Die Kirche von Zinsblech

»Sind angenehm in Leibkleidern als nackend, doch tödtliche Farbe, gehen zertheilt an beiden Orten den Platz hinauf, lassen sich bloß sehen als ob sie erscheinen, ungeredet, und gehen alsdann wieder hinab in das Grab.« –

Luzerner Osterspiel, Todtenauferstehung.


Auf einer meiner einsamen Wanderungen durch Tyrol hatte ich mich eines Abends vergangen. In Folge eines am Nachmittag schief gestandenen Wegweisers fand ich mich bei längst eingetretener Dunkelheit noch mitten im Walde, während ich bei untergehender Sonne längst am Orte meines Ziels hätte eintreffen sollen. Ich kam zwar endlich in ein Dorf, welches ich aber weder in dieser Gegend vermuthete, noch, soviel ich mich erinnerte, auf einer meiner Karten verzeichnet stand. Es mochte jetzt gegen elf Uhr Nachts sein. Alle Hausthüren waren verschlossen; die Fensterscheiben schwarz. Aus Besorgniß um ein Nachtquartier klopfte ich an eine derselben, deren bleiernschepperndes Geräusch die Worte »Zinsblech! Zinsblech!« vernehmen ließ. Dies war aber nur der Laut auf den kleinen runden Scheiben mit Bleieinfassung; die größeren Scheiben, an die ich klopfte, um Einlaß zu erhalten, tönten »Pinzgau! Pinzgau!« Nirgends die Antwort einer menschlichen Stimme. Nach wenigen Schritten stieß ich auf die Ortstafel, wo das einzige Licht im Dorf zu brennen schien, bei dessen Schein es mir gelang auf derselben zu lesen: »Gemeinde Zinsblech; Landgericht Pinzgau«. Es folgten noch einige Bemerkungen bezüglich Aushebungsbezirk, Steuereinziehung u.s.w. und am Schlusse hieß es: »Das Orts-Geschenk wird im Haus Nr. 666 gereicht.« – Nachdem ich mit meinem Geklopfe »Zinsblech! – Pinzgau!« mehrere, gänzlich menschenleere Straßen durchwandert hatte, wobei mir das Unglück passirte eine Scheibe einzuschlagen, die auf diesen Mord ihres eigenen Ichs mit dem gläsernen Sterbeseufzer »Grinzsau!« antwortete, kam ich an die Kirche. Ein großes, hochaufsteigendes Gebäude im nüchtern-romanischen Stil mit wuchtigen Formen; außen rohbemörtelt; das Dach von Schiefer; [173] am Ende ein hoher Thurm mit in Zacken aufsitzendem Thurmhelm, dessen sich verjüngende Spitze ein goldenes Kreuz, und auf dem Kreuz einen Hahn trug. Merkwürdigerweise stand die Kirchenthür, die mit Schweinfurter Grün angestrichen war, sperrangelweit offen. Ich trat ein und ging, nachdem ich in unglücklicher Richtung an den kupfernen Weihkessel angestoßen war, der mit dem schilpend-abgewetzten Laut »Prinzfrech!« antwortete, vorsichtig durch die Kirchenstühle auf den Altar zu. Vor dem Altar lag eine dicke, wollige Plüschdecke. Alles war mäuschenstill. Ich war so ermüdet, daß ich mich versuchsweise hinlegte. –


Obwohl es beim Eintritt ganz dunkel war, konnte ich doch schon nach kurzer Zeit allgemeine Umrisse, Nischen und Vorsprünge unterscheiden. Die Altäre waren geschmückt mit den in Landkirchen üblichen, eingerahmten Tablettes, auf denen lateinische Sprüche stehen, mit versilberten Leuchtern, Klingelspiel, alles in einfachster, wenig kostspieliger Form; auf Sockeln an der blanken, weißgetünchten Wand herum standen einige Apostel, Märtyrer und Ortsheilige mit ihren stereotypen Werkzeugen und Symbolen in der Hand. Gesichter, Haltung und Gewandung in jener übertrieben brünstigen und pathetischen Darstellungsweise, wie sie das Spät-Rokoko um die Mitte dieses Jahrhunderts bis in die letzte Dorfkirche brachte. Rechts von dem langen Fenster, auf das mein Blick unwillkürlich vor dem Einschlafen gerichtet war, stand ein Petrus mit einem scharf zur Seite gewandten, vollbärtigen Kopfe, in dessen eigenthümlich grinzenden Zügen sich halb Stolz, halb Verschmitztheit ausdrückte; halb, schien es, blickte er auf den auf der anderen Fensterseite stehenden Jeremias, der traurig und verlegen seine Papier-Rolle gesenkt hielt, halb zum Fenster hinaus, seinen großen, schwarzen Schlüssel krampfhaft in das Mondlicht haltend, das scharf am Rand des Kirchendachs herabgleitend, langsam durch das linke Seitenschiff der Kirche strich. – Mit diesem Bild schlief ich ein. –


