[370] Eine Schüssel mit Früchten

Ach Gott, gieb meiner Seelen Stärcke,
Daß, in Betrachtung Deiner Wercke,
Ich durch der Menschen Härtigkeit,
(Das gröste Laster dieser Zeit)
Die, aller Wunder ungeacht't,
Fast Stein- ja Eisen-hart und unempfindlich bleiben.
In meiner Lust Dein' Allmacht zu beschreiben,
Doch ja nicht möge lau gemacht,
Noch von dem Zweck, die Wunder hier auf Erden
Wohl zu behertzigen, mög' abgezogen werden!
So saß und dacht' ich jüngst, mit Thränen in den Augen,
Als ich erwog, wie hart, wie taub, wie blind
Der meisten Menschen Hertzen sind,
Wie wenig Göttliche Geschöpfe taugen,
Den recht verstockten Geist zu rühren.
Ach! rief ich: wär' der Mensch doch einst zu überführen,
Daß Gottes Wunder-Werck' allein
Die Vorwürf' und der Zweck von unserm Leben seyn!
Indem ich also sitz' und voll Betrübniß dichte;
Eröffnete sich meine Thür',
Und wurde mir
Ein' aufgethürnte Schüssel Früchte
Von meinem liebsten Freund, Sylvander, zugeschickt.
So bald als ich den Glantz, der sie umhüllt', erblickt,
Erfüllt' er mich so gleich mit tausend Freuden,
Und, wie der dunckle Duft der Nacht
Früh durch Auroren bunte Pracht;
So must durch diese Pracht der Duft der Schwermuth scheide.
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Um nun, zu Gottes Ehr', daran mich zu ergetzen;
Befahl ich, sie auf meinen Tisch zu setzen,
Und brachte, gantz erquickt durch ihre Zier,
Die Lust, so ich empfand, mit Freuden zu Papier.
Du Quell erlaubter Augen-Lüste,
Des Herbstes prächtigs Schau-Gerüste,
Geschmückte Schüssel, wer dich sieht,
Erheb' in Andacht sein Gemüth
Zu Gott, der alle Dinge schafft!
Bewundre Seine Wunder-Kraft!
Bewundre Seine Vater-Triebe!
Erkenne Seine weise Liebe!
Ergetzt zur Frühlings-Zeit das menschliche Gesichte
Von auserles'ner Farb' ein bunter Bluhmen-Straus;
So sieht nicht minder schön im Herbst, voll süsser Früchte
Ein' aufgehäufte Schüssel aus.
Vor andern zieht, durchs Auge, meinen Sinn
Die saft'ge Pfirsich auf sich hin.
Ihr hell- und dunckel-Roth, ihr lieblichs gelblich Weiß,
Das hier sich deutlich theilt, dort unvermerckt vereinet,
Formirt oft einen bunten Kreis.
Der Circkel-runde Leib, der überzogen scheinet
Mit einem zarten Sammt, der glatt und rauch zugleich,
Und der ihr insbesondre nützet,
Da seine sanfte Rauhigkeit
Sie für den faulen Biß der Schnecken schützet,
Ist lieblich anzusehn.
Die Farben ihrer Haut sind Wunder-schön
Und unvergleichlich süß gemenget.
Bald war ein gelber Platz, der fast dem Agt-Stein gliche,
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Mit rothen Tüpfelchen besprenget,
Bald färbten einen Ort, der Blut-roth, gelbe Striche.
Nebst diesem ward das Aug' erfreut,
Als ich an diesen Pfirschen nahe,
In röthlich-gelber Lieblichkeit,
Viel Apricosen liegen sahe.
Ihr glattes Hertzen-förmigs Blatt,
Das ihr fast feurig Roth verdecket hat,
Vermehrte, durch sein lieblich Grün,
Die Schönheit dieser Frucht, die halb gespalten schien.
Oft zierten ihren Schmuck die dunckel-rothen Flecken,
Und alle schienen sie in einer sanften Seiden
Sich einzukleiden,
Womit sie sich fast, wie die Pfirschen, decken.
Bey dieser Schönheit wies sich auch
In dunckler Pracht, in schön-gestreckter Länge,
Ein röthlich-brauner Trauben-Strauch
Mit einer ungezählten Menge
Von lieblich-blau-bethauten Beeren,
An deren Schmuck selbst der Lasur nicht reicht,
Und deren klarem Glantz der gantz durchsicht'gen Glätte
Kein Onix, kein Sardonich gleicht,
Indem so gar der purpurn' Amethist,
Nicht schöner anzusehen ist:
Denn wenn des grösten Künstlers Hand
Aus itzt benannten Edelsteinen
Vollkomm'ne Kügelchen geschnitten,
Und nach der grösten Kunst gedrehet hätte;
So könnten sie unmöglich schöner scheinen:
Auf jeder sieht man in der Mitten
Ein blitzend Licht; denn weil sich alles ründet,
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Ist bloß allein ein' eintz'ge Stelle
Auf einer glatten Ründung helle,
Mit welcher sich kein' eintz'ge Farbe bindet,
Als welche sonder Glantz gemählich abwärts weichen,
Und sich einander selten gleichen.
Doch ist auch dieses schön,
Und sonder Lust nicht anzusehn,
Da halbe Farben, halbe Schatten,
Und halber Glantz im Wiederschein sich gatten.
Es ist nicht zu beschreiben,
Wie manchen Grad
Von Tiefungen und Höh'n solch eine Traube hat.
Dort schien, ob wollten weisse Trauben,
Dem ungeacht't, annoch den Preis der braunen rauben,
Ein gelblich-grüner Chrysolith,
Wie hell sein reiner Schein auch glüht,
Ist so durchsichtig kaum, als dieser Trauben Haut,
Wodurch man nicht allein die zarten Adern schaut;
Das süsse Fleisch ist selbst so klar,
Daß man den Mittel-Punct, der gelben Körner Paar,
In recht nachdencklicher Gestalt, als Gold erblickte.
