Quellennachweis und Varianten aus Pommern und Rügen.
Nr. 1–3. Mündlich aus Quatzow, Kreis Schlawe.
Nr. 4. Mündlich aus Ritzig, Kreis Schivelbein. Der Erzähler hatte das Märchen in seiner Kindheit von einem alten, im Geruch der Zauberei stehenden Manne gehört, der es wieder einem Buche »Das Reich Gottes von Ewigkeit zu Ewigkeit« entnommen haben wollte. Wie viel an dieser letzten Sache wahr ist und ob überhaupt ein solches Buch besteht, vermag ich nicht zu beurteilen. Die Züge in dem Märchen scheinen volkstümlich. Die Vorstellung, dass kinderlose Frauen trockene Zweige am Baum des Lebens sind, habe ich auch sonst in Hinterpommern gefunden.
Nr. 5. Aus dem Kreise Lauenburg, dem Volksmunde nacherzählt und in der Mundart wiedergegeben von Frau Pastor Meinhoff.
Nr. 6. Mündlich aus Petznick, Kreis Pyritz.
Nr. 7. Mündlich aus Neuklenz, Kreis Fürstentum. Ein ähnliches Märchen findet sich bei Knoop, Volkssagen etc. aus dem östlichen Hinterpommern S. 204ff. Es ist betitelt »Die schöne Therese«. Sein Inhalt ist kurz folgender: Ein Königspaar lebt kinderlos dahin; ein Bettelweib verspricht Hilfe und bringt der Königin zwei Fische. Die soll sie essen und kein anderes Wesen davon geniessen lassen. Als die Wunderfische gar sind, frisst die Katze den einen. Nun werden die Königin und die Katze zu gleicher Zeit schwanger und genesen je eines Sohnes; der Sohn der Katze aber wurde Prinz Katz genannt. Er übertraf an Schlauheit seinen Bruder in allen Stücken. Die Prinzen wachsen heran und gehen gemeinsam auf die Jagd. Auf dem Heimweg werden sie von einem Regen überrascht. Da bitten sie den alten König, ihnen am Weg ein Haus zu bauen. Der König willfahrt ihrer Bitte, und ein Maler muss das neuerbaute Schloss mit Bildern schmücken. An die Thür malt dieser die schöne Therese. Der rechte Prinz verliebt sich in das Bild und ruht nicht eher, bis sein Vater ihn und Prinz Katz reisen lässt, dass sie die schöne Therese aufsuchen. Sie kommen durch einen Hohlweg, der in einen unterirdischen Gang mündet. Durch diesen gelangen sie in ein verwünschtes Schloss. Sie bringen ihre Rosse im Stalle unter, wo sie mit drei verwünschten Pferden zusammen stehen; dann gehen sie in das Schloss zurück, in dem ein Zimmer hell erleuchtet ist. In der Mitte desselben steht ein grosser Stein. Zu ihrer Verwunderung werden sie von unsichtbarer Hand aufs beste bewirtet. Ein gedeckter Tisch steht bereit, die Pferde werden besorgt, und für die Nacht sind zwei Betten aufgestellt. Während der rechte Prinz bald einschläft, bleibt Prinz Katz wach. Um Mitternacht öffnen sich die Fenster, drei Tauben fliegen herein und sprechen zu dem Stein: »Guten Abend, Mütterchen!« – »Schönen Dank, liebe Töchterchen!« antwortet der Stein. Auf die Frage der Tauben, was Neues geschehen sei, benachrichtigt sie der Stein von der Ankunft der Prinzen. Dieselben könnten aber die schöne Therese nur mit den drei verwünschten Pferden im Stalle erringen. Der rechte Prinz müsse [353] den Braunen, Prinz Katz den Schimmel nehmen. Dann ginge die Reise durch die Luft über das rote Meer zu dem Haus, wo die schöne Therese wohne. Genau um Mitternacht müssten die Prinzen dort sein, weil dann die wilden Tiere schliefen, welche die Jungfrau bewachten. Sie müssten sofort das Mädchen in die Arme nehmen und, bevor die wilden Tiere erwachten, den Rückweg antreten, sonst seien sie verloren. Schliefe Prinz Katz jetzt und habe er die Unterredung nicht gehört, so bekämen sie die schöne Therese nicht; auch dürfe er die Unterredung nicht weiter erzählen, sonst werde er sofort zu Stein werden. Auf Prinz Katz' Veranlassung geschieht am folgenden Tage alles so, wie der Stein gesagt hatte. Bei ihrer Rückkehr übernachten sie mit der schönen Therese in demselben verwünschten Schlosse. Um Mitternacht bleibt Prinz Katz wieder wach und ist von neuem Zeuge einer Unterredung der drei Tauben mit dem Stein. Hierbei erfährt er, dass die Tiere, welche die schöne Therese bewacht, sich allesamt in eine grosse Schlange verwandeln und in der dritten Nacht im königlichen Schlosse erscheinen würden, um die Geraubte zurückzuholen. Eine Rettung sei möglich, wenn Prinz Katz die Nacht im Schlafzimmer der schönen Therese wache und der Schlange, wenn sie durchs Fenster wolle, mit dem Säbel den Kopf abhaue. Ferner hört er, dass auch eine Erlösung des Steins und der drei Tauben möglich sei. In dem Pferdestalle ständen viele Spaten. Mit dem ältesten und schlechtesten müsse er, Prinz Katz, draussen graben. Dann würde eine schwere Axt zum Vorschein kommen, die er aus eigener Kraft nicht heben könne. Wenn er aber die in der Stube im Schrank stehende Flasche Wein austränke, so würde die Axt leicht werden, und er würde den Baum dort mit einem Streiche fällen. Am nächsten Morgen reiten die Prinzen mit der schönen Therese heim, und Prinz Katz tötet nach der Weisung des Steins die ungeheure Schlange, als sie den Kopf in das Fenster des Schlafgemachs der schönen Therese steckt. Darüber gerät er in den Verdacht, als sei er ein Mörder, und er soll hingerichtet werden. Auf der Richtstätte rechtfertigt er sich durch die Erzählung des Abenteuers und wird darauf zu Stein. Der Bruder beweint ihn jetzt und kommt tagtäglich, um ihn um Vergebung zu bitten. So geht es fort, bis die schöne Therese ihm zwei Söhne schenkt. Da erscheinen eines Tages die drei Tauben und sagen ihm, Prinz Katz könne gerettet werden, wenn er die beiden Kinder über dem Stein zerreisse und mit dem Blut denselben netze. Die Liebe zum Bruder und Schwager ist grösser, als die Elternliebe, die Kinder werden erwürgt, und kaum ist der erste Blutstropfen auf den Stein gefallen, wird Prinz Katz wieder lebendig. Als die Eltern sich nach den Kindern umsehen, sind auch diese wieder zu neuem Leben erwacht. Nun soll Prinz Katz für immer im Königsschlosse wohnen; er aber denkt an die letzte Nacht im verwünschten Schlosse und macht sich dorthin auf den Weg. Hier findet er den Spaten und gräbt die Axt heraus, trinkt den Wein und fällt den grossen Baum, von dem der Stein gesprochen hatte, mit einem Streich. In demselben Augenblick ist das Schloss erlöst, der Stein wird zur Königin, die drei Tauben wandeln sich in ihre drei Töchter. Prinz Katz heiratet die schönste davon, übernimmt die Königsherrschaft und lebt glücklich bis an sein Ende.
Nr. 8. Mündlich aus Ferdinandshof, Kreis Ueckermünde. Ein alter Erzähler aus Petznick, Kreis Pyritz, berichtete kurz folgende Variante: Ein König hat einen einzigen Sohn, der schon in der Wiege mit der Tochter des Königs von Niederland verlobt wird. Der König stirbt bald nach der Geburt des Prinzen, und die Königin verliebt sich in den alten General ihres verstorbenen Mannes. Als der Königssohn heranwächst, fürchtet das gottlose Paar seine Rache, und sie beschliessen, dem Schiffer, welcher den Prinzen über Meer zu seiner Braut nach Niederland fahren soll, den Befehl zu geben, dass er ihn heimlich über Bord [354] stosse. Der Prinz hat aber von seinem Vater her einen alten Diener überkommen, den treuen Johann. Auf dessen Begleitung verzichtet er nicht, und weil der treue Johann ihn auf Schritt und Tritt bewachte, so ändern sie ihren Plan und beschliessen, den Prinzen bei seiner Rückkehr umzubringen. Die Reise beginnt. Unterwegs erhebt sich ein furchtbarer Sturm; das Schiff geht unter, und nur der Königssohn und der treue Johann werden gerettet. Die Wellen verschlagen sie auf eine einsame Insel. Nur eine kleine Hütte ist in dem Buschwerk zu sehen; darin steht ein Tisch, und ein steinalter Mann sitzt davor und scheint zu schreiben. Sie fragen ihn, aber er antwortet nicht; sie stossen ihn an, da zerfällt er zu Asche. Auf dem Schriftstück aber, das vor ihm lag, hat er den zum Erben aller seiner Schätze eingesetzt, der ihn finden und beerdigen würde. Sogleich sammeln sie seine Asche und begraben sie, dann suchen sie in der Hütte nach und finden einen grossen Goldschatz. Um ihn zu bergen, stossen sie das Mark aus Flieder(Holunder)stämmen und legen das Gold in die Höhlungen; dann zimmern sie sich aus einem hohlen Baum einen Kahn und vertrauen sich auf ihm dem Meere an, weil kein Schiff in Sicht kommen wollte. Ein guter Wind treibt sie schnell fort, und sie gelangen an die Küste des Festlands; ein Strandreiter trifft sie und weist ihnen den Weg zur Stadt. Dort lassen sie die Holunderstämme auf dem Rathaus zurück, mieten ein Schiff und fahren nach Niederland. Der König ist hoch erfreut, die Hochzeit wird alsbald gefeiert und, mit grossem Heiratsgut bedacht, treten sie die Heimreise an. Unterwegs nehmen sie noch den Goldschatz in den Holunderstämmen auf; dann segeln sie mit gutem Winde weiter. Drei Tagereisen trennen sie nur noch von der Heimat, denn des Nachts gehen sie stets auf hoher See vor Anker. Der Prinz schläft, der treue Johann aber bleibt wach und sieht, wie sich um Mitternacht drei Raben auf den Spitzen der Mastbäume niederlassen. Die Raben erzählen sich Neuigkeiten, und der erste hebt an: »Der Königssohn aus Niederland wird seine Prinzessin nicht lange behalten. Kommt er nach Hause, so steht für ihn auf Geheiss der gottlosen Königin und des alten Generals ein prächtiger Fuchs bereit. Besteigt er das Tier, so bleibt von ihm nichts übrig, wie Staub und Nebel; verrät ihm aber jemand das Geheimnis, so wird derselbe von der Sohle bis zum Knie ein Stein.« Die nächste Nacht wacht der treue Johann wieder und hört von dem zweiten Raben folgendes: »Wenn der Prinz in den Königssaal kommt, so steht dort für ihn ein Stuhl von Demantstein. Setzt er sich aber darauf, so ist er des Todes; denn ein Dolch springt heraus und stösst ihm das Herz ab. Wer aber das Geheimnis dem Prinzen verrät, der wird von dem Knie bis zur Brust ein Stein.« In der dritten Nacht erzählt der dritte Rabe: »Kommen die beiden in die Brautkammer und legen sich in das Hochzeitsbett, so bleibt von ihnen nichts weiter übrig, als nur die Knochen. Es giebt nur eine Rettung, nämlich das Bett zu zerschlagen und aus dem Fenster zu werfen. Wer's aber erfährt und dem Prinzen verrät, der wird vom Wirbel bis zur Brust ein Stein.« Am andern Morgen langen sie wieder in der Heimat an. Wie der Rabe gesagt hatte, steht ein prächtiger Fuchs am Strande, um den Königssohn in das Schloss zu tragen. Der treue Johann sticht ihn tot. Zornig verlangt der General, der Buhle der Königin, des treuen Johann Bestrafung, aber der junge König antwortet: »Lasst nur, es ist ja mein treuer Johann gewesen!« Ebenso geht's mit dem Stuhl von Demantstein; als der treue Johann jedoch selbst des Hochzeitbettes nicht schont, wird auch der König zornig und bedroht seinen Diener mit dem Tode. Jetzt muss sich der treue Johann rechtfertigen, er erzählt das Abenteuer mit den Raben und wird zu Stein. Der junge König und seine Gemahlin stellen den Stein in ihre Schlafkammer und beweinen ihn tag täglich. In sieben Jahren schenkt die Königin ihrem Manne sieben Kinder. Da träumt beiden [355] Eltern drei Nächte hintereinander derselbe Traum: wenn sie die sieben Kinder schlachteten und mit ihrem Blute den Stein bestrichen, so würde der treue Johann wieder lebendig werden. Anfangs wagt keins von beiden, dem andern den Traum zu erzählen, endlich sprechen sie sich aus und werden einig, dem dreimaligen Traume nachzukommen. Sie schlachten die sieben Kinder, bestreichen mit dem Blut den Stein, und frisch und gesund steht der treue Johann vor ihnen. Jetzt schauen sie sich nach den sieben Kinderleichen um. Siehe, da sind dieselben allesamt wieder zu neuem Leben erwacht. Die alte Königin aber und der gottlose General wurden in Pech und Schwefel verbrannt.
Nr. 9. Mündlich aus Quatzow, Kreis Schlawe.
Nr. 10. Mündlich aus Zabelsdorf, Kreis Randow; Ferdinandshof, Kreis Ueckermünde. In Kratzig, Kreis Fürstentum, wurde mir nur der erste Teil erzählt. Der liebe Gott, der Teufel und der Tod bieten sich einem armen Bauern als Gevattern an. Derselbe wählt als gerechtesten den Tod. Vgl. Jahn, Volkssagen aus Pommern und Rügen Nr. 43. Zu dem Glauben an das Lebenslicht vergleiche ebenda Nr. 46 die Sage aus Reckow, Kr. Lauenburg.
Nr. 11. Mündlich aus Petznick, Kreis Pyritz.
Nr. 14. Mündlich aus Ferdinandshof, Kreis Ueckermünde.
Nr. 15. Mündlich aus Petznick, Kreis Pyritz. Ein ähnliches Märchen wurde mir auch in Grambin, Kreis Ueckermünde, erzählt.
Nr. 16. Mündlich aus Quatzow, Kreis Schlawe. Das Märchen wird allenthalben in Pommern gern erzählt und gehört. An Varianten habe ich folgendes notiert: In Ferdinandshof, Kr. Ueckermünde, beschränkt sich der Gang des Märchens auf die Erlösung der schwarzen Prinzessin. Dieselbe ist verwünscht, weil der König, dessen Ehe viele Jahre kinderlos war, endlich seine Frau mit den Worten umarmte: »Du sollst mir ein Kind schenken, und wenn der leibhaftige Teufel drein schlägt!« Der Erlöser ist ein braver Bursche, der mit dem für die Nachtwache ausgesetzten Preis seinen verschuldeten Eltern aushelfen will. Darum nimmt sich das Graumännlein, das der liebe Gott selber ist, seiner an. – In der Umgegend von Schlawe wurde einfach erzählt, ein König und eine Königin hätten eine einzige Tochter gehabt. Der sei geweissagt worden, sie würde mit dem 17. Jahre eine Menschenfresserin werden. Das trifft ein. Mit dem 17. Jahre stirbt die Prinzessin und wird in der Kirche aufgebahrt; jede Nacht muss ein Soldat Schildwacht stehen, am andern Morgen ist er aufgefressen. »Hans« trifft das Loos, und er muss auf den Posten. Auf dem Kirchhof begegnet ihm ein Männchen, giebt ihm ein Stück Kreide in die Hand und befiehlt ihm, damit um3/411 Uhr zwischen Altar und Fussende des Sarges einen Kreis zu beschreiben und hineinzutreten, bis es 12 schlägt. Er thut's und wird gerettet. In der zweiten Nacht hat er den Kreis zwischen Altar und Kopfende des Sarges zu beschreiben. Die Sache gelingt, ebenso in der dritten Nacht, wo er den Kreis zwischen Altar und der Sargmitte zu schlagen hat. Darauf ist die Prinzessin erlöst, und »Hans« heiratet sie. – In Petznick, Kreis Pyritz, wird die Geburt der Prinzessin darauf zurückgeführt, dass die Königin, um dem König ein Kind zu gebären, auf den Rat einer alten Hexe einen Zauberthee zu sich nimmt. Als das Mädchen zur Welt kommt, ist es halb Teufel, halb Mensch. Es kann sofort laufen, klettert aus der Wiege heraus und springt über Tische und Bänke. Die Eltern »katzbalgen« sich mit dem Kinde herum, bis es 14 Jahre alt ist. Es folgt die Verwünschung in der Kirche. Der Erlöser wird von einer alten Frau beraten. Das erste Mal muss er sich in der Kirche unter der dritten Bank von vorne, das zweite Mal unter der dritten Bank von hinten [356] verstecken; das dritte Mal hat er sich frei auf den Altar zu stellen. Er befolgt genau den Rat der Alten, erlöst und heiratet die Prinzessin.
