§. 22. Zigeuner.

Früher waren die Zigeuner sehr häufig in der O. Pfalz: ja sie wurden zur wahren Landplage, indem ihrer[159] einst eine Zahl von 40,000 sich im Lande verbreitet hatte. Jetzt sind sie sehr selten mehr zu treffen und da nur an der böhmischen Gränze, aus welcher sie herüberstreichen.

Das Landvolk hat die Furcht vor den Zigeunern jetzt noch nicht abgelegt: man wagt es nicht, ihnen Etwas abzuschlagen: denn ihre Verwünschungen werden Alle wahr, weil sie das sechste und siebente Buch Mosis mit sich führen und daraus aller Zauberey kundig sind. Waltershof.

Wer von Zigeunern verflucht ist, kommt nie mehr auf ein grünes Zweig. Eine Wirthin zu Tiefenbach verweigerte einer Bande die Aufnahme: unter Verwünschungen zog sie ab. Die Frau aber brachte von nun an nur krüppelhafte Kinder zur Welt, oder solche, die mit Wahnsinn oder hinfallender Sucht befallen wurden, und noch heute leiden die Nachkommen an diesem Fluche der alten Zigeunerin.

Wo Zigeuner Herberge halten, nehmen sie den Stadel in Beschlag, weil ihrer immer Mehrere sind; da zünden sie Feuer an, so hoch, daß es bis zum Stroh aufschlägt, und doch brennt nichts an. Sie bringen ihr eigenes Geschirr mit, weil sie wissen, daß die Leute es ihnen nicht leihen würden: mit fremdem Geschirre kann man gar argen Zauber treiben. Ungerne gibt die Bäuerin die verlangte Milch, weil sie Angst haben muß, daß ihrem Vieh Etwas geschieht. Fleisch gibt sie am liebsten, weil man damit am wenigsten Zauber üben kann.

Doch sind die Zigeuner dankbar für die Gastfreundschaft, [160] welche man ihnen erweist; wo sie zur Herberge bleiben, graben sie Etwas in den Boden, wodurch das Haus fortan vor Feuer, Krankheit und Viehfall beschützt wird.

Ihre Zauberkunst ist berühmt. Sie können sich unsichtbar machen, zaubern Leuten, welche ihnen nichts geben, die Hennen aus dem Stall, thun denen, welche sie verstossen, die Flöhe und rothen Läuse an – ihnen fügt kein Hofhund ein Leid zu – das Geld, womit sie zahlen, ist kein rechtes, denn es zergeht, oder ist Wechselgeld, und man darf es nicht zu dem Seinen legen. Neustadt.

Sie wissen Alles, was im Hause ist, das sie betreten – Vilshofen – können viel verrathen, wahrsagen aus der Hand und den Karten. Der Bauer in der Ramelsleiten begann einen grossen Bau: dem sagten sie: »Angefangen hast du wohl, aber ausmachen wirst du nicht« – und er starb, ehe der Bau fertig war.

Sie sind gewaltige Feuerbanner: sie leuchten an die Garben, nicht daß sie brennen, sondern daß die Körner herausfallen wie auf der Dreschtenne. Sie rauchen und kochen im Stadel und nie brennt er an; ja es hat an einem Orte, wo sie übernachteten, das Feuer überhaupt keine Gewalt. Als das Dorf Töfering abbrannte, blieb nur der Stadel verschont, in welchem sie die Nacht zugebracht hatten. Treffelstein. Gegen das himmlische Feuer des Blitzes vermögen sie aber Nichts: dieser schlägt gerade da gerne ein, wo sie verweilen. Tiefenbach.

[161] In der Gegend von Velburg waren sonst diese landgehenden Leute sehr häufig. Da haben sie den Leuten die Spinnweben aus den Gebäuden herausgebrannt und wenn es brennen wollte, das Feuer mit einem ruhigen: »Hoy, Hoy!« gedämpft. Aus einem Schütt Stroh brannten sie einen Halm heraus, ohne die anderen zu berühren.

Im nahen St. Wolfgang haben sie in zweyen Höfen, wo sie öfter behalten wurden, eine Kugel in das Thürgerüfte eingebohrt und verzapft: so lange die Kugel drinnen bleibt, sagten sie, wird das Haus nicht abbrennen. Wirklich ist der angebaute Nachbar abgebrannt, die beyden Höfe aber blieben verschont. Der Abgebrannte selbst aber erhielt von ihnen ein Schießgewehr: so oft er vom Zimmer aus auf einen Baum oder eine Hecke schoß, fiel ein Vogel herab oder lag ein Hase drinnen.

