Ludwig Thoma
Erster Klasse
Bauernschwank in einem Akt

Personen

[438] Personen.

    • Kaufmann Stüve aus Neuruppin.

    • Assessor Alfred von Kleewitz,
    • Lotte von Kleewitz, junges Ehepaar aus Norddeutschland.

    • von Scheibler, kgl. bayerischer Ministerialrat.

    • Sylvester Gsottmaier, Ökonom.

    • Josef Filser, Ökonom und Abgeordneter.

    • Marie Filser, dessen Ehefrau.

    • Ein Schaffner.

    • Ein Zugführer.

1. Szene

Erste Szene

Im Abteil sitzen im offenen Fenster einander gegenüber von Kleewitz und seine Frau. Neben Kleewitz sitzt Stüve, neben Frau von Kleewitz sitzt von Scheibler. Von Kleewitz und seine Frau sehen sich unverwandt mit verliebten Blicken an; wenn sie sich unbemerkt glauben, spitzen sie die Lippen und küssen in die Luft; bald tritt sie ihn, bald er sie auf den Fuß. Von Scheibler liest eifrig in einer Zeitung. Stüve klopft ungeduldig mit dem Fuße auf dem Boden, zieht öfters die Uhr und schmatzt nervös.

STÜVE
wieder auf die Uhr sehend.

Vier Uhr fünfzig ... um sieben sollen wir in München sein. Diese Bummelkarre heißt sich Schnellzug! Kleine Pause. In einer Stunde hat der Zug mindestens sechsmal gehalten; bei jedem Hundestall haben sie hier 'ne Station, und wenn 'n Wirtshaus daneben steht, is es 'n Kreuzungspunkt. Kleine Pause. Wenn ich von Köln bis Berlin fahre, halte ich keine sechsmal auf der ganzen Strecke, und was nich hunderttausend Einwohner hat, is überhaupt keine Schnellzugsstation. Zieht wieder die Uhr. Das is 'n Verkehr! Ja? Was? Ich will mal das Kursbuch nachsehen. Er steht auf und holt aus dem Netze eine kleine Reisetasche, die er öffnet. Er zieht den großen Hendschel heraus und blättert nervös darin. Dabei dreht er Kleewitz den Rücken zu und sieht zum Publikum heraus.

KLEEWITZ
zu seiner Frau, sehr verliebt.
Lo!
FRAU VON KLEEWITZ
schmachtend.
Mäuschen!
KLEEWITZ.
Du!
FRAU VON KLEEWITZ.
Süßes! Sie küssen in die Luft.
STÜVE
hat den Hendschel aufgeschlagen.

München – – hundertachtundvierzig ... Zu Kleewitz. Pardong! Wissen Sie vielleicht, wie die letzte Station geheißen hat?

KLEEWITZ.
Nee!
STÜVE.

Natürlich nich! Zu von Scheibler. Pardong! Wissen Sie? Von Scheibler sieht ihn über die Zeitung weg fragend an.

STÜVE.
Wie der Ort heißt, wo wir das letztemal gehalten haben?
SCHEIBLER.
Unterdingharting.
[439]
STÜVE.
Unter ...?
SCHEIBLER
hält die Zeitung wieder vor.
Dingharting.
STÜVE.

Das ist schon wie chinesisch. Unterdingharting ... Im Buche lesend. Vier Uhr achtunddreißig ... Sieht auf seine Uhr. also mindestens zehn Minuten Verspätung! Nee, das ist eine Bummelei! Unerhört! Er wirft das Kursbuch zornig in die Tasche klappt zu, steht auf und legt die Tasche wieder ins Netz.

KLEEWITZ
benützt die Situation, wie vorhin.
Lo!
FRAU VON KLEEWITZ
schmachtend.
Süßes!
STÜVE
setzt sich wieder.
Ich will mal ordentlich Skandal machen. Zu Scheibler. Wollen Sie meine Beschwerde unterschreiben?
SCHEIBLER.
Welche Beschwerde?
STÜVE.
Gegen diesen Schwindel, daß so was 'n Schnellzug sein soll.
SCHEIBLER.
Das ist ein fahrplanmäßiger Schnellzug.
STÜVE.
So? Scheibler zuckt die Achseln. Na, das ist Ansichtssache. Wir in Preußen haben andere Eilzüge.
SCHEIBLER.
Das entspricht jedenfalls einem Bedürfnisse, wenn gehalten wird.
STÜVE.
Vielleicht ist 'n rascher Verkehr auch 'n Bedürfnis. Nich wahr?
SCHEIBLER.
Es gibt eben Eilzüge, die halten.
STÜVE.
Eilzüge gibt's ja gar nich in Bayern. Dreißig Kilometer in der Stunde ist hier schon Expreß.
SCHEIBLER.
Wir fahren von München bis Nürnberg in der Stunde ...
STÜVE
einfallend.

