Herders reizenden offiziellen Bericht von diesem Streite ; sie , wiewohl eine Zeichnerin , ergab sich , dem weiblichen und lyrischen Herzen gemäß , ganz den Tönen , und Albano , obwohl ein guter Klavierist , mehr den Farben .
" Diese herrliche Land " schafft ( sagte Albano ) ist ja ein Gemälde und " jede menschliche schöne Gestalt . "
" Wäre ' ich " blind ( sagte Chariton naiv ) , so sähe ich ja " meine schöne Liane nicht . "
-- Sie versetzte : " mein Lehrer , der Kunstrat Fraischdörfer setzte " auch die Malerei über die Musik hinauf .
" Mir ist aber bei ihr als hörte ich eine laute " Vergangenheit oder eine laute Zu "kunft .
Die Musik hat etwas Heiliges , sie " kann nichts als das Gute * ) malen , schier " den von anderen Künsten . "
-- Wahrlich sie * )
Dieser Satz , daß die reine Musik ohne Text nichts Unmoralisches darzustellen vermöge , war selber eine moralische Kirchenmusik , die Engelstimme in der Orgel ; der reine Albano fühlte neben ihr die Notwendigkeit und das Dasein einer noch Zärten Reinheit ; und ihm schien als könne ein Mann diese Seele , deren Verstand fast nur ein feineres Fühlen war , verletzen ohne es selber zu wissen , wie Fenstergläser von reiner Durchsichtigkeit oft zerstoßen werden , weil sie unsichtbar erscheinen .
Er drehte sich , weil er immer um einen Schritt voraus war , mechanisch um und nicht nur das blühende Lila , sondern auch Lianen volle Gestalt leuchtete ihm auf einmal und neugestaltet in die Seele . -- --
Nicht sie an sein Herz zu drücken , war jetzt sein Sehnen , sondern dieses Wesen , das so oft gelitten , aus jeder Flamme zu reißen , für sie mit dem Schwerte auf ihren Feind zu stürzen , sie durch die tiefen kalten Höllenflüsse des Lebens mächtig zu tragen , -- -- das hätte sein Leben erleuchtet .
45. Zy * ) * ) verdient von mir mehr untersucht und ausgeführt zu werden .
45. Zykel .
Sie sahen schon einige nasse Lichter der hohen oben hereinspringenden Fontänen des Flötentals Hochschweben : als Liane wider Charitons Erwartung beide in einen unwegsamen Eichenhain mitzugehen bat -- sie sah ihn so vergnügt und offenherzig dabei an und ohne jenen weiblichen Argwohn , mißverstanden zu werden !
Im düstern Haine stand ein wilder Fels auf , mit den Worten :
Dem Freunde Zesara .
Die vorige Fürstin hatte diese erinnernde Alpe Albanos Vater setzen lassen .
-- Ergriffen , erschüttert , mit Schmerzen in den Augen stand der Sohn davor und lehnte sich daran wie an Gaspards Brust und drückte den Arm an den scharfen Stein hinauf : und rief innigst bewegt : o du guter Vater ! --
Seine ganze Jugend -- und Isola bella -- und die Zukunft überfielen auf einmal das vom ganzen Morgen bestürmte Herz und es konnte sich der zudringenden Tränen nicht länger erwehren .
Chariton wurde ernsthaft , Liane lächelte weich fort , aber wie ein Engel im Gebet . --
Wie oft ihr schönen Seelen , habe ich Titan .
l. eh in diesem Kapitel mein ergriffenes Herz bezwingen müssen , das euch anreden und stören wollte , aber ich will es wieder bezwingen !
Sie traten schweigend in den Tag zurück .
Aber Albano's Wogen fielen nie schnell , sie dehnten sich in weite Ringe aus .
Sein Auge war noch nicht trocken , als er in das himmlische Tal kam , in diesen Ruheplatz der Wünsche , wo Träume frei , ohne Schlaf , herumgehen konnten .
Chariton -- durch den Ernst viel geschäftiger -- war nach einer Augenfrage an Liane ob sie es solle -- nämlich das Spielanlassen gewisser Maschinen -- voraus hineingeeilt .
Sie gingen durch den weichenden blühenden Schleier ; -- und Albano erblickte nun vor sich den jugendlichen Traum von einem bezauberten mit Düften und Schatten umstrickenden Zaubertale in Spanien lebendig auf die Erde herausgestellt .
An den Bergen blühten Orangengänge , den Untersatz in die höhere Terrasse versteckt -- alles was große Blüten auf seinen Zweigen trägt , von der Linde bis zur Rebe und zum Apfelbaume sog unten am Bache oder bestieg oder bekränzte die zwei lassen gen Berge , die sich mit ihren Blüten um die Blumen der Tiefe wanden und sich miteinander bogen , um ein unendliches Tal zu versprechen -- schiefgestellte Fontänen an den Bergen warfen hintereinander silberne Regenbogen über die Bäume in den Bach -- in Osten brannte der Goldglobus neben der Sonne , der letzte Spiegel ihres sterbenden Abendblicks .
-- " Habe Dank , du edler Greis ! " wiederholte Albano immer .
Liane ging mit ihm am westlichen Berge bis zu einer überblühten Bank unter dem herüberflatternd Bogen , wo man die erste und zweite Krümmung des Tals und oben in Norden hohe Fichten und hinter ihnen eine Kirchturmspitze und unten eine Aurikelen-Wiese überschauen kann , indes Chariton auf dem östlichen gegenüber hinter einer Musen-Statue -- denn die neun Musen glänzten aus dem grünen Tempe -- an Gewichten zu winden und auf Springfedern zu drücken schien .
" Mein Bruder "(brach Liane leise das Schweigen und strickte " die Arbeit fort , die sie der Freundin abge " Nomen ) wünscht recht sehr , Sie zu sehen . "
Ce 2 Die nun mit allen heiligen Kräften aufgewachte Seele Albano's fühlte sich ihr ganz gleich und ohne Verlegenheit , und er sagte : " schon " in meiner Kindheit habe ich Ihren Karl wie " einen Bruder geliebt ; ich habe noch keinen " Freund . "
Die bewegten Seelen merkten nicht , daß der Name Karl aus dem Briefe sei .
Auf einmal flogen einzelne Flötentöne oben auf den Bergen und aus den Lauben auf -- immer mehrere flogen dazu -- sie flatterten schön-verworren durcheinander -- endlich stiegen mächtig auf allen Seiten Flötenchöre wie Engel auf und zogen gen Himmel -- sie riefen es aus , wie süß der Frühling ist und wie die Freude weint und wie unser Herz sich sehnt und schwanden oben im blauen Frühlinge -- und die Nachtigallen flogen aus den kühlen Blumen auf die hellen Gipfel und schrien freudig in die Triumphlieder des Maies -- und das Morgenwehen wiegte die hohen schimmernden Regenbogen hin und her und warf sie weit in die Blumen hinein . -- --
Lianen entsank die Arbeit in den Schoß und sie schlug nach einer ihr eigenen Weise , in des sie den Kopf wie eine Muse vorsenkte , den Blick empor , ihn in eine träumerische Weite heftend ; ihr blaues Auge schimmerte , wie der blaue wolkenlose Äther in der lauen Sommernacht blitzend überquillt ; -- aber des Jünglings Geist brannte in der Bewegung auf wie das Meer im Sturme .
Sie zog den schwarzen Schleier , -- gewiß nicht allein gegen Sonne und Luft -- herab ; und Albano mit einer inneren Welt auf seiner bewegten Gestalt , spielte -- erhaben mit sich selber kontrastierend -- an den Löckchen der hergezogenen Helena und sah ihr mit großen Tränen in das blöde kleine Gesicht , das ihn nicht verstand .
Jetzt eilte die Mutter ins Schweigen herüber und fragte recht freundlich , wie es ihm gefiele .
Seine anderen Entzückungen lösten sich in ein Lob der Töne auf ; und die liebe Griechin erhob das , was sie so oft gehört , selber immer stärker als wäre es ihr neu und horchte sehr mit zu . --
Ein Mädchen mit der Harfe blickte durch das Eingangsgesträuch des Tales herein und Liane sah den Wink und stand auf .
In dem sie den Schleier heben und scheiden wollte :
so fiel dem großherzigen Jünglinge sein Bekenntnis ein : " ich habe Ihren heutigen Brief " gelesen , bei Gott das muß ich jetzt sagen " sagte er .
Sie rückte den Schleier nicht höher und sagte mit zitternder Stimme :
" Sie haben " ihn gewiß nicht gelesen , Sie waren wohl " nicht in meinem Zimmer " und sah Chariton an .
Er versetzte , ganz habe er ihn auch nicht , aber doch viel ; und erzählte mit drei Worten eine mildere Geschichte als Liane ahnen konnte .
" Der böse Pollux ! " sagte immer Chariton .
-- " O Gott , vergeben Sie mir diese Sünde der " Unwissenheit ! " sagte Albano ; sie hob den dunklen Schleier auf eine Terzie lang zurück und sagte hochrot , mit niedergesenktem Blicke -- vielleicht durch die Freude über die Widerlegung der schlimmem Erwartung versöhnt -- : " er gehörte bloß an eine Freundin -- und Sie " werden wohl , wenn ich Sie bitte , nichts " wieder lesen " -- und unter dem Falle des Schleiers ging das Auge mildernd und vergebend auf und sie schied langsam mit ihren Geliebten von ihm .
O du heilige Seele , liebe meinen Jüngling ! -- Bist du nicht die erste Liebe dieses Feuerherzens , der Morgenstern in der dämmernden Frühe seines Lebens , Du , diese Gute , Reine und Zarte !
O die erste Liebe des Menschen , die Philomele unter den Frühlingslauten des Lebens , wird ohnehin immer , weil wir so irren , so hart vom Schicksale behandelt und immer getötet und begraben ; aber wenn nun einmal zwei gute Seelen im blütenweißen Lebens-Mai -- die süßen Frühlingstränen im Busen tragend -- mit den glänzenden Knospen und Hoffnungen einer ganzen Jugend und mit der ersten unentweihten Sehnsucht und mit dem Erstlinge des Lebens wie des Jahres , mit dem Vergißmeinnicht der Liebe im Herzen -- wenn solche verwandte Wesen sich begegnen dürften und sich vertrauen und im Wonnemonat den Bund auf alle Wintermonate der Erdenzeit beschwören und wenn jedes Herz zum anderen sagen könnte :
Heil mir , daß ich dich fand in der heiligsten Lebenszeit , ehe ich geirrt hatte ; und daß ich sterben kann und habe niemand so geliebt als dich ! --
O Liane , o Zesaro , so glücklich müssen eure schönen Seelen werden ! --
Der Jüngling blieb noch einige Minuten in der um ihn fortarbeitenden Zauberwelt , deren Töne und Fontänen wie die Wasser und Maschinen in dem einsamen Bergwerke rauschten ; aber am Ende war etwas Gewaltsames im einsamen Forttönen und Schimmern des Tals , worin er so allein zurückgelassen war .
Hastig schritt er auf dem nähern Wege und mit Wasseradern beworfen , durch den Lauben- Vorhang , und trat wieder in die freie Morgen- Erde Lilars hinaus .
Wie sonderbar ! wie fern !
wie verändert war alles !
In seine weit offene innere Welt drang die äußere mit vollen Strömen ein .
Er selber war verändert ; er konnte nicht in die Eichennacht an das felsige Ebenbild des Vaters treten .
Als er über die in Zweigen stehende Brücke war , sah er auf dem breiten silberweißen Gartenwege die sanfte Gesellschaft langsam gehen und er pries Lianen selig , die nun an ihr bewegtes Herz das mütterliche drücken konnte .
-- Die Kleine drehte sich oft tanzend um und sah ihn vielleicht , aber niemand wandte sich zurück .
Durch die nachgetragene Harfe riß sich der Morgenwind und führte von den erregten Saiten Töne wie von Äolsharfen mit sich weiter ; und der Jüngling hörte wehmütig dem zurückklingenden Fliehen wie von Schwanen zu , die über die Länder eilen , indes hinter ihm das leere Tal einsam in den flötenden Hirtenliedern der Liebe Fortsprache und ihn wehende nachziehende Laute matt und dunkel erreichten .
Aber er ging auf den Berg des Altars zurück ; und da er über die helle Gegend schaute und noch die fernen weißen Gestalten gehen sah , ließ er seine ganze schöne Seele weinen --
Und hier schließe sich der reichste Tag seines jungen Lebens ! --
Aber , ihr guten Menschen , die ihr ein Herz tragt und keines findet , oder die ihr die geliebten Wesen nur in und nicht an dem Herzen habt , Bild ich nicht alle diese Gemälde der Wonne , wie die Griechen , gleichsam an den Marmorsärgen eurer umgelegten schlafenden Vorzeit ab ?
