Stutzerlied

Närrchen, sey nicht spröde,
Komm, und küsse mich!
[146]
Jünger, warst du blöde,
Aelter, zierst du dich.
Wisse, nur ein Weilchen
Sind die Mädchen schön,
Müssen, wie die Veilchen,
Welken und vergeh'n.
Jetzt nur sind, wie Seide,
Deine Händchen weich;
Aber bald sind beide
Deinem Handschuh gleich.
Jetzt nur zeigt dein Schmunzeln
Holde Grübchen mir:
Bald umziehen Runzeln
Mund und Wange dir
Jetzt nur, kleines Närrchen,
Ist dein Busen voll,
Und in wenig Jährchen
Ist er schlapp und hohl.
Jetzt nur sieht dein Leibchen
Zirkelförmig aus;
Bist du einst ein Weibchen,
Wird ein Viereck d'raus.
Deine Augen funkeln
Jetzt nur, weißt du das?
Wisse, bald verdunkeln
Sie, wie trübes Glas.
Jetzt nur dir zu Füssen
Siehst du Herrchen fleh'n;
Aelter wirst du müssen
Liebebetteln geh'n.
Jetzo gieb, und labe
Freundlich jeden Gast,
[147]
Spar' nicht deine Habe,
Bis du nichts mehr hast.
Küsse, weil dein Mündchen
Roth und küßlich ist;
Denk', es kommt ein Stündchen,
Wo dir's Niemand küßt.

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Citation Suggestion for this Edition
TextGrid Repository (2012). Blumauer, Aloys. Stutzerlied. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-3723-B