Wie lange ich geschlafen, kann ich nicht sagen; ich erhielt nur plötzlich einen Stoß in die Seite, wie von einem harten Gegenstand, und erwachend bemerkte ich vor mir einen Mann in einem langen, rothen Gewand, und unter dem Arm ein großes, schiefes Holzkreuz; dieses Holzkreuz war an mich angestoßen. Der Mann kümmerte sich um mich gar nicht, sondern schritt [174] ernst und gemessen dem Altare zu. Und nun erkannte ich, daß er nur Einer unter Vielen war, die in einer langen Reihe geordnet aus den Kirchenstühlen herauskamen in der Richtung zum Altar. Die ganze Kirche war taghell und prächtig erleuchtet. Auf allen Altären brannten Kerzen. Vom Chor herab tönte ein langsameinschläferndes Gesumse der Orgel. Weihrauch und Kerzendampf lagerten sich in festen, bleigrauen Schwaden zwischen die weißgetünchten Pfeiler und die Wölbung. In dem Zug der geheimnißvoll dahinschleichenden Menschen bemerkte ich eine Menge seltsamer Gestalten. Da ging an der Spitze eine junge, prächtige Frau in einem blauen, sternbesäten Kleid, die Brüste offen, die linke halb entblößt; und durch Brust und Kleid hindurch ging ein Schwert, so, daß das Kleid gerade noch getroffen war, als sollte das Kleid dadurch empor gehalten werden. Sie blickte fortwährend mit einem verzückten Lächeln an die weiße, kalkige Decke empor, und hielt die Arme in brünstiger Geberde über die Brust gekreuzt, so daß es den Eindruck gewann, als jubilire sie innerlich über einen Gedanken (wobei ich nochmals bemerke, daß das Schwert links, bei der linken Armbeuge, bis zum Heft fest darinsaß). Dies war die vorderste Person. Aus der hinter ihr folgenden Reihe fielen Manche durch ihre wunderliche Tracht auf. Die Meisten hatten bestimmte Werkzeuge in der Hand. Der Eine eine Säge; der Andere ein Kreuz; der Dritte einen Schlüssel; der Vierte ein Buch; Einer gar einen Adler; und ein Anderer trug ein Lamm auf dem Arme mit herum. Niemand wunderte sich über den Andern. Keiner sprach mit dem Andern. Aus dem Schiff der Kirche führten drei Stufen zu der erhöhten Estrade, wo der Altar stand. Jeder wartete mit seinem in bestimmter Haltung getragenen Werkzeug, bis der Vordere die drei Stufen droben war, um nicht mit ihm zusammenzustoßen. Was mich am meisten wunderte: Niemand wunderte sich über mich. Ich blieb völlig unbemerkt. Und selbst der Mann, der mit seinem schiefbalkigen Kreuz an mich angestoßen war, schien davon nichts bemerkt zu haben. Eine zweite weibliche Person fiel mir durch ihre pathetische Haltung im Zuge auf: eine blonde Frau, nicht mehr jung, mit hübschen aber verwitterten, abgelebten Zügen. Sie trug ein ganz weißes Kleid, ohne Falbe oder Borde; in der Mitte mit einem Strick gebunden. Dieser Strick war aber vergoldet; die Brüste vollständig entblößt. Doch schaute Niemand auf diese üppig [175] quellenden Brüste hin. Reiche, blonde Flechten, vollständig aufgelöst, wallten den ganzen Rücken hinab. Sie trug den Kopf tief auf die Brust gesunken, und schaute verzweifelt auf ihre, nicht wie gewöhnlich gefalteten, sondern nach auswärts umgeknickten Hände (wie es auf dem Theater Verzweifelnde machen); Thränen perlten fortwährend von ihren Wimpern, fielen von da direct auf ihre Brüste, von da auf das Kleid und auch noch auf die stellenweise unter dem Kleid hervorkommenden Füße. – Es wäre unmöglich Alle die aufzuzählen, die hier so still und selbstverständlich, wie zu einer regelmäßigen Uebung, da hinauf wanderten; aber der Mensch mit der verkniffenen Fratze, der anfangs seinen Schlüssel so energisch in das Mondlicht hielt und den ich vor dem Einschlafen unwillkürlich noch auf dem Postament betrachtet hatte, war auch dabei. – Trotz des eintönigen Orgelspiels war mir seit dem Erwachen ein eigenthümliches, zischelndes Geräusch hinter meinem Rücken am Altar nicht entgangen. Ich blickte jetzt um und bemerkte dort einen hochaufgeschossenen, ganz weiß gekleideten Menschen, der fortwährend in den an ihm vorbeiwandernden, theilweise vor ihm haltmachenden Zug hineinflüsterte: »Nehmet hin und esset! Nehmet hin und esset!« Es war eine unsäglich feine Figur: schlank, gracile Glieder, geistvolles Profil, griechische Nase, dunkle, glattgescheitelte Lockenwellen fielen über Schläfe, Ohr und Nacken; ein durchsichtiger, jünglinghafter Flaum um Kinn und Lippen. Nur bemerkte ich an seinen Händen Blut. Er stand am äußersten linken Ende des Altars und schob den je zu zwei vor ihm stillstehenden und auf einem rothen Schemel knieenden Menschen aus dem Zug ein rundes, weiß angestrichenes Stück in den Mund, daß diese unter brünstigem Augen-Aufschlag an die Decke blickten, und flüsterte immer zu: »Nehmet hin und esset! Nehmet hin und esset!« und »Nähmet hin und ässet!