Bin ich nicht der Archimimus , der vor euch die zerfallenen Gestalten nachspielt , die eure Seele begrub ?
Und du , jüngerer oder ärmerer Mensch , dem die Zeit statt der Vergangenheit erst eine Zukunft gab , wirst du mir nicht einmal sagen , ich hätte dir manche selige Gestalten wie heilige Leiber verbergen sollen aus Furcht , du würdest sie anbeten und wirst du nicht dazusetzen , du hättest ohne diese Phönix- Bildnisse leichtere Wünsche genährt und manche erreicht ?
-- Und wie wehe habe ich dann euch allen getan ! --
Aber mir auch ; denn wie konnte es mir besser ergehen als euch allen ?
-- Euer Schluß wäre demnach dieser :
Da ihr schöne Tage nie so schön erleben könnt , als sie nachher in der Erinnerung glänzen oder vorher in der Hoffnung :
so verlangtet ihr lieber den Tag ohne beide ; und da man nur an den beiden Polen des elliptischen Gewölbes der Zeit die leisen Sphärenlaute der Musik vernimmt , und in der Mitte der Gegenwart nichts :
so wollt ihr lieber in der Mitte verharren und aufhorchen , Vergangenheit und Zukunft aber -- die beide kein Mensch erleben kann , weil sie nur zwei verschiedene Dichtungsarten unseres Herzens sind , eine Ilias und Odyssee , ein verlorenes und wiedergefundenes Miltons-Paradies -- wollte ihr gar nicht anhören und heranlassen , um nur taubblind in einer tierischen Gegenwart zu nisten .
-- Bei Gott !
Lieber gebt mir das feinste stärkste Gift der Ideale ein , damit ich meinen Augenblick doch nicht verschnarche sondern verträume und dann daran versterbe ! --
Aber eben das Versterben wäre mein Fehler ; denn wer die poetischen Träume ins Wachen * ) tragen will , ist toller als der Nordamerikaner , der die nächtlichen realisiert ; er will wie eine Kleopatra den Glanz der Tauperlen zum Labetrunk , den Regenbogen der Phantasie zum haltbaren über Re * )
Es kann mir nicht vorgeworfen werden , daß ja die Szenen meines Buchs wirklich erlebte wären und daß man keine bessere zu erleben wünschte ; denn in der Darstellung der Phantasie nimmt die Wirklichkeit neue Reize an , Reize , mit welchen auch jede andere zurückgewichene Gegenwart magisch die Erinnerung durchschimmert .
Ich berufe mich hier auf die genwasser geführten Schwibbogen verbrauchen . --
Ja , o Gott , du wirst und kannst uns einmal eine Wirklichkeit geben , die unsere hiesigen Ideale verkörpert und verdoppelt und befriedigt -- wie du es uns ja schon in der hiesigen Liebe bewiesen hast , die uns mit Minuten berauscht , wo das Innere das Äußere wird und das Ideal die Wirklichkeit -- aber dann -- nein , über das Dann des Jenseits hat dieses kleine Jetzt keine Stimme ; aber wenn hienieden sage ich das Dichten Leben würde und unsere Schäferwelt eine Schäferei und jeder Traum ein Tag : o so würde das unsere Wünsche nur erhöhen , nicht erfüllen , die höhere Wirklichkeit würde nur eine höhere * ) * ) Empfindung des Personales selber , das im Titan handelt , ob es nicht in meinem Buche -- wenn es anders darüber gerät -- an den abgemalten Szenen , die doch seine eigenen sind , einen höheren Zauber findet , der den wirklichen abging , und des freilich machen könnte -- aber ganz mit Unrecht -- , daß das Personale wünscht , sein eigenes Leben zu -- erleben .
Dichtkunst gebären und höhere Erinnerungen und Hoffnungen -- in Arkadien würden wir nach Utopien schmachten und auf jeder Sonne würden wir einen tiefen Sternenhimmel sich entfernen sehen und wir würden -- seufzen wie hier ! --
Neunte Jubelperiode .
Lust der Hoftrauer -- das Begräbnis -- Roquairol -- Brief an ihn -- die sieben letzten Worte im Wasser -- die Huldigung -- Retude -- Puppenretude -- der Kopf in der Luft , der Tartarus , die Geisterstimme , der Freund , die Katakombe und die vereinigten Menschen .
46. Zykel .
Die werdende Liebe ist die stillste ; die schattigen Blumen in diesem Frühlinge meiden wie die im anderen , das Sonnenlicht .
Albano spann sich tief in seine Sonntagsträume ein und zog so gut er konnte das grüne Wohn-Blatt der Wirklichkeit in sein Gespinste ; nämlich den Montag , der ihm bei dem Paradebegräbnisse des Fürsten den Bruder seiner Freundin zeigen sollte .
Dieses Trauerfest , wo der dritte , aber größte fürstliche Sarg sollte zur Ruhe bestattet werden , brach endlich an , und war schon durch das Vorfest wichtig gemacht , wo man die zwei ersten Särge samt dem Greise beigesetzt , wie man etwa Tugenden schon im Anfange eines Jahrhunderts beerdigt und erst am Ende desselben ihre leeren Namen , Gehäuse und Franzbände .
Am Probe- und Vorbildsbegräbnisse des Höchstseeligen war noch dazu der alte fromme Vater , Spener , sein letzter Freund mit in die Gruft hinabgegangen , um sich das hölzerne und zinnerne Gehäuse des ausgelaufenen Gehwerks öffnen zu lassen und auf die stille Brust des lieben Schläfers noch dessen Jugend-Portrait und sein eigenes mit der umgestürzten Farbenseite zu decken , ohne zu reden und zu weinen ; und der Hof machte viel aus dieser Morgen- und Abendgabe der Freundschaft .
Alles schwillt für den Menschen ungeheuer an , wovon sie lange reden müssen -- alle Pestizer Gesellschaften waren Sterbebeitragsgesellschaften und voll Leichenmarschall -- jedes Gerüste der benachbarten Zukunft war ein Trauergerüste und jedes Wort ein Leichensermon oder eine Grabschrift auf den blassen Mann -- Sphex als Leibmedikus freute sich auf seinen Anteil am Leidtragen und Mitziehen -- der Lektor hatte statt der versetzten Winterkleider die Hoftrauer schon an- und approbiert -- der Hofmarschall hatte keine Minute Rast und der jüngste Tag , der die Gräber aufaber nicht zumacht , wäre ihm heute schief gekommen -- der Minister von Froulay , den der kalte Luigi willig alles machen ließ , war als Liebhaber alles altfürstlichen Pompes und als Kreisausschreibender Direktor des gegenwärtigen so gut im Himmel als der Höchstselige -- die Weiber waren als Hochselige aus den Betten gestiegen , weil für diese fleißigen Gewändermalerinnen eine lange Wesenkette von Röcken und von deren Trägern , wohl so schwer wiegt als für ihre Männer eine gekuppelte Sippschaft von Pferden .
Albano harrte ungeduldig am Fenster auf Lianen Bruder und liebte den Unsichtbaren immer heißer ; wie zwei Flügel hoben und regten Freund Freundschaft und Liebe in ihm einander verbunden auf .
Die Trauerspule -- nämlich der leere Sarg -- war im Tartarus angelegt und wurde allmählich abgespult und man konnte das dunkle Trauerband nun bald bis in die Bergstadt spannen .
Schon anderthalb Stunden vor Ankunft des Zuges war der Salpeter der weiblichen Volksmenge an den Mauern und Fenstern angeschossen .
Sara , die Frau des Doktors , kam mit den Kindern und dem tauben Kadaver in Schoppe's Zimmer herauf , dessen zweite Türe in Albanos seines offen stand ; und sagte liebäugelnd zum Grafen hinein : " hier oben wäre alles besser zu " übersehen und Seine Gnaden würden verzeih " hen . "
-- " Bleibt nur zusammen da und Mo " lestirt mir den H. Grafen nicht " sagte sie zurückgewandt zu den Kindern und wollte ins gräfliche Zimmer , auf dessen Schwelle sie der von Albano kommende Schoppe auffing und anhielt .
Sara war nämlich eine jener gemeinen Frauen , die von ihren Reizen mehr selber hingerissen werden als damit andere hinreißen -- Titan. I. Ff sie setzte bloß ihr Gesicht auf den Sessel und ließ es zünden und sengen und brennen , indes sie ihres Orts ( im Vertrauen auf ihren faulen Heinz * ) des Gesichts ) ruhig und kalt andere Dinge machte , entweder einfältiges Zeug oder bösen Leumund ; und dann wenn sie eine Kleidergeißel der Weiber gewesen war , wie Attila eine Göttergeißel der Völker , so schaute sie auf und besah den Feuerschaden ihres Gesichts in den männlichen Tabaksschwämmen umher .
Besonders auf den reichen schönen Grafen hatte sie ein Auge -- unter der Amors Binde .
Ihr Kopf lag voll guter physiognomischer Fragmente ; und Lavateeres Vorwurf , daß die meisten Physiognomisten leider am ganzen Menschen nichts studierten als das Gesicht , konnte ihren reinen physiognomischen Sinn niemals treffen .
Schoppe , leicht erratend , daß bei der Seelen -- Käuferin der Gang ein Preßgang , das Weißzeug Jagdzeug , der Schal * )
Oder Athanor , ein chemischer Ofen , der lange Zeit ohne Nachschüren fortarbeitet . eine Schlagwand sei und der Hals ein Schwanenhals für einen nahen Fuchs , faßte sie auf der Schwelle beider Stuben an der Hand und fragte sie : " nehmen Sie auch so viel Anteil " an der allgemeinen Landesfreude und er " wünschten Hoftrauer wie ich ?
Ihre Augen " lassen dergleichen lesen , Frau Landphysikus " sin. " -- Was für einen Anteil , sagte die Physika ganz dumm gemacht .
-- " An der " Lust der Hofleute , die sich ohnehin wie die " Urangutangs dadurch von den Affen unter " scheiden , daß sie selten Freudensprünge tun ; " wenigstens trommeln sie wie junge Klaviere " sten ihre traurigsten und ihre lustigsten Stück " chen ungerührt hintereinander weg .
Wenn " nur dem Hofstaate nichts Herbes die Trauer " versalzt ! --
Wünschen Sie , daß die Lieben " die schwarzen Freudenkleider , worin sie wie die " Nepoten der in der leuktrischen Schlacht Ge " bliebnen , dem Jubel eines neuen Fürsten " entgegengehen , umsonst angezogen haben ?
" Wie ? "
-- Unglücklicherweise versetzte sie spöttisch :
" Schwarz ist hier zu Lande Trauerfarbe , " H. Schoppe . "
-- " Schwarz , Frau Doktorin ? F f 2 "( prallt ' er staunend zurück )
Schwarz ?
-- " Schwarz ist Reisefarbe und Brautfarbe " und Galafarbe und in Rom Fürstenkinder " Farbe und in Spanien ist_es ein Reichsgesetz , " daß die Hofleute wie in Marokko die Ju " den * ) schwarz erscheinen . "
" Pestalozzi , Madam -- aber Malz , ver " steht Er mich denn ? " fuhr Schoppe herum und munterte den Menschen , der seine Trommel anhatte und sie heimlich unter dem Zuge rühren wollte , um etwas vom gedämpften Leichentrommeln zu vernehmen , zum Schlägel auf , damit er vom Diskurse profitierte .
-- " Malz , " sagt ' er lauter , Pestalozzi bemerkt ganz gut , " daß die Großen unserer Zeit sich in Gesicht , " Kleidung , Stellung , Bilderdienst , Aberglau " ben und Liebe zu ( Scharlatanen den Asiaten " täglich nähern ; -- es spricht für Pestalozzi , " daß sie den Sinesern , die sich für die Freude " schwarz und für die Trauer weiß anziehen , " nicht bloß Tempel und Gärten und Fratzen * )
Nach Lempriere . " Bilder sondern auch eben dieses Freuden " schwarz abborgen . "
Unter den Kindern -- wovon die unerzogenen allein noch nicht ungezogen waren -- hoben sich Boerhave , Geolenis und van Swieten am meisten durch eingelegte Arbeit und Handzeichnungen , die sie von den Anwesenden mit den Fingern auf ihr Butterbrot gravierten und Geolenis wies seine satirische Projektion von der Mama sagend : schaut was Mama'n für ' ne lange Nase an setzt habe .