Nr. 17. Mündlich aus Quatzow, Kreis Schlawe. – In Ferdinandshof, Kr. Ueckermünde, hörte ich folgende Variante: Ein Bauer hat einen über die Massen starken Sohn, den »starken Hans«. Da ihn der Vater nicht ernähren kann, schickt er ihn Martini zum Edelmann, dass er da sein Brot suche. Er verübt dort dieselben Streiche, wie oben in der Quatzower Fassung, und wird vom Edelmann abgelohnt und zum König geschickt. Nachdem er durch seine unbändige Kraft Feldwebel und Hauptmann in Schrecken gesetzt hat, wird er vom König dazu ausersehen, ein verwünschtes Schloss zu erlösen. Im Unterschied zu der Quatzower Fassung führt er das Erlösungswerk in den drei Nächten allein aus. In der ersten Nacht besteht er ein Abenteuer mit drei schwarzen Kerlen. Er ladet sie zu einem Solo ein. Da die Schwarzen jedoch falsch spielen und ihn ärgern, so ergreift er den ersten besten beim Kragen und schlägt mit ihm auf die andern ein, dass sie tot zu Boden sinken. Um 12 Uhr kommt ein steinaltes Mütterchen, schleppt die Toten zur Thüre hinaus und wischt das Blut auf. In der zweiten Nacht kommen zwölf Kerle. Sie kegeln. Die Kugeln sind Schädel, die Kegel Totenbeine. Der starke Hans soll den Kegeljungen spielen. Das will er nicht. Endlich bringen ihn die zwölf soweit, dass er mitmacht bei der Partie. Während des Kegelns kommt's zum Streit. Der starke Hans ergreift einen Feuerbrand, leuchtet dem vorlautesten damit ins Gesicht und, siehe, da war's derselbe Kerl, mit dem er gestern die beiden andern zu Tode geschlagen. Das kränkt ihn, und er packt ihn wieder beim Kragen und erschlägt mit ihm die elf andern. Schlag 12 Uhr erscheint die Hexe, trägt die Leichen beiseite und wischt den Fussboden auf. »Das sind schlechte Kerle,« meint der starke Hans, »die spielen falsch und ärgern die Menschen, und wenn man sie tot schlägt, werden sie wieder lebendig. Sollten sie morgen wiederkommen, so binde ich erst garnicht mit ihnen an.« Er musste aber wohl, denn am dritten Abend stürzen mit dem Glockenschlage 11 vierundzwanzig Kerle auf ihn ein, und Hans sinkt unter ihren Streichen auf ein Knie. Der Schluss dann genau so, wie in Nr. 17, nur dass Hans nicht drei, sondern nur eine Prinzessin erlöst, die er dann auch heiratet. – Ein Erzähler aus Zabelsdorf, Kreis Randow, kannte nur den ersten Teil des Märchens ohne die Erlösungsgeschichte. Johann muss bei seinem Vater Hunger leiden und geht deshalb zum Edelmann und bietet sich ihm als Knecht an. Sie werden dahin einig, dass Johann als Lohn Sattessen, Satttrinken und am Ende des Jahres einen hölzernen Dreier und eine Ohrfeige bekommt. Den Schlag darf er aber vergelten. Die Sache behagt dem Herrn, aber schon am ersten Tage wird sie ihm leid. Zunächst isst Johann für zwanzig; dann hebt er einen beladenen Kornwagen, dessen Räder der Knecht zu schmieren vergessen, in die Höhe, streift ein Rad nach dem andern von der Achse und schmiert es ein, setzt es wieder an seinen Ort und stellt dann den Wagen zur Erde. Darauf geht's mit den andern Knechten in den Wald. Hier machen sich die Leute mit den Hebebäumen an die Arbeit; Johann lacht sie aus, legt mit freier Hand die grössten Stämme auf seinen Wagen und kehrt zum Hofe zurück. Dort findet er den Thorweg verschlossen. Sofort nimmt er den Wagen samt Pferden und Ladung und wirft ihn über das Thor weg mitten auf den Hof. Dem Edelmann wird himmelangst, und er will den starken Johann töten. Zu dem Zwecke heisst er ihn, als die Knechte zurückkommen vom Busch, in den Brunnen steigen und dort den Sand ausschippen. Kaum ist er drinnen, so werfen allesamt Feldsteine auf ihn herab. Johann wirft nach einer kleinen Weile die Steine wieder zurück und spricht dabei: »Was haben die Hühner stark gemistet!« Jetzt lässt der Herr die Glocke vom Turm holen, und die Knechte werfen sie [357] in den Brunnen, Johann auf den Kopf. Der kommt mit fröhlichem Gesicht aus dem Schacht hervorgekrochen und freut sich über die schöne Schlafmütze. Nun ist's mit dem Witz des Edelmanns zu Ende; er lohnt Johann ab und giebt ihm den hölzernen Dreier und die Ohrfeige. Jetzt war Johann an der Reihe. Er langt aus und giebt dem Herrn einen Schlag hinter die Ohren, dass derselbe zur Erde fällt. Darauf reisst er das Fenster auf und schlägt ihn mit solcher Gewalt hinten vor, dass er weit ins Land hinaus fliegt und erst am vierzehnten Tag wieder zur Erde herabkommt. Johann aber ist inzwischen seiner Wege gegangen und hat sich nicht wieder in der Gegend blicken lassen. – Ebenfalls nur den ersten Teil des Märchens, aber mit einer weit grösseren Anzahl märchenhafter Züge ausgeschmückt, bietet das Märchen vom Jsermartin aus dem Bütower Kreise bei Knoop, Volkssagen etc. aus dem östlichen Hinterpommern. S. 208ff. Der Inhalt desselben ist kurz folgender: Ein Grobschmied lebt mit seiner Frau in kinderloser Ehe. Die Frau macht dem Meister eines Tages beim Mittagsmahle Vorwürfe darüber; da eilt derselbe nach dem Essen in die Schmiede, nimmt ein Stück Eisen und hämmert einen Jungen daraus. Den bringt er seiner Frau; und da er sich so kalt anfühlt, wird er hinter den Ofen gestellt, um aufzutauen. Nach einer Viertelstunde fordert er denn auch schon Speise und Trank und isst von da an tagaus tagein so fürchterlich viel, dass die guten Grobschmiedsleute in Armut geraten. Als sie darüber betrübt sind, lässt er sich einen 15 Pfund schweren eisernen Stock schmieden und geht auf die Wanderschaft, um Geld zu verdienen und seinen Eltern durch den Verdienst den angerichteten Schaden zu ersetzen. Zuerst verdingt er sich bei einem bösen Gutsbesitzer. Bedingung ist: Jsermartin hat für das blosse Essen zu arbeiten und alle Befehle des Herrn genau auszuführen. Nach Ablauf des Jahres darf er den Herrn dreimal mit drei Fingern hinten vor schlagen. Derselbe befiehlt ihm am ersten Tag, nicht eher zu Mittag auszuspannen, als bis der Hund nach Hause geht. Der Hund will nicht gehen; da hilft Jsermartin mit dem Zwölfpfünder nach, und als er nun heulend davon läuft, jagt Jsermartin mit den Gäulen hinter ihm drein. Der Hund setzt über den Gartenzaun, Jsermartin ergreift das Gespann und wirft es ihm nach, so dass die Pferde tot liegen bleiben. Am Nachmittag soll der Hof gereinigt werden. Jsermartin hebt das Scheunenthor aus den Angeln und schaufelt damit einmal um den Hof herum, da ist alles in Ordnung. Am nächsten Tag denkt der Herr, es recht klug anzufangen, und befiehlt dem Jsermartin, nicht eher Mittag zu machen, als bis die Pferde lachen. Jsermartin schneidet ihnen die Lippen ab, dass die Zähne sichtbar werden, und kehrt bald nach der Vesperzeit auf den Hof zurück. Einmal soll Jsermartin mit den Bauern in den Wald, Kien roden. Er verlangt als Frühstück 1 Tonne Schnaps, 2 Tonnen Bier, 12 Brote und 2 Butten mit Butter. Das isst er mit den Bauern im Walde auf, ehe sie an die Arbeit denken, dann legt er sich schlafen. Jetzt treten die Leute neugierig an ihn heran, um ihn genauer zu besehen. Siehe da, seine Hosen stehen weit offen, und einer von den Männern tritt ihm mit dem Fuss zwischen die Beine, kann aber die Öffnung nicht füllen. Jetzt kommen die andern Bauern dazu, und siehe, allesamt haben sie bequem darin mit ihren Füssen Platz. Plötzlich zieht Jsermartin das Gekröse zusammen, und alle Bauern sitzen fest. Nun erhebt er sich und geht im Walde hierhin und dorthin, wo die Stubben am dichtesten stehen. Die Bauern klammern sich in ihrer Herzensangst daran fest und entwurzeln sie, sobald Martin weiter schreitet. Endlich ist der Kienhaufen gross genug, und er entlässt die Geschundenen. – Ein andermal dreschen die Leute. Jsermartin treibt sie allesamt auf das Fach, reisst den stärksten Balken heraus und heisst sie nun die Garben herunterwerfen. Sowie eine Ladung kam, hieb er einmal zu, und die Garben [358] waren nicht nur ganz leer, sondern auch gleich zu Krummstroh geworden. Als die ganze Ernte auf diese Weise gedroschen ist, bläst Jsermartin mit vollen Backen ein paar Mal hinein, und Spreu und Körner sind von einander geschieden. Dann schaufelt er alles mit der Scheunenthür in einen einzigen Sack, in den alle Laken und Bettbezüge aus dem ganzen Dorf vernäht waren. Den Sack wirft er sich auf den Buckel, um ihn auf den Speicher zu tragen. Sein Weg führt ihn durch das Thor. Schnell lässt der Herr seinen schlimmsten Bullen los. Wie dieser den Jsermartin anrennt, ergreift er ihn beim Schwanz und wirft ihn mit einem Ruck oben auf den Sack, dann geht er durch den Thorweg und zermalmt dabei das böse Tier vollständig. Es folgt das Abenteuer mit dem Brunnen. Der Herr schickt Jsermartin zum Ausbessern des Schachtes in den Brunnen und lässt dann einen Mühlstein und die grosse Glocke auf ihn werfen. Er kommt herauf und freut sich über den neuen Kragen und die neue Nachtmütze. Wieder einige Zeit später schickt ihn der Herr mit den lachenden Pferden in den Wald, dass er eine Fuhre Holz hole. Er hat aber die Axt vergessen. Ein Bauer, den er um die seine angeht, weist ihn zurück, aus Furcht, Jsermartin möchte sie ihm in tausend Stücke zerschlagen. Da reisst der Starke mit der Hand die Bäume aus und trägt sie auf den Wagen. Siehe, da haben zwei Löwen die Pferde zerrissen. Sofort wirft er das Geschirr über sie und treibt sie mit dem Fünfzehnpfünder an, die schwere Last durch das Thal den Berg hinauf zu ziehen. Oben lässt Martin die Löwen verschnaufen und setzt sich nieder, um sich zu erleichtern. Das that er nur einmal im Jahre, und so füllte er das ganze Thal voll. Als der Bauer mit seinem Wagen kam, konnte er nicht durch. Martin aber lachte und sprach: »Das war für die Axt«; dann trieb er die Löwen weiter, bis sie auf den Hof kamen. Dort sollten sie Heu fressen, und als sie's nicht wollten, schlug er sie tot. Ein neues Abenteuer hat er auf das Geheiss seines Herrn in einer Wassermühle zu bestehen, in welcher der Teufel hauste (vgl. den ganz ähnlichen Zug in dem Märchen Nr. 18 vom Wolfskinde). Der Teufel will ihn hindern; da packt ihn Jsermartin am Kragen und schleift ihm auf dem Mühlstein soviel hinten ab, bis er verspricht, nicht nur das Kaff zu Weizenmehl zu mahlen, sondern auch die Mühle fortan in Ruhe zu lassen. Dem Herrn ist inzwischen der Knecht leid geworden, und er möchte ihn vor der Zeit los sein. Zu dem Zweck heisst er seine Frau auf den Baum klettern und Kuckuck rufen. »Das Jahr ist um, der Kuckuck ruft,« spricht der Herr. Jsermartin aber nimmt ein Gewehr und schiesst den falschen Kuckuck vom Baume herab. Endlich ist das Jahr um, und der rechte Kuckuck schreit. Nun hat der Pakt ein Ende, nur die drei Streiche sind noch auszuteilen. Aber schon beim zweiten giebt der Herr, der aus dem Fenster bis an die Grenze des Gutes flog, seinen Geist auf. Jsermartin lässt nun seinen Mitknechten das Gut als Eigentum und geht zum Himmel. Petrus weist ihn ab und schickt ihn zur Hölle. Dort schlägt er mit dem Eisenstock an das Höllenthor. Alle Teufel fliehen, nur Beelzebub, der in der Mitte der Hölle an einer eisernen Kette lag, heisst ihn herein kommen. Zur Strafe für seinen Übermut soll Jsermartin in ein Bett gelegt werden, dessen Boden aus Rasiermessern bestand, die Schneiden nach oben. Er versteht aber die Sache falsch, packt den Beelzebub, dass seine Kette wie Glas zerspringt, und drückt ihn in das Bett. Um los zu kommen, muss der Teufel versprechen, fortan die Menschen zu verschonen; ausserdem muss er Jsermartin eine Tonne Gold geben. Ehe dieser mit seinem Schatz die Hölle verlässt, üben sie noch ein Wettwerfen mit der Axt aus. Der Teufel wirft die Axt so gewaltig (in den Weltenraum (!), wie Knoop erzählt), dass sie erst nach zwei Stunden zurückkommt. Jetzt ist Jsermartin an der Reihe. Da er aber die ganze Welt samt der Hölle zu zertrümmern droht, unterbleibt sein Wurf, und er zieht so von [359] dannen. Zu seinem Vater, dem Grobschmied, zurückgekehrt, übergiebt er ihm das Gold; dann kriecht er hinter den Ofen und wird wieder in Eisen verwandelt, was er vorher gewesen war.
Nr. 18. Mündlich aus Sydow, Kreis Schlawe.
Nr. 19. Mündlich aus Ferdinandshof, Kreis Ueckermünde.
