Theodor Körner
Leier und Schwert

[71] Zueignung

Euch allen, die ihr noch mit Freundestreue
An den verweg'nen Zitherspieler denkt,
Und deren Bild, so oft ich es erneue,
Mir stillen Frieden in die Seele senkt:
Euch gilt dies Lied! – O, daß es euch erfreue!
Zwar hat euch oft mein wildes Herz gekränkt,
Hat stürmisch manche Stunde euch verbittert,
Doch eure Treu' und Liebe nicht erschüttert.
So bleibt mir hold! – Des Vaterlandes Fahnen,
Hoch flattern sie am deutschen Freiheitsport.
Es ruft die heil'ge Sprache unsrer Ahnen:
»Ihr Sänger, vor! und schützt das deutsche Wort!«
Das kühne Herz läßt sich nicht länger mahnen,
Der Sturm der Schlachten trägt es brausend fort;
Die Leier schweigt, die blanken Schwerter klingen.
Heraus, mein Schwert! magst auch dein Liedchen singen.
Laut tobt der Kampf! – Lebt wohl, ihr treuen Seelen!
Euch bringt dies Blatt des Freundes Gruß zurück.
Es mag euch oft, recht oft von ihm erzählen,
Es trage sanft sein Bild vor euren Blick!
Und sollt' ich einst im Siegesheimzug fehlen:
Weint nicht um mich, beneidet mir mein Glück!
Denn was berauscht die Leier vorgesungen,
Das hat des Schwertes freie That errungen.

[71] Andreas Hofers Tod

1809.


Treu hingst du deinem alten Fürsten an,
Treu wolltest du dein altes Gut erfechten;
Der Freiheit ihren ew'gen Bund zu flechten,
Betratst du kühn die große Heldenbahn.
Und treu kam auch dein Volk zu dir heran,
Ob sie der Väter Glück erkämpfen möchten.
Ach! wer vermag's, mit Gottes Spruch zu rechten?
Der schöne Glaube war ein schöner Wahn.
Es fangen dich die Sklaven des Tyrannen;
Doch wie zum Siege blickst du himmelwärts,
Der Freiheit Weg geht durch des Todes Schmerz!
Und ruhig siehst du ihre Büchsen spannen:
Sie schlagen an, die Kugel trifft ins Herz,
Und deine freie Seele fliegt von dannen.

Die Eichen

1811.


Abend wird's, des Tages Stimmen schweigen,
Röter strahlt der Sonne letztes Glüh'n;
Und hier sitz' ich unter euren Zweigen,
Und das Herz ist mir so voll, so kühn!
Alter Zeiten alte treue Zeugen,
Schmückt euch doch des Lebens frisches Grün,
Und der Vorwelt kräftige Gestalten
Sind uns noch in eurer Pracht enthalten.
[72]
Viel des Edlen hat die Zeit zertrümmert,
Viel des Schönen starb den frühen Tod,
Durch die reichen Blätterkränze schimmert
Seinen Abschied dort das Abendrot.
Doch um das Verhängnis unbekümmert,
Hat vergebens euch die Zeit bedroht,
Und es ruft mir aus der Zweige Wehen:
»Alles Große muß im Tod bestehen!«
Und ihr habt bestanden! – Unter allen
Grünt ihr frisch und kühn mit starkem Mut.
Wohl kein Pilger wird vorüberwallen,
Der in euerm Schatten nicht geruht.
Und wenn herbstlich eure Blätter fallen:
Tot auch sind sie euch ein köstlich Gut,
Denn verwesend werden eure Kinder
Eurer nächsten Frühlingspracht Begründer.
Schönes Bild von alter deutscher Treue,
Wie sie bess're Zeiten angeschaut,
Wo in freudig kühner Todesweihe
Bürger ihre Staaten festgebaut!
Ach was hilft's, daß ich den Schmerz erneue?
Sind doch alle diesem Schmerz vertraut!
Deutsches Volk, du herrlichstes vor allen,
Deine Eichen stehn – du bist gefallen!

Vor Rauchs Büste der Königin Luise

1812.


Du schläfst so sanft! – Die stillen Züge hauchen
Noch deines Lebens schöne Träume wider;
Der Schlummer nur senkt seine Flügel nieder,
Und heil'ger Frieden schließt die klaren Augen.
[73]
So schlumm're fort, bis deines Volkes Brüder,
Wenn Flammenzeichen von den Bergen rauchen,
Mit Gott versöhnt die rost'gen Schwerter brauchen,
Das Leben opfernd für die höchsten Güter.
Tief führt der Herr durch Nacht und durch Verderben;
So sollen wir im Kampf das Heil erwerben,
Daß unsre Enkel freie Männer sterben.
Kommt dann der Tag der Freiheit und der Rache:
Dann ruft dein Volk, dann, deutsche Frau, erwache,
Ein guter Engel für die gute Sache!

Auf dem Schlachtfelde von Aspern

1812.