Der Bibliothekar , der etwas ähnliches drehte , hielt sie , als sie hineinwollte , indem er versicherte , er lasse sie nicht , bis sie sich ergebe ; die Trauermarschsäule könne kaum einen Acker lang aus dem Tartarus heraus sein und gebe ihm Zeit genug .
Er fuhr fort : " Ächte Trauer hingegen , Liebe , macht im " mehr wie der Zorn bunt oder wie der Schreck " ken weiß ; z. B. die Kreaturen eines toten " Papstes trauern violet , der französische König " auch , seine Frau kastanienbraun , der venezia " Nische Senat um den Doge rot . --
Allein " Trauer können Sie so gut wie ich keinem " Regenten verstatten ; dem Hohepriester und " einem Judenkönige * ) war sie ganz verbo " ten ; warum wollen wir der Dienerschaft " mehr verstatten als dem Herrn ? --
Und müßte " ein Landesherr , Beste , der die kostbare Land " Trauer zuließe , nicht offenbar die abgestellte " Privattrauer aufwecken ?
Und könnte er , in " dem er durch sein Exilium wie Cicero durch " seines ** ) , 20,000 Leute in Trauerhabit steckte , " es verantworten , daß sein letzter Akt ein " droit d' Aubaine , eine Beraubung wäre und " daß das Sterbebette , worauf man sonst Bei " dienten und Armen Kleider vermacht , ihnen " welche auszöge ? --
Nein , Madam , das sieht " wenigstens Regenten nicht ähnlich , die sogar " durch ihr Sterben oft wie Markion *** ) * ) Sanhedrin. c. 2. Misch .
3. ** ) Cic. ad quirit . poft redit .
c. 3. *** )
Seine Sekte ließ durch Christi Höllenfahrt alle Böse aus der Hölle kommen , Abraham , Enoch , die Propheten etc. aber nicht. Tertull. adv. Markion . " von Christi Höllenfahrt behauptete , einen " Kain , Absalon und mehrere alttestamentliche " Verdammte aus der Hölle bringen in den " Himmel der neuen Regierung .
" Sie ergeben sich noch nicht und der Ka " dauer sieht mich an wie ein Vieh ; aber bei " denken Sie das : Perücken- und Zeugmacher " haben häufig gekrönte Häupter angefleht ' " ihre Produkte zu tragen , damit sie abgien " gen ; -- ein Erb- und Kronprinz zieht sich " gleich am ersten frohen Huldigungs- und Re " Gierungstage , wo er den Vorfahrer absetzt " d. h. begräbt , kohlenschwarz an , weil die " schwarze Wolle wenig taugt und wenig ab " geht , und ein solches Exempel beschlägt auf " einmal den ganzen Hofstaat , sogar Vieh , " Pauken , Kanzeln schwarz . --
Nur noch ein " Wort , Liebe ; wahrlich es kommt noch nichts " als die Chorschülerschaft .
Eben deswegen " wird der fürstliche Leichnam , der leicht die " ganze Freude des Leichenbegängnisses stören " könnte , vorher beseitigt und nur ein vakan " ter Kasten mitgeführt , damit der Zug keine " andere pensées habe als Anglaise * ) . . . -- " O Traute das letzte Wort ; was sehen Sie " denn am Stall- und Pagenkorps ? --
Mei " netwegen ! auch ich freue mich , auf einmal so " viele Menschen und den Fürsten mitten unter " seinen Kindern so froh zu sehen . " -- --
Aber je länger er die Prozession , dieses schlaffe Gauklerseil , woran man den leeren aber figurierten Cypselus Kasten in die Familiengruft einließ , werden sah , desto zorniger wurde sein Spott . --
Er passte die Hypothese jedem beflorten Gliede der schwarzen Kette an . --
Er lobte es , daß man den Ball masque der neuen Regierung mit diesen langsamen Menuettpas eröffne und sich auf den Walzer der Vermählung und den Großvatertanz der Huldigung anschicke . --
Er sagte , da man sich und Tieren an Freudentagen gern alles leicht mache , wie daher die Juden am Schabbes sich und ihr Vieh nichts , nicht einmal die Hühner die angehangenen Läppchen tragen lassen , so sehe er_es gern , daß in den Zere * )
So heißen schwarze Farben . monienwägen und im Paradekasten und auf den Klagepferden nichts säße , ja daß sogar die Schleppen der Trauermäntel von Pagen und die vier Leichentuchzipfel von vier handfesten Herren fortgebracht würden .
-- Nur tadelte er es , daß die Soldateska in der Lust das Gewehr verkehrt ergriffen und daß sich gerade die Personen vom höchsten Range , Luigi , Froulay ) , Bouverot , da sie vom schnellen Leichentrunke auf einmal ins Freie kämen , sich wankend müßten auf beiden Seiten führen lassen .
47. Zykel .
In Albano sprach ein anderer Geist als in Schoppe , aber beide begegneten sich bald .
Dem Grafen machten die Nachtgestalten aus Flor , die stillen Trauerfahnen , der Totenmarsch , der schleichende Krankengang , das Glockengetöse die Totenhäuser der Erde weit auf , zumal da vor seine blühenden Augen zum erstenmal diese Totenspiele kamen ; aber lauter als alles rief vor ihm etwas -- das man kaum erraten wird -- die Scheidungen des Lebens aus , der vom Leichentuche erstickte Trommelschlag ; eine gedämpfte Trommel war ihm ein von allen irdischen Katakomben gebrochener Widerhall .
Er hörte die stummen erwürgten Klagen unserer Herzen ; er sah höhere Wesen oben herunterschauen auf das dreistündige weinerliche Lustspiel unseres Lebens , worin das rote Kind des ersten Akts im fünften zum Jubelgreis ' ermattet und dann erwachsen und gebückt vor dem herablaufenden Vorhange verschwindet .
Wie wir im Frühlinge mehr an Tod , Herbst und Winter denken als im Sommer , so malet sich auch der feurigste kräftigste Jüngling öfter und heller in seiner Jahreszeit die dunkle entblätterte vor als der Mann in seiner nähern ; denn in beiden Frühlingen schlagen sich die Flügel des Ideals weit auf und haben nur in einer Zukunft Raum .
Aber vor den Jüngling tritt der Tod in blühender griechischer Gestalt , vor den müden älteren Menschen in gotischer .
Mit komischem Humor fing Schoppe gewöhnlich an und endigte mit tragischem ; so führte auch jetzt der leere Trauerkasten , die Flore der Pferde , die Wappen-Schahbaracken derselben , des Fürsten Verachtung des schwerfälligen deutschen Zeremoniells und die ganze herzlose Mummerei , alles das führte ihn auf eine Anhöhe , wohin ihn immer das Anschauen vieler Menschen auf einmal trieb und wo er mit einer schwer zu malenden Erhebung Ergrimmung und lachenden Kümmernis ansah den ewigen , zwingenden , kleinlichen , von Zwecken und Freuden verirrten , betäubten schweren Wahnsinn des Menschengeschlechts ; -- und seinen dazu .
Plötzlich durchbrach die schwarze Kette ein bunter glänzender Ritter , Roquairol auf dem paradierenden Freudenpferde und erschütterte unsere zwei Menschen , und keinen weiter .
Ein blasses eingestürztes Angesicht , vom langen inneren Feuer verglaset , von allen Jugendrosen entblößet , aus den Demantgruben der Augen unter dem schwarzen Augenbraunen-Überhange blitzend , ritt in einer tragischen Lustigkeit daher , deren Linien-Geäder sich unter den frühen Runzeln der Leidenschaft verdoppelte .
Welch ein Mensch voll verlebten Lebens ! --
Nur Hofleute oder sein Vater konnten dieses tragische Frohlocken zu einer schmeichlerischen Freude über die neue Regierung herabsetzen ; aber Albano nahm ihn ganz in sein Herz hinein und wurde bleich vor inniger Bewegung , und sagte : " ja , Er ist_es ! --
O guter Schoppe , " er wird gewiß unser Freund , dieser zerrissene " Jüngling . --
Wie schmerzlich lacht der Edle " über diesen Ernst und über Kronen und Grä "ber und alles !
Ach er starb ja auch ein " Mal . "
-- " Daran tut der Reiter recht "( sagte Schoppe mit zuckenden Augen und " tippte schnell an Albanos Hand und dann " an seinen eigenen Kopf ) ; mir kommt schon " der Schädel da als ein enger bonsoir , als " ein Lichttöter vor , den mir der Tod aufge " setzt -- wir sind artige mit Silber überzogene " Figuren in einem elektrischen Tanze begriffen " und vom Funken springen wir auf , ich bei " Wege mich zum Glücke doch noch .... und " dort schleicht unser guter Lektor auch daher " und zieht seinen langen Flor " -- -- wobei freilich Augusti's bürgerlich-ernste Stimmung sehr gegen die menschlich-ernste des Bibliothekars abstach .
Auf einmal sagte Schoppe verdrießlich über die Rührung : " welche Maskerade wegen einer " Maske !
Lumperei wegen Lumpenpapier !
" Werft einen Menschen still in sein Loch und " rufet niemand dazu .
Ich lobe mir London " und Paris wo man keine Sturmglocken Leu "tet , und die Nachbarschaft rege macht , wenn " der Untertacker einen Eingeschlafenen zu Bette " bringt . "
-- " Nein , nein , ( sagte Zesara , voll " Kraft zum Schmerz ) ich lob es nicht -- wem " die heiligen Toten gleichgültig sind , dem wer " den es die Lebendigen auch -- nein , ich lasse " gern mein Herz in eine Träne nach der an " deren zerreißen , kann ich nur des lieben We " sens noch gedenken . " --
O wie traf die Nachbarschaft mit seinem Herzen zusammen !
In einer Zisterne , wovor der Sarg des Sarges vorübergieng , stand der abgebildete Greis auf einem Pferde in Bronze und sah unter sich vorübergehen die abgesattelten Trauerpferde und das berittene Freuden- Roß -- ein Taubstummer machte mit seiner Glocke an den Türen ein bettelndes Geläute , das er wie der Begrabene nicht vernahm -- und war nicht der vergessene Fürst ungesehen und einsamer unter die Erde gelegt als irgend einer seiner Untertanen ? --
O Zesara , dir fiel es aufs Herz , wie leicht der Mensch vergessen wird , er liege in der Urne oder in der Pyramide -- und wie man unser unsterbliches Ich wie einen Schauspieler für abwesend ansieht , sobald es nur in der Kulisse steht und nicht auf der Bühne unter den Spielern poltert . -- --
Aber legte nicht der graue Einsiedler Spener dem tieferen Einsiedler eine doppelte Jugend auf die gesunkene Brust ?
O zählt nicht in dieser frostigen Stunde des Gepränges die treue Julienne alle Töne des Leichengeläutes an ihren Tränen ab , diese arme durch Krankheit nur vom Zeremoniell , nicht vom Schmerze befreite Tochter die nun den vorletzten , vielleicht den letzten Verwandten verloren , da ihr Bruder kaum einer ist ? --
Und wird Liane in ihrem Elysium nicht das Nachspiel des Schmerzes erraten , das so nahe vor ihr hinter den hohen Bäumen im Tartarus gegeben wird ?
Und wenn sie etwas vermutet , o wie wird sie nicht so innig trauern ? -- -- Dieses alles hörte der edle Jüngling in seiner Seele an und er dürstete heiß nach der Freundschaft des Herzens ; -- ihm war als wehe ihre Berg- und Lebensluft aus der Ewigkeit herab und treibe den Totenstaub weg vom Lebenssteige und er sehe droben den Genius die umgestürzte Fackel auf den kalten Busen stellen , nicht um das unsterbliche Leben auszulöschen , sondern um die unsterbliche Liebe anzuzünden .
Er konnte nun nicht anders , sondern mußte ins Freie gehen und unter dem fliegenden Getöne des Frühlings und unter dem dumpf-zurückmurmelnden Totenmarsche die folgenden Worte an Lianen Bruder schreiben , womit er ihm jugendlich sagte : sei mein Freund !
Zykel .
An Karl .
" Fremder ! jetzt in der Stunde , wo uns " im Totenmeere und in den Tränen die " Siegessäulen und Thronen der Menschen " und ihre Brückenpfeiler gebrochen er " scheinen , fragt Dich frei ein wahres Herz -- " und Deines Antwort ihm treu und gern !
" Wurde Dir das längste Gebet des Men "schen erhört , Fremder , und hast Du " Deinen Freund ?