Nr. 18–19 Ähnliche Märchen wohl allenthalben in Pommern zu finden. Hier möge es an folgenden Varianten genug sein: Ein Schmied schmiedet einen eisernen Mann »Îsenkîerl« und stellt ihn ins Schapp. Am andern Morgen will er Essen aus dem Schapp hervorlangen. Da spricht der Îsenkîerl: »Vater, was willst du hier?« Den Schmied wundert die Sache; da der eiserne Mann aber sprechen und hantieren kann, so heisst er ihn aus dem Schapp herausgehen und ihm beim Schmieden helfen. Zwei Hammer schlägt er entzwei; der dritte hält aus, aber der Îsenkîerl schlägt damit den Amboss tief in den Erdboden hinein. »Dich kann ich nicht brauchen,« sagt der Schmied. Er schmiedet ihm einen gewaltigen eisernen Krückstock und heisst ihn auf die Wanderschaft gehen. Unterwegs trifft er einen Jäger, einen Steinhauer und einen Holzhacker. Er nimmt sie mit sich und kommt in die kleine Hütte. Dort wohnen sie. Drei jagen Wild, einer bleibt zu Hause und besorgt die Wirtschaft. Erst hat der Jäger, dann der Steinhauer, dann der Holzhacker wie in 18 u. 19 das Abenteuer mit dem Unterirdischen zu bestehen. Endlich bleibt der eiserne Mann zu Hause. Er bezwingt den Zwerg und klemmt seinen Bart in der Thürspalte fest, die Haare reissen aus, und der Zwerg entkommt in den Berg. Dort suchen ihn der eiserne Mann und seine drei Genossen auf. Sie lassen sich nach einander in das Bergloch hinab, zuerst der Jäger, dann der Steinhauer, dann der Holzhacker, keiner vermag ihn zu finden. Endlich macht sich der eiserne Mann selbst auf die Fahrt. Unten findet er eine Menge Drachen. Er tötet sie. Bei den Drachen weilte eine Hexe. Dieselbe zeigt ihm den Versteck des Unterirdischen. Nachdem er denselben zur Strafe durchgeprügelt hat, lässt er sich von der Hexe auf die Oberwelt zurückhexen. Oben bestraft er seine drei Genossen, weil sie davon gelaufen waren und ihn nicht wieder in die Höhe gezogen hatten. Dann nimmt er alles Geld, was er in dem Häuschen fand, und kehrt zu dem Schmied zurück. Mündlich aus der Umgegend von Putbus auf Rügen. – Mit Nr. 19 »dem Märchen vom Männchen Sonderbar« stimmt folgende Variante aus Quatzow, Kr. Schlawe, im wesentlichen überein: Ein Schmied hat einen starken Gesellen. Der Inspektor fährt den letzteren rauh an; der Geselle lässt ihn darauf den Hammer fühlen. Da es zur Zeit der Unterthanenschaft (d.i. Leibeigenschaft) war, mnsste der Meister den Gesellen entlassen. Der Edelmann fertigt ihm sein Buch aus. Wie er nun über den Hof geht, lässt der Inspektor den Bullen auf ihn. Jener fasst das Tier beim Schwanz und wirft's sich über den Buckel, geht damit zur Schmiede und schneidet ihm die Kehle durch. »Was bringst du da?« fragt der Meister erschrocken. »Fleisch für dich und mich,« antwortet der Gesell und haut mit dem Beil den Bullen in zwei Teile. Dann geht er in die Werkstatt und schmiedet sich einen festen eisernen Korb und einen eisernen sechszölligen Handstock. In den Korb thut er den halben Bullen, den Stock nimmt er in die Hand, dann sagt er dem Meister lebewohl und zieht seiner Wege. Im Wald trifft er nach einander zwei starke Männer, die ihre Kraft mit ihm messen. Zuerst müssen sie seinen Korb und Stock tragen, sie können's nicht; darauf ein Ringkampf, in dem der Geselle sie auf den Rasen wirft. Das Ende des Kampfes ist in beiden Fällen dasselbe, die Starken geben sich in die Dienste des Gesellen und folgen ihm nach. Es folgt nun wie in Nr. 19 das Abenteuer mit dem Unterirdischen. Der Geselle besiegt ihn, und der Zwerg flüchtet unter einen gewaltigen, haushohen Stein, der ganz mit Moos bewachsen [360] ist. Der eine der beiden Starken, seines Zeichens ein Steinsprenger, macht sich an die Arbeit und spaltet den Stein. Unter ihm ist ein tiefes Loch, dessen Ende mit den längsten Stangen nicht erreicht werden kann. Da flechten die drei ein Seil und binden den Korb daran. Darauf wird der Schmied in die Tiefe gelassen. Unten ist's heller lichter Tag. Vor ihm liegt ein grosses Schloss. Er geht hinein und kommt von einem Zimmer zum andern. In dem letzten ist ein grosses Bett, in welchem ein gewaltiges Ungetüm mit neun Köpfen liegt. Davor sitzt eine wunderschöne Prinzessin. »Mach, dass du fort kommst, Unglücklicher,« spricht sie leise, »ein Drache liegt im Bett, und wenn er erwacht, so bist du des Todes!« An der Wand hing aber ein grosses Schwert. Der Schmied griff danach, konnte es jedoch nicht von der Stelle rühren. Da deutet die Prinzessin mit dem Finger nach der Flasche auf dem Tisch. Er setzt sie an den Mund und leert sie in einem Zug. Sogleich durchdringt ihn zehnmal grössere Kraft, als vorher; er ergreift das Schwert und schwingt's, wie einen Flederwisch, haut zu und schlägt dem Drachen im Bette mit einem Hieb die neun Köpfe ab. Nun ist die Prinzessin erlöst und verspricht dem Schmied, dass sie ihn heiraten wolle. Das ist dem schon recht, aber wie hinaufkommen. Geht er zuerst in den Korb, so rauben die Unterirdischen inzwischen die Prinzessin; lässt er aber der Prinzessin den Vorrang, so lassen ihn seine Gefährten im Elend sitzen. Als ihm die Königstochter aber ihren Ring giebt und ihm verspricht, drei Jahre seiner zu warten, da entschliesst er sich kurz und lässt sie hinaufziehen. Kaum ist sie oben, so lassen die beiden Starken den Korb wieder herab. Der Schmied traut ihnen jedoch nicht und legt den Handstock in den Korb. Er hat sich nicht verrechnet. Als der Korb drei Viertel in die Höhe gezogen ist, lassen die Bösewichter die Last fallen, und der Schmied muss geschwind beiseite springen, dass er das Leben behält. Inzwischen hat die Prinzessin den beiden zuschwören müssen, dass sie ihrem Vater, dem König, sagen wolle, die Starken hätten sie erlöst. Dann zogen sie mit ihr in ihr Reich; und der alte König war so erfreut, als er seine Tochter wieder sah, dass er sie sogleich einem der beiden geben wollte. Sie aber will noch drei Jahre warten und um die schwere Zeit trauern, die sie bei dem Drachen durchgemacht. Der Schmied läuft indessen unter dem Berge umher und durchsucht das ganze Schloss. Dabei findet er den Zwerg. Er droht ihm mit dem Tode, wenn er ihm nicht wieder aus der Unterwelt heraus hilft. Darauf sagt der Zwerg: »Geh immer gerade aus! Dann kommst du an ein grosses Wasser. Dort hat Vogel Strauss sein Nest, und das ist der grösste von allen Vögeln. In seinem Nest liegen zwei Junge, die müssen elendiglich verhungern, weil Vogel Strauss nur alle sechs Monde einmal kommen und ihnen Atzung bringen kann. Fütterst du ihm die Jungen auf, so wird dich Vogel Strauss zum Lohne dafür in die Oberwelt tragen.« Wie der Zwerg geraten, so that der Schmied. Er kam an das Wasser, fand das Nest und fütterte die Jungen auf. Eines Tages vernahm er ein gewaltiges Sausen. Auf den Rat der Jungen flüchtete er unter ihre Flügel, und das war sein Glück. Denn schon war Vogel Strauss da und rief: »Was ist das? Ihr seid am Leben? Wer hat euch gefüttert? Zum Dank werde ich ihn auffressen!« Endlich hatten die Jungen ihm die bösen Gedanken ausgeredet. Da durfte dann der Schmied hervorkriechen, und Vogel Strauss versprach ihm, dass er ihn zur Oberwelt tragen wolle. Sie mussten aber über ein grosses, grosses Wasser, und als sie drei Viertel darüber waren, verliessen Vogel Strauss seine Kräfte, und er rief: »Ich kann nicht weiter, ich muss dich fallen lassen, wenn ich nicht etwas zu fressen bekomme!« Da schnitt sich der Schmied mit dem Messer ein grosses Stück Fleisch unter dem Arme weg und gab's Vogel Strauss. Der frass es auf und rief: »Hätte ich das gewusst, dass du so gut schmeckst, ich hätte [361] dich doch vor Freuden gefressen. Aber nun mag's drum sein!« Dann flog er weiter und weiter, bis das Wasser zu Ende war. Dort setzte er den Schmied nieder und flog zu seinen Jungen zurück. Der Schmied reist zum Schloss des Königs, dessen Tochter er erlöst hat. Als er ankommt, sind gerade die drei Jahre verflossen; die Stadt ist geflaggt, und auf dem Schloss wird Polterabend gefeiert. Er geht ins Wirtshaus und schickt den Wirt mit dem Ring aufs Schloss. Die Prinzessin lässt ihn zu sich holen; er tritt vor den König und erzählt die ganze Geschichte. Darauf erhält er die Prinzessin zur Frau, seine schlechten Kameraden werden mit vier Ochsen aus einander getrieben. – Durch Vermittlung von Herrn O. Knoop, den verdienstvollen Herausgeber der ostpomm. Sagen, ist mir ferner folgende von Herrn Archut in Wusseken, Kreis Bütow, aufgezeichnete Variante zugestellt worden: Ein König hatte drei Töchter. Um das Schloss zog sich ein prächtiger Garten, den die Prinzessinnen vor ihrem 14. Jahre nicht betreten durften. Die älteste übertrat das Verbot, und kaum war sie im Garten, so war sie auch spurlos verschwunden. Ebenso erging es drei Jahre darauf der zweiten und dritten Prinzessin. Nun hatte der König unter seinen Soldaten einen Tambour; der betrank sich eines Abends und verlor dabei seinen Säbel. Da liess er sich einen von Holz machen. Als das dem Könige gemeldet wurde, beschied er den Tambour zu sich und sprach zu ihm: »Tambour, du weisst, dass ich grossen Ärger habe um meine drei Töchter. Ich mag nicht länger leben; zieh deinen Säbel und schlag mir den Kopf ab! Und weigerst du dich, so lass' ich dich an den Galgen hängen!« Der Tambour war aber ein schlauer Fuchs und antwortete: »Wenn ich euch denn mit meinem Schwerte den Kopf abhauen soll, ei, so wünschte ich gleich, dass er von Holz wäre.« Damit zog er den hölzernen Säbel hervor und stellte sich verwundert, als ob sein Wunsch in Erfüllung gegangen sei. Der alte König jedoch freute sich der Klugheit des Mannes und sprach zu ihm: »Du bist der rechte, du musst meine drei Töchter erlösen. An Geld soll's dir nicht fehlen; nimm so viel aus meiner Schatzkammer, als du irgend magst. Auch zwei Begleiter sollst du haben. Aber bringst du die Sache nicht zu Ende, so soll dich der Henker an den Galgen hängen.« Nachdem der König dies gesprochen, ging der Tambour, nahm von seiner Kompanie zwei lustige Brüder und begann ein Luderleben, bei dem die königliche Kasse stark herhielt. Neun Monde hatte er's so getrieben und noch immer nichts für die Erlösung der drei Prinzessinnen gethan. Da befiel ihn die Furcht, der König möchte dahinter kommen; er besprach sich mit seinen Gesellen, und sie machten sich auf und davon. Als sie die Grenze überschritten hatten, kamen sie in einen ungeheuren Wald. Es folgt nun die Auffindung der Hütte und das Abenteuer mit dem Unterirdischen. Derselbe führt sich den ersten Tag damit ein, dass er sagt: »Hab' ich doch schon hundert Jahre hier gewankt und noch nie jemand in diesem Hause gesehen.« Am zweiten Tag werden 200, am dritten, als der Tambour zu Hause bleibt, gar dreihundert Jahre daraus. Abweichend ist ferner in dieser Version, dass der Zwerg als Waffe eine eiserne Peitsche hat, die er am ersten und zweiten Tage den beiden Gefährten des Tambours zu fühlen giebt, dass ihnen die Sinne vergehen. Ehe der Unterirdische am dritten Tage mit dem Tambour ein Gleiches thun kann, bittet ihn dieser, ihm bei dem Spalten eines gewaltigen Hauklotzes behilflich zu sein. Der Zwerg thut das, schlägt mit aller Kraft in das Holz, kann aber das Eisen nicht wieder herausbringen. Zornig springt er auf den Klotz, um besser ziehen zu können. Die Arbeit gelingt, aber der lange Bart kommt in die Spalte, und das Männchen ist gefangen. Der Tambour lässt ihn dort zappeln und freut sich schon, wie die beiden andern sich über den gefangenen Vogel hermachen würden. Als dieselben aber kommen und nachsehen wollen, ist das Männchen samt dem Klotz verschwunden. Sie gehen der Spur [362] nach und kommen an ein Loch, das tief in einen hohen Berg hinabführt. Ein Strick wird gewunden, 100 Klafter lang; der eine von den Gefährten lässt sich in einem Korbe herab, findet aber keinen Grund unter seinen Füssen. Der Strick wird um 100 Klafter verlängert und der zweite heruntergelassen. Er kommt in der Unterwelt an, wagt aber nicht vorzugehen und lässt sich sofort wieder heraufziehen. Jetzt ist der Tambour an der Reibe. Glücklich langt er unten an und findet ein prächtiges Schloss. Er durchschreitet drei Zimmer; in dem vierten weilen die drei Prinzessinnen. Sie freuen sich über seine Ankunft, warnen ihn jedoch vor dem unermesslich starken König des unterirdischen Reiches. Nur ein Mittel gebe es: auf dem Sims stehe eine Flasche, darüber hinge ein Schwert. Wenn er den Inhalt der Flasche austränke, so könne er mit dem Schwert den König der Unterirdischen erschlagen. Der Tambour befolgt den Rat. Gewaltige Kraft ergreift ihn. Da öffnet sich die Thür und zornig tritt das Männchen mit der eisernen Peitsche, welches kein anderer als der König der Unterirdischen war, herein. Jetzt will er sich an dem Tambour rächen; doch dieser hat das Schwert schon gezückt und schlägt ihm das Haupt von den Schultern. Nun sind die Prinzessinnen erlöst. Er lässt eine nach der andern von seinen Gefährten heraufziehen; doch bevor das geschieht, muss ihm eine jede ein Andenken geben. Bereitwillig überreichen sie ihm die Kleider, die Fingerreifen und das Halsgeschmeide, die sie in ihrer Gefangenschaft bei dem Zwergkönig getragen haben; ausserdem muss ihm die jüngste zuschwören, in Jahr und Tag nicht zu heiraten, sondern auf ihn zu warten. Das that er aber deshalb, weil er fürchtete, seine Kameraden möchten ihn verraten und in der Unterwelt zurücklassen. So geschah es auch. Als die Prinzessinnen in die Höhe gezogen sind, senden die Schelme wohl den Korb wieder herab; aber in halber Höhe lassen sie ihn fallen, dass er in den Abgrund zurück stürzt, doch ohne den Tambour. Der hatte aus Vorsicht statt seiner einen schweren Stein hineingethan; und so hart war der Fall, dass der Stein sieben Klafter tief in die Erde fuhr. Der Tambour geht darauf in das Schloss zurück und sucht sich die Zeit zu vertreiben. Eines Tages findet er in einem alten Eckspind eine Querpfeife. Er setzt sie an den Mund und spielt darauf; da rücken Unterirdische über Unterirdische zu Fuss und zu Ross heran und fragen nach seinem Begehr. Erstaunt blickt er sie an, dreht die Pfeife um und bläst nachdenklich hinein. In demselben Augenblick sind alle Zwerge verschwunden. Jetzt wusste der Tambour Bescheid, er blies noch einmal und befahl dem Führer der Unterirdischen, ihm aus dem Berge herauszuhelfen; dann könne er an seiner Statt König der Zwerge sein. Alsobald überreicht ihm der Führer der Zwerge einen Hammer, und wie der Tambour damit an eine Thüre schlägt, befindet er sich wieder auf der Oberwelt, und zwar in dem kleinen Buschkaten. Der Tambour sucht nun nach Speise und Trank. Dabei erwischt er einen Geldbeutel. Wie er den ausschüttet, fiel Gold über Gold heraus, und soviel er auch schütteln mochte, es wollte kein Ende nehmen. Unweit des Wunschbeutels standen ein Paar Stiefel. Er zog sie an und schritt aus; siehe, da hatte er sieben Meilen zurückgelegt. Nun war er aller Freuden voll. In wenig Augenblicken befand er sich in der Stadt, wo der alte König herrschte. Er quartiert sich bei einem Schneider ein und erfährt von demselben, dass die ältesten