Schlachtfeld, wo der Todesengel würgte,
Wo der Deutsche seine Kraft verbürgte,
Heil'ger Boden, dich grüßt mein Gesang!
Frankreichs stolze Adler sahst du zittern,
Sahst des Wüt'richs Eisenkraft zersplittern,
Die sich frech die halbe Welt bezwang.
Euch, ihr Manen der gefall'nen Helden,
Deren Blick im Siegesdonner brach,
Ruf' ich in den Frühling eurer Welten
Meines Herzens ganzen Jubel nach.
Daß ich damals nicht bei euch gestanden!
Daß, wo Brüder Sieg und Freiheit fanden,
Ich, trotz Kraft und Jugend, doch gefehlt!
Glückliche, die ihr den Tag erfochten,
Ew'ge Lorbeern habt ihr euch geflochten,
Zum Triumph des Vaterlands erwählt.
Schwarz und traurig wie auf Grabestrümmern
Wälzt auf Deutschland sich des Schicksals Macht;
[74]
Doch begeisternd wie mit Sternesschimmern
Bricht der eine Tag durch unsre Nacht.
Sonnenhauch in düstern Nebeljahren,
Deine Strahlen laß uns treu bewahren
Als Vermächtnis einer stolzen Zeit!
Überall im großen Vaterlande,
Von der Ostsee bis zum Donaustrande,
Macht dein Name alle Herzen weit.
Aspern klingt's, und Karl klingt's siegestrunken,
Wo nur deutsch die Lippe lallen kann.
Nein, Germanien ist nicht gesunken,
Hat noch einen Tag und einen Mann.
Und solange deutsche Ströme sausen,
Und solange deutsche Lieder brausen,
Gelten diese Namen ihren Klang.
Was die Tage auch zerschmettert haben,
Karl und Aspern ist ins Herz gegraben,
Karl und Aspern donnert im Gesang.
Mag der Staub gefall'ner Helden modern,
Die dem großen Tode sich geweiht:
Ihres Ruhmes Flammenzüge lodern
In dem Tempel der Unsterblichkeit.
Aber nicht, wie sie die Nachwelt richte,
Nicht die ew'ge Stimme der Geschichte
Reißt der Mitwelt große Schuld entzwei.
Ihre Todesweihe lebt im Liede;
Doch umsonst such' ich die Pyramide,
Die der Denkstein ihrer Größe sei.
Auf dem Walplatz heiligten die Ahnen
Ihrer Eichen stolze Riesenpracht,
Und die Irmensäule der Germanen
Sprach von der geschlag'nen Römerschlacht.
In dem blut'gen Thal der Thermopylen,
Wo der Griechen freie Scharen fielen,
[75]
Grub's in Marmor ihrer Brüder Dank:
»Wandrer, sag's den kinderlosen Eltern,
Daß fürs Vaterland auf diesen Feldern
Spartas kühne Heldenjugend sank!«
Und Jahrtausende sind Staub geworden,
Jenes Marmors heil'ge Säule brach,
Doch in triumphierenden Akkorden
Riefen's die Jahrhunderte sich nach
Und erzählten trotz dem Sturmgetöse
Ihrer Zeit von der Heroengröße
Der Gefall'nen und von Spartas Dank.
Groß war Griechenland durch seine Helden,
Aber größer noch durch sein Vergelten,
Wenn der Bürger für die Freiheit sank.
Jenseits lohnt ein Gott mit ew'gen Strahlen,
Doch das Leben will auch seinen Glanz.
Nur mit Ird'schem kann die Erde zahlen,
Und der Ölzweig windet sich zum Kranz.
Drum soll es die Nachwelt laut erfahren,
Wie auch deutsche Bürger dankbar waren,
Wie wir der Gefall'nen That erkannt.
Daß ihr Tod uns Lebende ermutet,
Daß sie für Unwürd'ge nicht geblutet –
Das beweise, deutsches Vaterland!
Deine Sänger laß in Liedern stürmen,
Und zum Steine füge kühn den Stein,
Und die Pyramide laß sich türmen,
Der gefall'nen Brüder wert zu sein!
Nur glaub' nie, du schmücktest ihre Krone,
Wenn du deine goldnen Pantheone
Über ihre Grabeshügel wölbst!
Stolzes Volk! – denkst du mit Marmorhaufen
Deines Dankes Schuldbrief abzukaufen?
Deine Kuppeln ehren nur dich selbst.
Nur das Ew'ge kann das Ew'ge schmücken,
Erdenglanz welkt zur Vergessenheit.
Was die Zeiten brechen und erdrücken,
Ist gemein für die Unsterblichkeit.
[76]
Aber, Deutschland, um dich selbst zu ehren,
Nicht den eignen Tempel zu zerstören,
Den die angeerbte Kraft gebaut,
Zeig' dich wert der großen Todesweihe,
Dich, Germania, in alter Treue,
Männerstolze, kühne Heldenbraut!
Friedlich Volk, brich aus den kalten Schranken,
Warm und frei, wie dich die Vorwelt kennt!
Auf den Feldern, wo die Adler sanken,
Türme deines Ruhmes Monument!
Sieh umher bei fremden Nationen,
Wie sie dort ein mutig Werk belohnen,
Wie der Marmor in den Tempeln glänzt!
Jeder Sieg aus dunkler Wissenssphäre
Drängt sich in das Pantheon der Ehre,
Und der kühne Künstler steht bekränzt.
Aber gibt es einen Preis im Leben,
Wo hinan nicht dieser Kampf gereicht?
Gut und Blut für Volk und Freiheit geben –
Nenn' die That, die sich der That vergleicht!
Drum, mein Volk, magst du den Aufruf hören!
Östreich! deine Toten sollst du ehren!
Wer zum deutschen Stamme sich bekennt,
Reiche stolz und freudig seine Gabe,
Und so baue sich auf ihrem Grabe
Ihrer Heldengröße Monument,
Daß es die Jahrhunderte sich sagen,
Wenn die Mitwelt in den Strudel sank:
»Diese Schlacht hat deutsches Volk geschlagen,
Dieser Stein ist deutschen Volkes Dank!«

Hoch lebe das Haus Österreich!

Aus der Geschichte der Schlacht von Aspern.


1812.


Es schweigt die Nacht, die Erde träumt,
Und bleich der Mond die Wolken säumt.
[77]
Was bist du, Welt, so still, so leer!
Was lauerst du wie ein falsches Meer?
Es saust so öde durch dein Reich,
Und Schauder faßt die Seele gleich,
Als wolltest du mit leisem Beben
Des Morgens blut'gen Schleier heben.
Noch schlummert's tief in Lagers Raum,
Die Sterne steigen auf und nieder,
Die Totenstille regt sich kaum!
O laß der Welt den schönen Traum –
Der nahe Tag verscheucht ihn wieder!
In Osten graut's, es sinkt die Nacht.
Gottlob! der Morgen ist erwacht!
Gottlob! der neue Tag bricht an!
Seht euch noch 'mal die Sonne an!
Wohl viele, die jetzt rüstig stehn,
Sehen sie nie wieder untergehn.
In manchen Herzen pocht das Blut
Nach raschen Streites Übermut;
Und eh' die nächsten Stunden tagen,
Hat manches Herz schon ausgeschlagen.
Die Sonne kommt, der Nebel reißt,
Ein stumm Gebet den Vater preist.
Nun lebt und regt sich alle Welt,
In blanken Waffen glänzt das Feld.
Der Jüngling schreitet kühn hinaus,
Er schaut hinauf ins Vaterhaus,
Und leise Ahnung füllt sein Herz
Und zieht ihn dämmernd himmelwärts.
Da trägt der tiefbewegte Sinn
Die Träume zu der Liebsten hin.
Sie weinte, als er scheiden mußt' –
Und Wehmut haucht in seine Brust,
Und er gedenkt der schönen Zeiten!
Er fühlt's, es war ein ewig Scheiden!
Die Sonne steigt, der Lärmschuß kracht,
Laut jubelnd zieht das Heer zur Schlacht.
[78]
»Seht ihr den Stephan herüberwinken
Und dort die fränk'schen Adler blinken?
Auf, Brüder! stürzt euch mutig drein,
Die Adler müssen unser sein!
Lebt wohl, lebt wohl, ihr meine Lieben,
Weint nicht, ich wollt' euch nicht betrüben!«
Es wogt der Kampf, es brüllt der Tod,
Die Wunden klaffen blutigrot.
»Mir nach! mir nach! dort ist der Ruhm,
Ihr kämpft für euer Heiligtum!«
Und neben ihm und unter ihm
Würgt rasch des Todes Ungestüm,
Und Mann und Roß zusammenbrach;
Er aber jauchzt: »Mir nach! mir nach!«
Da pfeift eine Kugel durch seine Brust,
Daß gleich das Auge brechen mußt';
Doch hat er mit der letzten Kraft
Den letzten Atem zusammengerafft
Und ruft und stürzt zu Boden gleich:
»Hoch lebe das Haus Österreich!«
Der Adler sinkt, die Fahne fliegt.
Heil dir, mein Volk, du hast gesiegt!

Dem Sieger von Aspern

(Bei Übersendung der beiden vorhergehenden Gedichte.)


1812.


Was der verwegenen Hand gebot, in die Saiten zu schlagen,
Was mein jugendlich Herz tief in Entzückung getaucht,
Dieser Begeisterung Sturm, er schlummert nirgends; es mangelt
Nie der Brust das Gefühl, nur dem Gefühle das Wort.
[79]
Manche schweigen wohl auch, weil die Zeit das Schweigen gebiete,
Weil der drängende Tag scheuche den glücklichen Mut:
Aber die Zeit will ich sehn und den Tag, der gebieten kann, frostig,
Kalt und besonnen zu sein, wenn mich Entzückung durchglüht,
Wenn mein germanischer Stolz sich beugt demgermaninischen Helden,
Der auf dem Altar des Siegs Funken und Flammen geweckt.
Darum riß es mich fort: ich griff in die rauschenden Saiten,
Sang es laut, was sich sonst wortlos im Herzen vergrub.
Aber der Held verzeihe der armen Kunst seines Barden,
Die mit frevelndem Mut sich an das Höchste gewagt.
Zürnt doch der Sturm, der den Donner der brechenden Eiche gewohnt ist,
Drum dem Schilfe nicht, das ihm entgegengerauscht!