Wachsen Deine Wünsche " und Nerven und Tage mit seinen zu " sammen wie die vier Zedern auf Liba "non , die nichts um sich dulden als Ad " leer ?
Hast Du zwei Herzen und vier Arme " und lebst du zweimal wie unsterblich in " der kämpfenden Welt ? --
Oder stehst " Du einsam auf einer frostigen verstumm " ten schmalen Gletscherspitze und hast kei "nen Menschen , dem Du die Alpen der " Schöpfung zeigen könntest , und der Him " Mehl wölbt sich weit von Dir und Klüfte " unter Dir ? --
Wenn Dein Geburtstag " kommt , hast Du kein Wesen , das Deine " Hand " Hand schüttelt und Dir ins Auge sieht " und sagt :
wir bleiben noch fester bei " sammen ? -- " Fremder , wenn Du keinen Freund hätte " Test , hast Du einen verdient ? --
Wenn " der Frühling glühte und alle seine Ho " nigkelche öffnete und seinen reinen Him "mel und alle hundert Tore an seinem " Paradiese : hast Du da schmerzlich aufge " blickt wie ich und Gott um ein Herz ge " beten für Deines ? --
O wenn abends die " Sonne einsank wie ein Berg und ihre " Flammen aus der Erde fuhren und nur " noch ihr roter Rauch hinanzog an den " silbernen Sternen : sahst Du aus der " Vorwelt die verbrüderten Schatten der " Freundschaft , die auf Schlachtfeldern wie " Gestirne Eines Sternbildes miteinander " untergiengen , durch die blutigen Wolken " als Riesen ziehen und dachtest Du daran , " wie sie sich unvergänglich liebten und Du " warst allein wie ich ? --
Und , Einsamer , " wenn die Nacht , wo der Geist des Men "schen , wie in heißen Ländern , arbeitet Titan .
I. Gg " und reiset , ihre kalten Sonnen verket " tet und aufdeckt und wenn doch unter " allen weiten Bildern des Äthers kein ge " liebte teures ist und die Unermeßlichkeit " Dich schmerzlich aufzieht und Du auf " dem kalten Erdboden fühlest , daß Dein " Herz an keine Brust anschlägt als nur " an Deine o Geliebter , weinest Du dann " und recht innig ? -- "-- Karl , oft zählt ich am Geburt " Tage die wachsenden Jahre ab , die Fe " deren im breiten Flügel der Zeit ; und bei " dachte das Verrauschen der Jugend ; da " streckt ' ich weit die Hand nach einem " Freunde aus , der bei mir im Charons " Nachen , worin wir geboren werden , steh "hen bliebe , wenn vor mir die Jahreszei " ten des Lebens am Ufer vorüberlaufen " mit Blumen und Blättern und Früchten " und wenn auf dem langen Strome das " Menschengeschlecht in tausend Wiegen " und Särgen hinunterschießet .
" Ach nicht das bunte Ufer fliehet vor " über , sondern der Mensch und sein " Strom ; ewig blühen die Jahreszeiten " in den Gärten des Gestades hinauf und " hinab , aber nur wir rauschen einmal vor " den Gärten vorbei und kehren nicht um .
" Aber der Freund geht mit .
O wenn " Du in dieser Stunde der Gaukeleien des " Todes den bleichen Fürsten mit den Ju "gend-Bildern auf der Brust ansiehst und " an den grauen Freund denkst , der ihn " verborgen im Tartarus betrauert :
so " wird Dein Herz zerfließen und in sanften " warmen Flammen in der Brust umher " rinnen und leise sagen :
ich will lieben " und dann sterben und dann lieben :
" o Allmächtiger , zeige mir die Seele , die " sich sehnet wie ich ! "
" Wenn Du das sagst , wenn Du so bist , " so komme an mein Herz , ich bin wie Du .
" Fasse meine Hand und behalte sie bis sie " welkt .
Ich habe heute Deine Gestalt ge " sehen und auf ihr die Wunden des Le " bens ; tritt an mich , ich will neben Dir " bluten und streiten .
Ich habe Dich schon " früh gesucht und geliebt .
Wie zwei Gg 2 " Ströme wollen wir uns vereinigen und " miteinander wachsen und tragen und ein "trocknen .
Wie Silber im Schmelzofen " rinnen wir mit glühendem Lichte zusame " men und alle Schlacken liegen ausge " stoßen um den reinen Schimmer her .
" Lache dann nicht mehr so grimmig , daß " die Menschen Irrlichter sind ; gleich Irre " Lichtern brennen und fliegen wir fort im " regnenden Sturme der Zeit . --
Und dann , " wenn die Zeit vorbei ist , finden wir uns " wie heute und es ist wieder im Früh " linge . "
Albano de Cesara .
48. Zykel .
Wie herrlich -- ehe dem inneren Menschen , wie dem äußeren im Alter , alle Pulsadern zu Knorpeln erstarren und alle Gefäße unbiegsam und erdig werden und das moralische Herz wie das andere kaum sechzig Schläge in einer Minute tut und ehe der alte scheue Narr sich bei jeder Rührung ein Stück seines Wesens aufhebt , das er kalt und trocken erhält und das aufpassen soll , wie benetzte Himbeerblätter stets auf der rauhen Seite trocken bleiben -- wie herrlich sage ' ich tritt dagegen vor dieser Spionen-Periode ein Jüngling , zumal ein Albano seine Bahn daher , wie frei , keck und froh !
Und sucht gleich dreist den Freund wie den Feind und tritt dicht an ihn , um zu kämpfen entweder für ihn oder wider ihn ! --
Damit entschuldige man Albano's feurigen Brief !
Den anderen Tag erhielt er von Roquairol diese Antwort :
" Ich bin wie Du .
Am Himmelfahrt " Abende will ich Dich suchen unter den " Larven .
Karl .
Dem Grafen stieg die Röte der Kränkung über dieses gesuchte Verschieben der Bekanntschaft ins Gesicht ; er wäre -- fühlte er -- nach einem solchen Laute des Herzens , ohne ein totes Interim von fünf Tagen und ohne eine Huldigungsretude im doppelten Sinne , sofort zum Freunde gegangen und seiner geworden .
Jetzt aber schwor er , ihm nicht wie ter entgegenzulaufen sondern ihn nur zu erwarten .
-- Gleichwohl flatterte bald das gerührte Zürnen und er bewilligte dem ersten Blättchen des so lange gesuchten Lieblings immer schönere Milderungen :
-- Karl konnte ja z. B. in dieses huldigende Getöse nicht gern die heilige Zeit des ersten Erkennens mengen wollen -- oder die erste selbst-mörderische Retude machte ihm jede zur begeisternden Aera eines neuen zweiten Lebens -- oder er wußte wohl gar um Albanos Geburtstag -- oder endlich dieser glühende Mensch ging oder flog seinen eigenen Pfad . -- -- Indes machte dessen Blatt , daß sich der Graf sein eigenes vorrückte als eine Sünde gegen seinen -- Schoppe ; er hielt das Sehnen in der Freundschaft nach der Freundschaft für Sünde ; aber du irrest , schöne Seele !
Die Freundschaft hat Stufen , die am Throne Gottes durch alle Geister hinaufsteigen bis zum unendlichen ; nur die Liebe ist ersättlich und immer dieselbe und wie die Wahrheit ohne drei Vergleichungsgrade und ein einziges Wesen füllet ihr Herz .
Auch hatten sich Albano und Schoppe bei einer so gegenseitigen Seelenwanderung ihrer Ideen und einer so nahen Verwandtschaft ihres Trotzes und Adels weit lieber als sie sich zeigten .
-- Denn da Schoppe überhaupt nichts zeigte , so konnte man ihn wieder nur mit dem Finger auf der Lippe aber vielleicht desto stärker lieben .
Albano war ein heißbrennender Hohlspiegel , der seinen Gegenstand nahe hat und ihn aufgerichtet hinter sich darstellt , Schoppe einer , der ihn ferne hat und ihn verkehrt in die Luft wirft .
Abends vor seinem Geburts- und dem Huldigungstage stand Albano einsam am Fenster und wog seine Vergangenheit -- denn ein letzter Tag ist feierlicher als ein erster ; am 31sten Dezember überrechne ich 365 Tage und deren Fata , am 1sten Januar denke ich an nichts , weil ja die ganze Zukunft durchsichtig ist oder in fünf Minuten aussein kann -- ; er maß , während über sein zu Ende gehendes zwanzigstes Jahr die Vesperglocke läutete und die Vesperhora in ihm anging , die Absidenlinie * ) seines morali * )
So heißet die Linie , die man von der Sonnenferne zur Sonnennähe zieht . schen Wesens und sah an den aufgetürmten morgenden Tag hinauf der vollhieng entweder von Frühlingsregen oder von Hagelkörnern .
Noch nie hatte er so weich den Kreis geliebter Menschen überschauet oder durch die offenen Tore der Zukunft geblickt als dasmal .
Aber die schöne Stunde störte Malz , der mit der Nachricht hereinbrach , der hinkende Herr sei ins Wasser gesprungen .
Aus dem Dachfenster sah man einen zurückkehrenden Dorf-Leichenzug um die Ufer-Stelle gehäuft , wo sich Schoppe hineingestürzt .
Mit fürchterlicher Wildheit -- denn Zorn war in Albano der Nachbar des Schreckens und Schmerzes -- riß er den trägen Landphysikus zur Hilfe mit fort und sogar durch harte drohende Worte ; denn Sphex wollte auf einen Wagen passen , auch mögliche Fälle von zu späten Rettungsanstalten auseinandersetzen und hatte überhaupt vielleicht die Hoffnung gern , den Bibliothekar auf den Anatomiertisch als Doktorschmaus der Wissenschaft aufzutragen .
Der Jüngling rannte mit ihm hinaus -- durch Kornfelder -- unter Tränen -- unter Flüchen -- mit geballter , mit ausgespreizter Faust , und immer mehr schwindelte sein Auge und brannte sein Herz , je näher sie dem dunklen Zirkel zuliefen .
Endlich konnten sie den Bibliothekar nicht nur sehen sondern auch -- hören ; wohlbehalten drehte er ihnen den kraushaarigen Kopf aus dem Schilfrohre entgegen und hob zuweilen , weil er das Trauerkondukt haranguirte , feurig den behaarten Arm über die Wasserpflanzen .
Freilich war_es so :
Sein Sorites war so lange er lebte dieser : " er sei keine Steiß- sondern eine Gesichtsge " Burt und trage mithin Kopf und Nase hoch " und empor * ) weil er müsse -- nun kenne er " keine echtere Freiheit als Gesundheit -- jede " Krankheit schließe die Seele krumm und die " Erde sei bloß darum ein allgemeines Stock " Haus und eine la Salpetiere , weil sie ein * )
Ein mit dem Gesichte zuerst in die Welt tretendes Kind kann später den Kopf nicht vorwärts beugen . Hausmutter V. B. " Quetschhaus * ) sei -- wer eine Austern- " Schnecken-Vipern-Kur gebrauche , sei selber " eine schleimige geschlängelte klebende Viper , " Auster , Schnecke und daher töteten die sein " befreien Wilden die Siechlinge , und die Kräfte "gen Spartaner gaben keinem Patienten ein Amt , " geschweige die Krone -- besonders sei Stärke " vonnöten , um in unseren niedrigen Zeiten qua " lifizirte Subjekte auszuprügeln , weil seines " Wissens die Faust mit einigem Inhalte die " beste Injurienklage und actio ex lege diffamari " sei , die ein Bürger anstellen könne . "
-- Darum badete er Sommer und Winter eiskalt , so wie er eben darum in allem enthalsam blieb .
Nun war er bei dem häßlichen Wonnemonatswetter bloß in seinem grauen Husarenmantel -- daheim sein Schlafrock -- und mit niedergetretenen Schuhen ans Wasser gegangen ; zu Hause hatte er sich vorher ordentlich ausgezogen , um am Gestade so gleich fertig zu * )
So heißet das Invalidenhospital in Kopenhagen . sein .
Die Trauerkompagnie , die ihn mit seinem schnellen Schritte am Wasser gehen und endlich alles zurückwerfen und hineinspringen sah , mußte glauben , der Mensch wolle sich ertränken und rannte vereinigt seinem Badeorte zu um ihn nicht zu lassen .
" Ersäuf ' Er sich " nicht ! " schrie die Trauer-Negerei von weitem .
Er ließ sie erst heran , um mit ihr näher aus der Sache zu reden : " Ich nehme noch " Vernunft an , ob ich gleich schon im Wasser " stehe ; aber lasst euch auch bedeuten , lieben " Kerstene insgemein , denn so hieß man zu " Karls Zeiten die Christen !