Nee! Wir fahren von Berlin nach Zossen zweihundert Kilometer per Stunde, von Berlin nach Hamburg hundertzehn Kilometer, wir fahren von Köln nach Berlin fünfundsiebzig Kilometer. Das is 'n Tempo! Ja? Scheibler zuckt die Achseln und liest wieder in seiner Zeitung. Stüve nimmt aus seiner Tasche einen Tintenstift und macht ihn zurecht, er nimmt sein Notitzbuch und will eben zu schreiben anfangen, da pfeift die Lokomotive, und der Zug hält mit einem Rucke an. Man hört die Stimme des Zugführers. Mitta-ding- harting! Mitta ... ding ... harting.

STÜVE
auffahrend.

Was?! Schon wieder halten? Nee, das geht übern Hutrand! Zu Kleewitz. Pardong! Er stürzt ans Fenster [440] und schreit hinaus. Hören Sie, das is 'ne Schweinerei! Das is 'ne Gemeinheit. Sehr laut. Schaffner! Schaffner!

2. Szene

Zweite Szene

SCHAFFNER
von außen.
Was is denn? Sein Kopf taucht im Fenster auf.
STÜVE.
Ich will wissen, warum der Zug hier hält.
SCHAFFNER.
Han?
STÜVE
sehr scharf.
Warum hält der Zug?
SCHAFFNER.
Ja, weil er halt halt! Ab.
STÜVE
zum Fenster hinaus.
Kann ich Auskunft verlangen? Ja? Man hört Milchkübel klappern. Ein Ochse brüllt. Kälber blöken.
STÜVE
nach rückwärts zu Scheibler.

Ich bitte, kommen Sie als Zeuge! Sie laden hier Milch ein. Und 'n Ochsen laden sie ein. Wütend hinausschreiend. Schweinerei!

SCHEIBLER
ist aufgestanden, entschuldigt sich bei Frau von Kleewitz und sieht auch hinaus.
Tatsächlich. Sie laden Vieh ein. Setzt sich wieder.
STÜVE
nach rückwärts.
Na, hören Sie! Das läßt man sich doch nicht gefallen! Brüllt hinaus. Schaffner!
SCHAFFNER
erscheint am Fenster.
Han?
STÜVE
jede Silbe betonend.
Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß ich an Ihren Eisenbahnminister schreiben werde.
SCHAFFNER.
Braucha S' a Briafmark'n? Der Ochse brüllt.
STÜVE.
Und morgen steht's in der Zeitung. Dafür garantiere ich Ihnen.
SCHAFFNER.
I glaab's a so.
SCHEIBLER.
Sie, das ist nicht zum Scherzen. Wir wollen hier nicht sitzen bleiben!
SCHAFFNER.
Ja no! Wenn der Ochs net einigeht!
SCHEIBLER.
Das ist Ihre Sache; wir wollen fahren.
STÜVE.
Sagen Sie doch dem Ochsen, daß das 'n Schnellzug ist. Bitte, sagen Sie ihm das von mir!
SCHAFFNER.
Kennt er Eahna?
SCHEIBLER.
Ich verbitte mir Witze.
STÜVE.

Wo ist denn der Zugführer? Brüllt über den Schaffner hinaus. Zugführer! Der Ochse brüllt. Der Zugführer erscheint am Fenster.

3. Szene

[441] Dritte Szene

ZUGFÜHRER.
Hö! Hö! Was gibt's denn?
STÜVE.
Hören Sie, wir halten hier schon mindestens vier Minuten ...
ZUGFÜHRER.
Ja no!
STÜVE.

Ich mache Sie darauf aufmerksam: wenn ich den Anschluß nach Frankfurt versäume, bezahlt mir der Staat den Schaden.