Bei der Musik des Prinzen Louis Ferdinand

1812.


Düste're Harmonieen hör' ich klingen,
Mutig schwellen sie ans volle Herz,
In die Seele fühl' ich sie mir dringen,
Wecken mir den vaterländ'schen Schmerz.
Und mit ihren früh geprüften Schwingen
Kämpfen sie im Sturme himmelwärts;
Doch sie tragen nur ein dunkles Sehnen,
Nicht den Geist aus diesem Land der Thränen.
Allgewaltig hält ihn noch das Leben,
Taucht die Flügel in den styg'schen Fluß.
Es ist nicht der Künste freies Schweben,
Nicht verklärter Geister Weihekuß.
[80]
Noch dem Erdgeist ist er preisgegeben,
Mit dem Staube kämpft der Genius,
Reißt er auch im Rausche der Gedanken
Oft sich blutend los aus seinen Schranken.
Dann ergreift ihn ein bacchantisch Wüten,
Wilde Melodieenblitze sprühn,
Aus dem Tode ruft er Strahlenblüten
Und zertritt sie kalt, sobald sie blühn.
Wenn die letzten Funken bleich verglühten,
Hebt er sich noch einmal stolz und kühn
Und versinkt dann mit gewalt'gem Schauren
In den alten Kampf mit dem Centauren.
Wilder Geist! jetzt hast du überwunden!
Deine Nacht verschmilzt in Morgenrot;
Ausgekämpft sind deiner Prüfung Stunden,
Leer der Kelch, den dir das Schicksal bot.
Kunst und Leben hat den Kranz gewunden,
Auf die Locken drückte ihn der Tod.
Deinen Grabstein kann die Zeit zermalmen,
Doch die Lorbeern werden dort zu Palmen.
Und dein Sehnen klagte nicht vergebens:
Einmal ward's in deiner Seele Tag,
Als dein Herz am kühnsten Ziel des Strebens
Kalt und blutend auf der Walstatt lag.
Sterbend löste sich der Sturm des Lebens,
Sterbend löste sich der Harfe Schlag;
Und des Himmels siegverklärte Söhne
Trugen dich ins freie Land der Töne.

Mein Vaterland

1813.


Wo ist des Sängers Vaterland?
Wo edler Geister Funken sprühten,
Wo Kränze für das Schöne blühten,
Wo starke Herzen freudig glühten,
Für alles Heilige entbrannt.
Da war mein Vaterland!
[81]
Wie heißt des Sängers Vaterland?
Jetzt über seiner Söhne Leichen,
Jetzt weint es unter fremden Streichen.
Sonst hieß es nur das Land der Eichen,
Das freie Land, das deutsche Land.
So hieß mein Vaterland!
Was weint des Sängers Vaterland?
Daß vor des Wüt'richs Ungewittern
Die Fürsten seiner Völker zittern,
Daß ihre heil'gen Worte splittern,
Und daß sein Ruf kein Hören fand.
Drum weint mein Vaterland!
Wem ruft des Sängers Vaterland?
Es ruft nach den verstummten Göttern,
Mit der Verzweiflung Donnerwettern
Nach seiner Freiheit, seinen Rettern,
Nach der Vergeltung Rächerhand.
Der ruft mein Vaterland!
Was will des Sängers Vaterland?
Die Knechte will es niederschlagen,
Den Bluthund aus den Grenzen jagen
Und frei die freien Söhne tragen
Oder frei sie betten unterm Sand.
Das will mein Vaterland!
Und hofft des Sängers Vaterland?
Es hofft auf die gerechte Sache,
Hofft, daß sein treues Volk erwache,
Hofft auf des großen Gottes Rache
Und hat den Rächer nicht verkannt.
Drauf hofft mein Vaterland!

Moskau

1813.


Wie wölben dort sich deiner Kirchen Bogen!
Wie schimmern der Paläste goldne Wände!
Es schwärmt der Blick, wohin ich ihn versende,
Von einer Pracht zur andern fortgeflogen.
[82]
Da wälzen sich auf einmal glüh'nde Wogen:
Es schleudern deiner Bürger eigne Hände
Aufs eigne Dach die sprüh'nden Fackelbrände;
Ein Feuerkreis hat prasselnd dich umzogen.
O, laß dich nur vom Aberwitz verdammen!
Ihr Kirchen, stürzt! Paläste, brecht zusammen!
Der Phönix Rußlands wirft sich in die Flammen!
Doch hochverklärt aus seinem Feuerkranze
Wird er erstehn im frischen Jugendglanze,
Und Sankt Georg schwingt siegend seine Lanze.

Lied zur feierlichen Einsegnung des preußischen Freikorps

Gesungen in der Kirche zu Rochau in Schlesien am 28. Mai 1813.


Nach der Weise: Ich will von meiner Missethat etc.


Wir treten hier im Gotteshaus
Mit frommem Mut zusammen.
Uns ruft die Pflicht zum Kampf hinaus,
Und aller Herzen flammen.
Doch was uns mahnt zu Sieg und Schlacht,
Hat Gott ja selber angefacht.
Dem Herrn allein die Ehre!
Der Herr ist unsre Zuversicht,
Wie schwer der Kampf auch werde;
Wir streiten ja für Recht und Pflicht
Und für die heil'ge Erde.
Drum – retten wir das Vaterland,
So that's der Herr durch unsre Hand.
Dem Herrn allein die Ehre!
[83]
Es bricht der freche Übermut
Der Tyrannei zusammen,
Es soll der Freiheit heil'ge Glut
In allen Herzen flammen.
Drum frisch in Kampfes Ungestüm!
Gott ist mit uns und wir mit ihm!
Dem Herrn allein die Ehre!
Er weckt uns jetzt mit Siegerlust
Für die gerechte Sache;
Er rief es selbst in unsre Brust:
»Auf, deutsches Volk, erwache!«
Und führt uns, wär's auch durch den Tod,
Zu seiner Freiheit Morgenrot.
Dem Herrn allein die Ehre!

Trost

Ein Rundgesang.


1813.