Ich bin ein armer " Sakramente , und erinnere mich kaum wovon " ich bisher lebte , so blutwenig war_es .
Was " ich in der Welt nur anfing , dabei war kein " Segen sondern Krebsgang hinten und vorn .
" Ich legte in Wien ein hübsches Magazin von " Schnepfendreck an , aber ich setzte nichts ab , " aus Mangel an Schnepfen .
-- Ich Griffs am " anderen Ende an und hausierte in Karlsbad " für große Herren , die sonst auf jeden Bettel " und Sessel ein Gemälde setzen , mit hübschen " Kupferstichen für den Abtritt , damit sie da " statt des bloßen gedruckten Papiers etwas " Geschmackvolles hätten zum Verbrauche ; bei " hielt aber die ganze Suite auf dem Halse , " weil die Manier zu hart war und nicht idea " lisch genug . --
In London machte ich Reden " voraus ( denn ich bin ein Gelehrter ) für " Menschen , die gehangen werden und doch " noch etwas sagen wollen ; ich trug sie den " reichsten Parliamentsrednern und selber Spitz " Buben von Buchhändlern an , hätte aber die " Reden beinahe selber gebraucht . --
Ich hätte " mich gern vom Vomieren genährt * ) , aber da " zu gehört Fond .
-- Ich suchte einmal bei einem " gräflichen Regimente als Notenpult unterzu " kommen , weil_es bei der Wachtparade dumm aus " sieht , daß jeder einen musikalischen Lappen auf " der Schulter hängen hat , den der andere vom " Blatte spielt , ich wollte für ein weniges alle " Musikalien an mir tragen und mit den No * )
In Darwins Zoonomie I. B. S. 529 , wird einer angeführt , der vor Zuschauern es machte .
In Paris tat ein anderer dasselbe durch Luft , die er in den Magen schluckte .
" ten vor ihnen stehen , aber der Premier-Lieue "tenant ( er sitzt zugleich in der Regierung und " Kammer ) glaubte , die Pfeifer würden lachen , " wenn sie bliesen . --
So ging mir_es von je "her , teure Kerstene ; aber trabt nicht auf " meinem teuren Mantel herum ! --
Zum Un " Glück schritt ich gar in die Ehe mit einer mit " eingeschmolzenen Siegeln * ) ausgestatteten " Wienerinn , Namens Praenumerantia Elemen "taria Philanthropie , ** ) -- ihr wisset nicht , " was es zu deutsch heißt -- einem wahren " Höllenbesen , der mich wie einen Parforcehir "schen hier ins Schilfrohr hereingehetzt .
Ker " stene , ich blamiere mich im Wasser , wenn ich " mit unserem Wehestande ganz herausgehe ; " kurz meine Philanthropie war vor der Ehe wie " die Stacheln eines neugeborenen Igels weich , " aber in der Ehe , als das Laub herunter war , * )
In Wien machte ein Institut aus alten Lack neuen und steuerte mit dem Ertrage Arme aus . ** )
So geschmacklos wollte Basedow eine Tochter zum Andenken des auf Pränumeration erscheinenden Elementarwerks taufen lassen. S.
Schlichtegrolls Nekrolog .
" sah ich wie auf Bäumen im Winter ein Ra "ben- und Teufels-Nest nach anderen .
" Sie zog sich stets so lange an bis sie sich wie " der ausziehen mußte -- wenn ein Fehler an " mir oder den Kindern gehoben war , zankte " sie noch ein wenig fort , wie man sich noch " fort erbricht wenn das emeticum und alles " schon heraus ist -- sie gönnte mir wenig , " und hätte ich ein Fontanelle gehabt , sie hätte " mir die frische Erbse vorgerückt , die ich jeden " Tag hätte hineinlegen müssen -- kurz wir " wollten beide verschieden hinaus , der Runk " nagel der Liebe war ausgezogen und ich " fuhr mit den Vorderrädern ins Wasser her " ein und meine Praenumerantia hält mit den " Hinterrädern zu Hause .
-- Seht , meine Wei " ber , darum tue ich mir mein Leid an , -- " der Atzmann * ) hätte mich ohnehin bei der " Kehle gegriffen --; spiegelt euch aber !
Denn " wenn ein Mann der ein Gelehrter ist und " darum wie Ihr Fichten noch wisset , " als angestellter Aufseher , Lehrherr und Men * )
So heißt an einigen Orten die Schwindsucht .
" Tor des Menschengeschlechts herumgeht , vor " seiner Frau ins Wasser springt und seine " Ephorie und Hofmeisterstelle fahren lässt :
so " könnt ihr schließen , wozu Eure Männer , die " sich mit mir gar nicht messen dürfen in der " Gelehrsamkeit , kapabel sind , falls Ihr solche " Pränumerantien , Elementarien und Philan "thropien seid , wie Ihr leider das Ansehen " habt . -- --
Aber ( beschloß er plötzlich , da er " Albano und den Doktor sah ) schert Euch " fort , ich will ersaufen ! "
-- -- " Ach lieber Schoppe ! " sagte Albano -- Schoppe errötete über die Lage -- " Es will " ein Hanswurst sein " sagte das weichende Leichen-Kondukt -- " Was ist denn das für " eine Kinderei ? " fragte Sphex nachzürnend über Albanos vorige Heftigkeit und über den anatomischen Fehlschuß und nahm sich Genugtuung durch die Erzählung von dessen Toben .
Schoppe erkannte , wie herzlich ihn der edle Jüngling liebe und er wollte nichts sagen , weil er sich schämte , aber er schwor sich , ihn nächstens ( nach seinem auch im stummen Denken bizarren Ausdrucke ) in seine Brusthöhle ein zulassen und ihm darin ein ganzes wildes Herz voll Liebe hängend zu weisen .
49. Zykel .
Der blaue Tag , wo eine Himmelfahrt , eine Huldigung und ein Geburtstag gefeiert wurde , stand schon über Pestiz nach abgelegter Morgenröte -- zwei Pferde waren schon die Vorläufer von vieren , der niedrige Kutschbock vom höchsten -- der Landadel ging schon unbequem-frisiert in die Wirtsstuben herab und kränkte sich über das gestohlene schönste Wetter zur Birkhahn- Falz und der Stadtadel sprach noch ungepudert über den Tag , aber ohne wahren Ernst -- der Hof-Mikrometer * ) , der Hofmarschall war von allen seinen Fouriers umgeben -- die Hof- Passageinstrumente ** ) , die Hofleute , hatten statt * )
Ein Mikrometer besteht aus feinen in das Sehrohr eingespannten Fäden die zum Messen der kleinsten Entfernung dienen . ** )
Das Passageinstrument oder Kulminatorium beobachtet es , wenn ein Stern den höchsten Stand in seinem Laufe hat . statt ihres halben Feiertages , wo sie nur Nachmittags fronen , einen ganzen Werkeltag und standen schon am Waschtische -- der Huldigungsprediger Schäpe glaubte fast alles von seiner Rede , weil er sie zu oft gelesen und die Nähe der Publikation flößte ihm Rührung ein -- kein Domino für den Abend war mehr zu haben , außer bei den Juden -- -- als ein Mann vor der Haustür des Doktors abstieg , des unter allen mit der Huldigung am redlichsten und wärmsten meinte , der Direktor Wehrfritz .
Es war ein Sohn und ein Vater einander in den Armen , ein feuriger Jüngling und ein feuriger Mann .
Albano schien ihm nicht mehr der Alte zu sein , sondern noch -- wärmer als sonst .
Er brachte von " seinen Wei " Bern " wie er sie nannte , glückwünschende Briefe und Angebinde für den Geburtstag mit ; er selber machte nicht viel aus dem Tage oder vergaß ihn , und Albano hatte ihn nur nach dem Erwachen ein wenig gefeiert .
Diese Feste gehören mehr weiblichen Wesen an , die gern mit Zeiten liebend und gebend tändeln .
Der Titularbibliothekar marschierte auf ein Titan .
I. Hh Dorf , Namens Klosterdorf , hinaus , wo der Schulz mit seiner Familie nach einer alten Sitte den Fürsten mit der seinigen nachmachen und so als Kommissionär die Huldigung des benachbarten Umkreises eintreiben mußte ; diese , sagte Schoppe , lasse er sich noch gefallen , aber die andere wirke zu fatal auf seine Eingeweide .
Der vom heutigen Tage geblendete und mit einer Amtsrede vorn an die Ritterschaft postierte Direktor bis sich mit Schoppe herum :
" Die Kammer und der Hof , sagte er , sind frei " lich von jeher wie sie sind ; aber die Fürsten , " lieber Herr , sind gut , sie werden selber ausge " sogen , und dann scheinen auszusaugen . "
-- " Wie etwan , versetzte Schoppe , die Leichen " Vampiren nur Blut von sich geben , indes sie " es zu nehmen scheinen ; aber das bringe ich da " durch wieder ein , daß ich den Regenten außer " den fremden Sünden auch fremde Verdienste , " Siege und Opfer ganz beimesse ; hier sind sie " die Pelikane , die ein Blut für ihre Kinder ver " gießen , das wirklich ihr eigenes zu sein scheint " von weitem . "
-- Alle gingen ; Schoppe aufs Land ; Wehr Fritz in die Kirche mit der Prozession ; Albano in eine Zuschauer-Loge am Huldigungssaale ; denn er wollte auf keine Weise in die Schleppe des Fürsten eingestickt sein , nicht einmal als Besatz .
Das Prunk-Getümmel rauschte bald in den Saal zurück .
-- Die Ritterschaft , die Geistlichkeit und die Städte bestiegen die Schwurbühne .
-- Im Schloßhofe stand ein Fuß auf dem anderen und eine Nadel konnte zwar zur Erde kommen , aber kein Mensch , um sie aufzuheben , jeder sah auf den Balkon herauf und fluchte früher als er schwor .
-- Der Fürst blieb auch nicht weg -- der Thron , dieser graduierte und paraphrasierte Fürstenstuhl , stand offen und Fraischdörfer hatte ihn mit schönen mythologischen und heraldischen Verkröpfungen und Aussenwerken dekoriert .
-- Dem Grafen gegenüber blühten die Hofdamen und darunter eine Rose und eine Lilie Julienne und Liane .
Wie man das Auge von der frostigen starren Wintergegend zum blauen wehenden Himmel aufhebt , der unsere Frühlingsabende ansah und worin die leichten Sommerwolken gingen und der Regenbogen H h. 2 stand :
so blickte er über das glänzende Schneelicht des Hofes zur lieblichen Grazie des Lenzes hin um welche Erinnerungen wie Blumen hingen , und die nun so fern stand , so abgetrennt , so eingekerkert in den schweren Putz des Hofes !
Nur durch die nahe Freundin wurde sie leise mit der grellen Gegenwart verschmolzen und versöhnt . --
Nun fingen schöne Amtsreden an , die längste hielt der alte Minister , die kürzeste Wehrfritz ; der Fürst ließ , an seinem Dezember- Gesicht ohne aufzutauen die warmen Lobreden vorüberstreichen ; eine fehlerhafte Gleichgültigkeit !
Denn das Lob vom Minister wie von anderen Hof-Bedienten kann ihm noch bei der Nachwelt helfen , da nach Bako keines gültiger ist als das so Bediente geben , weil sie ja den Herrn am besten kennen . --
Dann las der Obersekretär Heidescheide Luigi's Stammtafel ab und beleuchtete den hohlen Stammbaum samt seiner Baumtrockniß und dem letzten blaßgrünen Ästchen ; -- mit gesunkenen Augen hörte Julienne dieses un ter dem Vivat des Volks an , und Albano , nie von Einem Gedanken allein bezwungen , sah ihre Augen und konnte , so hart auch der Regent zuhörte , sich des Leichengemäldes nicht erwehren , wie einmal d. h. sehr bald dieser erloschene Mensch den Namen seines ganzen Stammes in die Gruft nachziehen werde ; er sah das Wappen verkehrt einhauen und den Schild verkehrt aufhängen und hörte die Schaufeln , die den Helm zerstießen und dem Sarge nachwarfen . -- --
Düstre Idee ! die weiche Schwester hätte gewiß geweint , wäre sie nur allein gewesen ! --
Zuletzt kam die Reihe auch an die , an welche sie nie zuerst kommt , ob sie gleich die einzigen sind , die es mit solchen Zeremonien herzlich meinen ; Heidescheide trat auf den Balkon und ließ die wimmelnde laute Menge die Vorderfinger und den Daumen ausstrecken und den Eid nachsagen .