« prallte es von den halbkugelförmigen Hohlwänden hinter dem Altar zurück. So weit war Alles gut. Auffallend war mir zwar, woher dieser Mensch die weißen runden Stücke brachte. Er langte wohl fortwährend in den Brustlatz seines Gewandes hinein; dort konnte aber ein Vorrath, eine Tasche u. dergl. von den weißen Münzen unmöglich sein; einmal, weil dieses Austheilen ewig fortging und kein Ende nahm; ferner ein Unterkleid, wie man deutlich sehen konnte, nicht da war; und schließlich die Dünnbrüstigkeit dieses abgehärmten Menschen eine so excessive [176] war, daß, was sich im Profil darbot, nothwendig dem Körper selbst angehören mußte. Auch bewegte er die feine, höchst schlank gebaute Hand so tief nach innen, daß für mich, so weit meine allerdings der Täuschung fähigen Sinne in Betracht kamen, kein Zweifel bestand, daß er die kreidigen Zwölf-Kreuzerstücke aus seinem Körper selbst brachte. – Ich sagte, so weit war Alles gut: Die Leute, die Frau mit dem Schwert in der Brust voraus, marschirten hinter dem Altar herum, um auf der rechten Seite wieder zu ihren Plätzen in den Kirchenbänken zurückzukehren. Aber was war denn auf dieser rechten Seite? – Dort stand ein analoger Mensch, – mehr ein mythologischer Zwitter als ein Mensch, – in einem schwarzen, protestantischen Predigertalar, vorn am Hals die viereckigen, weißen Tablettes oder Bäffchen, hinter denen ein schwarz behaarter Hals zum Vorschein kam; hinten am Gesäß theilte sich das Predigerkleid, und ein schwarzer, affenartiger Wickelschwanz rollte sich dort heraus von so respectabler Länge, daß er, die Breite des Altars überspannend, mit dem Rücken des auf der linken Seite amtirenden weißen Menschen in stete Berührung kam. Unten guckten zwei hufartige Füße heraus, und oben, am Predigerhals saß ein Kopf, dessen wilder Haarwuchs verbunden mit einem gelben Kolorit, eingefurchten, denkfaltigen Zügen, und einer stumpfigen Nase einem deutschen Professoren-Gesicht an Häßlichkeit wenig nachgab. Eine goldene Brille complettirte diese aus Aerger, Bitterkeit und Ekel zusammengesetzte Physiognomie. – Eigenthümlich war es, daß er fast pendelartig dieselben Bewegungen und Gesten machte, wie sein weißes vis-à-vis, – oder Rück'- gegen Rücken – auf der andern Altarseite. – Er hielt einen schwarzen Becher in der Hand, aus dem er seiner ähnlich wie drüben vorbei-paradirenden Gesellschaft zu trinken gab. Dabei rief er in einem heiseren, grölenden Ton der jedesmal vor ihm knieenden Person zu »Nehmet hin und trinket!« Und jedesmal führte er den Becher hinter sich herum, am Gesäß vorbei, um ihn dann der nächsten Person an die Lippen zu setzen. Was war nun aber das für eine Gesellschaft auf dieser rechten Seite? Eine merkwürdige und ganz anders geartete als drüben! Da war ganz vorne ein Mensch mit einer langen Nase und zurückweichendem Kinn, einen Dreimaster am Kopfe, den ausgemergelten Körper in eine französische Uniform gesteckt à la Louis XV., mit zurückgeschlagenen rothen Rockflügeln, [177] einen Degen zur Seite, in der rechten Hand einen Krückstock, und zu allem Ueberfluß noch unter'm linken Arm eine Flöte; er hielt den Kopf immer schief und sah sehr ausdrucksvoll drein, und schien genau zu wissen, was er that. – Da war ferner ein feiner, eleganter Kerl in spanischem Kostüm, Tricots bis fast an die Lende, Pluderhosen, gestepptes, panzerartiges Wams, darüber einen goldbordirten kurzen Mantel à la Philipp II., Schnallenschuhe, Sammthut mit Straußenfeder; das Gesicht gealtert, aber noch leichtfertig aufgelegt; einen gezückten, blanken Degen in der Rechten tänzelte er, die Champagner-Arie aus Mozart trällernd, die drei Stufen zum Altar hinauf, mit Wohlwollen auf die Ceremonien des schwarzgeschwänzten Predigers sich vorbereitend. Unter den Frauenzimmern bemerkte ich eine in einem weißen, griechischen Gewand mit goldener Falbel, die Arme nackt und mit goldenen Spangen, die Brüste verführerisch halb entblößt; auf dem blonden feingeschnittenen Haupt ein Königsdiadem, und unter dem Arm eine Lyra; mit ihren fröhlichen, fast ausgelassenen Manieren bildete sie einen wirksamen Gegensatz zu der blonden, schluchzenden Frau auf der andern Seite. – Es waren noch manche wunderbare, wie es schien, aus allen Gegenden und Zeiten zusammengewürfelte Gesellen da. Da war einer in einem langen, dunkeln, schleppenden Magister-Gewand, Barett auf dem ernsten Gesicht, eine düstre, grübelnde Scholastenmiene, unter dem Arm ein geheimnißvolles Buch mit böhmischen Lettern, der mit zu Boden gewandtem Blick schweigend in der Reihe einherging. Gleich hinter ihm ging ein junges Mädchen mit mildem, weichem Gesichtsausdruck, die einen abgehauenen, bärtigen Kopf auf einer Schüssel trug. Der Kopf schien der eines Denkers zu sein; das Mädchen lächelte und schien mit einem heitern Gedanken beschäftigt zu sein. Aber weitaus die prominenteste Figur in dem ganzen Zug war ein untersetzter, starkknochiger Mann mit rundem glattrasirtem Gesicht und Stiernacken im schwarzen Predigergewand, (dasselbe Predigergewand, welches der geschwänzte Mensch rechts am Altar trug,) der mit emporgeworfenem Kopf und selbstbewußter Miene einherging, unter dem linken Arm eine Bibel, unter dem rechten eine Nonne; dies war überhaupt das einzige Paar im ganzen Zug.