Prinzessinnen die beiden Soldaten heiraten müssten. Sie wollten aber zuvor dieselben Kleider, dieselben Ringe und dasselbe Halsgeschmeide haben, die sie bei dem Zwergkönig unter der Erde getragen; und das war nicht leicht, denn die Kleider hatten nur eine Naht, und die Schmucksachen waren über alle Massen kunstreich gearbeitet. Als der Tambour das hörte, fordert er seinen Wirt auf, sich zu der Sache zu melden, er wolle selbst alles übrige besorgen. Das thut der Schneider auch; und nachdem[363] der Tambour aus dem Wunschbeutel genug eingekauft und genug Gold und Silber verschmolzen und genug Sammet und Seide verschnitten hatte, gab er dem Schneider die Kleider, die Ringe und das Geschmeide, welches ihm die beiden ältesten Prinzessinnen als Andenken gegeben hatten, dass er es zu ihnen auf das Schloss trüge. Der Schneider gehorcht dem Befehl und kommt mit grosser Belohnung zurück. Über ein Jahr soll auch die jüngste Tochter heiraten. Sie stellt dieselben Bedingungen, wie ihre Schwestern, und wieder schickt der Tambour das Kleid, das Geschmeide und den Ring. Die jüngste Prinzessin erkennt sogleich, dass es keine Nachbildungen, sondern dieselben Stücke sind, die sie in der Unterwelt getragen. Sie befiehlt darum dem Schneider, dass er den Verfertiger der Sachen zu ihr auf das Schloss bestelle. Der Tambour sendet als Antwort, er achte, es sei nicht weiter von ihr zu ihm, als von ihm zu ihr. Jetzt weiss sie, dass es ihr Erlöser ist. Die Staatskutsche wird angespannt und der Tambour darin zum König geholt. Dort berichtet er alles, wie es gekommen ist, und zum Lohn wird er mit der jüngsten Tochter verheiratet; die beiden falschen Gesellen aber, seine Schwäger, werden mit vier schwarzen Ochsen aus einander getrieben. – Manche Ähnlichkeit mit dieser kassubischen Variante hat eine Fassung, die ich von Zigeunern hörte, welche seit Jahrzehnten in Pommern und den Nachbarprovinzen ihr Wesen treiben: Ein alter Schäfer hat eine schwangere Frau. Wie er eines Tages auf dem Felde ist, kommt eine Kutsche angefahren, ein Herr springt heraus und redet dem Manne solange zu, bis er ihm die Frau samt dem ungeborenen Kinde verkauft. Am nächsten Morgen, wie die Schäfersfrau ihrem Manne das Essen bringen will, wird sie von den Leuten des Herrn, der ein Räuberhauptmann war, entführt und tief in den Wald hinein in eine grosse Höhle geschleppt. Dort legen sie die Frau an eine lange Holzkette, und sie muss der Bande Küche und Stube besorgen. Ausserdem wird ihr angekündigt, dass sie sterben müsse, wenn sie ein Mädchen zur Welt brächte; wäre es ein Junge, so solle ihr das Leben geschenkt sein. Zu ihrem Glück bekommt sie einen Sohn, der mit 14 Jahren so stark ist. dass er die Waldbäume mit den Wurzeln aus der Erde heraus zu reissen vermag, wovon er auch den Namen Baumstark erhält. Da erzählt ihm die Mutter, wer sein Vater sei und wie er in die Höhle zu den Räubern gekommen wäre. Er reisst eine Fichte aus dem Erdboden und erschlägt damit die 20 Räuber und ihren Hauptmann. Dann packt er sich alle Kostbarkeiten, die in der Höhle sind, auf den Buckel und kehrt mit der Mutter in das Haus seines Vaters zurück. Nachdem er denselben gezwungen hat, seine Frau wieder anzunehmen, lässt er sich einen Stab schmieden, an dem 24 Gesellen zu arbeiten haben und der ihm von dem Schmied mit vier Pferden zugefahren wird. Er nimmt ihn und begiebt sich auf die Wanderschaft. Unterwegs gewinnt er drei Gesellen: einen Mann, der die Eichen im Walde zerhackte, als wären es Strohhalme, einen zweiten, der mit der Faust Nägel in ein Zinkdach schlug, und endlich drittens einen Scharfsichtigen, der so gut sah, dass ihm nichts verborgen blieb. Letzterer entdeckt das Hüttchen im Walde. Es folgt nun das Abenteuer mit dem Unterirdischen und Baumstarks Fahrt durch das Erdloch in die Unterwelt. Dort findet er eine grosse grüne Wiese. Darauf stehen 4 Schlösser. In jedem sitzt eine verwünschte Prinzessin: die erste wird von 2 Drachen, die zweite von 2 Löwen, die dritte von 2 Bären, die vierte von 2 Elephanten bewacht. In allen vier Schlössern steht ein Stärketrank und hängt ein Schwert; er trinkt den Trank und erschlägt nach einander die Drachen, die Löwen, die Bären und die Elephanten und erlöst dadurch die vier Prinzessinnen. Am schwersten war's ihm geworden, die von den Drachen behütete Prinzessin zu gewinnen, mit ihr verlobt er sich darum. Nachdem er sich dann von allen 4 Jungfrauen Andenken hat geben lassen: von der Drachenprinzessin das Kleid, [364] von der Löwenprinzessin Tuch und Ring, von der Bärenprinzessin die Schuhe, von der Elephanten-Prinzessin die Pantoffeln, lässt er die Königstöchter von seinen drei Gesellen in die Höhe ziehen. Der Schluss ganz ähnlich, wie in der Variante aus Wusseken. Die Gefährten täuschen ihn. Er bleibt in der Unterwelt zurück, bis er eines Tages den Unterirdischen entdeckt und ihn zwingt, ihm aus der Not zu helfen. Der Zwerg umfasst ihn darauf mit beiden Armen und dreht sich dreimal mit ihm im Kreise herum. Sogleich ist er wieder auf der Oberwelt. Er wandert in das Reich, wo der Vater der 4 Prinzessinnen König war. Die Andenken weisen ihn als den rechten Erlöser aus und die drei falschen Gesellen werden hingerichtet, während er mit der Drachenprinzessin vermählt wird.
Nr. 20. Mündlich aus Petznick, Kreis Pyritz, und Quatzow, Kr. Schlawe. Der Petznicker Erzähler wich insofern ab, als nach seinem Bericht Siegfried nicht ein Einhorn, sondern einen Riesen erschlug und sich mit dessen Blute bestrich und dadurch hörnern wurde.
Nr. 21. Mündlich aus Petznick, Kreis Pyritz. – Mit dem Anfang der Geschichte vergleicht sich das Märchen vom Löwensohn, wie es in Sydow, Kr. Schlawe, erzählt wird (vgl. dazu auch Anm. zu Nr. 19 den Anfang des Zigeunermärchens vom »Baumstark«):
In einem Dorfe wohnten einmal ein Paar junge Leute. Er hatte nichts, und sie hatte nichts, aber weil sie sich lieb hatten, liessen sie sich dennoch zusammengeben. Nach der Hochzeit ging's ihnen denn nun freilich sehr kümmerlich; er musste alle Tage in den Busch und Grenzholz schlagen, damit er ein paar Groschen verdiene, und sie trug ihm um die Mittagszeit das Essen nach. Das ging eine Zeit lang so eben weg, da sagte eines Morgens der Mann: »Heute sollen wir an einer andern Stelle schlagen. Geh den Beiweg entlang, der zur Linken abführt von der Strasse, so wirst du mich nicht verfehlen.« Die Frau versprach ihm auch, gut Obacht zu geben; doch als sie um die Mittagszeit mit dem Korbe fortging, hatte sie die rechten Worte vergessen und, statt links ab zu gehen, schlug sie den Beiweg zur Rechten ein. Wie sie so ging, trat mit einem Male ein grosser schwarzer Kerl auf sie zu. »Wisst Ihr nicht, wo die Leute Grenzholz schlagen?« fragte die Frau, denn sie dachte, es wäre der Jäger, weil ihm ein Gewehr an der Seite hing und ein Hund hinter ihm drein lief. »Komm nur,« sagte der Schwarze, »ich werde dich zu deinem Manne bringen!« Aber er führte sie nur immer tiefer in den Wald hinein, bis sie endlich vor einem Berge standen, in den eine Höhle hineinging. Vor dem Eingange lag ein grosser Stein, und zur Rechten und zur Linken hielten zwei Löwen die Wache. Der schwarze Kerl wälzte den Stein fort; und als die Frau merkte, wohin sie geraten sei, und fliehen wollte, stiess er sie in die Höhle hinein und schob den Stein hinter ihr wieder an seine alte Stelle, dann that er seinen Mund auf und sprach: »Du bist hier in einer Räuberhöhle. Wir sind unser zwölf Mann, und ich bin der dreizehnte, und wenn du fliehen willst, so bist du des Todes. Schwörst du mir aber zu, dass du uns jederzeit treu dienen willst, so sollst du es gut haben.« Der Frau bangte um ihr Leben, und weil sie keine andere Rettung sah, sprach sie den furchtbaren Eid nach, den der Räuberhauptmann ihr vorbetete; und nachdem sie geschworen hatte, setzte er sie über Küche und Keller, dass sie den Räubern Speise und Trank besorgte. Nachdem ein paar Monate verflossen waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. In denselben Tagen hatte aber auch die Löwin an dem Eingang der Höhle ein Junges geworfen. Als nun das Kind geboren war und der Räuberhauptmann sah, dass es ein kräftiger, hübscher Knabe wäre, nahm er ihn und legte ihn zu der Löwin, dass sie ihn mit ihrem Jungen säuge. Und so geschah es auch. Der Knabe [365] trank von der Löwin Milch, als liege er an seiner Mutterbrust; und weil ihm die Speise so gut gefiel, nahm er nicht Brot und nicht Fleisch, sondern blieb an der Löwin Euter sieben volle Jahre lang. Die Löwenmilch gab ihm aber Riesenkräfte, und der Hauptmann gewann ihn um seiner Stärke willen so lieb, dass er ihn hielt wie seinen eigenen Sohn. Als der Junge nun sieben Jahre alt geworden war und gerade seinen Geburtstag feierte, fiel es seiner Mutter schwer auf's Herz, dass sie mit ihm tief unter der Erde in einer Räuberhöhle sitzen müsse, derweile ihr Mann sich nach ihnen sehne; und über den tiefen Gedanken fing sie an zu weinen und wollte sich nicht trösten lassen. »Mutter, warum weinst du?« fragte der Junge. »Lass nur, mein Sohn, es ist nichts,« sagte die Frau, und damit gab er sich auch zufrieden. Von da an war aber an jedem Geburtstage dieselbe Geschichte. Als der Junge nun zwölf Jahre alt geworden war und die Mutter wieder weinte und ihm auf seine Frage, weshalb sie jammere und klage, dieselbe Antwort gab, wie die Jahre vorher, ward er zornig und bedrohte sie, dass sie ihm die Wahrheit sage. Antwortete die Mutter: »Wenn du es denn wissen willst: ich klage, dass wir beide hier tief unten in der Erde sitzen müssen und nie wieder das liebe Sonnenlicht sehen werden«, und dann erzählte sie ihm alles, wie es gekommen war. »Mutter,« sagte der Junge, »da ich das weiss, nun soll's auch nicht lange mehr dauern, dass wir zum Vater zurückkehren.« – »Mein Sohn, wie wolltest du das zu stande bringen,« sagte die Mutter, »lass dir nur nichts merken, es kostet mich und dich das Leben.« Das that der Junge auch; aber der Räuberhauptmann warf doch einen Verdacht auf ihn, weil er nicht mehr so zutraulich mit ihm that, wie zuvor. Eines Tages stellte er ihn darüber zur Rede. »Vater,« sagte der Junge, denn so nannte er den Hauptmann, »ich bin zu Euch wie Ihr zu mir. Was soll ich hier unten in der Höhle! Lasst mir ein Schwert schmieden, zwölf Fuss lang und fünfzig Pfund schwer, dass ich mit den andern auf Raub ausziehen möge und meine Kraft versuchen!« Da lachte der Hauptmann und sprach: »Ein Schwert, zwölf Fuss lang und fünfzig Pfund schwer, das kannst du nicht schwingen«, und er schickte zum Schmied, der musste ihm eins schmieden, das halb so lang und schwer war. Als es fertig war, reichte der Hauptmann dasselbe dem Jungen dar; der nahm es und brach es in Stücken, als wär's ein trockener Stab. Da erkannte der Hauptmann erst des Jungen Kräfte, und der Schmied musste jetzt wirklich einen halben Zentner Eisen in ein Schwert verschmieden. Und das war dem Jungen denn auch zupass, und er schwang es so geschwind in der Luft, dass es eine Freude war mit anzusehen. Den nächsten Tag sollte er nun mit der Bande auf Raub ausgehen, derweile der Hauptmann bei seiner Mutter in der Höhle blieb. Kaum waren sie einhundert oder zweihundert Schritt gegangen, so sprach er zu den Räubern: »Seht hier, welch ein Schlag!« Die Kerle steckten die Köpfe zusammen, hui sauste es in der Luft, und sechs davon lagen im Sande. Die andern überkam darüber ein grosser Schrecken; aber ehe sie fliehen konnten, hatte der Junge zum zweiten Male ausgeholt, und auch den andern sechs waren die Köpfe vom Rumpfe geschlagen. Nun war nur noch der Hauptmann übrig, und das war der stärkste in der ganzen Schar; doch den Jungen kümmerte das wenig. Wie er ging und stand, kehrte er um und stiess den Stein zurück und schritt stolzen Muts in die Höhle hinein. »Warum bist du nicht bei den andern geblieben?« wollte der Hauptmann sagen, aber er hatte die Worte noch gar nicht zu Ende gesprochen, da hatte ihm der Junge ebenfalls das Lebenslicht ausgeblasen, und nun waren sie frei, seine Mutter und er, und konnten leben, wie sie wollten. Die Nacht über blieben sie in der Höhle; am andern Morgen zog der Junge das Fuhrwerk hervor, auf dem der Hauptmann auszufahren pflegte. Dahinein trug er die goldenen und silbernen Geräte und die grosse[366] Geldkiste, dann setzte er sich mit der Mutter auf den Bock, der Löwenbruder lief neben ihm her, und fort ging's, bis sie in das Dorf gelangten, wo sein Vater gewohnt hatte, noch ehe sein ältestes Kind geboren war. Sie fragten hin, sie fragten her, endlich wies sie ein Bauer in das richtige Haus. Was meint ihr wohl, was der arme Tagelöhner für Augen gemacht hat, als er den vornehmen Wagen vor seiner Thüre halten sah. Wie ihm nun aber die feine Dame darin sagte, dass sie seine Frau und der Junge sein Sohn wäre, da wusste er vor Staunen sich gar nicht zu lassen. Der Junge aber besann sich nicht lange und trug eins nach dem andern von den köstlichen Geräten in das Haus hinein; die Geldkiste nahm er unter den Arm, und doch hätten an ihr vier starke Männer vollauf zum Tragen gehabt. Das war alles recht schön, wenn der Tagelöhner seine erste Frau nicht für tot gehalten hätte und schon längst zum zweiten Male verheiratet gewesen wäre. So wollte die eine Frau der andern nicht weichen. Der Mann sagte es dem Pastor, und der lief zum Gutsherren, und der Gutsherr wusste es auch nicht und brachte die Sache vor den Richter. »Herr Richter,« sagte der Tagelöhner, »ich hatte ein schönes Schloss. Das ging mir verloren, nur den Schlüssel behielt ich; und weil ich's nicht wiederfinden konnte, kaufte ich ein neues Schloss an des alten Stelle. Nun hat sich's wiedergefunden! Welches soll ich behalten? Das alte oder das neue?« – »Das alte,« sagte der Richter, »dafür ist der Schlüssel gemacht, und es ist und bleibt das beste.« – »Ich meine auch,« sagte der Tagelöhner und erzählte die Geschichte. Da konnte die zweite Frau wieder zu ihren Eltern zurückkehren, während der Tagelöhner mit seiner ersten Frau und den Kindern, welche ihm die andere Frau geboren hatte, lustig und vergnügt von dem vielen Gelde lebte, das sie aus der Räuberhöhle mitgebracht hatten. Was sollten sie aber mit dem Jungen thun, der von der Löwin gesäugt war, und mit seinem Löwenbruder? – Das war eine schlimme Sache. Zuerst wurde ein Christenmensch aus ihm gemacht, und um der Seltsamkeit willen standen der Edelmann, der Pastor und der Küster Gevatter, und er wurde getauft auf die Namen Johann Jochem Georg; dann musste er mit den andern Kindern in die Schule. Aber der Küster vermochte ihn nicht zu bändigen, und wenn seine Mitschüler ihm etwas anhängen wollten, so schlug er sie braun und blau, und es verging kein Tag, an dem er seinem Vater nicht einen neuen Ärger bereitete. Weil er nun obendrein mit seinen Stiefgeschwistern von der zweiten Frau keinen Frieden hielt und mehr ass und zerschlug, als das Gut einbrachte, welches er aus der Räuberhöhle mitgenommen, so warf ihn der Tagelöhner samt seinem Löwen zum Hause heraus und gab ihm den Laufpass.