ZUGFÜHRER.
Regen S' Eahna no net auf! Da Zug geht scho wieda.
STÜVE.
Ich verlange alles bei Mark und Pfennig, das sage ich Ihnen!
SCHEIBLER
zum Zugführer.

Ich bin der Ministerialrat von Scheibler. Ich muß Ihnen sagen, daß ich diese Verzögerung nicht verstehe. Der Schaffner ab.

ZUGFÜHRER
salutiert.
Entschuldigen, Herr Ministerialrat, aber dieser Ochse, net wahr, ist widerspenstig.
SCHEIBLER.
Sehen Sie zu, daß wir jetzt fortkommen.
ZUGFÜHRER.
Zu Befehl, Herr Ministerialrat! Ab. Scheibler liest wieder.
STÜVE
zieht die Uhr.

Ich bekomme den Anschluß nich mehr. Der Frankfurter Zug fährt mir vor der Nase weg. Er holt seine Tasche aus dem Netze, sucht das Kursbuch.

KLEEWITZ
zu seiner Frau.
Lo!
FRAU VON KLEEWITZ.
Mäuschen! Der Ochse brüllt laut.
KLEEWITZ.
Liebling!
FRAU VON KLEEWITZ.
Süßer! Der Ochse brüllt sehr laut.
STÜVE
im Kursbuch lesend; sehr nervös.

Um sieben Uhr einunddreißig ab nach Frankfurt; Billett lösen, Gepäck aufgeben, 'n Telegramm abschicken! Sieben Uhr einunddreißig! Wenn ich den Zug nicht erwische, is der Auftrag futsch! Außen hört man laut schreien. Wiah! Hü! Wiah! Hau'n mit da Goaßl aufi! Wiah!

STÜVE
stürzt ans Fenster; brüllt.
Schaffner! Der Schaffner erscheint am Fenster. Haben Sie noch nicht genug Rindviecher im Zug?
SCHAFFNER.
Jo! Gnua!
STÜVE.

Ich sage Ihnen, Sie erleben was! Geben Sie acht, was [442] Sie erleben! Sie kennen mich schlecht! Das ist 'n Schweinestall! Der Zugführer erscheint neben dem Schaffner.

ZUGFÜHRER.
No! Also, ich bitte, sich net aufzuregen!
SCHEIBLER.
Aber der Herr will doch den Anschluß net verpassen.
ZUGFÜHRER.
Der Zug wart' schon.
STÜVE.
'n Deibel tut er.
ZUGFÜHRER.
Bei uns in Bayern wart' jeder Zug.Außen schreit es. Wiah! Hat'n scho! Hat'n scho!
ZUGFÜHRER.

No also! Zu Stüve. Was wollen S' denn? Zu Scheibler verbindlich. Ich möchte gehorsamst melden, net wahr, daß dieser Ochs jetzt bereits drin is, und ...

STÜVE.
Dann fahren Sie doch ins Deibels Namen!
ZUGFÜHRER
sieht ihn strafend an: .

.. und daß also jetzt keine weiteren Hindernisse nicht mehr vorhanden sind, indem daß mir den Zug jetzt ablassen kinnen, sondern er geht jetzt ohne weiteres.

SCHEIBLER
ungeduldig.
Gut!
ZUGFÜHRER.

Ich wollte betreff dieses bemerkt haben, daß also koa Grund zur Beschwerde nicht vorhanden ist, sondern daß wir diesen Ochsen nach der Regierungsentschließung ...

STÜVE
brüllt.
Fahren Sie!
ZUGFÜHRER.

. .. einparkieren müassen. Ich wollte dieses bemerkt haben. Verschwindet vom Fenster. Man hört ihn rufen. Fertig! Die Lokomotive pfeift, der Schaffner pfeift, der Zug setzt sich in Bewegung.

STÜVE.

Nee, wirklich! Wir fahren! Zu Scheibler. Erlauben Sie, daß ich mich vorstelle: Friedrich Wilhelm Stüve, Vertreter der Firma Gebrüder Klausing in Neuruppin. Scheibler nickt, verhält sich aber zurückhaltend.

STÜVE.
Ich habe aus dem Gespräche vorhin entnommen, daß Herr Ministerialrat ... nich wahr?
SCHEIBLER.
Ja, ja. Sieht wieder in seine Zeitung.
STÜVE.