Schon oben sagte ich: Soweit war die Sache ganz gut. Und die Sache wäre auch weiterhin ganz gut gewesen: Der linke Zug [178] ging, wie ich mir die Intention dachte, rechts um den Altar herum, der rechte links herum, um auf diese Weise in ihre respective Kirchenstühle zurückzukehren. Wie aber, wenn diese zwei Züge von so heterogenem Charakter sich hinter dem Altar begegneten. Und das mußten sie! – Ich versäumte leider dieses Zusammentreffen. Fortwährend beschäftigt mit dem Durchmustern besonders des rechten Zuges hörte ich nur plötzlich eine gelle heisere Lache aufschlagen. Ich wandte mich um, und sah den schwarzgeschwänzten Menschen, der auf der rechten Seite den Kelch mit dem verdächtigen Inhalt kredenzte, sich mit einer höhnischen Fratze nach der andern Seite umsehen, wo der weiße, sanfte Mann bleich und starr wie ein Todter stand. Hinter dem Altar sah ich die Spitzen beider Züge sich mit verdächtigen Mienen gegenseitig messen. In diesem Moment verlöschten sämmtliche Kerzen; ein dicker, schweflicher Dampf verbreitete sich im ganzen gewölbten Haus; das einschläfernde Summen der Orgel wurde von einem keifenden, gilfenden Aufschrei, wie von einem blechernen Accord unterbrochen, als hätte man eine der Orgelpfeifen mit einem Beil verwundet. Es entstand ein fürchterlicher Tumult; man hörte harte Körper stürzen, Werkzeuge aufschlagen, Leuchter und Schüsseln zu Boden fallen, weibliches Wehklagen, männliche Kernflüche, Lachen und Schreien und dazwischen rief eine mokante, kropfige Stimme (die, glaube ich, dem Schwarzen angehörte) mit einem eigenthümlichen, jüdelnden Jargon: »Ja, ja! – Nähmet hin und ässet! – Ja, ja! – Nähmet hin und trinket!« – Halb aus Furcht erschlagen zu werden, halb aus Unmöglichkeit in der stickigen Luft weiter zu athmen, tappte ich mich im Finstern dem Ausgang zu, der, ich wußte, zur Rechten lag. Im Vorübergehen streifte ich am Weihkessel an, der mit einem »Springsau!« mir den Abschied gab, und gelangte glücklich ins Freie. –