Wie wir so treu beisammen stehn
Mit unverfälschtem Blut!
Der Feierstunde heilig Wehn
Schwellt meinen jungen Mut.
Es treibt mich rasch zum Liede fort,
Zum Harfensturm hinaus.
Im Herzen lebt ein kühnes Wort –
Was gilt's? ich sprech' es aus.
Die Zeit ist schlimm, die Welt ist karg,
Die Besten weggerafft,
Die Erde wird ein großer Sarg
Der Freiheit und der Kraft.
Doch Mut! – Wenn auch die Tyrannei
Die deutsche Flur zertrat:
In vielen Herzen, still und treu,
Keimt noch des Guten Saat.
[84]
Verschüchtert durch den blut'gen Ruhm
Und durch der Schlachten Glück,
Flohn zu der Seele Heiligtum
Die Künste scheu zurück.
Sind auch die Thäler jetzt verwaist,
Wo sonst ihr Tempel war:
Es bleibt doch jeder reine Geist
Ihr ewiger Altar.
Und Freundestreu' und Wahrheit gilt
Noch eine heil'ge Pflicht.
Sieh, wie der Giesbach brausend schwillt!
Du rufst – mich schreckt er nicht.
Und läg' es vor mir wolkenweit
Und sternhoch über mir:
Beim Gott! ich halte meinen Eid.
Schlag' ein! ich folge dir!
Und Frauenunschuld, Frauenlieb'
Steht noch als höchstes Gut,
Wo deutscher Ahnen Sitte blieb
Und deutscher Jünglingsmut.
Noch trifft den Frevler heil'ger Bann,
Der diesen Zauber stört;
Wer für sein Lieb nicht sterben kann,
Ist keines Kusses wert.
Auch du hast noch nicht ausgeflammt,
Du heil'ge Religion!
Was von der ew'gen Liebe stammt,
Ist zeitlich nicht entflohn.
Das Blut wäscht die Altäre rein,
Die wir entheiligt sehn.
Die Kreuze schlägt man frevelnd ein,
Doch bleibt der Glaube stehn.
Und noch regt sich mit Adlersschwung
Der vaterländ'sche Geist,
Und noch lebt die Begeisterung,
Die alle Ketten reißt.
[85]
Und wie wir hier zusammenstehn,
In Lust und Lied getaucht,
So wollen wir uns wiedersehn,
Wenn's von den Bergen raucht.
Dann frisch, Gesellen! Kraft und Mut
Der Tag der Rache kömmt! –
Bis wir sie mit dem eignen Blut
Vom Boden weggeschwemmt!
Und du im freien Morgenrot,
Zu dem die Hymne stieg,
Du führ' uns, Gott – wär's auch zum Tod –
Führ' nur das Volk zum Sieg!

Durch!

Ein Petschaft, worauf ein Pfeil, der auf eine Wolke zuflog, mit der Unterschrift: »Durch!« gab Gelegenheit zu diesem Gedichte.


1813.


Wie dort im Nebelkranze,
Voll finst'rer Majestät,
Die schwarze Wolkenschanze
Am Firmamente steht!
Die Feuerkugeln sprühen
Aus ihrem dunklen Schoß,
Und Zackenflammen glühen,
Und Donner brechen los.
Und vor dem Zorngerichte
Kniet armer Sünder Zahl:
»Herr Zebaoth, vernichte
Nur nicht mein stilles Thal!
Das ganze Volk erschlage,
Rotte die Menschheit aus –
Nur laß mir meine Tage,
Und mein Kind und mein Haus!«
O, liegt nur im Gebete,
Feig in den Staub gebückt,
Daß euch der Gott zertrete,
Der in den Blitzen zückt!
[86]
Die Glocke in dem Sturme,
Die zum Gebete ruft,
Lockt erst nach ihrem Turme
Die flammenschwang're Luft.
Und eine andre Menge
Steht, dem Verderben nah',
Mit blitzendem Gepränge
In Waffenrüstung da.
Wie sie noch ohne Grauen
Ganz ruhig fürder ziehn
Und nach den Blitzen schauen,
Die immer näher glühn!
Was soll das ew'ge Zaudern?
Hier hilft nur rasche That,
Die kraftvoll ohne Schaudern
Das Schlangenhaupt zertrat.
Soll euch die Rüstung schützen?
Sonst wehrt sie wohl dem Streich;
Jetzt ruft sie nach den Blitzen,
Ruft Rache über euch!
Nein, frisch! – Ein freudig Siegen
Kommt nur nach heißer Schlacht!
Seht ihr den Pfeil dort fliegen?
Der bricht der Wolken Nacht.
Durch muß er, durch! – Der Bogen
Schonte die Sehne nicht;
Der Pfeil ist durchgeflogen,
Schwimmt nun im Sonnenlicht!
Durch, Brüder, durch! – Das werde
Das Wort in Kampf und Schmerz!
Gemeines will zur Erde,
Edles will himmelwärts!
Soll uns der Sumpf vermodern?
Was gilt der Wolkenbrand?
Drum laßt den Blitz nur lodern!
Durch! – Dort ist's Vaterland!

[87] Abschied von Wien

1813.


Leb' wohl! leb' wohl! – Mit dumpfen Herzensschlägen
Begrüß' ich dich und folge meiner Pflicht.
Im Auge will sich eine Thräne regen.
Was sträub' ich mich? Die Thräne schmäht mich nicht.
Ach! wo ich wandle, sei's auf Friedenswegen,
Sei's wo der Tod die blut'gen Kränze bricht:
Da werden deine teuern Huldgestalten
In Lieb' und Sehnsucht meine Seele spalten.
Verkennt mich nicht, ihr Genien meines Lebens,
Verkennt nicht meiner Seele ernsten Drang!
Begreift die treue Richtung meines Strebens,
So in dem Liede wie im Schwerterklang!
Es schwärmten meine Träume nicht vergebens;
Was ich so oft gefeiert mit Gesang,
Für Volk und Freiheit ein begeistert Sterben:
Laßt mich nun selbst um diese Krone werben!
Wohl leichter mögen sich die Kränze flechten,
Errungen mit des Liedes heit'rem Mut;
Ein rechtes Herz schlägt freudig nach dem Rechten.
Die ich gepflegt mit jugendlicher Glut,
Laßt mich der Kunst ein Vaterland erfechten,
Und gält' es auch das eigne wärmste Blut.
Noch diesen Kuß! und wenn's der letzte bliebe!
Es gibt ja keinen Tod für unsre Liebe.

Aufruf

1813.


Frisch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen,
Hell aus dem Norden bricht der Freiheit Licht.
Du sollst den Stahl in Feindes Herzen tauchen;
Frisch auf, mein Volk! – Die Flammenzeichen rauchen,
Die Saat ist reif – ihr Schnitter, zaudert nicht!
[88]
Das höchste Heil, das letzte, liegt im Schwerte!
Drück' dir den Speer ins treue Herz hinein! –
Der Freiheit eine Gasse! – Wasch' die Erde,
Dein deutsches Land, mit deinem Blute rein!
Es ist kein Krieg, von dem die Kronen wissen;
Es ist ein Kreuzzug 's ist ein heil'ger Krieg!
Recht, Sitte, Tugend, Glauben und Gewissen
Hat der Tyrann aus deiner Brust gerissen –
Errette sie mit deiner Freiheit Sieg!
Das Winseln deiner Greise ruft: »Erwache!«
Der Hütte Schutt verflucht die Räuberbrut,
Die Schande deiner Töchter schreit um Rache,
Der Meuchelmord der Söhne schreit nach Blut.
Zerbrich den Pflugschar, laß den Meißel fallen,
Die Leier still, den Webstuhl ruhig stehn!
Verlasse deine Höfe, deine Hallen!
Vor dessen Antlitz deine Fahnen wallen,
Er will sein Volk in Waffenrüstung sehn.
Denn einen großen Altar sollst du bauen
In seiner Freiheit ew'gem Morgenrot;
Mit deinem Schwert sollst du die Steine hauen,
Der Tempel gründe sich auf Heldentod!
Was weint ihr, Mädchen, warum klagt ihr, Weiber,
Für die der Herr die Schwerter nicht gestählt,
Wenn wir entzückt die jugendlichen Leiber
Hinwerfen in die Scharen eurer Räuber,
Daß euch des Kampfes kühne Wollust fehlt?
Ihr könnt ja froh zu Gottes Altar treten!
Für Wunden gab er zarte Sorgsamkeit,
Gab euch in euern herzlichen Gebeten
Den schönen, reinen Sieg der Frömmigkeit!
So betet, daß die alte Kraft erwache,
Daß wir dastehn, das alte Volk des Siegs!
Die Märtyrer der heil'gen deutschen Sache,
O, ruft sie an als Genien der Rache,
Als gute Engel des gerechten Kriegs!
[89]
Luise, schwebe segnend um den Gatten!
Geist unsers Ferdinands, voran dem Zug!
Und all' ihr deutschen, freien Heldenschatten,
Mit uns, mit uns und unsrer Fahnen Flug!
Der Himmel hilft, die Hölle muß uns weichen!
Drauf, wack'res Volk! Drauf! ruft die Freiheit, drauf!
Hoch schlägt dein Herz, hoch wachsen deine Eichen.
Was kümmern dich die Hügel deiner Leichen?
Hoch pflanze da die Freiheitsfahne auf!
Doch stehst du dann, mein Volk, bekränzt vom Glücke,
In deiner Vorzeit heil'gem Siegerglanz:
Vergiß die treuen Toten nicht und schmücke
Auch unsre Urne mit dem Eichenkranz!