Ich möchte um alles in der Welt nicht, daß Herr Ministerialrat – nich wahr – mir die Bemerkung übel nehmen, die ich mir über bayrische Verkehrsverhältnisse ... nich wahr?

SCHEIBLER
wie oben.
Ja – ja.
STÜVE.

Ich soll morgen mit ner Frankfurter Firma abschließen. Komm' ich, erhalt' ich den Auftrag, komm' ich nich, kriegt'n [443] 'n anderer. Ich sehe aber ein, daß die Verwaltung am Ende nischt dafür kann, wenn hier 'n Ochse eingeladen wird, aber ich hätte am liebsten den ganzen Ochsen bezahlt, wenn ich nur den Anschluß kriege. Scheibler setzt den Zwicker auf und sieht Stüve über die Gläser an.

STÜVE
spricht sehr rasch.

Es ist mir sehr angenehm, mit einem Herrn von der Regierung zu sprechen. Wir suchen Fühlung besonders mit der bayer'schen Regierung, weil wir auch Kunstdünger fabrizieren. Wir wollen es erreichen, daß wir gerade von der Regierung empfohlen werden, daß die Leute von ihren eigenen Beamten hören, ihr sollt und müßt Kunstdünger nehmen von Gebrüder Klausing in Neuruppin. Die Firma is Ihnen vielleicht bekannt; chemische Fabriken für Farbstoffe, alles Mögliche und Kunstdünger. Wir verarbeiten Guano auf Hyperphosphat und erzielen die kolossalsten Resultate. Die Leute, die heute noch mit Kuhmist arbeiten, haben ja gar keine Ahnung vom Zeitgeist! Ich sage immer, wie recht unser Kaiser hat mit dem bekannten Worte: Volldampf voraus! Was hilft mir denn die alte Geschichte und die Gewohnheit oder Pietät oder Tradition, oder wie man's heißen will? Ich will nu einfach keinen Kuhmist mehr, ich will Kunstdünger! Nicht wahr? Hab 'ch recht?

SCHEIBLER
ihn noch erstaunter betrachtend.
Ja – ja!
STÜVE.

Sehen Sie, das freut mich, daß Sie das sagen, Herr Ministerialrat, nicht wahr? Aber gerade hierzulande hält die Regierung die Hand noch immer über den Kuhmist, statt die Leute einfach zu zwingen, dem modernen Geiste Rechnung zu tragen. Nehmen Sie mir die Bemerkung nich übel, aber die Leute hier sind eben noch etwas beschränkt. Wenn ich hier mit so'n Dorfschulzen spreche, ist der Mann imstande und sagt mir: Ja, mein Vater und mein Großvater ist auch mit Kuhmist aufgewachsen, und warum soll ich da' ne Änderung machen? Ja, du lieber Gott! Vor fünfzig Jahren hat's alles mögliche nich gegeben. Vor fünfzig Jahren haben wir auch noch keine Kolonien gehabt, und keine Flotte und keen Luftschiff und die ganz kolossale Stellung, die wir jetzt einfach haben. Das ist eben der Zeitgeist! Das ist eben die Entwicklung! Das is eben der Kunstdünger! Nich wahr? Aber das ist die Aufgabe der Regierung, den Leuten das klar zu machen, daß sie endlich mal raus müssen [444] aus dem Kuhmist, und daß das hier nicht geschieht ... das ist reaktionär. Sagen Sie doch selbst, Herr Ministerialrat.

SCHEIBLER.
Ja ... ja.
STÜVE.

Sehen Sie, unsere Firma hat sich das zum Wahlspruch gemacht: Fort mit dem Stalldünger! Das ist mit goldenen Lettern in die Bücher von Gebrüder Klausing eingetragen, und das ist die Parole, mit der wir siegen oder untergehen. Wir sind Kinder einer neuen Zeit, und ich sage immer, diese Zeit soll uns auf'm Posten finden, und wenn die ganze Welt sagt: Kuhmist! Wir sagen: Kunstdünger. Das ist unser Schlachtruf. Jawohl! Wenn Sie gestatten, ich will Ihnen mal den Katalog ...

SCHEIBLER
höflich ablehnend.
Ich danke – wirklich.
STÜVE.