Diese immer bezauberte jauchzte Vivat -- in den geblendeten Augen funkelte die Zuversicht einer besseren Regierung und die Liebe für einen Ungekannten . --
Der Graf , den ohnehin eine Menge feurig so wie Schoppen trübe machte , glühte begeistert von Bruderliebe und Tatendurst ; er sah die Fürsten wie Allmächtige auf ihren Höhen walten und sah die blühenden Landschaften und die heiteren Städte eines weise regierten Landes aufgedeckt -- er stellte es sich vor wie er , wäre er ein Fürst , mit dem schlagenden Funken aus der Zepterspitze in Millionen verknüpfter Herzen auf einmal belebend und erschütternd strahlen könnte , indes er jetzt so mühsam einige nächste entzünde -- er sah seinen Thron als einen Berg in Morgenlicht , der schiffbare Ströme statt der Lawa in die Länder herabgießet und die Stürme bricht und um dessen Fuß Ernten und Feste rauschen -- er dachte sich_es , wie weit er von einer so hohen Stelle das Licht umherstreuen könnte , gleichsam ein Mond , der nicht die Sonne am Tage verbauet sondern ihr fernes Licht aus seiner Höhe der Nacht zuwirft -- und wie er die Freiheit statt sie nur zu verteidigen erschaffen und erziehen und ein Regent sein wollte , um Selbstregenten * ) zu bilden ; " aber warum bin " ich keiner ? " sagte er traurig .
Edler Jüngling ! geben denn dir deine Rittergüter keine Untertanen ? --
Aber eben so glaubt der kleinere Fürst , ein Herzogtum wollt ' er ganz anders regieren , und der höhere glaubt es von einem Königreiche und der höchste von der Universalmonarchie .
Indes zogen sich den ganzen sonderbaren unruhigen Tag wilde Jünglings-Perspektiven vor ihm hin und her und die alte Geisterstimme , der er heute entgegengieng , wiederholte in ihm den dunklen Zuruf : nimm die Krone ! --
Wehrfritz kam abends mit rotem Gesichte vom feurigen Huldigungsmale zurück und Albano nahm von ihm einen bewegten Abschied , gleichsam von der Ebbe und Windstille des Lebens , von der kindlichen Jugend ; denn heute tritt er tiefer in die Wellen desselben .
Schoppe kam zurück und wollte ihn vor das Loch seines * ) Avtarchen ; denn Monarchen oder Einherrscher sind von Selbstherrschern etymologisch verschieden .
Guckkastens haben , worin er die Vikariats- Huldigung in Klosterdorf in komischen Bildern vorbeischob ; aber diese stachen zu hart mit höheren ab und machten wenig Glück .
Nachts legte Albano seine schöne ernste Karaktermaske an , die eines Tempelherrn -- zu einer komischen war seine Gestalt und fast seine Gesinnung zu groß -- ; die letztere wurde noch feierlicher durch dieses Totenkleid eines ganzen ermordeten Ritterordens .
Nachdem er sich noch einmal die schauerlichen Gänge des Tartarus und die Begräbnisstätte des Fürstenherzens wegen des nächtlichen Verirrens beschreiben lassen :
so ging er um 10 Uhr fort mit einer hochschlagenden Brust , welche die Nachtlarven der Phantasie und die Freundschaft und die Liebe und die ganze Zukunft vereinigt aufregten .
50. Zykel .
Albano trat zum erstenmal in die verkehrte Marionettenwelt einer Retude wie in ein tanzendes Totenreich .
Die schwarzen Gestalten -- die aufgeschlitzten Larven -- die dar hinter wie aus der Nacht blickenden fremden Augen , die wie an jenem zerstäubten Sultan im Sarge allein lebendig blieben -- die Vermischung und Nachäffung aller Stände -- das Fliehen und Ringrennen des klingenden Tanzes und seine eigene Einsiedelei unter der Larve , das versetzte ihn mit seiner shakespearischen Stimmung in eine Zauber- und Geister- Insel voll Gaukeleien , Schattenbilder und Verwandlung .
Ach das ist das Blutgerüste , dachte er zuerst , wo der Bruder deiner Liane sein junges Leben wie ein Trauergewand zerriß ; und er sah bange umher , als fürchte er , Roquairol versuche wieder den Tod .
Unter den Masken fand er keine , worunter er ihn vermuten konnte ; -- diese geistlose Vetterschaft von stehenden Rollen , die Läufer , die Fleischer , die Mohren , die Altvordern etc. , diese konnten keinen Geliebten Albano's verbergen .
Einsam und umherblickend schritt er hinter den Reihen der Anglaise auf und ab ; und mehr als zehn Augen , die gegenüber in der ringförmigen Finsternis der Spitzenmaske blitzten --
denn die Weiber lieben aus Offenherzigkeit die Masken nicht , sondern zeigen sich gern -- folgten der kräftig und geschmeidig gebauten Gestalt , die mit dem kühnen Helme und Federbusche , mit dem bekreuzten weißen Mantel und dem Panzerglanze auf der Brust einen Ritter aus der heroischen Zeit zu bringen schien .
Endlich ging eine verlarvte Dame , die zwischen unverlarvten plauderte , mit großen Schritten und Füßen auf ihn zu und faßte keck wie zum Tanze seine Hand .
Er war äußerst verlegen über die Kühnheit der Aufforderung und über die Wahl der Antwort ; gerade die Tapferkeit ist gern mit Galanterie vermählt , wie die Damaszener Waffe außer der Härte noch einen ewigen parfümierten Geruch besitzt ; -- aber die Dame schrieb nur die Frage nach seinem Namen -- v. C. ? -- in die Hand ; und nach dem Ja sagte die reizende leise : " kennen Sie " mich nicht mehr ? -- den Exerzizienmeister von " Falterle ? " Albano bezeugte , ungeachtet seines Widerwillens gegen die Rolle , eine wahre Freude über den Fund eines Jugend-Genossen .
Er fragte , welche Maske der Oberst Roquai roll sei ; Falterle versicherte , er sei noch nicht da .
Nun gingen -- da die Läufer , die Fleischer , Falterle u. s. w. nur die Schneeglöckchen dieses Retudenfrühlings waren -- schon bessere Blumen , Veilchen , Vergißmeinnicht und Primeln auf oder herein .
Für ein solches Vergißmeinnicht sehe ich einen hereinkommenden , hinten und vorne ausgewachsenen und wie ein Brennglas konvexen Kerl an , der bald das Hintergebäude öffnete und Konfekt aus dem Buckel ausschüttete und dann das Vordergebäude , und Bratwürste gebar .
Hafenreffer aber schreibt , die Invention sei schon einmal auf einer Wiener Retude gewesen .
Dann kam eine Gesellschaft deutscher -- Spielkarten , die sich selber mischten und ausspielten und stachen ; ein schönes Sinnbild des Atheismus , das ihn ganz ohne das Ungereimte darstellt , womit man ihn so gern beschmitzte ! --
H. von Augusti erschien auch , aber im einfachen Kleide und Domino ; er wurde ( dem Grafen unbegreiflich ) sehr bald der Polarstern der Tänzer und der regierende kartesianische Wirbel der Tanzschule .
Mit welchem elenden schwarzen Kommis- und Bettelbrote von Freude -- dachte Albano , dem den ganzen Tag seine Träume , diese Tauben Jupiters , Götterbrot zutrugen -- kommen diese Menschen aus ! --
Und wie kahl und fahl ist ihr Feuer , ihre Phantasie und Sprache , ( dachte ' er dazu ) ein wahres Leben unten in einer finsteren Gletscherspalte !
denn er glaubte , jeder müsse so angespannt und glühend sprechen und fühlen wie er . --
Jetzt kam ein hinkender Mann mit einem großen Glaskasten auf dem Bauche ; -- freilich war der Bibliothekar leicht zu kennen ; er hatte -- entweder weil er zu spät nach einem Domino schickte oder keinen bezahlen wollte -- vom Leichenmäntel-Verleiher etwas Schwarzes an und war von der Achsel bis auf das Schienbein mit gräulichen Masken besetzt , die er mit vielen Fingerzeigen meistens den Leuten antrug , die hinter entgegengesetzten agierten , z. B. langnasigen kurznasige .
Er wartete auf den Anfang einer Hopsanglaise , deren Noten gerade auf der Spielwalze seines Kastens standen ; dann fing er auch an ; er hatte darin eine treffliche von Bestelmaier gehobelte Puppen-Retude und ließ nun die kleinen Larven hopsen parallel mit den großen .
Es war ihm um vergleichende Anatomie beider Maskeraden zu tun und der Parallelismus war betrübt .
Dabei hatte er_es noch mit Beiwerken aufgeputzt -- kleine Stummen schwenkten im Kasten ihr Glöcklein -- ein ziemlich erwachsenes Kind schüttelte die Wiege eines unbelebten Püppchens , womit das Närrchen noch spielte -- ein Mechanikus arbeitete an seiner Sprachmaschine , durch welche er der Welt zeigen wollte , wie weit bloßer Mechanismus dem Leben der Puppen nachkommen könne , -- eine lebendige weiße Maus * ) sprang an einem Kettchen und hatte viele vom Klub umgeworfen , falls sie es zerrissen hätte -- ein lebendiger eingesargter Star , eine wahre erste * ) Spielet er damit auf die fürchterliche weiße Gestalt in meiner Vision von der Vernichtung an ? griechische Komödie und Lästerschule im Kleinen , verübte an der Tanzgesellschaft den Zungentotschlag ganz frei und distinguierte nicht -- eine Spiegelwand ahmte die lebendigen Szenen des Kastens täuschend nach so daß jeder die Bilder für wahre Puppen nahm . -- --
Auf Albano traf die Schneide dieses komisch-tragischen Dolches senkrecht genug , da ihm ohnehin das hüpfende Wachsfigurenkabinett der großen Retude die Einsamkeit des Menschen zu verdoppeln und zwei Ich_es durch vier Gesichter zu trennen schien ; aber Schoppe ging weiter .
In seinem Glasschranke stand eine Pharaobank und daneben ein Männchen , das den verlarvten Bankier in schwarzes Papier ausschnitt , aber dem deutschen Herrn ähnlich ; diese Schilderei trug er ins Spielzimmer , wo eine bankhaltende Maske -- ganz gewiß Zesisio -- ihn hören und sehen mußte .
Der Bankier sah ihn einigemal fragend an .
Dasselbe tat eine ganz schwarz gekleidete Maske mit einer sterbenden Larve , die das hippokratische Gesicht vorstellte * ) .
Albano sah feurig nach ihr , weil ihm vorkam , es könne Roquairol sein , denn sie hatte dessen Wuchs und Fackelauge .
Die bleiche Larve verlor viel und verdoppelte immer den Verlust ; dabei trank sie aus einem Federkiele unmäßig Champagner Wein .
Der Lektor kam dazu ; Schoppe spielte vor den zulaufenden Augen weiter ; die bleiche Larve sah unverrückt und strenge den Grafen an .
Schoppe nahm vor Bouverot seine eigene herab , -- aber eine Unterzieh-Maske saß darunter -- er zog diese aus -- eine Unterzieh- Maske der Unterzieh-Maske erschien -- er Trips fort bis zur fünften Potenz -- endlich fuhr sein eigenes höckeriges Gesicht hervor , aber mit Goldschlägergold bronziert und sich gegen Bouverot fast fürchterlich-gleißend und lächelnd verziehend .
Die bleiche Larve selber schien zu stutzen und eilte mit weiten Schritten weg in den Tanzsaal ; sie warf sich wild in den wildesten Tanz .
Auch das bewährte Albano's Vermu * )
So heißet die Gestalt eines Sterbenden . thung so wie ihr großer trotzender Hut , der ihm eine Krone schien , weil er an dem männlichen Anzuge nichts höher schätzte als Pelz , Mantel und Hut . --
Immer mehrere Finger zogen die Lettern v. C. in seine Hand und er nickte unbekümmert .
Die Zeit umgab ihn mit vielfachen Dramas und überall stand er zwischen Theater- Vorhängen .
Als er mit dem unruhigen Kopfe und Herzen ins Bogenfenster trat , um zu sehen , ob er bald Mondschein für seinen Nachtgang habe :
so sah er über den Markt einen schweren Leichenwagen zwischen Fackeln ziehen , der einen Rittergutsbesitzer seiner Familiengruft zufuhr ; und der ungestörte Nachtwächter rief dem schleichenden Toten den Anfang der Geister- und einer uns teuren Geburtsstunde nach .