Der preußische Grenzadler

1813.


Sei mir gegrüßt im Rauschen deiner Flügel!
Das Herz verheißt mir Sieg in deinem Zeichen.
Durch, edler Aar! Die Wolke muß dir weichen;
Fleuch rächend auf von deiner Toten Hügel!
Das freie Roß gehorcht dem Sklavenzügel,
Den Glanz der Raute seh' ich welk verbleichen,
Der Löwe krümmt sich unter fremden Streichen –
Du nur erhebst mit neuem Mut die Flügel.
Bald werd' ich unter deinen Söhnen stehen,
Bald werd' ich dich im Kampfe wiedersehen,
Du wirst voran zum Sieg, zur Freiheit wehen!
Was dann auch immer aus dem Sänger werde –
Heil ihm, erkämpft er auch mit seinem Schwerte
Nichts als ein Grab in einer freien Erde!

[90] An die Königin Luise

1813.


Du Heilige! hör' deiner Kinder Flehen,
Es dringe mächtig auf zu deinem Licht!
Kannst wieder freundlich auf uns niedersehen,
Verklärter Engel! Länger weine nicht!
Denn Preußens Adler soll zum Kampfe wehen.
Es drängt dein Volk sich jubelnd zu der Pflicht;
Und jeder wählt – und keinen siehst du beben –
Den freien Tod für ein bezwung'nes Leben.
Wir lagen noch in feige Schmach gebettet;
Da rief nach dir dein besseres Geschick.
An die unwürd'ge Zeit warst du gekettet,
Zur Rache mahnte dein gebroch'ner Blick.
So hast du uns den deutschen Mut gerettet.
Jetzt sieh auf uns, sieh auf dein Volk zurück,
Wie alle Herzen treu und mutig brennen!
Nun woll' uns auch die Deinen wieder nennen!
Und wie einst, alle Kräfte zu beleben,
Ein Heil'genbild für den gerechten Krieg
Dem Heeresbanner schützend zugegeben,
Als Oriflamme in die Lüfte stieg:
So soll dein Bild auf unsern Fahnen schweben
Und soll uns leuchten durch die Nacht zum Sieg.
Luise sei der Schutzgeist deutscher Sache,
Luise sei das Losungswort zur Rache!
Und wenn wir dann dem Meuterheer begegnen –
Wir stürzen uns voll Zuversicht hinein!
Und mögen tausend Flammenblitze regnen,
Und mögen tausend Tode uns umdräun:
Ein Blick auf deine Fahne wird uns segnen;
Wir stehen fest, wir müssen Sieger sein!
Wer dann auch fällt für Tugend, Recht und Wahrheit –
Du trägst ihn sanft zu deiner ew'gen Klarheit.

[91] Jägerlied

Nach der Weise: Auf, auf, ihr Brüder, und seid stark etc.


1813.


Frisch auf, ihr Jäger, frei und flink!
Die Büchse von der Wand!
Der Mutige bekämpft die Welt.
Frisch auf den Feind! frisch in das Feld!
Fürs deutsche Vaterland!
Aus Westen, Norden, Süd und Ost
Treibt uns der Rache Strahl:
Vom Oderflusse, Weser, Main,
Vom Elbstrom und vom Vater Rhein
Und aus dem Donauthal.
Doch Brüder sind wir allzusamm,
Und das schwellt unsern Mut.
Uns knüpft der Sprache heilig Band,
Uns knüpft ein Gott, ein Vaterland,
Ein treues deutsches Blut.
Nicht zum Erobern zogen wir
Vom väterlichen Herd;
Die schändlichste Tyrannenmacht
Bekämpfen wir in freud'ger Schlacht.
Das ist des Blutes wert.
Ihr aber, die uns treu geliebt –
Der Herr sei euer Schild,
Bezahlen wir's mit unserm Blut!
Denn Freiheit ist das höchste Gut,
Ob's tausend Leben gilt.
Drum, muntre Jäger, frei und flink,
Wie auch das Liebchen weint!
Gott hilft uns im gerechten Krieg!
Frisch in den Kampf! – Tod oder Sieg!
Frisch, Brüder, auf den Feind!

[92] Lied der schwarzen Jäger

Nach der Weise: Am Rhein, am Rhein etc.


1813.


Ins Feld, ins Feld! Die Rachegeister mahnen.
Auf, deutsches Volk, zum Krieg!
Ins Feld! ins Feld! Hoch flattern unsre Fahnen,
Sie führen uns zum Sieg.
Klein ist die Schar, doch groß ist das Vertrauen
Auf den gerechten Gott.
Wo seine Engel ihre Festen bauen,
Sind Höllenkünste Spott.
Gebt kein Pardon! Könnt ihr das Schwert nicht heben,
So würgt sie ohne Scheu!
Und hoch verkauft den letzten Tropfen Leben!
Der Tod macht alle frei.
Noch trauren wir im schwarzen Rächerkleide
Um den gestorb'nen Mut;
Doch fragt man euch, was dieses Rot bedeute,
Das deutet Frankenblut.
Mit Gott! – Einst geht hoch über Feindesleichen
Der Stern des Friedens auf;
Dann pflanzen wir ein weißes Siegeszeichen
Am freien Rheinstrom auf.

Am Hedwigsbrunnen bei Jauer

1813.


Wie sprech' ich's aus, was meine Brust durchzittert?
Der Freude wie der Wehmut Schwingen tragen
Das milde Herz zu liebefrohen Tagen,
Von keinem Thränengifte mehr verbittert.
[93]
Wer hat mein freies Paradies umgittert?
Wer durfte mich in diese Fesseln schlagen,
Den Liedersohn ins Kriegsgetümmel jagen?
Wer hat mir meinen Freudenbaum zersplittert?
Wie? griff ich nicht mit freier Hand zum Schwerte,
Daß blutversöhnend aus der deutschen Erde
Ein heilig Werk jung und lebendig werde?
Es spricht's ein Gott im Rauschen dieser Wellen:
»Am Klippenherzen muß die Kraft zerschellen,
Und aus dem Tode soll das Leben quellen.«

Letzter Trost

Beim Zurückzug der vereinigten Heere über die Elbe.