Bey dem Großvater der Erzählerin aus Spalt wohnten gar oft Zigeuner im Stadel. Da zündeten sie Feuer an, so hoch, daß es bis an's Dach ging und der Großvater voll Angst und Schrecken herbeyeilte, es ihnen zu wehren. Sie aber beruhigten ihn und sagten: »So lange du lebst, wirst du durch Feuer Nichts verlieren, und noch zwanzig deines Stammes sollen dergleichen nicht erleben.« Zum Beweise zog der Eine ein Schütt Stroh heraus, und aus diesem wieder einen Wusch oder eine Handvoll, welches er so anzündete, daß es ganz durch das Schütt hindurchbrannte, ohne dieses zu verletzen. Nichtsdestoweniger bat sie der alte Mann, von [162] ihm fortzugehen. Da lachten sie und spotteten: »Wenn du uns nicht behältst, behalten wir dich!« – Er mußte ihnen Kraut und Speck geben: beydes verzehrten sie roh, auch dann, wenn sie zu Ader liessen; selbst die hundertjährige Großmutter verschmähte diese Kost nicht. – Die Weiber hatten große Kröpfe, welche sie beym Essen hinauf banden. Der Kropf war ihnen Zeichen der Schönheit; darum sagten sie zur Großmutter: »Du hättest schöne Mädchen, wenn sie Kröpfe hätten, so aber sehen sie aus wie Gänse.«

Auch auf Geisterbann verstehen sich die Zigeuner. Zu Albertshofen bey Velburg konnte in einem Hause Niemand allein verbleiben, weil ein Geist, ein kleines Weiblein, sein Unwesen trieb. Da kam die Zigeunerin und erbot sich, allein mit dem Geiste zu bleiben und ihn zu bannen, wenn man ihr überlasse, was der Geist ihr zeige. Der Geist führte das Weib in die Küche an den Herd und wies ihr darin einen Hafen mit Geld, welchen eine Metallplatte deckte, die das Bild der Muttergottes trug. Das Geld liessen sie ihr, die Platte mauerten sie im Hause ein, wo es noch zu sehen ist.

Wo sonst die Zigeuner ein sauberes oder hübsches Mädchen antrafen, nahmen sie es mit; daher versteckten die Aeltern ihre Kinder vor ihnen. Wenn in Daßwang die Zigeuner einstellten, sagte die Mutter:


Moidl, mach Kuchl zou,

's kummt da Zigeunabou,

nimmt di ba dana Hand,

zaygt di in's Zigeunaland.


[163] Daß so viel gesehen und gehört wird in der O. Pfalz, kommt daher, daß so viele Zigeuner hier begraben liegen, besonders am Walde hin; denn sie hatten den Brauch, ihre Leute, wenn sie alt und gebrechlich wurden, lebendig zu begraben.

So liegt eine Zigeunerin unter einem Baume bey Tiefenbach: alte Leute denken es noch, wie die Zigeuner eine Grube machten und eine Alte hineinstürzten mit den Worten: »Gib dich zur Ruhe, denn du kannst nicht mehr mit uns gehen!« – und die Alte ging gutwillig hinan.

Zur Großmutter, welche sie wegen hohen Alters nicht mehr fortbringen konnten, sagten sie vor dem Eingraben: »Duck dich, Alte, hast lang genug gelebt.« Sie liegt zwischen Wernfels und Wassermungenau begraben.

Auf der Boyawiese bey O. Bernried liegt auch Eine: die Zigeuner sagten zu ihr: »Alte, gib dich zur Ruhe, du hast dein Brod schon lange genug gegessen« – legten ihr eine Schüssel auf den Kopf und verdeckten sie in der Grube.

Unweit Hollenstein oder St. Wolfgang ist ein Wald, Hohenlohe genannt, und in diesem eine grosse Haide, auf der Nichts gedeiht, weder Holz noch Gras. Vor vielen Jahren kam eine Zigeunerbande in diesen Wald, wurde aber, als verschiedener Diebstähle in der Umgegend verdächtig, von den Leuten vertrieben. Als die Zigeuner nun flüchteten, konnten sie den Stammesältesten wegen Alter und Krankheit nicht mehr fortbringen: so begruben [164] sie ihn lebendig und zogen dann ab. Mehrere Nächte hindurch hörte man den Alten winseln, und die Leute kam Furcht an und sie mieden den Ort. Er ging im Berge um, neckte die Wanderer und verwüstete ringsum den Wachstum des Holzes; der Schaden wurde immer grösser, da der Wald in immer grösseren Umkreisen abstarb. Man grub also die Gebeine aus und an der Kirchhofmauer ein; von da an ließ der Geist sich nicht mehr sehen und dem Verderben geschah Einhalt; was aber um die Grabstätte wüste gelegt worden, ist heute noch öde.

In Weissenstadt lag ein Zigeuner krank und starb. Man grub ihn nicht in dem Freidhof ein, sondern an die Kirche. Die Zigeuner warnten vor ihrem Abzuge, ja nicht die Leiche auszugraben, noch weniger ihm einen Zahn auszureissen. Nun wurde aber nach vielen Jahren die Kirche ausgebessert und damit der Zigeuner seiner Ruhestätte beraubt. Der Schädel hatte noch alle Zähne und zwar schneeweiß. Unversehens zog man einen davon heraus und die Höhle blutete. Bald darauf brannte der Ort ab, und Vieh und Leute gingen zu Grunde.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Dritter Theil. Dreyzehntes Buch. Hölle. Zweyter Abschnitt. 2. Teufelsmenschen. 22. Zigeuner. 22. Zigeuner. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E284-F