Mußte nicht sein getroffenes Herz es ihm sagen , wie der harte , feste , unauflösbare Tod mit seiner Gletscherluft so scharf durch die warmen Szenen des Lebens rückt und alles , worüber er wegweht , hinter sich starr lässt und schneeweiß ? --
Musste er nicht an die erkaltete junge Schwester denken , deren Stimme jetzt jetzt seiner im Tartarus wartete ?
-- Und als Schoppe mit seiner Puppen-Travestirung zu ihm kam und er ihm die Gasse zeigte und dieser sagte : " bon ! der Freund Hain sitzt auf sei " einem Pürschwagen und guckt ruhig herauf als " wolle der Freund sagen : bon ! tanzt nur zu , " ich fahre retour und bringe euch auch an Ort " und Stelle " -- wie musste es ihm so enge werden unter dem schwülen Visier ! --
In dieser Sekunde kam die bleiche Larve mit anderen ins Fenster -- er öffnete das glühende Gesicht der Kühlung -- ein schneller Weintrunk und noch mehr seine Phantasie zeigte ihm die Welt in brennenden Oberflächen -- die Larve beschaute ihn nahe mit einer ungewissen dunklen Augen- Glut , die er am Ende nicht länger vertrug , weil sie eben so gut vom Hasse als von der Liebe angezündet sein konnte , so wie Sonnenflecken bald Gruben , bald Gebirgen ähnlich schienen . --
Elf Uhr war vorbei , er entwich plötzlich den heißen Blicken und dem kreischenden Gedränge und begab sich auf den Weg zum Herzen ohne Brust .
Titan. I. J i 51. Zykel .
Indes er am Tore auf seinen Degen wartete : lief eine Gruppe neuer Masten , ( meistens Repräsentanten der Leblosigkeit , z. B. ein Stiefel , ein Perückenstock u. s. w. ) -- in die Stadt und sie guckten verwundert den fremden weißen langen Ritter an .
Er nahm den Degen mit , aber nicht den Bedienten .
Übrigens ließ ihm sein Charakter bei aller Gefahr , worein der Besuch eines abgelegenen düstern Katakombenganges und das fremde Vorauswissen dieses Besuches ihn stürzen konnte , doch keine andere Wahl als die getroffene ; nein , er hätte sich lieber morden lassen als vor seinem Vater geschämt .
Wie stieg dein Geist empor , gleich einem Blitze , der aufwärts gegen den Himmel hineinschlägt , als die große Nacht mit ihrem Heiligenscheine aus Steinen aufgerichtet vor dir war ! --
Unter dem Himmel gibt es keine Angst , nur unter der Erde !
Breite Schatten legten sich ihm in den Weg nach dem Elysium , den am Sonntage Tautropfen und Schmetterlinge färbten .
In der Ferne wuchsen feurige Zacken aus der Erde und gingen ; es war der Leichenwagen mit den Fackeln in der tiefen Straße .
Als er an den Scheideweg kam , der durch die Schloßruinen in den Tartarus führt : sah er sich nach dem Zauberhaine um , auf dessen gewundener Brücke ihm Leben und Freudenlieder begegnet waren ; alles war stumm darin und nur ein langer grauer Raubvogel ( wahrscheinlich ein papierner Drache ) drehte sich darüber hin und her .
Er kam durch das alte Schloß in einen abgesägten Baumgarten , gleichsam ein Baumkirchhof ; dann in einen bleichen Wald voll abgeschäälter Maibäume , die alle mit verblühten Bändern und erblaßten Fahnen gegen das Elysium sahen ; -- ein verdorrter Lusthain so vieler Freudentage .
Einige Windmühlen griffen mit langen Schattenarmen dazwischen , um immer zu fassen und zu schwinden .
Ungestüm lief Albano eine von Überhängen verfinsterte Treppe hinab und kam auf ein altes Schlachtfeld , -- eine dunkle Wüste mit einer schwarzen Mauer , nur von weißen Gipsköpfen durchbrochen , die in der Erde standen Ji 2 als wollten sie versinken oder auferstehen -- ein Turm voll blinder Tore und blinder Fenster stand in der Mitte und die einsame Uhr darin sprach mit sich selber und wollte mit der hin- und hergeführten eisernen Rute die immer wiederzusammenrennende Welle der Zeit auseinander teilen -- sie schlug drei Viertel auf 12 Uhr und tief im Walde murmelte der Widerhall wie im Schlafe und sagte noch einmal leise den entfliegenden Menschen die fliegende Zeit .
Der Weg umlief im ewigen Kreise ohne Pforte die Gottesackermauer ; Alban mußte , nach der Nachricht , eine Stelle an ihr suchen , wo es unter ihm brauste und schwankte .
Endlich trat er auf einen mit ihm sinkenden Stein , da fiel ein Ausschnitt der Mauer um und ein verstrickter Wald aus Baumklumpen , deren Stämme sich in Buschwerk einwickelten , war vor jeden Strahl des Mondes gewälzt .
Als er unter der Pforte sich umsah , hing über der schattigen Treppe ein bleicher Kopf gleich einer Büste des Mordfeldes und ging ohne Körper herab und die verbluteten Toten schienen aufzuwachen und ihm nachzu laufen -- der kalte Höllenstein des Schauders zog sein Herz zusammen ; er stand ; -- der Leichenkopf schwebte unbeweglich über der letzten Staffel .
Auf einmal sog das Herz wieder warmes Blut , er wandte sich gegen den unförmlichen Wald mit gezogenem Degen , weil er sein Leben neben dem bewaffneten Tode vorbeitrug .
Er folgte in der Finsternis der grünenden Türme dem Getöse des unterirdischen Flusses und dem Wiegen des Bodens .
Zum Unglück sah er sich wieder um und der Leichenkopf stand noch hinter ihm , aber hoch in den Lüften auf dem Rumpfe eines Riesen . -- --
Der höchste Schauder trieb ihn allzeit mit zugedrückten Augen auf ein Schreckbild los ; er rief zweimal durch den hallenden Wald : wer ist da ?
Aber als jetzt auf einmal ein zweiter Kopf neben dem ersten zu stehen schien :
so klebte seine Hand an dem eiskalten Schlosse der Pforte der Totenwelt gefroren an und er riß sie blutig ab. -- Er floh und stürzte durch immer dichtere Zweige endlich hinaus in einen freien Garten und in den Glanz des Mondes ; -- hier , ach hier als er den heiligen unsterblichen Himmel und die reichen Sterne im Norden wieder schimmern sah , die nie auf und untergehen , den Pol-Stern , und Friedrichs Ehre , die Bären und den Drachen und den Wagen und Kassiopeia , die ihn mild wie mit den hellen winkenden Augen ewiger Geister anblickten :
da fragte der Geist sich selber , " wer kann mich " ergreifen , ich bin ein Geist unter Geistern ; " und der Mut der Unsterblichkeit schlug wieder in der warmen Brust . -- --
Aber welcher sonderbare Garten !
Große und kleine blumenlose Beete voll Rosmarin , Raute und Taxus zerstückten ihn -- ein Kreis von Trauerbirken umgab wie ein Leichengefolge gesenkt den stummen Platz -- unter dem Garten murmelte der begrabene Bach -- und in der Mitte stand ein weißer Altar , neben welchem ein Mensch lag .
Albano wurde gestärkt durch die gemeine Kleidung und durch den Handwerksbündel , worauf der Schläfer ausruhte ; er trat ganz dicht an ihn , und las die goldene Inschrift des Altars : " nimm mein letztes Opfer , Allgüti " ger ! "
-- Das Herz des Fürsten sollte hier zur Asche werden im Altare .
Ach nach diesen starren Szenen linderte es seine Seele bis zu Tränen , hier Menschenworte zu finden und einen Menschenschlaf und die Erinnerung an Gott ; aber als er gerührt dem Schläfer zusah , sagte ihm plötzlich die Schwesterstimme , die er auf Isola bella gehört , leise ins Ohr : Linda de Romeiro gebe ich dir . -- --
Ach guter Gott ! rief er und fuhr herum -- und nichts war um ihn -- und er hielt sich an die Altarecke -- " Linda de Romeiro gebe ich dir " sagte es wieder -- fürchterlich packte ihn der Gedanke , der schwebende Leichenkopf rede neben ihm -- und er riß am festen Schläfer , der nicht erwachte -- und riß und rief noch gewaltsamer , als die Stimme zum drittenmal sprach .
" Wie ? --
( sagte der Schlaftrunkene )
Gleich !
"-- Was will Er ?
-- Sie ? " und richtete sich unwillig und gähnend auf , aber er fiel bei dem Anblicke des nackten Degens wieder auf die Knie und sagte :
" Barmherzigkeit ! ich will ja " alles hergeben ! "
-- " Zesara ! " rief es im Walde , " Zesara , wo " bist du ? " und er hörte seine eigene Stimme ; aber kühn rief er nun zurück : am Altare ! --
Eine schwarze Gestalt drang heraus mit einer weißen Maske in der Hand , und stockte im Mondlichte vor der bewaffneten ; da erkannte endlich Albano den Bruder Lianen , nach dem er so lange gelechzt -- er schleuderte den Degen zurück und lief ihm entgegen -- Roquairol stand stumm , bleich und mit einer erhabenen Ruhe auf dem Gesichte vor ihm -- Albano blieb nahe stehen und sagte gerührt : hast du mich gesucht , Karl ? --
Roquairol nickte stumm und hatte Tränen in den Augen und öffnete die Arme . --
Ach da konnte der selige Mensch mit allen Flammen und Tränen der Liebe an die langgeliebte Seele stürzen und er sagte unaufhörlich : nun haben wir uns , nun haben wir uns !
Und immer heftiger umschlang er ihn wie den Pfeiler seiner Zukunft und strömte in Tränen hin , weil ja nun die verschlossene Liebe so langer Jahre , und so viele zugedrückte Quellen des armen Herzens auf einmal fließen durften -- Roquairol drückte ihn nur zitternd an sich und leise mit Einem Arme ; und sagte , aber ohne Heftigkeit : " ich bin ein Sterbender und " das ist mein Gesicht ( indem er die gelbe " Totenmaske emporhielt ) , aber ich habe mei "nen Albano und ich sterbe an ihm . "
Sie verstrickten sich wild -- das Mark des Lebens , die Liebe , durchdrang sie schöpferisch -- der Boden über dem rollenden Erdenflusse wankte heftiger -- und der Sternenhimmel zog mit dem weißen Zauberrauche seiner zitternden Sterne um die magische Glut -- -- Ach ihr Glücklichen ! --
52. Zykel .
Einige Menschen werden verbunden geboren , ihr erstes Finden ist nur ein zweites und sie bringen sich dann als zu lange Getrennte nicht nur eine Zukunft zu , sondern auch eine Vergangenheit ; -- die letztere forderten einander die Glücklichen ungeduldig ab .
Roquairol antwortete auf Albans Frage , wie er hierher komme , mit Feuer : " er sei ihm diesen ganzen " Abend gefolgt -- er habe ihn am Fenster " unter dem Leichengepränge so Peinlich-Schmach " tend angeschaut und beinahe umarmen Mys " sein -- er sei schon vorhin dicht an ihm ge " standen und habe auf seine Frage : " wer da , " " sogleich die Maske abgetan . " -- --
Jetzt griff wieder Albanos gefallener Arm Strafe durch das dünne Schattenspiel der Geisterfurcht , da er nun erfuhr , der zweiköpfige Riese sei bloß vom optisch-vergrößernden Wahne der Ferne einer so nahen Gestalt erwachsen , und der Leichenkopf habe auf der Treppe seinen Rumpf nur eingebüßt durch die finsteren Überhänge und durch die schwarze Bekleidung ; sogar die harte Geisterßene am Altare schien ihm jetzt bezwinglicher durch den reichen Gewinn der lebendigen Liebe .
Roquairol fragte ihn , welche Qual oder Freude ihn in der Mitternacht hierher auf einen herrnhutischen Gottesacker getrieben und wohin er den Menschen mit dem Degen abgeschickt .
Albano war_es unbekannt , daß hier Herrnhuter ruhen ; und eben so hatte er den wahrscheinlich aus Furcht des Gebrauchs verübten Diebstahl des Degens nicht bemerkt .
Er antwortete : " meine tote Schwester wollte am " Altare mit mir reden ; und sie hat geredet " aber er fürchtete sich , mehr davon zu sprechen .