Nach der Weise unsers Bundsliedes: Es heult der Sturm, es braust das Meer etc.

Was zieht ihr die Stirne finster und kraus?
Was starrt ihr wild in die Nacht hinaus,
Ihr freien, ihr männlichen Seelen?
Jetzt heult der Sturm, jetzt braust das Meer,
Jetzt zittert das Erdreich um uns her.
Wir woll'n uns die Not nicht verhehlen.
Die Hölle braust auf in neuer Glut,
Umsonst ist geflossen viel edles Blut,
Noch triumphieren die Bösen.
Doch nicht an der Rache des Himmels verzagt!
Es hat nicht vergebens blutig getagt,
Rot muß ja der Morgen sich lösen.
Und galt es früherhin Mut und Kraft –
Jetzt alle Kräfte zusammengerafft,
Sonst scheitert das Schiff noch im Hafen!
Erhebe dich, Jugend, der Tiger dräut!
Bewaffne dich, Landsturm, jetzt kommt deine Zeit!
Erwache, du Volk, das geschlafen!
[94]
Und die wir hier rüstig zusammenstehn
Und keck dem Tod in die Augen sehn,
Woll'n nicht vom Rechte lassen:
Die Freiheit retten, das Vaterland,
Oder freudig sterben, das Schwert in der Hand,
Und Knechtschaft und Wütriche hassen!
Das Leben gilt nichts, wo die Freiheit fällt.
Was gibt uns die weite, unendliche Welt
Für des Vaterlands heiligen Boden?
Frei woll'n wir das Vaterland wiedersehn
Oder frei zu den glücklichen Vätern gehn.
Ja! glücklich und frei sind die Toten.
Drum heule, du Sturm, drum brause, du Meer,
Drum zitt're, du Erdreich, um uns her,
Ihr sollt uns die Seele nicht zügeln!
Die Erde kann neben uns untergehn:
Wir woll'n als freie Männer bestehn
Und den Bund mit dem Blute besiegeln.

Bundeslied vor der Schlacht

Am Morgen des Gefechts bei Danneberg.


Am 12. Mai 1813.


Ahndungsgrauend, todesmutig
Bricht der große Morgen an,
Und die Sonne, kalt und blutig,
Leuchtet unsrer blut'gen Bahn.
In der nächsten Stunden Schoße
Liegt das Schicksal einer Welt,
Und es zittern schon die Lose,
Und der eh'rne Würfel fällt.
Brüder! euch mahne die dämmernde Stunde,
Mahne euch ernst zu dem heiligsten Bunde,
Treu, so zum Tod, als zum Leben gesellt!
[95]
Hinter uns, im Grau'n der Nächte,
Liegt die Schande, liegt die Schmach,
Liegt der Frevel' fremder Knechte,
Der die deutsche Eiche brach.
Unsre Sprache ward geschändet,
Unsre Tempel stürzten ein;
Unsre Ehre ist verpfändet,
Deutsche Brüder, löst sie ein!
Brüder, die Rache flammt! Reicht euch die Hände,
Daß sich der Fluch der Himmlischen wende!
Löst das verlor'ne Palladium ein!
Vor uns liegt ein glücklich Hoffen,
Liegt der Zukunft goldne Zeit,
Steht ein ganzer Himmel offen,
Blüht der Freiheit Seligkeit.
Deutsche Kunst und deutsche Lieder,
Frauenhuld und Liebesglück,
Alles Große kommt uns wieder,
Alles Schöne kehrt zurück.
Aber noch gilt es ein gräßliches Wagen,
Leben und Blut in die Schanze zu schlagen;
Nur in dem Opfertod reift uns das Glück.
Nun, mit Gott! wir wollen's wagen,
Fest vereint dem Schicksal stehn,
Unser Herz zum Altar tragen
Und dem Tod entgegengehn.
Vaterland! dir woll'n wir sterben,
Wie dein großes Wort gebeut!
Unsre Lieben mögen's erben,
Was wir mit dem Blut befreit.
Wachse, du Freiheit der deutschen Eichen,
Wachse empor über unsere Leichen!
Vaterland, höre den heiligen Eid!
Und nun wendet eure Blicke
Noch einmal der Liebe nach,
Scheidet von dem Blütenglücke,
Das der gift'ge Süden brach!
[96]
Wird euch auch das Auge trüber –
Keine Thräne bringt euch Spott.
Werft den letzten Kuß hinüber,
Dann befehlt sie eurem Gott!
Alle die Lippen, die für uns beten,
Alle die Herzen, die wir zertreten,
Tröste und schütze sie, ewiger Gott!
Und nun frisch zur Schlacht gewendet,
Aug' und Herz zum Licht hinauf!
Alles Ird'sche ist vollendet,
Und das Himmlische geht auf.
Faßt euch an, ihr deutschen Brüder!
Jede Nerve sei ein Held!
Treue Herzen sehn sich wieder –
Lebewohl für diese Welt!
Hört ihr's? Schon jauchzt es uns donnernd entgegen
Brüder! hinein in den blitzenden Regen!
Wiedersehn in der besseren Welt!

Gebet während der Schlacht

1813.


Vater, ich rufe dich!
Brüllend umwölkt mich der Dampf der Geschütze,
Sprühend umzucken mich rasselnde Blitze.
Lenker der Schlachten, ich rufe dich!
Vater du, führe mich!
Vater du, führe mich!
Führ' mich zum Sieg, führ' mich zum Tode:
Herr, ich erkenne deine Gebote;
Herr, wie du willst, so führe mich!
Gott, ich erkenne dich!
Gott, ich erkenne dich!
So im herbstlichen Rauschen der Blätter
Als im Schlachtendonnerwetter,
Urquell der Gnade, erkenn' ich dich.
Vater du, segne mich!
[97]
Vater du, segne mich!
In deine Hand befehl' ich mein Leben,
Du kannst es nehmen, du hast es gegeben;
Zum Leben, zum Sterben segne mich!
Vater, ich preise dich!
Vater, ich preise dich!
's ist ja kein Kampf für die Güter der Erde:
Das Heiligste schützen wir mit dem Schwerte.
Drum, fallend und siegend, preis' ich dich.
Gott, dir ergeb' ich mich!
Gott, dir ergeb' ich mich!
Wenn mich die Donner des Todes begrüßen,
Wenn meine Adern geöffnet fließen –
Dir, mein Gott, dir ergeb' ich mich!
Vater, ich rufe dich!

Mißmut

Als ich bei Sandow lange Zeit die Ufer der Elbe bewachen mußte.


1813.


Vaterland, du riefst den Sänger,
Schwelgend in der Tage Glück.
Blutig hassend deine Dränger,
Hielt nicht Lied und Liebe länger
Seiner Seele Sturm zurück.
Und er brach mit wundem Herzen
Aus der Freunde schönen Reih'n,
Tauchte in der Trennung Schmerzen –
Und war dein.
Thränend hat er oft die Blicke
Zur Vergangenheit gesandt;
Auf des Lieds melod'scher Brücke
Stieg der Geist zum alten Glücke
In der Liebe goldnes Land.
[98]
Ach! er schwärmte nur vergebens,
Denn der Stunden rohe Hast
Warf ihn in den Lärm des Lebens,
Sturmgefaßt.
Doch was soll er im Gedränge
Ohne Schlachten-Morgenrot?
Gib die friedlichen Gesänge
Oder gib des Krieges Strenge –
Gib mir Lieder oder Tod!
Laß mir der Begeist'rung Thränen,
Laß mir meine Liebesnacht –
Oder wirf mein freudig Sehnen
In die Schlacht!
Um mich donnern die Kanonen,
Ferne Cimbeln schmettern drein.
Deutschland wirft um seine Kronen –
Und hier soll ich ruhig wohnen
Und des Stromes Wächter sein?
Soll ich in der Prosa sterben?
Poesie, du Flammenquell,
Brich nur los mit leuchtendem Verderben,
Aber schnell!

