1. Frühlingslied
Der Frühling lacht von grünen Höh'n,
Es steht vor ihm die Welt so schön,
Als seien eines Dichters Träume
Getreten sichtbar in die Räume.
Wann schöpferisch aus Morgenduft
Der Sonne Strahl die Wesen ruft,
Kehrt jedes Herz sich, jede Blume
Empor zum lichten Heiligtume.
[240]
Wann Abendrot den Purpur webt,
Darin die Sonne sich begräbt,
Schließt sich befriedigt jede Blüte,
Und Sehnsucht schlummert im Gemüte.
Vom Morgen bis zur Nacht entlang
Ist all ein Kampf der Sonne Gang;
Ein Kampf, die Schöpfung zu gestalten,
Durch Licht zur Schönheit zu entfalten.
Die Sonn' ist Gottes ew'ger Held,
Mit goldner Wehr im blauen Feld,
Und zu dem lichten Heldenwerke
Erneut der Frühling ihr die Stärke.
Die Sonn' am Tag, der Mond bei Nacht,
Sie ringen all' mit Wechselmacht,
Die Sonne, Rosen rot zu strahlen,
Und Lilien weiß der Mond zu malen.
Der Himmel ein saphyrnes Dach
Der Flur smaragdnem Brautgemach,
Wo sich im Spiegel von Kristallen
Schaut Rose Braut mit Wohlgefallen.
Die Morgenröte wirkt ihr Kleid,
Der Morgentau reicht ihr Geschmeid,
Der Morgenwind, ihr kecker Freier,
Küßt sie errötend unterm Schleier.
Der Frühling gibt im Garten Tanz,
Und alle Blumen nahn im Glanz,
Wo Mädchen vorzustellen haben
Die Rosen und Jasmine Knaben.
Das Veilchen birgt in Duft sich still,
Weil aufgesucht es werden will;
Die Rose glühend zeigt sich offen,
Wie könnte sie Verbergung hoffen?
Des Paradieses Pforten sind
Nun aufgethan im Morgenwind,
[241]Und auf die Erde strömt vom Osten
Der Duft, den sonst die Sel'gen kosten.
Die Lauben Edens werden leer,
Zur Erd' hernieder zog ihr Heer,
Wo nun die Engel schöner wohnen
In Rosenzelt und Lilienkronen.
Nun lebt, berührt vom Liebeshauch,
Das Leben neu, und Totes auch;
Der starre Fels vor Sehnsucht bebet,
Bis auch ein Epheu ihn umwebet.
O Frühlingsodem, Liebeslust,
O Glück der felsentreuen Brust,
Die ein Geliebtes an sich drücket,
Das dankbar sie mit Kränzen schmücket.
In dieser Stille der Natur,
Wo Liebe spricht und Friede nur,
Sei fern den schweigenden Gedanken
Des Menschenlebens lautes Zanken.
Wie sie die Sinne sich verwirrt
Und wie in Wüsten sich verirrt,
Wie sie die Freude sich verkümmert
Und wie das Dasein sich zertrümmert.
Und wie die Welt, so ist ihr Lohn.
Es reut mich jeder Liedeston,
Der aufs verworrene Getriebe
Der Zeit sich wandt' und nicht auf Liebe.
Die Liebe ist der Dichtung Stern,
Die Liebe ist des Lebens Kern;
Und wer die Lieb' hat ausgesungen,
Der hat die Ewigkeit errungen.
[242]
Weg Thorentand und Flitterpracht!
Im Himmel gilt nicht ird'sche Macht.
Erob'rer, Helden, Weltvernichter,
Geht, sucht euch einen andern Dichter.
Du Freimund laß den eitlen Schwall,
Sing' Lieb' als wie die Nachtigall,
O trachte, still in deinen Tönen
Dein eignes Dasein zu versöhnen.