6. Landlied für Mädchen

Seht, Gespielen, seht, die Flur
Blühet nur,
Um der Unschuld zu gefallen.
Laßt uns froh am Blumenrain
Und im Hain
Unter jungen Schatten wallen.
Durch der Wiese zartes Grün
Ringsum blühn
Tausend Blumenkelch' und Dolden,
Hell von Sonnenschein und Tau,
Himmelblau,
Rot und violett und golden.
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Wählt die düftevollen aus,
Euch zum Strauß,
Daß er prang' am weichen Mieder.
Strebt der Busen aus dem Flor
Halb hervor,
Wall' er bergend auf ihn nieder.
Ohn' ein starres Staatsgewand
Eilt aufs Land,
Ohne Perlen und Geschmeide;
Freier hebt, voll Frühlingslust,
Sich die Brust
Unter leichtem Schäferkleide.
Unentstellt von Ziererei,
Los und frei
Laßt die langen Flechten hangen;
Und zerstreuter Locken Spiel
Säus'le kühl
Um die warmen Rosenwangen.
Schürzt euch leicht zum Reihentanz;
Biegt zum Kranz
Rosmarin voll blauer Blüte,
Und ein weit umschlungnes Band
Flieg' am Rand
Eurer gelben Halmenhüte.
Auf des Waldes Farrenkraut
Setzt vertraut
Euch zusammen; kos't und singet,
Bis des Abends falber Schein
In den Hain
Durch die Espenwipfel dringet.

Notizen
Erstdruck in: Musenalmanach, hg. von Voß und Goeking, Hamburg (Bohr) 1789, dort unter dem Titel "Minnelied für Mädchen".
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Salis-Seewis, Johann Gaudenz von. 6. Landlied für Mädchen. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B40C-C