[255] Die Belagerung der Hofburg
Dort wo die Burg der Kaiser aufragt in alter Pracht,
Dort lagert König Maxens gewalt'ge Heeresmacht;
Denn drin hat der Magyare die letzte Kraft verschanzt
Und in die gewölbten Fenster sein Donnergeschütz gepflanzt.
Hier sandten Fürsten und Schranzen einst Gnadenblicke heraus,
Und wem solch einer gegolten, der eilte froher nach Haus;
Mit wem es jetzt liebäugelt aus diesen Fenstern nieder,
Auch der kehrt flugs zur Heimat mit pochendem Herzen wieder.
Wo seid ihr, Kaiseradler, was hat euch fortgeschreckt?
Nur einer blieb, – der oben am Stephansthurme heckt;
Auch dieser wär' entflogen, wenn nicht sein Leib von Stein.
Ha, oder ahnt er Frühroth nach nächtlichem Wetterschein?
Horch, Trommeln und Trompeten! Wie Maxens Faust sich ballt!
»Hei, drauf und dran, ihr Brüder!« Wie's kracht und ras't und knallt!
Dicht an die Burg schlägt Feldruf und mordender Kugeln Macht;
Wenn drin ein Kaiser schliefe, jetzt wär' er wohl erwacht.
Auf Leitern klimmen aufwärts der Krieger kühnste Reihn.
Ei, meint ihr einzusteigen zu Liebchens Fensterlein?
Schon harrt das Schätzchen und windet aus Rosen purpurroth
Um euer Haupt ein Kränzlein; – wie läßt so schön das Roth!
Es kämpft an Maxens Seite ein Rittersmann, der spricht:
»Mein Fürst, ihr werdet plötzlich so bleich im Angesicht.«
»Laß, Freund, und werd' ich blaß auch, wie könnt' es anders sein?
Von Schild und blanken Waffen ist's nur der Widerschein.
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Sturm! drauf und dran, ihr Brüder!« – Staub hüllt die Mauern ein,
Von Schwertern und Feuerschlünden blitzt rother Flammenschein;
Heim treibt ein Hirt in der Ferne die Heerde rascher fort:
Von Wien her rückt ein Gewitter, schon wetterleuchtet's dort.
Der Ritter an Maxens Seite, der sieht ihn an und spricht:
»Ihr seid so roth an den Schultern, mein Fürst, ist Blut dieß nicht?«
»Ei guter Freund, laß roth sein; dich trügt der Augen Schein,
Es wird wohl nur ein Lappen vom Purpurmantel sein.
Ha bravo, Brüder, vorwärts!« – Wie von den bebenden Mauern,
Gleich Blüthenflocken im Lenze, die Kugeln niederschauern!
Allmächt'ger Gott, laut krachend sinkt dort das Bollwerk ein,
Und niederpoltert donnernd das rauchende Gestein!
»Hinan! hinan!« – Sie stürmen durch Schuttgeröll' empor,
Ha, lustig wirbeln die Trommeln, laut jauchzt der Siegeschor!
Den Todten Friede! – Jetzt stürzen vom Walle Ungarns Fahnen,
Und Habsburgs erstes Banner grüßt von der Burg der Ahnen.
Als eingestürmt die Sieger, sehn sie in weiten Hallen
Die Leichen magyar'scher Krieger, wie Hügel an Hügel sich ballen,
Die Lebenden stehn daneben, den Säbel im Arm gezückt,
Ein Seraphchor, der schützend auf theure Gräber blickt.
Max trat zu ihrem Führer und drückt ihm sanft die Hand:
»Zieht hin, ihr edlen Streiter, in Frieden in euer Land,
Wenn Feinde gleich, doch ehr' ich solch kräftiges Geschlecht.
O kämpften einst vereint wir für ein Land und ein Recht!«
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Er sprach's; da faßt ihn Fieber, Blut aus der Wunde bricht,
Er sinkt in Freundesarme mit bleichem Angesicht;
Auf einer Bahre trugen sie ihn ins stille Gemach,
Doch Preis dem Herrn! bald ward er aus schwerem Schlummer wach.
Bald stand an seinem Lager Genesung, das schöne Weib,
Küßt ihn auf Aug' und Wange und feit ihm den wunden Leib.
Da klang einst eine Zither herauf beim Abendschein,
Und duft'ge Weste trugen die Klänge zu ihm herein:
»Vor manchem Pfeile schirmet das Weib des Geliebten Herz,
Erst wenn es ausgestürmet, weint sie dem eignen Schmerz;
So winkt zu Siegesbahnen dem Heer des Helden Hand,
Erst die ersiegten Fahnen sind seiner Wunden Verband.
So gleichen Beide dem Baume, der, wenn es hagelt und stürmt
In seinem schatt'gen Raume den bangen Wandrer schirmt;
Erst wenn die Stürme schweigen, die Lüfte wieder blau,
Dann schüttelt er von den Zweigen den eignen Thränenthau.«