Als Fortsetzung dieses Märchens folgt nun das Märchen vom Meisterdieb (vgl. Nr. 53 u. Anm.): Der Löwensohn will in die Welt und ein Handwerk lernen. Zur Tagelöhnerarbeit ist er nicht zu gebrauchen. Als er z.B. Stubben klöben soll, schlägt er dermassen, dass die Axt tief in den Stubben hineinfährt und niemand das Eisen herausziehen kann, während der Stiel zerbricht. Er geht also mit seinem Löwenbruder fort und kommt in einen Wald. Hunger befällt ihn, und er tötet seinen Löwenbruder und isst ihn auf. Da kommt eine Schar Räuber, und der Hauptmann will ihn in die Bande nehmen, wenn er ein Probestück macht. Zu dem Zwecke stiehlt er einem Fleischer sein Kalb in der Weise, dass er erst den rechten Stiefel auf den Weg legt und dann den linken. Der Fleischer holt die Stiefel, derweile treibt der Löwensohn das Kalb fort. Dann geht er in den Sumpf und blökt, wie ein Kalb. Der Schlächter denkt, das Kalb habe sich dorthin verirrt, zieht die Stiefel aus und geht hinein. Da nimmt ihm der Löwensohn die Stiefel wieder ab und hat somit seine Probe bestanden. Nachdem er als Räuber grossen Reichtum erworben, kehrt er nach Hause zurück [367] und erzählt, welches Handwerk er kann. Das hört der Gutsherr, und er droht seinem Paten mit dem Galgen, wenn er seine Kunst nicht an drei Probestücken bewiese. Das erste Stück ist das Stehlen des Schimmelhengstes. In der bekannten Weise ausgeführt. Zum zweiten soll er die Ochsen vom Pfluge stehlen. Er fängt einen jungen Hasen und lässt ihn die Furche entlang laufen. Die Knechte hinter ihm drein. Derweile spannt der Löwensohn die Rinder aus, schneidet ihnen aber die Schwänze ab und steckt sie vor den Pflügen in die Erde. Die Knechte kommen zurück und denken, die Ochsen sind in die Erde gelaufen. Sie ziehen, und als sie die Schwänze in den Händen haben, glauben sie, sie hätten dieselben ausgerissen. Nun holen sie Spaten und graben. So trifft sie der Herr und giebt ihnen die Hundepeitsche. Der Löwensohn aber bekommt als drittes Stück auf, der Frau den Fingerring und die Bettdecke zu stehlen. Er führt es aus in der bekannten Weise, indem er sich der Leiche eines Hingerichteten bedient. – Interessant war, dass der Erzähler 1885 die Geschichte, da er sie erst kurz zuvor von einem Märchenerzähler gehört hatte, mit der Fortsetzung vom Meisterdieb erzählte, 1887 aber beide »Historjen« entschieden trennte.
Nr. 22. Mündlich aus Quatzow, Kreis Schlawe. Der Schluss ähnelt den auch sonst bekannten Lügenmärchen in gebundener Form. Ein solches aus Demmin lautet:
Nr. 28. Mündlich aus Quatzow, Kr. Schlawe; Petznick, Kr. Pyritz; Grambin, Kr. Ueckermünde.
Nr. 29. Mündlich aus Ferdinandshof, Kr. Ueckermünde. Vgl. dazu in Jahn, Volkssagen aus Pommern und Rügen Nr. 630 die von Prof. E. Kuhn aus Mesow, Kr. Regenwalde, aufgezeichnete Sage, welche nur das Abenteuer des alten Fritz mit dem Soldaten kennt.
Nr. 30. Mündlich aus Petznick, Kr. Pyritz.
Nr. 31. Mündlich aus Quatzow, Kr. Schlawe. Das Märchen ist allenthalben in Pommern bekannt und wird gern gehört und erzählt. Der Gang der Handlung weicht in den einzelnen Gegenden nur wenig von einander ab. Am [368] häufigsten sind lange Ausdehnungen der Stellen, wo der Soldat den verkleideten Jäger durchprügelt. So wusste ein Erzähler aus Petznick, Kreis Pyritz, noch ein Langes und Breites über die Zeit zu berichten, da der König mit dem Soldaten im Kruge war. Er muss ihm die Stiefel putzen, die Kleider bürsten u.s.w. Da er keins dieser Geschäfte versteht, so setzt es Prügel über Prügel, bis der König in Sorge um sein Leben nach Berlin läuft. – Abweichend wird hier und da auch der Kampf des Soldaten mit den Räubern berichtet. In Kicker, Kreis Naugard, will der Soldat die Räuber lehren, wie sie sich unsichtbar machen können, und spritzt ihnen dann das kochende Wasser in die Augen. An andern Orten wird einfach erzählt, dass er mit Riesenstärke zweimal ohne weiteres je fünfundzwanzig Mann erschlagen habe u.s.w. – Vergleichsweise mag hier herangezogen werden die Sage vom alten Fritz, wie er mit Ziethen bei dem Bauern einkehrt, die ich von einem Manne aus Zabelsdorf, Kreis Randow, hörte (Jahn »Volkssagen aus Pommern und Rügen« Nr. 626). Auch dort läuft im Grunde alles darauf hinaus, dass der alte Fritz Prügel bekommt. Um das Volk kennen zu lernen, kehrt er mit Ziethen bei einem Bauern ein. Die Grütze, welche er zum Nachtmahl bekommt, schmeckt ihm nicht, und sofort bestraft der Bauer den Kostverächter mit einem Backenstreich. Am andern Morgen sollen die beiden beim Dreschen helfen; sie haben aber noch nicht ausgeschlafen und wollen nicht kommen. Zur Strafe dafür bekommt der alte Fritz, der vorne liegt, Schläge. Beim zweiten Mal soll Ziethen die Prügel erhalten, denkt der König und tauscht mit ihm den Platz. Der Bauer ist aber gerecht und zieht bei dem nächsten Besuch über den, der hinten liegt, her. Jetzt reisst dem König die Geduld, und er kehrt nach Berlin zurück. Der Schluss ist ähnlich wie in Nr. 30 u. 31. Der Bauer wird vor den König geführt und von ihm genau so behandelt, wie der alte Fritz in dem Bauernhause. Jetzt erkennt der Schelm, was er gethan. Der König aber vergiebt ihm und entlässt ihn reich beschenkt nach Hause.
Nr. 32. Mündlich aus Quatzow, Kreis Schlawe. Das Märchen ist sehr verbreitet in Pommern und ebenso das Lied, letzteres bald in längerer, bald in kürzerer Fassung, aber immer die Strophe zu vier sechsfüssigen Versen. – Den Anfang des Märchens hörte ich in Grambin, Kreis Ueckermünde, abweichend folgendermassen: Der König von Holland hat zwei Söhne und verspricht demjenigen sein Reich, der die schönste Braut heimführt. Der älteste sucht nicht lange, sondern verlobt sich mit einer reichen Grafentochter aus der Nachbarschaft; der jüngste dagegen zieht im Handwerksburschenkleid durch das Land und trifft vor einem Häuschen am Brunnen eines Besenbinders Tochter von wundersamer Schönheit. Flugs eilt er hin, um ihr das Wasser zu schöpfen. »Vom Handwerksburschen nehm' ich nichts,« giebt sie ihm zur Antwort und lässt ihn stehen. Da erscheint der Königssohn am folgenden Tage als ein Feldwebel und will ihr helfen. Spricht sie wieder: »Vom Feldwebel nehm' ich nichts.« Den dritten Tag kommt er gar als ein Hauptmann; aber auch jetzt will die Besenbinderstochter nichts von ihm wissen. »Vom Hauptmann nehm' ich nichts,« ruft sie aus, »und überhaupt von keinem Menschen, es müsste denn des Königs Sohn sein.« Da erscheint er denn am nächsten Morgen als Prinz im goldnen Gewande; und wie er ihr jetzt das Wasser schöpfen will, lässt sie's ihm gerne zu und willigt auch ein, als seine Braut mit ihm in das königliche Schloss zu ziehen. Alles lässt sie dabei zu Hause im Stich, nur ihre Harfe nicht. Mit der hatte es folgende Bewandtnis. Als die Jungfrau eines Tages im Walde Reiser schnitt, sah sie bei einer Traueresche einen Kasten stehen. Der Baum war aber auf dem Leichnam eines Pilgers erwachsen, den schlechte Menschen an dieser Stelle im Walde erschlagen hatten. Wie das Mädchen nun den Kasten besah, rief [369] eine Stimme aus dem Laube: »Öffne den Kasten!« Sie that's und fand darin eine Harfe und ein Pilgerkleid; und als sie die Harfe in Händen hielt, kam es über sie, und sie konnte so schön spielen und Lieder singen, wie kein anderer auf der ganzen Welt. Und das beste war, den Kasten vermochte nur sie zu öffnen, und kein Feuer, kein Wasser vermochte ihm etwas anzuhaben, und kein Stahl, kein Eisen konnte ihn erbrechen. Auch der Pilgeranzug blieb stets, wie er war, und nutzte sich nicht ab. Mit der Harfe hatte sich das Mädchen bisher die Einsamkeit im Walde und in ihres Vaters Hütte vertrieben; nun nahm es dieselbe samt dem Kasten mit sich auf das königliche Schloss. Dort sah die Grafentochter sie scheel an; aber es half ihr alles nichts, der jüngere Prinz hatte die schönere Braut heimgeführt, und so wurde er von dem alten König zu seinem Nachfolger im Reiche ernannt. Und das ganze Volk hatte seine junge Königin, ob sie schon nur eines armen Mannes Kind war, von Herzen lieb, und damit sie bei der Hochzeit der reichen Grafentochter nicht nachstehe, legten alle Frauen in Holland ihr Scherflein zusammen und liessen von dem Gelde ein grosses Mannwar (Kriegsschiff) bauen. Das war der jungen Königin Hochzeitgut, und dadurch war sie reicher geworden, als ihre Schwägerin, die stolze Grafentochter. Einst fahren nun die jungen Prinzen zur See und werden dabei von einem Schiffe des Sultans überfallen, gefangen genommen und in die Sklaverei geschleppt. Da sie nicht wieder kommen, geht die junge Königin aus, sie zu suchen. Sie thut das Pilgerkleid an, nimmt die Harfe zur Hand und wandert und wandert, bis sie zum Sultan kommt. Der hört die Lieder des Pilgers, gewinnt ihn lieb und setzt ihn über alle seine Diener. Dadurch gelingt es ihr, die beiden Prinzen zu befreien; sie selbst rettet sich vor der Rache des Sultans auf einem kleinen Boote. Der Sultan setzt ihr auch wirklich mit einem grossen Schiffe nach. Schon glaubt sie sich verloren, da erblickt sie plötzlich ihr Mannwar, das sie von den Frauen Hollands geschenkt bekommen hatte und das ihre gestickte Fahne trug. Sie lässt sich von dem Mannwar aufnehmen, giebt sich zu erkennen und schlägt nun das Schiff des Sultans in die Flucht. Darauf kehrt sie nach Holland zurück, wo die beiden Prinzen inzwischen schon angekommen sind. Der Schluss stimmt mit demjenigen von Nr. 32 überein.
Nr. 33. Mündlich aus Quatzow, Kreis Schlawe.
Nr. 35. Mündlich aus Petznick, Kreis Pyritz.
Nr. 34–35. Als drittes derartiges Märchen mag das folgende, welches ich in Zabelsdorf, Kreis Randow, hörte, seinen Platz finden: Ein Schiffer rüstet sein Fahrzeug aus, heuert Matrosen an und sticht in See. Plötzlich werden sie von einem Kossär (Korsar) angerufen, der den Schiffsherrn auffordert, drei nackte Mädchen an Bord zu nehmen. Thäte er es nicht, so müssten die Jungfrauen sterben; denn jeder Kossär schwört vor der Ausfahrt einen fürchterlichen Eid, jeden Menschen, den er gefangen genommen, unbarmherzig umzubringen, sobald er mit seinem Schiffe an Land kommt. Der Schiffer willfahrt darum dem Seeräuber, giebt den Mädchen Matrosenkleider anzuziehen und kehrt dann mit seinem Schiffe nach Hause zurück. Unterwegs erzählt ihm das schönste der drei Mädchen, dass sie die Tochter eines Königs und die beiden andern ihre Dienerinnen seien. Sie hätten am Strande gebadet und seien dann von dem Kossär geraubt worden. Wie der Schiffer erfährt, dass er es mit einer Königstochter zu thun hat, gewinnt er sie lieb; und als sie zu Hause angekommen sind, heiratet er sie. So vergehen einige Monde, da bittet die Königstochter ihren Mann, meerüber zu fahren und ihrem Vater Kunde von ihrem Schicksal zu bringen. Da der Schiffer sich damit einverstanden erklärt, so giebt sie ihm ferner folgenden Rat: »Lass einen Maler kommen und uns drei, mich und meine [370] beiden Dienerinnen, abmalen. Wenn du dann vor dem Königsschlosse vor Anker liegst, so heisst du auf jede der drei Masten ein Bild, und das meine in der Mitte. Dann werden die Bewohner des Schlosses dich vor den König führen, und du kannst ihm dein Anliegen vorbringen.« Den Schiffer dünkte die Rede seiner Frau weise, und die Bilder wurden gemalt und auf das Schiff gebracht. Ehe aber der Schiffer selbst einstieg, ging er zuvor noch einmal in die Kirche, um den lieben Gott um glückliches Gelingen der Fahrt anzuflehen. Auf dem Kirchhof sieht er Leute, die einen Toten wieder ausgegraben haben und ihn misshandeln. Auf seine Frage erfährt der Schiffer, dass der Tote bei seinen Lebzeiten ein Schuldner der Leute gewesen sei. Nun habe er sie sitzen lassen, und so wollten sie sich denn noch im Tode an ihm rächen. Den Schiffer jammerte des Leichnams, und er bezahlte die Schulden des Toten. Da gruben sie ihn wieder ein, dass er fortan Ruhe hatte. Nachdem der Schiffer darauf sein Gebet in der Kirche verrichtet hatte, fährt er über das Meer nach dem Königsschloss und heisst dort die drei Bilder auf die Masten. Alsbald erkennen die Einwohner die geraubte Prinzessin wieder. Der Schiffer wird vor den König gebracht, und nachdem dieser erfahren hat, dass es der Mann seiner Tochter sei, der vor ihm stünde, steigt er sofort mit grossem Gefolge zu seinem Schwiegersohn auf das Schiff, um die Prinzessin wieder in das Königreich zurückzuführen und ihren Mann als Prinzen und Nachfolger im Königreich einzusetzen. Sie kommen auch glücklich in der Stadt des Schiffers an; auf der Rückfahrt aber trifft den Schiffer schweres Unheil. In dem Gefolge des Königs befand sich auch der Minister, der, ehe der Seeräuber sie geraubt hatte, mit der Prinzessin verlobt gewesen war. Den litt es nicht, dass seine Braut einem andern gehörte, und als er eines Abends allein mit dem Schiffer auf dem Achterdeck stand, stiess er ihn hinterrücks in das Meer hinein; dem König aber und seiner Tochter sagte er, eine Sturzsee habe ihn in das Meer geschleudert und dort sei er ertrunken. Das war dem König und der Prinzessin bitter leid; da es nun aber nicht mehr zu ändern ging, so fügte sie sich darein, und der König beschloss, eine neue Hochzeit auszurichten und seine Tochter ihrem früheren Bräutigam, dem Minister, antrauen zu lassen. Der Schiffer war aber nicht gestorben, sondern, da er ein guter Schwimmer war, trieb er tagelang in der wilden See umher und bat Gott um Errettung. Plötzlich erscheint ihm der Geist des Toten, den er seiner Zeit aus den Händen seiner Gläubiger gerettet hat, und trägt ihn über das Meer und lässt ihn gerade vor der Thür des Königsschlosses nieder. Dort trifft er einen Diener. Er übergiebt ihm seinen Ring und bittet ihn, denselben der Königstochter in den Becher zu legen. Der Diener willfahrt der Bitte des Fremden; und als die Prinzessin den Becher geleert hat, findet sie den Ring und erkennt ihn als den ihres Mannes. Der Diener gesteht, von wem er das Kleinod erhalten hat, und nun eilt sie hinaus und kehrt mit dem Schiffer in den Saal zurück. Hier muss er alles erzählen, wie es ihm ergangen ist, und als der König von der schändlichen That des Ministers erfährt, wird sofort der Henker geholt, der ihm das Haupt vom Rumpfe schlägt. Dann wird noch einmal die Hochzeit des Schiffers mit der Prinzessin gefeiert und derselbe als Prinz und Nachfolger des Königs im Reich ausgerufen.