An den König

Als das Gerücht ihn in der Bautzner Schlacht gefallen nannte.


1813.


Heil dir, mein Fürst, auf deinem Strahlenthrone!
Bricht auch das Herz, vom höchsten Schmerz bezwungen –
Mit letzter Kraft dir jubelnd Heil gesungen!
Der Jammer stirbt im höchsten Siegestone.
Ja! bis das letzte deutsche Wort verklungen,
Jauchzt noch das Vaterland von seinem Sohne,
Der, kämpfend für sein Volk und seine Krone,
Sich königlich den Königstod errungen!
[99]
Der Sieg fleugt auf aus deines Blutes Bächen;
Dein Name soll des Wüt'richs Mauern brechen,
Das treue Volk muß seinen König rächen!
Du aber, sanft entschlummert unter Leichen,
Erwache sanft in deinen goldnen Reichen:
Die Palmen blühn dir dort wie deine Eichen!

Reiterlied

Nach der Weise: »Es gibt nichts Lust'gers auf der Welt.«


1813.


Frisch auf, frisch auf mit raschem Flug!
Frei vor dir liegt die Welt,
Wie auch des Feindes List und Trug
Uns rings umgattert hält.
Steig', edles Roß, und bäume dich,
Dort winkt der Eichenkranz!
Streich' aus, streich' aus und trage mich
Zum lust'gen Schwertertanz!
Hoch in den Lüften, unbesiegt,
Geht frischer Reitersmut!
Was unter ihm im Staube liegt,
Engt nicht das freie Blut.
Weit hinter ihm liegt Sorg' und Not
Und Weib und Kind und Herd,
Vor ihm nur Freiheit oder Tod,
Und neben ihm das Schwert.
So geht's zum lust'gen Hochzeitfest,
Der Brautkranz ist der Preis;
Und wer das Liebchen warten läßt,
Den bannt der freie Kreis.
Die Ehre ist der Hochzeitgast,
Das Vaterland die Braut;
Wer sie recht brünstiglich umfaßt,
Den hat der Tod getraut.
[100]
Gar süß mag solch ein Schlummer sein
In solcher Liebesnacht;
In Liebchens Armen schläfst du ein,
Getreu von ihr bewacht.
Und wenn der Eiche grünes Holz
Die neuen Blätter schwellt,
So weckt sie dich mit freud'gem Stolz
Zur ew'gen Freiheitswelt.
Drum, wie sie fällt und wie sie steigt,
Des Schicksals rasche Bahn,
Wohin das Glück der Schlachten neigt:
Wir schauen's ruhig an.
Für deutsche Freiheit woll'n wir stehn!
Sei's nun in Grabes Schoß,
Sei's oben auf des Sieges Höh'n:
Wir preisen unser Los.
Und wenn uns Gott den Sieg gewährt –
Was hilft euch euer Spott?
Ja! Gottes Arm führt unser Schwert,
Und unser Schild ist Gott!
Schon stürmt es mächtig ringsumher,
Drum, edler Hengst, frisch auf!
Und wenn die Welt voll Teufel wär',
Dein Weg geht mitten drauf!

Trost

Nach Abschluß des Waffenstillstandes.


1813.


Herz! laß dich nicht zerspalten
Durch Feindes List und Spott!
Gott wird es wohl verwalten,
Er ist der Freiheit Gott.
[101]
Laß nur den Wüt'rich drohen,
Dort reicht er nicht hinauf.
Einst bricht in heil'gen Lohen
Doch deine Freiheit auf.
Glimmend durch lange Schmerzen,
Hat sie der Tod verklärt,
Aus Millionen Herzen
Mit edlem Blut genährt;
Wird seinen Thron zermalmen,
Schmelzt deine Fesseln los
Und pflanzt die glüh'nden Palmen
Auf deutscher Helden Moos.
Drum laß dich nicht zerspalten
Durch Feindes List und Spott!
Gott wird es wohl verwalten,
Er ist der Freiheit Gott.

Abschied vom Leben

Als ich in der Nacht vom 17. zum 18. Juni 1813 schwer verwundet und hülflos in einem Holze lag und zu sterben meinte.


Die Wunde brennt, die bleichen Lippen beben.
Ich fühl's an meines Herzens matterm Schlage,
Hier steh' ich an den Marken meiner Tage.
Gott, wie du willst! dir hab' ich mich ergeben.
Viel goldne Bilder sah ich um mich schweben;
Das schöne Traumlied wird zur Totenklage.
Mut! Mut! Was ich so treu im Herzen trage,
Das muß ja doch dort ewig mit mir leben!
Und was ich hier als Heiligtum erkannte,
Wofür ich rasch und jugendlich entbrannte,
Ob ich's nun Freiheit, ob ich's Liebe nannte:
[102]
Als lichten Seraph seh' ich's vor mir stehen;
Und wie die Sinne langsam mir vergehen,
Trägt mich ein Hauch zu morgenroten Höhen.

Lützows wilde Jagd

1813.


Was glänzt dort vom Walde im Sonnenschein?
Hör's näher und näher brausen.
Es zieht sich herunter in düsteren Reih'n,
Und gellende Hörner schallen darein
Und erfüllen die Seele mit Grausen.
Und wenn ihr die schwarzen Gesellen fragt:
Das ist Lützows wilde, verwegene Jagd.
Was zieht dort rasch durch den finstern Wald
Und streift von Bergen zu Bergen?
Es legt sich in nächtlichen Hinterhalt –
Das Hurra jauchzt und die Büchse knallt,
Es fallen die fränkischen Schergen.
Und wenn ihr die schwarzen Jäger fragt:
Das ist Lützows wilde, verwegene Jagd.
Wo die Reben dort glühen, dort braust der Rhein,
Der Wüt'rich geborgen sich meinte,
Da naht es schnell mit Gewitterschein
Und wirft sich mit rüst'gen Armen hinein
Und springt ans Ufer der Feinde.
Und wenn ihr die schwarzen Schwimmer fragt:
Das ist Lützows wilde, verwegene Jagd.
Was braust dort im Thale die laute Schlacht,
Was schlagen die Schwerter zusammen?
Wildherzige Reiter schlagen die Schlacht,
Und der Funke der Freiheit ist glühend erwacht
Und lodert in blutigen Flammen.
[103]
Und wenn ihr die schwarzen Reiter fragt:
Das ist Lützows wilde, verwegene Jagd.
Wer scheidet dort röchelnd vom Sonnenlicht,
Unter winselnde Feinde gebettet?
Es zuckt der Tod auf dem Angesicht;
Doch die wackern Herzen erzittern nicht,
Das Vaterland ist ja gerettet!
Und wenn ihr die schwarzen Gefall'nen fragt:
Das war Lützows wilde, verwegene Jagd.
Die wilde Jagd und die deutsche Jagd
Auf Henkersblut und Tyrannen!
Drum, die ihr uns liebt, nicht geweint und geklagt!
Das Land ist ja frei, und der Morgen tagt,
Wenn wir's auch nur sterbend gewannen!
Und von Enkeln zu Enkeln sei's nachgesagt:
Das war Lützows wilde, verwegene Jagd.

