205. Prinzessin in einen Esel verwandelt.

Auf der Rischwiese bei Wellersen hat früher ein Schloß gestanden. [188] In diesem lebte eine Prinzessin von wunderbarer Schönheit. Ein böser Geist, der zugleich ein Zauberer war, verliebte sich in sie und hielt um ihre Hand an, doch sie wies seine Bewerbung zurück. Hierüber erbost mischte er ihr einen Trank und verwandelte sie dadurch in einen Esel, das Schloß aber verwünschte er und ließ es da versinken, wo jetzt die Wiese ist. Auf dieser geht der Esel noch alle Nacht um. Wer die Prinzessin erlösen will, muß drei Nächte hinter einander auf dem Esel reiten, was ihm sehr erschwert wird und wozu die gröste Standhaftigkeit erforderlich ist. Uebrigens kann es nur einmal im Jahre geschehen, und zwar im Herbste. Einst ging ein Bauer Nachts über die Wiese, da kam der Esel daher und fragte ihn, ob er ihn erlösen wolle. Der Bauer erklärte sich dazu bereit. Nun sagte ihm der Esel, er müsse drei Nächte hinter einander auf ihm reiten, dabei dürfe er aber kein Wort sprechen, es möchte geschehen was da wolle. Als nun der Bauer in der ersten Nacht den Esel bestiegen hatte, kam eine Menge kleiner Teufel hinter ihm her, neckten ihn auf jede Weise und schlugen den Esel. In der zweiten Nacht kamen schon größere Teufel, die schlugen und zwickten ihn; doch er blieb ruhig auf dem Esel sitzen. In der dritten Nacht war die ganze Wiese mit Teufeln und Hunden angefüllt; die einen stachen, die anderen bissen ihn. Als sie gar nicht fort wollten, drehte er sich zu ihnen um und sprach: »wollt Ihr wohl nach Hause!« Kaum hatte der Bauer das Wort gesprochen, so waren Teufel und Hunde verschwunden und er selbst befand sich wieder auf derselben Stelle, wo er dem Esel zuerst begegnet war. Dieser sprach zu ihm: »du hast meine Erlösung schlecht vollbracht; nun muß ich hier noch manches Jahr wandeln, bis ein anderer kommt, der seine Sache besser macht, als du.«


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. 205. Prinzessin in einen Esel verwandelt. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BE94-8