Nr. 36. Mündlich aus Quatzow, Kreis Schlawe.
[371] Nr. 41. Mündlich aus Deyelsdorf, Kreis Griminen, der dortigen Mundart nacherzählt.
Nr. 42. Mündlich aus Deyelsdorf, Kreis Grimmen, der dortigen Mundart nacherzählt. Die Fassung bei Grimm, Kinder- und Hausmärchen Nr. 19, stammt ebenfalls aus Pommern. Abweichend heisst dort das Verschen:
Ferner fehlt bei Grimm in der Wunschlitanei der Bauerhof. Übrigens ist die Grimmsche Fassung auch heute noch unter dem Volke in Vorpommern zu finden, die oben wiedergegebene Form des Verschens mit eingeschlossen. In den meisten Fällen freilich ist die Wunschstaffel nicht so vollständig. So kannte z.B. ein Erzähler aus Grambin, Kr. Ueckermünde, den Fischer nur als Edelmann, als Graf und als König; dann will er Herrgott werden. Ganz ähnlich in Stolzenburg, Kr. Randow, wo die Lust der Frau, vom König der Herrgott zu werden, damit begründet wird, dass ein Unwetter sie beim Ausfahren in dem Vergnügen stört. Sie will auch regnen und stürmen, donnern und blitzen lassen und findet sich darauf mit ihrem Manne wieder im »Pott« zusammen.
Nr. 43. Mündlich aus Ferdinandshof, Kreis Ueckermünde.
Nr. 44. Mündlich aus Ritzig, Kreis Schivelbein.
Nr. 45. Mündlich aus Ferdinandshof, Kreis Ueckermünde. Ähnlichkeit mit diesem Märchen hat das folgende, welches ich in Völschendorf, Kreis Randow, hörte: Es war einmal ein Edelmann, der war so geizig, wie kein anderer Herr weit und breit. Und einen Knecht hatte der Edelmann, der war so stark, dass man nirgends seines gleichen fand. Und so stark er war, so stolz war er auch. Er litt es nicht, dass ein anderer Arbeiter gegen ihn aufkommen konnte; und wer ihm den Widerpart halten sollte, der durfte gar nicht lange warten, und er musste mit Schimpf und Schande zurück bleiben. Das war aber alles noch zur Zeit der Unterthänigkeit, da die Bauern oder ihre Knechte den Dienst auf dem Gutshofe verrichten mussten. Nun begab es sich zur Zeit der Ernte, dass eines Hofbauern Knecht, damit er nicht mit dem starken Vormäher zusammen arbeiten musste, bei Nacht und Nebel auf und davon lief. Da war der Bauer in grossen Nöten, und schon wollte er sich selbst auf den Weg machen, als ein Mann bei ihm vorsprach. Der sagte: »Bauer, was machst du für ein trauriges Gesicht?« – »Es geht mir gar nicht gut,« gab ihm der Bauer zur Antwort, und dann erzählte er ihm, wie sich alles zugetragen hatte. »Weisst du, Bauer,« sagte der Fremde, »ich will als dein Knecht auf den Hof gehen. Geld verlange ich nicht; denn ich ziehe nur zu meinem Vergnügen durch die Welt; aber eine Sense musst du mir geben.« Wer war da froher, als unser Bauer, und nachdem er den fremden Gast noch vor dem starken Vormäher gewarnt, führte er ihn in die Kammer hinein, wo die Sensen und Beile, Hacken, Harken und Spaten lagen. Der Fremde liess aber alle die blanken, glitzrigen Dinger an den Pflöcken hangen und kramte aus der Ecke ein altes, verrostetes Arftknief (Erbsenmesser) hervor; dann zog er statt der Stiefel ein paar Holzschuhe über die Füsse und wankte auf den Herrenhof. »Du mein Gott, was ist das für einer!« sagten die Gutsleute und lachten. »Ich bin des Bauern Knecht und will mit dem Grossknecht mähen,« sagte der Fremde. Da lachten die Knechte und Mägde noch mehr; er aber kümmerte sich nicht darum, sondern wankte ihnen mit seinem Arftknief in den hölzernen Schuhen nach, bis sie an das Feld kamen, das gemäht werden sollte. Der Grossknecht nahm seinen Streek [372] und strich seine Sense, dass es weithin schallte; der Fremde hatte keinen Streek bei sich, und da ihm niemand aushalf, zog er eins fix drei den Holzschuh vom Fusse und strich damit das Arftknief, und siehe, da ward daraus die schönste Sense, die sich jemand nur denken kann. Nun ging's an das Mähen. Der Grossknecht holte gewaltig aus, aber es half ihm alles nichts; der Fremde, welcher kein anderer als Jenner war, mähte ihm immer weit voraus, und als sie die Schwaad zu Ende gebracht hatten, fiel der Vormäher um und war tot; Jenner aber kehrte sich nicht daran, sondern mähte weiter und weiter, bis das ganze Feld, wohl an die hundert Morgen gross, abgemäht war. Die andern rissen die Augen auf und wussten nicht, was sie sagen sollten. Indem kam der Edelmann dazu, und nachdem er gehört hatte, wie alles gekommen war, dachte er bei sich: »Was thut's, wenn der Grossknecht auch tot ist! Bekommst du diesen dafür, so ist es dir dreimal nützer!« Dann sprach er laut: »Höre, Gesell, wenn du solch Drescher bist, als du ein Mäher warst, so sollst du all mein Korn ausdreschen.« – »Das will ich thun,« sagte Jenner, »und als Lohn bedinge ich mir soviel Korn, als ich auf meinem Buckel davon tragen kann.« Das dünkte den Edelmann ein guter Handel, und Jenner ward in die Scheune geführt. Es dauerte gar nicht lange, so war das Korn gedroschen und gereinigt, und noch ein Weilchen, da stand es in den Säcken. Dann nahm Jenner einen nach dem andern und warf ihn sich auf den Buckel, und sie klebten fest an einander, dass sie wie ein Turm in die Luft ragten, und das ging so lange, bis auch kein einziger Sack mehr in der Scheune zu sehen war. Dann machte sich Jenner auf, um seiner Wege zu gehen. Dem Edelmann frass es das Herz ab, dass der fremde Kerl all sein Korn mit sich nehmen sollte, und er liess den Bullen von der Kette lösen, dass er auf den Fremden ginge und ihm die Säcke vom Buckel stosse. Das war dem Jenner schon recht; kaum war der Bulle bei ihm, so packte er ihn bei den Hörnern und warf ihn über sich, dass er hoch oben auf dem obersten Sacke lag und kein Glied mehr rührte. Da sah der Edelmann ein, dass es gegen den Mann keine Hilfe gab, und weil er den Verlust seines Gutes nicht verwinden konnte, ging er in den Garten und hängte sich an einen Baum. Jenner aber trat vor des Bauern Thür, warf seine Last nieder und sprach: »Hier hast du Korn und Fleisch. Miete mich aber nicht zum zweiten Male, es möchte übel ablaufen.« – »Was ist denn dein Lohn?« fragte der Bauer. »Zwei Seelen,« antwortete Jenner, »den hoffärtigen Grossknecht und den geizigen Edelmann hab' ich gewonnen, und das ist genug für einmal.« Sprach's, und weg war er; der Bauer aber hatte an dem Korn und Fleisch genug für lange Zeit.
Nr. 46. Mündlich aus Ferdinandshof, Kreis Ueckermünde. Hierher gehört auch das Märchen vom Wolfgrambär, wie ich es in Neuklenz, Kreis Fürstentum, hörte: Einem Soldaten gefällt's nicht in des Königs Rock, er will gern ein reicher Herr werden und ohne Sorgen leben. Tief in Gedanken steht er eines Tages Posten; da kommt der Teufel auf ihn zu und fragt ihn: »Warum so in Gedanken? Ein braver Soldat muss immer heiter und froh sein!« Der Soldat erzählt ihm seine Wünsche und wird darauf mit dem Teufel handelseinig, dass dieser für ihn ein ganzes Jahr Posten stehen soll und ihm ausserdem einen Wunschbeutel, der nie leer wird, auszuhändigen hat. Der Soldat geht dafür die Verpflichtung ein, sich ein ganzes Jahr nicht zu waschen, nicht die Kleider zu wechseln, weder Haare noch Bart zu scheren, sich nicht zu kämmen und zu schnäuzen. Bricht er den Vertrag, so gehört er nach Jahresfrist mit Leib und Seele dem Teufel, bricht er ihn nicht, so ist, wenn das Jahr um ist, der Wunschbeutel sein eigen. Der Teufel bezieht darauf den Posten, nimmt statt des Gewehrs eine Kanone über den Buckel und stellt sich damit vor das Schilderhaus. Als [373] die Ablösung kommt und den schwarzen Kerl mit der Kanone sieht, läuft sie zurück. Es heisst von da an, dort spuke es, und der Teufel muss, um nicht kontraktbrüchig zu werden, bei Wind und Wetter auf ein und demselben Flecke das Jahr durch aushalten. Da endlich kommt der Soldat zurück, der wegen des grauen Anzuges, den ihm der Böse mitgegeben hatte, und weil er so struppig aussah, allenthalben der Wolfgrambär hiess; er löst den Teufel wieder ab, und da er seinen Vertrag gehalten hat, darf er den Wunschbeutel behalten. Eine Zeit lang bleibt er auf seinem Posten; da ihn aber niemand ablöst, denn er galt für verschollen, so geht er ins nächste Wirtshaus und verlangt ein prächtiges Quartier und gut Essen und Trinken. Der Schluss des Märchens läuft darauf hinaus, dass die Personen, welche ungeachtet des abschreckenden Äusseren des Wolfgrambär ihm die geforderten Dienste erwiesen haben, königlich belohnt werden, worauf sich die andern, welche ihn mit Hohn zurückgestossen hatten, aus Gram und Verzweiflung das Leben nehmen. – Lokalisiert in Colberg erscheint das Märchen bei Knoop, Volkssagen etc. aus dem östlichen Hinterpommern S. 187ff. Ein Soldat in Colberg, Namens Johann Schulz, verschreibt sich dem Teufel mit seinem Blute auf sieben Jahre. Dafür muss der Böse seinen Posten versehen, während Schulz mit dem Wunschbeutel auf Reisen geht. Bedingung ist auch hier, dass der Soldat sich nicht wäscht und weder Haare noch Nägel beschneidet. Auf seiner Reise lernt er einen Wirt mit drei Töchtern kennen. Die beiden ersten weisen ihn mit Verachtung zurück, nur der jüngsten ist er genehm. So verlobt er sich denn mit ihr und kehrt dann nach Colberg zurück, um sich mit dem Teufel aus einander zu setzen. Der steht noch immer Posten, und da er mit Johann nichts Bestimmtes über die Ablösung abgemacht hat, so muss er froh sein, dass dieser ihn ablöst unter der Bedingung, dass er den Pakt zurückerhält. Nun geht Johann zu einem Barbier, um sich säubern zu lassen. Der will lieber den Teufel rasieren, und so wendet sich Johann denn an einen des Weges kommenden Tambour. Der besorgt alles aufs beste und wird dafür so reich beschenkt, dass der Barbier sich vor Verzweiflung in den Strom stürzt und ersäuft. Ähnlich geht's mit den Schwestern seiner Braut. Als er sich am andern Tage ihr vorstellt und dieselben gewahr werden, welchen hübschen und reichen Mann sie von sich gestossen haben, gehen sie in den Garten des Vaters und ertränken sich in dem Teich.
Nr. 47. Mündlich aus Ferdinandshof, Kreis Ueckermünde.
Nr. 48. Mündlich aus Ferdinandshof, Kreis Ueckermünde. Dasselbe Märchen, nur ohne dass die Person Sankt Peters genannt wird und ohne die Einleitung, bei Knoop, Volkssagen etc. aus dem östlichen Hinterpommern S. 203ff.
Nr. 49. Mündlich aus Petznick, Kreis Pyritz.
Nr. 47. u. Nr. 49. Mancherlei Abweichungen bietet das Märchen vom Schmied Bielefeld und dem Teufel, das ich in Völschendorf, Kreis Randow, hörte: In einem Dorfe wohnte einst ein Schmied, der hiess Bielefeld. Anfangs ging es ihm recht gut; da kam die teure Zeit, und er verarmte schliesslich so, dass er nicht mehr Geld genug in der Tasche hatte, um die Kohlen zu kaufen. So ging er denn in den Wald, um Holz zu schlagen und sich selbst Kohlen zu brennen. Unterwegs begegnet ihm ein Teufel und fragt ihn, warum er so traurig sei. Schmied Bielefeld klagt ihm sein Leid, und der Teufel erbietet sich, ihm zu helfen. Kohlen solle er haben, dass er sein Leben lang daran genug hätte, nur solle er ihm mit seinem Blute Leib und Seele verschreiben. Schmied Bielefeld gefiel die Sache, er schnitt sich in den Finger, dass das Blut hervorquoll, und verschrieb sich dann damit dem Teufel. Als Schmied Bielefeld nach Hause zurückkehrte, fand er soviel Kohlen vor, dass er sie nicht zu lassen wusste. Während er so dastand, kam ein anderer Teufel und bot ihm, unter denselben [374] Bedingungen, wie der erste Teufel, so viel Eisen an, als er zeitlebens verschmieden könne. Auch darauf ging Schmied Bielefeld ein, und dasselbe Geschäft machte er schliesslich noch mit einem dritten Teufel, der ihm soviel Kundschaft verhiess, dass er niemals zu feiern brauchte. So hatte sich Schmied Bielefeld drei Teufeln verschrieben; aber das kümmerte ihn wenig, denn Kohlen, Eisen und Arbeit wurden ihm ja nie alle. Freilich als er alt wurde und die Zeit nicht mehr ferne war, dass ihn die Teufel holen würden, wurde er nachdenklich; und traurig ging er eines Tages im Walde spazieren und grübelte nach, wie er sich aus der schlimmen Sache herausziehen könne. Da begegnete ihm ein kleines Männchen mit langem, weissem Bart und Haar, das sprach zu ihm: »Was ist dir, Schmied Bielefeld?« Als der Meister dem Männchen seinen Kummer offenbart, wurde dasselbe mitleidig und erlaubte ihm, drei Wünsche zu thun, nur das beste solle er nicht vergessen. Schmied Bielefeld denkt nun, genau wie oben in Nr. 47 u. 49, nicht an die Seligkeit, sondern wünscht seinem Grossvaterstuhl, seinem Birnbaum und seiner Knöpftasche (Armtasche) die Eigenschaft, dass jedermann, der sich auf den Stuhl setzt, auf den Baum klettert, in die Tasche kriecht, davon nicht wieder los kommen kann, es sei denn, dass ihn der Schmied selbst befreie. Nun entwickelt sich das Märchen ganz, wie oben. Der erste Teufel wird auf den Grossvaterstuhl gebannt und so lange gequält, bis er die Handschrift herausgiebt. Ebenso ergeht es dem zweiten Teufel auf dem Birnbaum. Besonders schlau fängt er es mit dem dritten an. Er bequemt sich dazu, mit ihm zur Hölle zu gehen. Unterwegs kommen sie an einen grossen Baum. »Bist du wirklich ein so gewaltiger Kerl,« fragt Schmied Bielefeld, »dass du über diesen Baum gucken kannst?« »Gewiss,« sagt der hoffärtige Teufel und macht sich so lang, dass er weit über den Baum hinwegsehen kann. »Viel ist's freilich nicht,« meint darauf Bielefeld; »mehr wär' es schon, wenn du dich so klein machen könntest, dass du in meine Knöpftasche kriechst.« »Das kann ich auch,« sagt der dumme Teufel, und schon ist er drinnen. Jetzt ergeht es ihm, wie den beiden andern, und er muss die Handschrift zurückgeben. Von nun an lebt Schmied Bielefeld vergnügt und froh, bis er stirbt. Da geht er zur Himmelsthür, wird aber von Petrus, welcher kein anderer als das kleine graue Männlein gewesen war, abgewiesen. Flugs macht sich der Meister auf den Weg zur Hölle. Aber so viel er auch klopfen mochte, die Teufel hatten ein für alle mal genug von ihm, und keiner liess ihn herein. Da hat sich denn Bielefeld vor der Hölle eine Schmiede gebaut und lässt nun auch seinerseits keinen Teufel mehr auf die Erde. Seit der Zeit hat man bei den Men schen nur noch wenig vom Teufel gehört.