Zwey Blätter, wovon eins Smaragden grün,
Das andre röthlicher, ja wie vergüldet, schien,
Worauf die Traube sich als auf zwey Polstern streckte,
Erhoben ihren Glantz, ob ihr das eine gleich
Fast auf den vierten Theil der dichten Beeren deckte,
Sie wurden, durch ihr Grün, noch einst so Farben-reich.
Ich sahe ferner mit Vergnügen
Dort eine grosse Zahl gefärbter Aepfel liegen,
Die oft in mercklichen, oft unsichtbaren Grentzen,
Halb recht wie Gold, halb wie Zinnober, gläntzen,
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Theils wie die Rosen blühn,
Theils wie der Purpur glühn,
Theils wie Topas und Chrysoliten scheinen,
Worauf gar oft vom klaren Thau
Ein weißlich Blau, ein lieblich Grau
Sich mischen und vereinen.
Hier siehet man den Rest der Sternen-förm'gen Blüht',
Wenn man von andern dort in einem holen Kreise
Die grünen frischen Stiele sieht,
Durch welche sie auf wunderbare Weise,
Erhaben in der Luft, entfernet von der Erden,
Gesäuget und ernähret werden.
Die Pyramiden-gleichen Birnen,
So, gelb- und roth-gefärbt, sich lieblich spitzend thürnen,
Sind ja so schön, so bund, so niedlich;
Und ob auf ihnen schon sich Gelb und Roth vereinen,
Und sie den Aepfeln gleich an Farben sollten scheinen;
Sind ihre Farben doch gantz unterschiedlich.
Sie zeigen, daß die spielende Natur.
Sowohl an Farben, als Figur,
Nicht zu erschöpfen ist.
Die güld'nen Aepfel der Sinesen,
Wovon das äussere wie auch das inn're Wesen,
Ein eß- und trinckbar Gold, vermehrt' der Schüssel Zier,
Sie strahl'ten aus der Frucht recht Wunder-schön herfür.
Der glatten Blätter funckelnd Grün
Erhöhete das Gold, das mehr als gülden schien,
Es mehrt den gelben Glantz die Silber-weisse Blüht',
Die voll Balsamischen Geruchs man um sie her,
Als wie von ungefehr,
Zu grössrer Zier bestreuet hatte.
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Der durch das Sonnen-Licht erzeugte runde Schatte,
Den ein hell-gelblicher Reflex im Umkreis brach,
Formirete nicht nur die schöne Ründ'; er stach
All and're Farben weg, durch holde Dunckelheit:
Hiedurch nun schmückte sich die hell-bestrahl'te Seit',
Die gegen Phöbus Licht gekehrt war, desto mehr,
Zumalen da, wo auf den glatten Schalen
Im Wieder-Schein der Sonnen-Strahlen
Ein kleines helles Bild der Sonnen, selber malen.
Bey dieser fremden Frucht besonderm Schein
Fiel dieser Wunsch mir ein:
Gott lässt übers weite Meer
Aus entfernten Ländern her
Uns güldene Aepfel, die eßbar sind, bringen.
Ach wenn wir sie sehen, ach wenn wir sie essen;
So lasst uns uns freuen, und ja nicht vergessen,
Dem Schöpfer und Geber ein Lob-Lied zu singen!
Der Birn' an Form, der Traub' an Farben gleicher Feigen
Bethauter Schmuck ist auch nicht zu verschweigen.
Die röthlich braune Dunckelheit
Vermehrt der Farben Lieblichkeit,
Die rings um ihren Purpur liegen.
Wenn man derselben reife Haut
Ein wenig aufgeborsten schaut;
Sieht man, nicht ohn' Vergnügen
In ihrem saft'gen Fleisch fast güld'ne Körner liegen.
Die Oeffnung ist so schön, wodurch sie uns anlacht,
Daß sie jedweden Mund, der Feigen liebt und acht't,
Nach ihrem Honig wäßricht macht.
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Alle Frucht, die Gott geschaffen,
Ist an Farben und Figur
Am Geschmack, Geruch, Natur
Wunderbarlich unterschieden.
Laß mich, Herr, in allen Dingen
Solche Wunder zu besingen
Und zu rühmen nicht ermüden!
Begreifen können wir die Wercke Gottes nicht.
Der Mensch scheint nicht dazu gemacht zu seyn;
Wohl aber ist er zugericht't,
Mit Seel' und Geist, durch aller Sinnen Thüren,
Der überall verhüllten Gottheit Schein
Als gegenwärtig zu verspühren.
Um Gottes Willen nehmt denn eure Pflicht in acht!
Lebt anders, als ihr sonst gelebet!
Denn wo ihr Gottes Werck nicht zu bewundern strebet;
So habt ihr, wie ein Vieh, das Leben zugebracht.
Ach! achtet Gott doch nur so viel, als ihr bisher
Das eitle Gold und Geld geachtet,
Und trachtet nach dem Mammon frey so sehr,
Als ihr bisher nach Gott getrachtet.
So oft ihr schöne Frücht' erblickt, riecht, fühlt und schmecket,
So schmeckt und sehet doch, wie freundlich Gott der Herr,
Der durch so manche Lust euch Seine Macht entdecket,
Er fordert nicht von euch ein langes Mund-Geplärr,
Als Seiner Wercke Lohn:
Geniesset sie mit Lust, denckt Sein, so danckt ihr schon.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Brockes, Barthold Heinrich. Gedichte. Irdisches Vergnügen in Gott. Eine Schüssel mit Früchten. Eine Schüssel mit Früchten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-440D-7