Gebet

Nach der Weise: »O sanctissima etc.«


1813.


Hör' uns, Allmächtiger!
Hör' uns, Allgütiger,
Himmlicher Führer der Schlachten!
Vater, dich preisen wir!
Vater, wir danken dir,
Daß wir zur Freiheit erwachten!
Wie auch die Hölle braust,
Gott, deine starke Faust
Stürzt das Gebäude der Lüge.
Führ' uns, Herr Zebaoth,
Führ' uns, dreiein'ger Gott,
Führ' uns zur Schlacht und zum Siege!
Führ' uns! Fall' unser Los
Auch tief in Grabes Schoß:
Lob doch und Preis deinem Namen!
[104]
Reich, Kraft und Herrlichkeit
Sind dein in Ewigkeit!
Führ' uns, Allmächtiger! Amen.

Östreichs Doppeladler

Als ich verwundet nach Östreich zurückkehrte.


1813.


Sei mir gesegnet, heilig Doppelzeichen,
Das ich trotz diesem Wirbelsturm der Jahre
In heiterm Stolz und leuchtender gewahre!
Ja, hier beginnst du, freies Land der Eichen!
Ein Ruf, dem nur der Sel'gen Stimmen gleichen,
Zog mich zu deinem nachbarlichen Aare;
Es floß mein Blut an Vaterlands Altare,
Ich sank getroffen von Verräterstreichen.
Da sind' ich dich, schön wie im Land der Dichtung;
Zween Blitze glüht der Augen Doppelrichtung,
Der Freiheit Sieg, der Tyrannei Vernichtung.
Frisch auf, Habsburg! Der Teufel muß erliegen;
Gott ist mit dir, wo deine Banner fliegen.
Hoch, Östreich, hoch! Dein Schwert, dein Karl wird siegen!

Unsre Zuversicht

Nach der Weise: »Wer nur den lieben Gott läßt walten etc.«


1813.


Wir rufen dich mit freud'gen Blicken
Und halten fest an deinem Wort.
Die Hölle soll uns nicht berücken
Durch Aberwitz und Meuchelmord;
Und was auch rings in Trümmern geht,
Wir wissen's, daß dein Wort besteht.
[105]
Nicht leichten Kampfes siegt der Glaube,
Solch Gut will schwer errungen sein.
Freiwillig tränkt uns keine Traube,
Die Kelter nur erpreßt den Wein;
Und will ein Engel himmelwärts,
Erst bricht im Tod ein Menschenherz.
Drum mag auch noch im falschen Leben
Die Lüge ihre Tempel bau'n,
Und mögen goldne Schurken beben
Und sich vor Kraft und Tugend grau'n
Und mit der Feigheit Schwindeldrehn
Vor dem erwachten Volke stehn,
Und mögen sich noch Brüder trennen
Und sich in blut'gem Haß entzwei'n
Und deutsche Fürsten es verkennen,
Daß ihre Kronen Schwestern sei'n
Und daß, wenn Deutschland einig blieb,
Es einer Welt Gesetze schrieb:
Wir wollen nicht an dir verzagen
Und treu und festen Mutes sein.
Du wirst den Wüt'rich doch erschlagen
Und wirst dein deutsches Land befrei'n.
Liegt auch der Tag noch jahreweit –
Wer weiß, als du, die rechte Zeit?
Die rechte Zeit zur guten Sache,
Zur Freiheit, zum Tyrannentod!
Vor deinem Schwerte sinkt der Drache
Und färbt die deutschen Ströme rot
Mit Sklavenblut und freiem Blut!
Du treuer Gott, verwalt' es gut!

Was uns bleibt

1813.


Was uns bleibt, wenn Deutschlands Säulen brechen,
Wenn der Götter Stimme trügt,
Wenn der Menschheit Wunden sich nicht rächen,
Wenn das heiligste Vertrauen lügt,
[106]
Wenn umsonst die aufgeblitzte Jugend
Um des Vaterlandes Kerker stürmt
Und des Volkes spartergleiche Tugend
Fruchtlos Leichen über Leichen türmt?
Was uns bleibt, wenn wir trotz unserm Rechte
Knirschend vor dem falschen Glücke stehn
Und des Wüt'richs feile Henkersknechte
Mordend durch der Freiheit Tempel gehn?
Was uns bleibt, wenn unser Blut vergebens
Auf des Vaterlandes Grab verraucht
Und der Freiheit Stern, der Stern des deutschen Lebens,
An dem deutschen Himmel niedertaucht?
Was uns bleibt? Rühmt nicht des Wissens Bronnen,
Nicht der Künste friedensreichen Strand!
Für die Knechte gibt es keine Sonnen,
Und die Kunst verlangt ein Vaterland.
Aller Götter Stimmen sind verklungen
Vor dem Jammerton der Sklaverei,
Und Homer, er hätte nie gesungen –
Doch sein Griechenland war frei!
Was uns bleibt? Ein christliches Ertragen,
Wo des Dulders feige Thräne taut?
Soll ich selbst den Altar mir zerschlagen,
Den ich mir Herzen aufgebaut?
Soll ich das für Gottes Finger halten,
Wo der Menschheit Engel Rache schrei'n?
Wo die Teufel teuflisch walten,
Das kann nur ein Sieg der Hölle sein!
Bleibt uns nichts? Fliehn alle gute Engel
Mit verwandtem Angesicht?
Brechen aller Hoffnung Blütenstengel,
Weil des Sieges Palme bricht?
Kann der Arm kein rettend Kreuz umklammern
In der höchsten, letzten Not?
Müssen wir verzweifeln und verjammern?
Gibt es keine Freiheit als den Tod?
Doch! Wir sehn's im Aufschwung unsrer Jugend,
In des ganzen Volkes Heldengeist:
Ja! es gibt noch eine deutsche Tugend,
Die allmächtig einst die Ketten reißt.
[107]
Wenn auch jetzt in den bezwung'nen Hallen
Tyrannei der Freiheit Tempel bricht,
Deutsches Volk, du konntest fallen,
Aber sinken kannst du nicht!
Und noch lebt der Hoffnung Himmelsfunken!
Mutig vorwärts durch das falsche Glück!
's war ein Stern! Jetzt ist er zwar versunken,
Doch der Morgen bringt ihn uns zurück.
's war ein Stern! Die Sterne bleiben.
's war der Freiheit goldner Stern!
Laß die blut'gen Wolken treiben –
Der ist in der Hut des Herrn!
Mag die Hölle drohn und schnauben,
Der Tyrann reicht nicht hinauf,
Kann dem Himmel keine Sterne rauben –
Unser Stern geht auf!
Ob die Nacht die freud'ge Jugend töte –
Für den Willen gibt es keinen Tod,
Und des Blutes deutsche Heldenröte
Jubelt von der Freiheit Morgenrot!

Notizen
Erstdruck der Sammlung, hg. von Körners Vater: Berlin (Verlag der Nicolaischen Buchhandlung) 1814.
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Körner, Theodor. Leier und Schwert. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0003-B64C-3