Nr. 50. Mündlich aus Quatzow, Kreis Schlawe.
Nr. 51. Mündlich aus Trzebiatkow, Kreis Bütow.
Nr. 50–51. Ein drittes Märchen, in welchem der Teufel durch einen seltsamen Vogel getäuscht wird, hörte ich in Neuenkirchen bei Greifswald. Ein Bauer verschreibt sich dem Bösen mit seinem Blut, und zwar sind die Bedingungen folgende: Der Teufel hat Geld herbeizuschaffen, der Bauer dagegen muss sich nach Jahresfrist verstümmeln lassen oder, wenn er selbst nicht will, einen Ersatzmann stellen. Als das Jahr um ist, weigert sich die Bäuerin, ihren Mann dem Messer des Teufels preiszugeben, und da kein Ersatzmann zu bekommen ist, spielt sie selbst den Vertreter. Sie kriecht in die Teertonne und dann in die Federtonne und stellt sich so dem Bösen dar. Der erschrickt über dem Anblick und meint, bei dem Mann wäre mehr zu schneiden als zu heilen. Beim Abschied fragt er noch, wie der Ersatzmann denn heisse. »Das ist ein Ulenkücken,« antwortet der Bauer. »Ist das ein Kücken, so will ich die Glucke nicht sehen,« ruft der Teufel und eilt davon.
[375] Nr. 52. Mündlich aus Petznick, Kreis Pyritz. Die Episode mit der Wunschrute bildet in einem Märchen, das ich in Quatzow, Kreis Schlawe, hörte, den Kernpunkt (siehe das Märchen in U. Jahn, Schwänke und Schnurren aus Bauernmund. Berlin 1890. Mayer u. Müller. S. 19–33): Ein Bauer hat drei Söhne, Michel, Krischan und Hans. Da lässt der König bekannt machen, er suche einen Hofjäger. Jeder von den drei Jungen möchte die Stelle gern haben; die beiden ältesten kommen aber gar nicht bis in die Stadt, da sie sich gegen ein kleines, steinaltes Männchen im Walde hartherzig zeigen. Hans dagegen teilt alles, was er hat, mit dem Unterirdischen und bekommt dafür einen Jägeranzug und das Versprechen, dass er und kein anderer Hofjäger würde. Ausserdem schenkt ihm der Zwerg aber noch ein Stöckchen, welches die Wunschkraft hat, dass alles, was damit geschlagen wird, Rede stehen und die lautere Wahrheit sagen muss. Hans wird nun wirklich Hofjäger und benutzt das Stöckchen dazu, um sich eine Frau zu suchen, die vorher noch nie brauten gegangen ist. Er hält nach einander an um des Kaufmanns, des Amtmanns und des Edelmanns Tochter. Bedingung ist jedesmal, dass er das Mädchen zuvor im Schlafe gesehen hat, und jedesmal spricht der Mund der Schlafenden die Schande derselben aus. Da Hans von seinen Entdeckungen den Eltern gegenüber kein Hehl macht, so bringen ihn dieselben vor den Richter. Der König will seinem Liebling helfen und ist nun Zeuge der Wunschkraft des Stockes. Denn da die Mädchen gegen ihn aussagen, nimmt Hans den Stab und schlägt eine nach der andern auf den Mund und heisst diesen reden. Des Kaufmanns und des Amtmanns Tochter sind bald überführt; schwieriger ist's mit dem Edelfräulein, denn deren Mund will nicht reden. Hans weiss sich jedoch Rat. Er schlägt ihr mit dem Stock auf die Nase und fragt: »Näschen, was ist Mäulchen, dass es nicht reden kann?« – »Mäulchen hat einen Kloss Semmeln zwischen den Zähnen!« antwortet die Nase. Das Hindernis wird beseitigt, und auch das Edelfräulein ist überführt, und Hans geht frei und unbehelligt nach Hause. Der König will nun das Wunschstöcklein gern einmal bei seiner einzigen Tochter anwenden; und zu dem Zwecke entlehnt er es von seinem Hofjäger. Als er mit seiner Frau bei Nacht auf den Mund der schlafenden Prinzessin klopft und die Frage stellt: »Wie oft hat dich ein fremder Mann schon geküsst?«, erhält er die Antwort: »Noch keiner, und wenn es einer thäte, dürfte es nur Hans, unser Hofjäger, sein.« Das Königspaar ist vernünftig und denkt: »Haben sie sich gern, so kommen sie doch zusammen, mögen wir wollen oder nicht,« und am andern Tag wird zwischen der Prinzessin und dem Hofjäger Verlobung und Hochzeit gefeiert.
Nr. 53. Mündlich aus Cratzig, Kreis Fürstentum. – Eine Variante aus Sydow, Kreis Schlawe, bietet der zweite Teil des Märchens vom Löwensohn siehe oben die Anmerkung zu Nr. 21. – Auf der Insel Usedom fand ich das Märchen lokalisiert in Mellentin. Der Junge geht zu einem Räuberhauptmann in die Lehre, dessen Höhle zwischen Aalbeck und Swinemünde liegt. Mit der Zeit wird er selbst Räuberhauptmann und besucht als solcher einmal seinen Vater, einen alten Tagelöhner in Mellentin. Derselbe führt ihn vor den Herrn, und diesem muss er vier Proben seiner Kunstfertigkeit geben. Zuerst soll er den 12 Knechten, die in den Busch fahren, die Gespanne vom Wagen stehlen. Sie wetten auf 100 Thaler. Der Spitzbube führt den Streich folgendermassen aus: Er hängt sich im Anfang des Waldes an einen hohen Baum. Die Knechte wundern sich über den Erhängten und fahren weiter. Schnell springt er herab und knüpft sich ein Endchen weiter wiederum in dem Wipfel eines Baumes auf, und dasselbe thut er noch ein drittes Mal. Die Knechte waren schon beim zweiten Male in Streit geraten, ob das zwei verschiedene Personen oder ob es der Teufel sei, der sie necken wolle. Beim dritten Male wird der Zank weit [376] grösser, sie wetten, lassen ihre Pferde im Stich und laufen zur ersten Stelle zurück, um sich Gewissheit zu verschaffen. Inzwischen spannt der Dieb die Gespanne aus und bringt sie dem Gutsbesitzer; als die Knechte am Mittag heimkehren, bekommen sie die Knurrpeitsche zu schmecken. Die zweite Probe ist, wie in dem Cratziger Märchen, der Diebstahl des Reitpferdes; die dritte Probe der Diebstahl von Bettlaken (doch nimmt er statt des Toten ein Schüchsel vom Felde) und Fingerring. Endlich viertens muss er alles Geld und Gut des Priesters und des Küsters herbeischaffen. – In dem Pyritzer Kreise (Petznick) ist der Gang des Märchens folgender: Ein Bauer hat drei Söhne, jeder soll ein Handwerk lernen. Wer es am besten kann, bekommt die Wirtschaft. Der erste wird Schmied, der zweite Strickspinner, der dritte gerät im Walde unter die Räuber, wird trunken gemacht, schwört ihnen zu und lernt auf Leben und Tod. Mit der Zeit wird es ihm über; er hält die Gefährten mit List bei dem Überfall eines Schlosses hin, derweile er in die Höhle geht, alles Geld zusammen sucht und nach Hause zurückkehrt. Die Räuber haben das Nachsehen. Der Sohn mag zu Hause dem Vater nicht sagen, was er gelernt hat und woher das Geld kommt. Der wird kleingläubig und geht zum Schulzen, welcher den Jungen vor sich bestellt. Er soll gestehen, »Pate,« sagt er endlich, »ich bin auf Tod und Leben.« Das versteht der Schulze nicht, und als ihm des Wortes Sinn erklärt wird, verlangt er von dem Paten drei Proben seiner Geschicklichkeit zu sehen, sonst koste es ihm das Leben. Die erste Probe: Er soll den Bullen stehlen, welcher zur Vorsicht in ein anderes Dorf geschafft wird. Auf dem Wege macht's der Dieb, wie nach der Mellentiner Erzählung mit den Gespannen. Diezweite Probe: Er soll von den drei Pferden im Stalle das hinterste stehlen. Dasselbe wird von drei Knechten und drei Arbeitsleuten bewacht. Wie oben. Die dritte Probe: Er soll des Schulzen Frau Bettlaken und Fingerring stehlen. Zu dem Zweck schneidet er einen Toten vom Galgen. Sonst wie oben. Den Fingerring fordert er ebenfalls als Wahrzeichen; in das Bettlaken legt er Sauerteig, so dass die Frau sich schämt und es eilig fortnimmt und bei Seite wirft.Schluss: Er darf im Dorfe wohnen bleiben und bekommt den Bauernhof.
Nr. 54. Mündlich aus Quatzow, Kreis Schlawe.
Nr. 57. Mündlich aus Züllchow, Kreis Randow.
Nr. 54–57. Dieser Märchengruppe habe ich noch zwei Varianten zuzufügen. Die erste stammt aus Puddenzig, Kreis Naugard. Ein armer Fischer läuft tagtäglich vergebens an den See, kein Fischlein geht in seine Netze. Bald ist's so weit gekommen, dass er mit seinem Weibe Hungers sterben muss; da erscheint der Böse und verspricht ihm Fische und Brot und Geld, so viel er nur haben will, wenn er ihm das gäbe, was in seinem Hause verborgen wäre, sobald es 14 Jahre alt geworden sei. Der Fischer geht darauf ein, und der Vertrag wird ausgefertigt. Wie er aber nach Hause kommt, um seinem Weibe von all dem Glück Kunde zu geben, erfährt er, dass sie sich schwanger fühle. Die Freude ist nun in eitel Traurigkeit verkehrt; und als die Frau niederkam und einen Sohn gebar, liess es den Fischer nicht länger, und er beichtet die Sache dem Pastor. Dieser tröstet den Mann und verspricht ihm seinen Beistand, wenn der schlimme Tag gekommen sei. Sein Plan ist, den Tag über mit dem Jungen auf dem Wasser zuzubringen, da die Macht des Bösen auf das Wasser nicht reicht. Und so thun sie auch. Als der Tag da ist, wo der Knabe 14 Jahre alt geworden, gehen der Pastor, der Fischer und der Junge, das Bibelbuch in der Hand, an den Strand, treten in den Kahn und fahren ein Stückchen in den See [377] hinein. Richtig, der Böse vermag nicht, sein Opfer zu holen; um aber wenigstens seine Wut abzulassen, erregt er einen solchen Sturm, dass die Wellen den Kahn verschlingen und die drei sich nur durch Schwimmen retten. Dabei kommt der Knabe von seinem Vater und dem Pastor ab; und als er endlich an den Strand verschlagen wird, befindet er sich vor einem grossen Walde. Mutig wandert er darauf los und kommt gegen Abend in ein kleines Häuschen. In der Stube stehen ein Tisch, ein Stuhl und ein Bett; eine schwarze Jungfrau empfängt ihn und bittet, dass er sie erlöse. Bedingung ist, dass er drei Nächte durch von 11–12 Uhr ausharrt, ohne einen Laut von sich zu geben, mag kommen, was will. Der Junge geht darauf ein und hält auch Wort. Drei schwarze Männer spielen die erste Nacht mit ihm Ball, so dass er am ganzen Körper zerschunden und zerschlagen wird; die zweite Nacht werfen sie ihn gegen Decke und Boden, dass ihm alle Rippen im Leibe brechen; die dritte Nacht endlich zerhacken sie seinen ganzen Körper mit Wiegemessern, dass das Blut an den Kanten des Tisches herunterläuft und den ganzen Fussboden bedeckt. Jedesmal mit dem Schlage 12 ist der Spuk vorüber, und die Jungfrau erscheint und heilt seine Wunden mit zauberkräftigem Balsam. Nach der dritten Nacht ist die Jungfrau erlöst und mit ihr das Königreich, dessen Erbe sie ist. Sie heiratet darauf den Jungen und lebt mit ihm vergnügt und fröhlich lange Zeit. Da überfällt den jungen König die Sehnsucht nach seinen Eltern; und die Königin hat auch nichts gegen die Reise einzuwenden, nur muss er versprechen, nichts davon zu erzählen, was ihm in der Zwischenzeit zugestossen ist. Wie er aber bei seinen Eltern ist, vermag er es nicht über sich, deren Bitten zu widerstehen, und er berichtet ihnen seine Erlebnisse. Kaum hat er angefangen, so klopft es an das Fenster, und er erkennt seine Frau, die Königin, wie sie ihm mit flehentlicher Gebärde bedeutet, er möge schweigen. Doch schon ist's zu spät, er erzählt weiter und weiter; und wie er fertig ist und nach seiner Frau sehen will, ist sie verschwunden und mit ihr auch der goldene Wagen und das Sechsgespann; auf der Schwelle aber lagen ein Paar eiserne Schuhe und ein Zettel, auf dem stand geschrieben: »Da du nicht schweigen konntest, bin ich mit meinem Königreich an das Ende der Welt entrückt. So unmöglich es ist, dass du die eisernen Schuhe vertreten kannst, so unmöglich ist's auch, dass du je wieder zu mir gelangst.« Der junge König verliert aber den Mut nicht, sondern wandert drauf los, seine Frau wieder zu finden. In einem grossen Walde wird er von Räubern überfallen und, da er jung und stark ist, in die Bande aufgenommen. Eines Tages thut die Bande einen guten Fang nnd erbeutet drei Wunschdinge: ein Paar Siebenmeilenstiefel, einen Hut, aus dem bei jeder Drehung und Wendung Kanonenkugeln fliegen, und einen Mantel, der seinen Träger unsichtbar macht. Der junge König stellt sich, als glaube er nicht an die Wunschdinge, und will sie selbst ausprobieren. Die Bande gestattet es gerne. So zieht er denn die Stiefel an, setzt den Hut auf den Kopf und legt den Mantel um. »Seht ihr mich?« fragt er die Räuber. »Nein,« antworten sie. »So seht ihr mich nun und nimmer nicht!« ruft er, und die Räuber haben das Nachsehen. Noch vor Sonnenuntergang langt er am Ende der Welt in seinem Königreiche an. Dort ist grosse Not. Der Nachbarkönig ist mit gewaltiger Heeresmacht eingedrungen und verwüstet Land und Sand; die junge Königin aber sitzt verzweiflungsvoll auf ihrem Stuhle und spinnt. So trifft sie ihr Mann, und unsichtbar tritt er auf sie zu und zerreisst ihr den Faden in der Hand. Er thut es ein zweites und drittes Mal; und wie sie sich zu fürchten beginnt und aus der Stube flüchten will, lässt er den Mantel fallen und giebt sich ihr zu erkennen. Darauf besiegt er mit Hilfe seines Wunschhutes den Feind und lebt dann mit seiner Frau vergnügt und fröhlich bis an sein Ende. – Die zweite Variante stammt aus [378] Marienfliess, Kreis Saazig. Ein reicher Edelmann nimmt sich eines armen Jungen an und lässt ihn mit seinen Kindern aufziehen. Zu seinem Geburtstage erhält er einmal einen wunderschönen Ball. Wie er den vor sich hinwirft und im Springen wieder auffängt, kommt er vom Wege ab in einen Ellernbruch, und dort versinkt der Ball in dem Teiche. Da beginnt der Junge, bitterlich zu weinen. Mit einem Male rauscht es und braust es in dem Teiche, und aus dem Wasser heraus tritt eine verwünschte Prinzessin, den Ball in der Hand, und giebt ihn dem Jungen zurück. Dabei macht sie jedoch ein so trauriges Gesicht, dass er nach der Ursache ihres Kummers fragt. »Mein gutes Kind,« entgegnet die Prinzessin, »ich bin in diesen Pfuhl verwünscht, und du könntest mich wohl erlösen, wenn du thust, was ich dir sage. Sobald du eingesegnet bist, geh in die Stadt zu einem Manne, der den Putz betreibt (d.i. zu einem Barbier) und lerne bei ihm sein Handwerk. Alle Jahre einmal musst du hierher an diesen Teich kommen und meiner Befehle warten. Niemals aber darfst du die ganze Zeit über, bis du ausgelernt hast, irgend jemand etwas von mir erzählen. Hältst du aus, so bin ich erlöst, und du sollst mein Mann und König in meinem verwünschten Reich werden.« Dem Jungen scheint die Sache nicht zu schwer, und er verspricht, das Erlösungswerk zu vollbringen. Schon ist er das dritte Jahr in der Lehre, als eines Tages zwei vornehme Fräulein zu dem Meister in die Stube treten. Der Junge war aber so schön, dass die eine von den beiden ihm von Herzen gut ward und ihn fragte, ob er sie nicht heiraten wolle. Da vergass er sich und gab zur Antwort: »Du bist wohl schön; aber dennoch freie ich dich nicht, denn ich hab' schon eine Braut, die ist tausendmal schöner, als du.« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, so fiel ihm ein, dass er sein Gelübde gebrochen habe. Er eilte hinaus zum Ellernbruch. Siehe, da hielt am Teiche ein goldener Wagen mit vier kohlschwarzen Rappen bespannt; aber alles, Pferde und Kutscher und Wagen, war mit schwarzem Flor verhüllt. In dem Wagen sass die Prinzessin, die weinte und jammerte, und als sie den Jungen erblickte, rief sie laut: »Jetzt bin ich tausend Mal mehr verwünscht!« Dann zogen die Pferde an, und im Augenblick war alles verschwunden. Der Junge beschliesst nun, seine Braut aufzusuchen, und wandert zu dem Zwecke in die weite Welt hinaus. Eines Tages kommt er in einen grossen Wald. Darin floss ein Bach, dessen Wasser war rot, wie Blut. Verwundert geht er stromauf und findet drei Riesen, die sich um ihr Erbe zanken: ein Paar alte Stiefel, einen zerrissenen Mantel und eine verrostete Flinte. Das waren aber Wunschdinge: die Stiefel waren Siebenmeilenstiefel; der Mantel machte seinen Träger unsichtbar; die Flinte endlich war stets geladen und verfehlte nie das Ziel. Der Junge erbietet sich nun, den Erbteiler zu machen, und zwar schlägt er einen Wettlauf vor. Wie die Riesen jedoch zurücktreten, zieht er geschwind die Stiefel an und hängt sich die Flinte über die Schulter; dann wirft er den Mantel um und ist verschwunden. Es dauert nicht lange, so kommt er an ein grosses Erdloch, aus dem heraus es greulich in die Luft blies; das war die Wohnung des Windes. »Guten Tag, lieber Wind,« sagt der Junge, »hast du meine verwünschte Prinzessin nicht gesehen?« – »Nein,« antwortet der Wind, »ich weiss zwar viel, aber das weiss ich nicht; doch mein Bruder, der Sturm, wird's wissen, der kommt überall hin.« So ging denn der Junge, bis er zu dem Erdloch kam, wo der Sturm wohnte. Das war einmal ein Sausen und Brausen, dass es kaum zu sagen ist. Doch den Jungen focht es wenig an, sondern er rief sogleich in das Erdloch hinein: »Guten Tag, lieber Sturm, hast du meine verwünschte Prinzessin nicht gesehen?« Diesmal gelang es ihm besser; der Sturm wusste Bescheid und wies ihm den Weg zu einem grossen, hohlen Berg, in den war die Prinzessin mit ihrem ganzen Hofstaat verwünscht. Ein paar Schritte mit den Siebenmeilenstiefeln, [379] und er war drinnen im Berge und stand in der Küche neben der Köchin. Die kochte gerade die Suppe; doch er schlug ihr den Löffel unsichtbar aus der Hand, und das that er zu dreien Malen. Jetzt wurde ihr graulich zu Mute, und sie lief zur Prinzessin und erzählte ihr die Geschichte. Die ward neugierig und kochte gleichfalls; als es ihr aber nicht anders erging, wie dem Mädchen, schrie sie auf vor Schrecken. Geschwind warf der Junge den Mantel von sich und gab sich der Prinzessin zu erkennen. Da war sie denn erlöst, und es wurde Hochzeit gefeiert, und der Junge ward König in dem verwünschten Reich.