Es war noch immer Nacht; doch sah man im Osten die Dämmerung heraufkommen. Ich eilte so rasch wie möglich diejenigen Gassen entlang, von denen ich glaubte, daß sie mich am schnellsten ins Freie bringen; ich kam an einem erleuchteten Fenster vorbei; Bäcker schoben dort gerade auf langen Brettern das neue Brod in die Röhren; ich war nur froh mich wieder in irdischer Gesellschaft zu finden. Doch eilte ich, aus dem Dorf zu kommen, holte, auf der Landstraße angekommen, tüchtig aus, und gelangte nach mehrstündigem Marsch gegen Morgen in eine [179] kleine Ortschaft von harmlosem Aussehen mit freundlichen Leuten, überall offenen Thüren, und einer wenig präponderirenden Kirche, dagegen mit einem vortrefflichen Wirthshaus, wo ich nicht säumte, mich zu restauriren. –


Acht Tage später las ich, – inzwischen in die Kreisstadt gelangt, – im Amtsblatt folgende Bekanntmachung:


»In vergangener Nacht wurden in der hiesigen Ortskirche grauenhafte Zerstörungen angerichtet. Die Bildsäulen der Heiligen und Kirchenväter wurden von ihren Sockeln gestürzt, die Embleme ihnen aus der Hand gebrochen, Arme und Beine abgeschlagen ec. – Da die ziemlich leicht zugängliche Armenbüchse unberührt gelassen, auch sonst Werthvolles nicht entwendet worden, stellt sich das Ganze als ein Akt rohen Muthwillens und moralischer Verderbtheit dar. Verdacht richtet sich gegen einen Handwerksburschen, der spät Nachts in's Dorf kam und es gegen Morgen in der Richtung nach –* verließ. Es wird gebeten, auf denselben zu vigiliren. Derselbe, von dem jede nähere Beschreibung fehlt, ist im Betretungsfalle festzunehmen und anher einzuliefern.« –


Gemeinde Zinsblech. Landgericht Pinzgau. Der Bürgermeister** (Datum.)

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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Panizza, Oskar. Die Kirche von Zinsblech. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-66FF-5