Da änderte sich plötzlich Roquairols Gesicht -- er starrte ihn an und forderte Beteuerung und Erklärung -- unter dieser schaute er in die Luft als wollte er aus ihr durch Blicke Gesichter ziehen und sagte , indem er doch Albano ansah , eintönig :
" Tote , Tote , rede wieder ! " --
Aber nur der Totenfluß redete unter ihnen fort und nichts weiter .
Aber er warf sich vor dem Altare auf die Knie und sagte vermessen und doch mit bebenden Lippen : " spring ' auf " Geisterpforte und zeige deine durchsichtige " Welt -- ich fürchte euch Durchsichtige nicht , ich " werde einer von euch , wenn ihr erscheint , und " gehe mit und erscheine auch . "
-- " O mein Geo "ter , lasse nach , " bat Albano nicht nur aus Gottesfurcht , auch aus Liebe ; denn ein Zufall , ein vorüberschießender Nachtvogel konnte sie ja durch ein Entsetzen töten ; -- auch stand dieses Entsetzen nicht weit von ihnen ; denn auf der erleuchteten Seite der Trauerbirken trat eine majestätische weiße alte Gestalt heraus .
Aber da Roquairol , durch Wein und Phantasie wahnsinnig , die sterbende Larve in die Lüfte reichte und gegen das Grab des Herzens sagte : " nimm die "ses Gesicht , wenn du keines hast , alter Mann , " und blicke mich an hinter ihr ! " so riß ihn Albano auf -- die weiße Gestalt trat mit gebücktem Kopfe und gefalteten Händen in die Zweige zurück -- der runde Turm auf dem Schlachtfelde schlug die Stunde aus und die träumende Gegend schlug sie murmelnd nach .
" Komme an mein warmes Herz , du heftige " Seele , -- o daß ich dich gerade an meinem " Geburtstage in meiner Geburtsstunde erhall " ten durfte ! "
-- Dieser Laut schmolz auf einmal den immer wechselnden Menschen und er hing sich mit nassen Freudeuaugen an ihn und sagte :
"-- und bis in unsere Sterbe "stunden hinein !
O sieh mich nicht an , du Un " veränderlicher , weil ich so schwankend und gebrochen erscheine -- in den Wogen des Lebens " bricht sich und ringelt sich der Mensch wie " der Stab im Wasser flattert , aber das Ich " steht doch fest wie der Stab .
-- Ich will dir " folgen in andere Orte des Tartarus ; aber er " zähle auch die Geschichte . "
Diese Geschichte geben , hieß ein Heilig stes des Inneren oder auch einen Sarg dem Tageslichte öffnen ; aber glaubt ihr , daß Albano sich eine Minute bedachte ?
Oder ihr selber ? --
Wir sind alle bessere , offenere , wärmere Freunde als wir wissen und zeigen ; es begegne euch nur der rechte Geist wie ihn die dürstende Liebe ewig fordert , rein , groß , hell , und zart und warm , dann gebt ihr ihm alles und liebt ihn ohne Maß weil er ohne Fehler ist .
Albano fand in diesem Fremdlinge den ersten Menschen , der sein ganzes Herz mit gleichen Tönen erwiderte , das erste Auge , das seine schüchternen Gefühle nicht flohen , eine Seele , vor deren erster Träne aus seinem ganzen künftigen Leben Blumen auffuhren wie aus den trockenen Wüssten heißer Länder unter der Regenzeit ; -- daher gab die Liebe seinem starken Geiste nur die gleiche weite Bewegung eines Meeres , indes der obwohl ältere und länger gebildete Freund ein Strom mit Wasserfällen war .
Karl führte ihn in die sogenannte Katakombe , indes er der Geistergeschichte von Isola bella zuhörte , aber , von der vorigen erschöpft , mit fallender Furcht .
Ein ödes verkohltes Tal voll offener verfallener Schachte sonnte sich grau im Mondscheine ; aus dem Walde kroch unter ihren Füßen der Totenfluß hervor und sprang auf eine steinerne Treppe in die Katakomben hinein ; beide folgten ihm auf einer daneben .
Der Eingang trug als Stirnblatt ein altes Zifferblatt , wovon einmal der Donner gerade die Stunde Eins weggeschlagen : " Eins ?
"( sagte Alban ) Sonderbar !
Gerade unsere künf " tige Stunde ? "
Wie abenteuerlich zieht sich die Katakombe fort !
Der lange Totenfluß murmelt verfinstert tief hinein und blitzt zuweilen unter dem silbernen Dampfe , den das Mondlicht durch die Schachtlöcher hereintreibt -- feste Tiere , Pferde , Hunde , Vögel stehen saufend am finsteren Ufer , nämlich ihre ausgepolsterten Häute -- schmale von der Zeit geschleifte Leichensteine mit wenigen Namen und Gliedern sind das Pflaster -- an einer helleren Nische liest man , daß hier eine Nonne eingemauert gewesen -- in einer anderen steht das verarzte Skelett eines verschütteten Bergmanns mit vergoldeten Rippen und Schenkeln -- an zerstreuten Orten waren schwarze Papierherzen arquebusirter Menschen und Blumensträuße armer Sünder gesammelt , die Rute , die einen Begnadigten durch Bestreifen getötet , eine gläserne Büste mit einem Phosphorpunkte im Wasser , Westehemdchen und andere Kinder-Kleider und Spielwaren und ein Zwergskelett -- -- -- Als ihm Roquairols erklärende Worte , dessen Lebensweg immer in Grüfte hinab und auf Gräber hinauflief , das Leben immer durchsichtiger und flitterhafter schlugen :
so fuhr Zesara nach seiner Art auf einmal kopfschüttelnd , die Brust vorhebend , in den Sand einstampfend , und fluchend ( was er leicht im erschrecken und in großer Rührung tat ) mit den Worten auf : " beim Teufel !
-- Du zerdrückst " mir und dir die Brust .
Es ist ja nicht so !
" Sind wir nicht beisammen ? Habe ich nicht " deine warme lebendige Hand ?
Brennt in uns " nicht das Feuer der Unsterblichkeit ?
Ausge " brannte Kohlen sind diese Gebeine und weiter " nichts ; und das himmlische Feuer , das sie " zerlegte , hat wieder anderes Brennholz ergriffen " und lodert fort . "
-- " O , ( setzt ' er wie getröstet " dazu und trat in den Bach und blickte durch die " Schacht-Öffnung zum reichen Monde empor , " der vom Himmel herunterströmte und seine " großen Augen standen voll Glanz , ) o , es ist ein " Himmel und eine Unsterblichkeit -- wir bleiben " nicht in der dunklen Höhle des Lebens -- wir " ziehen auch durch den Äther wie du , du glän " zende Welt ! "
" Ach du Herrlicher ( sagte Karl , dessen " Seele aus Seelen bestand ) ich will dich nun " auch zu einer froheren Stelle bringen . "
-- Sie waren kaum acht Schritte weg , als es sich hinter ihnen verdunkelte und ein oben hereingeworfener Degen aufrecht mit der Spitze in den Sand der Wellen fuhr .
" O du höllischer Teufel droh " ben ! " rief der ergrimmte Roquairol ; aber Alban wurde weich über die eiserne Jungfrau der Sterbensstunde , die so nahe an ihm die scharfen Arme zusammengeschlagen hatte .
Sie faßten sich wärmer und gingen still und bange einem leisen Getöne und einem Grabhügel entgegen .
Sie setzten sich auf ihn , gegenüber einem mit der quälenden Katakombe einen einen rechten Winkel bildenden Gang , den grünes Moos auslaubte und dessen Länge die zerbröckelten Funken von faulem Holze bezeichneten .
Er verlor sich in eine offene Pforte und Aussicht ins -- Elysium von welchem nur die weißen Gipfel einiger Silberpappeln zu erkennen waren und in der Ferne sah man das Frühlingsrot der Mitternacht am Himmel blühen und zwei Sterne blitzten darüber .
Doch wurde die Pforte vergittert und bewacht durch ein Skelett mit einer Äolsharfe in der Hand , das auf ihr die dünnen Moltöne zu greifen schien , mit denen jetzt der Zugwind in die Höhle floß .
" Erzähle hier ( sagte Karl an der schönen " Stelle , und neugieriger durch den Mörder " Wurf von Albans Degen ) , das heutige aus ! "
Albano berichtete ihm redlich das Wort der Schwesterstimme : " Linda de Romeiro gebe ich " dir . "
Er dachte im Geräusche seines Inneren nicht an die Anekdote , daß ja Karl für eben diese als Knabe sterben wollen .
" Die Ro "meiro ?
( fuhr dieser auf )
Sei still ! --
O " diese ? --
Spielender Scharfrichter du Schick " soll !
Warum sie und heute ?
Ach Albano , " für diese ging ich früh dem Tode entgegen "(fuhr er weinend fort und sank ihm an die " Brust ) ; und darauf ist mein Herz so schlecht " geworden , weil ich sie verloren habe -- " Nimm sie nur hin , denn du bist ein reiner " Geist -- die herrliche Gestalt , die dir auf " dem Meere erschien , so sieht sie aus , oder jetzt " noch schöner . -- --
Ach Albano ! "
-- Dieser edle Mensch erschrak über die Verwickelung und über das Schicksal und sagte : " nein , nein , du lieber " Karl , du denkst über alles ganz falsch . "
Plötzlich war es als tönten alle Gestirne und ein melodisches Geisterchor dränge unsichtbar durch die Pforte herein ; Albano war betroffen .
" Nichts , lasse es , ( sagte Karl . )
Es ist " das Skelett nicht ; der fromme Vater geht " im Flötentale und zieht jetzt seine Flöten , " weil er betet -- --
Aber wie sagst du , ich " dächte über alles falsch ? "
-- -- " Wie ? " wiederholte Albano und konnte im zauberischen Kreise dieser Nachklänge , die den Sonntagsmorgen allmächtig wiederbrachten , nicht denken und reden .
Wehten denn nicht die Silberpappeln an den Sternen hin und her und Rosenwolken lagerten sich um den Himmel und das ganze Elysium zog offen vorüber mit den Lauten , die es durchschwebet , mit den Tränen , die es benetzet hatten und mit den Träumen , die kein Herz vergisst und mit der heiligen Gestalt , die ewig in seinem bleibt ? --
Die Hand ihres Bruders hielt er jetzt so fest ; der Liebe und der Freundschaft , diesen zwei Brennpunkten in der Ellipse der Lebensbahn , war er so nahe ; --
ungestüm umfasste er den Bruder mit den Worten : " bei Gott , sage ich " dir , die so du genannt , geht mich nichts an -- " und sie wird es nie . "
" Aber , Albano , du kennst sie ja nicht ? " sagte Karl viel zu hart fortfragend ; denn der edle Jüngling neben ihm war zu blöde und zu fest , dem Verwandten der Geliebten -- einem Fremden viel leichter -- das Heiligtum seiner Wünsche auszuschließen .
" O martere du " mich nicht !
( antwortete er empfindlich ; aber er " setzte sanfter hinzu ) glaube mir doch das " erstemal , mein guter Bruder ! " --
Karl gab eben so selten nach wie er und sagte , obwohl den Fragton verschluckend und recht liebend , doch dieses : " bei meiner Seligkeit , ich tue " es ; und mit Freude -- ein Herz muß herrlich " geliebt und göttlich-glücklich sein , das ein soll " Ges entbehren kann . "
Ach weiß denn das Albano ? --
Nur schweigend lehnt er sich mit der Feuerwange voll Rosen an Lianen Bruder , verschämt das Erforschen scheuend ; bloß als die schwindenden Rufe des Flötentals sich wie Seufzer in seiner Brust versammelten und ihn zu oft erinnerten , wie der Sonntagsmorgen schloß , wie Liane wich und wie er ihr mit nassen dunklen Blicken vom Altare nachsah :
so brach sein Auge , obwohl nicht sein Herz und er weinte heftig , aber schweigend an seinem ersten Freunde . --
Dann kehrten sie mit stummen Seelen nach Hause und schauten sinnend den langen schwindenden Wegen der Zukunft nach ; und als sie schieden , fühlten sie wohl , daß sie sich recht von Herzen liebten , nämlich recht schmerzlich . -- --
Am Morgen darauf lag der fromme Vater an einer Erschütterung danieder , die mehr selig als traurig war ; denn er sagte , er habe in der Nacht seinen Freund , den verstorbenen Fürsten weißgekleidet im Tartarus gehen sehen .
-- Ende des ersten Bandes .

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TextGrid Repository (2025). Paul, Jean. Titan: Teil 1. Bildungsromankorpus. https://hdl.handle.net/21.11113/4c0kg.0