Nr. 58. Mündlich aus Petznick, Kreis Pyritz. Ganz ähnlich das Märchen aus dem Bütower Kreise, das Knoop (Volkssagen etc. aus dem östlichen Hinterpommern S. 215–223) bringt. Abweichend ist einmal die Erlangung des Zauberbuches. Gegen das Ende des dritten Dienstjahres regt sich in dem Jungen die Neugier, und er öffnet das zwölfte Zimmer. Durch das Fenster erblickt er einen so herrlichen Garten, wie er noch keinen gesehen hat. Plötzlich kommt ein Specht angeflogen und flattert vor dem Fenster auf und nieder. Der Junge ergreift alsbald ein Gewehr, das an der Wand hängt, um den Vogel zu schiessen. Dabei stösst er ein Buch herunter, das sich im Fallen öffnet; sogleich springt ein schwarzer Mann heraus, der sich vor dem Jungen verbeugt und nach seinen Befehlen fragt. Erschrocken klappt der Junge das Buch wieder zu und legt es an seine Stelle, aber immer wieder fällt es herunter. So steckt er es, um sich nicht zu verraten, zu sich und behält es auch, als der Herr zurückkommt, ihm seinen Lohn auszahlt und ihn entlässt. Es folgen nun, wie in Nr. 58, die Rückkehr zur Mutter, die Erwerbung des Bruches, der Bau des Schlosses, die Zurückweisung der Tochter des Edelmanns, die Heirat mit der Prinzessin und der Verrat des Ministers, der sich durch List in den Besitz des Wunschbuches bringt und dann von dem Geiste des Buches das Schloss in eine Grube bringen lässt, die weder Sonne noch Mond bescheint. Mancherlei Abweichung zeigt aber der Fortgang des Märchens. Der Junge trifft im Walde zwei Riesen, die sich um einen Wunschmantel zanken, der seinen Träger unsichtbar macht. Er schlichtet den Streit dadurch, dass er ihn für sich behält, und die Riesen sind auch damit zufrieden. In derselben Weise erlangt er einen Wunschstiefel, welcher die Eigenschaft besass, dass der, welcher ihn an hatte, jedesmal 100 Meilen vorwärts machte, wenn er sagte: »Stiefel schreit!« Mit den beiden Wunschdingen ausgerüstet, macht er sich auf den Weg, das verlorene Schloss wieder zu suchen. Es dauert nicht lange, so kommt er zum Riesenkönig, welcher über alle Fische, Vögel und Mäuse herrschte. Derselbe zieht eine Pfeife aus der Tasche, und sofort erscheinen alle Fische der Welt; doch weiss niemand Auskunft über das verschwundene Schloss zu geben. Ebenso ist's mit den Vögeln. Als jedoch die Mäuse zusammen gerufen sind, ist eine, die zuletzt gekommen, imstande, dem Jungen als Führer zu dienen. Der Weg ist weit, so dass der Junge die Maus auf seinen Hut setzt, um dann mit dem Wunschstiefel wacker auszuschreiten. Je näher sie dem Ziele kamen, um so dunkler wird's aber, und schliesslich lässt sich die Maus einen Faden an den Fuss binden und leitet den Jungen. Als sie an Ort und Stelle angelangt sind, kriecht die Maus in die Schlafkammer und zerrt das Buch hervor. Der Schluss wie oben in Nr. 58. – Eine zweite Variante aus dem Bütower Kreise, aufgezeichnet von Herrn Lehrer Archut in Wusseken, ist mir durch Herrn Knoop handschriftlich zugegangen. Ein armer Taglöhnersjunge zieht aus, einen Dienst zu suchen. In einem Walde begegnet ihm ein feiner Herr, der fragt ihn, ob er auch gut lesen könne. Als der Junge die Frage bejaht, antwortet der Herr, so könne er ihn nicht gebrauchen. Geschwind lief der Junge um den Berg herum und stand nach kurzer Zeit wieder vor dem Fremden. Dieser durchschaute die List nicht und stellte dieselbe Frage. Diesmal [380] sagte der Junge, er könne gar nicht lesen. Da nahm ihn der Herr mit sich und zeigte ihm eine grosse Stube voll Bücher, die sollte er tagtäglich abstäuben. Schon war der Junge drei Jahre dort, da fiel ihm beim Abstäuben ein Buch fortwährend auf die Erde. Endlich ward er neugierig, öffnete es und las darin. Sogleich stand ein weisser Geist hinter ihm und fragte nach seinen Befehlen. Er eilt nun mit dem Wunderbuch nach Hause, und es geht ihm genau so, wie dem Jungen in den beiden oben angeführten Märchen, nur dass es nicht der Minister des Königs, sondern ein Diener der jungen Königin ist, der ihn um das Buch und damit um das Schloss bringt. Diesem Diener erscheint übrigens der Geist des Buches in schwarzer Gestalt, während er sich dem Jungen stets weiss gezeigt hat. Er muss das Schloss nach Düsterland versetzen und seinen ehemaligen Herrn bis über die Ohren in den Schlamm stecken. Nachdem sich der Junge aus dem Schlamme herausgearbeitet hat, tritt er den Weg nach Düsterland an. Eines Abends kommt er zu einem Schäfer und fragt ihn, wo Düsterland sei. »Ich weiss es nicht,« antwortet der Schäfer, »aber tausend Meilen weiter, da wohnt mein Bruder, der hat über alle Ratten zu sprechen, der wird es wissen.« Und damit er schneller zum Ziel gelange, gab ihm der Schäfer ein Paar Siebenmeilenstiefel mit auf den Weg. Der Rattenkönig wusste ihm aber keine Hilfe, denn die Ratten kannten Düsterland nicht. Da schickte er ihn denn 1000 Meilen weiter zu dem dritten Bruder, dem Mäusekönig, und als Geschenk gab er ihm einen Hut. Wenn er denselben auf den Kopf setzte und drehte, so standen lauter Soldaten um ihn herum. Als der Junge bei dem Mäusekönig angelangt war, scheint anfangs auch alles verloren; endlich meldet sich ein verspätetes Mäuslein, das geradewegs von Düsterland kommt. Das muss den Jungen führen, wozu ihm derselbe ein Bändchen um den Fuss bindet. Ausserdem schenkt ihm der Mäusekönig einen Wunschmantel, der seinen Träger unsichtbar macht. Durch die Hilfe des Mäuschens und seiner drei Wunschdinge gelangt er nach Düsterland und findet den Diener mit seiner Frau schlafend im Bette; doch lag ein blankes Schwert zwischen ihnen. Die Mauss muss darauf das Zauberbuch dem Diener unter dem Kopfkissen hervorholen. Sofort schlägt es der Junge auf, und der weisse Geist steht wieder hinter ihm. Er erhält den Befehl, das ganze Schloss wieder an Ort und Stelle zu setzen, und zwar müssten der Diener und seine Frau im Schlafe bleiben. Als das geschehen ist, ruft der Junge den alten König herbei. Derselbe ersticht den Diener voll Zorn, die junge Prinzessin lebt aber seit der Zeit mit ihrem Manne vergnügt und fröhlich bis an ihr seliges Ende. – Sehr dürftig wird das Märchen in Klein-Kübbelkow auf Rügen erzählt. Ein vornehmer Herr nimmt einen armen Jungen als seinen Diener an; er hat weiter nichts zu thun, als ein mit Büchern angefülltes Zimmer von Staub und Schmutz rein zu halten. Auf das strengste wird ihm untersagt, irgend ein Buch aufzuschlagen und darin zu lesen. Zwei Jahre kann der Junge seine Neugier bezähmen, im dritten übertritt er das Gebot. Er öffnet eins der Bücher, und kaum hat er es auseinander geklappt, so ruft eine Stimme aus dem Buche heraus: »Was wünschst du dir, Herr?« »Einen Tisch voll Braten!« giebt er zur Antwort, und alsbald ist das Geforderte zur Stelle. Am nächsten Tag kehrt der Herr zurück, merkt sofort, dass der Diener sein Gebot übertreten hat, und nimmt ihn mit sich in das Bücherzimmer. Dort zieht er eins der Bücher hervor, schlägt es auf und fragt, wann der Diener das Unrecht gethan. Als er erfährt, dass es erst gestern geschehen ist und dass der Schelm weiter nichts als eine Mahlzeit bestellt hat, wird er wieder freundlich, schenkt dem Jungen das Buch, das derselbe aufgeschlagen hatte, und entlässt ihn aus seinem Dienste. Der Junge aber kehrte nach Hause zurück und lebte dort, dank der Wunschkraft seines Buches, vergnügt und fröhlich bis an sein Ende.
[381] Nr. 59. Mündlich ans Quatzow, Kreis Schlawe. In Ferdinandshof, Kreis Ueckermünde, weicht die Erzählung erheblich ab: Ein Junge verdingt sich einem Herrn, der ein Schloss hat tief im Walde. Das muss er tagtäglich reinigen. Da der Herr nur alle Jahr einmal zu Hause ist, so liest er dessen Zauberbuch durch und wird über die Massen klug. Nach drei Jahren kündigt er den Dienst, trifft einen andern Mann, dem er aus einer Höhle eine Lampe und ein Schloss holen soll; dazu findet er dort ein Paar alte Stiefeln und ein Schwert. Beim Herausgehen überwirft er sich mit dem Manne und behält die Sachen für sich. Putzte er an der Lampe, so kamen die Luftgeister, drehte er an dem Schlosse, so erschienen die Erdgeister, zog er die Stiefel an, so legte er mit jedem Schritt sieben Meilen zurück, schwang er das Schwert, so besiegte er alles; jeder, den er mit der Schneide berührte, fiel tot zu Boden. Der Junge zieht mit den Schätzen in eine Stadt, lässt durch die Luft- und Erdgeister einen herrlichen Palast erbauen und bekommt wegen seines Reichtums die Königstochter zur Frau. Die Prinzessin weiss aber nichts von den Wunschdingen. Die Lampe steht in der Küche, und das Schloss liegt in einer Ecke. Während der Junge im Kriege ist und die Feinde mit seinem Zauberschwerte schlägt, kommt der Zauberer, als Klempner verkleidet, auf das Schloss und tauscht alte Lampen gegen neue ein. Dann kleidet er sich als Schlosser aus und giebt für jedes alte Schloss ein neues. In beiden Fällen erhält er das Wunschding, reibt darauf die Lampe, dreht das Schloss, und die Erd- und Luftgeister bringen den Palast dahin, wo sieben Jahre Nacht ist und die Welt ihr Ende hat, damit der Junge ihn nicht entdecken kann. Als dieser vom Felde zurückkommt und nichts als den öden Platz sieht, auf dem sein Palast gestanden, macht er sich in den Siebenmeilenstiefeln auf den Weg. Er kommt zu den Sternen und fragt: »Ach, Sterne, ihr kommt doch überall hin, habt ihr mein Schloss nicht gesehen?« – »Wir haben's nicht gesehen,« antworten die Sterne, »kommen auch nicht überall hin; aber der Mond wird's wissen.« Der Mond weiss es auch nicht, ebenso die Sonne, welche ihn zum Windmacher sendet. Der kommt wirklich überall hin und sagt ihm auch, wohin er sich zu wenden hat. Vor dem Thore sitzt eine alte Frau, die spinnt an einem goldenen Faden; so lange derselbe nicht zerrissen ist, bleibt's Nacht. Auf Befehl des Windes zerreisst er ihn und schleicht sich nun in das Schloss hinein, findet Lampe und Schloss und wird von seiner Frau mit grossen Freuden empfangen. Die Luft- und Erdgeister schaffen das Schloss an seine alte Stelle, der Zauberer aber wird in dem dunklen Lande gelassen, wo er eines elenden Todes sterben musste.
Nr. 60. Aus Meesow, Kreis Regenwalde. Nach der Erzählung von Dienstmägden mitgeteilt durch Professor E. Kuhn.
Nr. 61. Mündlich aus Reckow, Kreis Lauenburg.