Herr Ministerialrat, Sie sollen und müssen den Katalog sehen. Sie werden staunen über die kolossalen Anerkennungen, die wir seit einer Reihe von Jahren erhalten haben, und über die Gutachten der größten Autoritäten des In- und Auslandes, und Sie werden sagen, ja, wenn das so ist, dann begreife ich nich, wie meine eigene Regierung dem Kunstdünger gegenüber noch kühl bleiben kann. Ich werde Ihnen mal den Katalog zeigen. Er steht auf, holt wieder seine Tasche aus dem Netze und nimmt daraus einen Katalog.

KLEEWITZ
die Situation benutzend.
Lo!
FRAU VON KLEEWITZ.
Fred!
KLEEWITZ.
Schatz!
FRAU VON KLEEWITZ.
Süßer!
KLEEWITZ.

Liebling! Scheibler hat wieder in seiner Zeitung gelesen; Stüve beugt sich zu ihm vor und zeigt ihm den Katalog.

STÜVE.

Sehen Sie! Hier diese herrlich entwickelte Pflanze auf dem Titelbild ist das Produkt der künstlichen Düngung; dieses degenerierte Produkt aber, was Sie hier sehen, entwickelt sich aus Stalldünger. Der Künstler wollte damit den Unterschied bemerklich machen, nich wahr? Scheibler sieht flüchtig hin und nickt.

STÜVE
noch eifriger.

Hier links haben Sie das Motto der Firma Gebrüder Klausing in einem Verse: Nimmer sich beugen, kräftig sich zeigen, rufet die Arme der Götter herbei. Is von Goethe. Und rechts die Devise: Fort mit dem Stalldünger! Und nu kommen die ersten dreiundzwanzig Seiten, nischt wie Anerkennung von praktischen Landwirten, Vereinen, Verwaltern, [445] Rittergutsbesitzern, Grafen und Baronen ... Der Zug hält mit einem plötzlichen Ruck.

KLEEWITZ
sieht zum Fenster hinaus.
Was ist? Wir halten auf offener Strecke?
FRAU VON KLEEWITZ
ebenso.
Um Gottes willen, was ist denn?
STÜVE
aufstehend.
Was is los? Man hört außen die Stimmen des Schaffners und des Zugführers. Der Ochs! Der Ochs!
SCHEIBLER
ist auch aufgestanden.
Was rufen die Leute?
STÜVE.
Ich hör wieder mal was von 'nem Ochsen.
SCHEIBLER.
Heda! Zugführer!
ZUGFÜHRER
erscheint am Fenster.
Wünschen die Herrschaften?
SCHEIBLER.
Ist was passiert?
FRAU VON KLEEWITZ.
Um Gottes willen.
ZUGFÜHRER.
Na, na! Die Herrschaften können ganz beruhigt sein. Der Unfall ist schon vorüber.
SCHEIBLER.
Welcher Unfall? So reden Sie doch!
ZUGFÜHRER.
Ja, der Ochs waar uns beinah auskemma!
STÜVE.
Na, so was!
ZUGFÜHRER.

De Tür is aufganga, net wahr? Halt der Ochs den Kopf außa ... net wahr? Und woaß ma nia, was so einem Viech einfallt, aber zum Glück schaugt der Lokomotivführer grad die Gegend a bissel an, net wahr, und siecht den Ochsen außaschaug'n. Und natürlicherweis ziagt er glei an Westinghauser, indem daß er glaabt, net wahr, daß keine weitere Unvorsichtigkeit von diesem Ochsen sich passiert. Ziagt er an Westinghauser. Net wahr?

SCHEIBLER.
Und deswegen halten wir auf freiem Feld?
ZUGFÜHRER.
Ja no! Was woaß so an Rindviech von der G'fahr?
SCHEIBLER.
Rufen Sie den Lokomotivführer ...
STÜVE.
Aber dann kommen wir ja nich weiter!
SCHEIBLER.
Ja so! Zum Zugführer. Na, Sie werden das Weitere hören.
ZUGFÜHRER.
Wenn der Herr Ministerialrat woll'n, nacha hol i an Lokomotivführer ...
SCHEIBLER.
Ich werde in München Gelegenheit finden.
SCHAFFNER
erscheint am Fenster neben dem Zugführer.
Herr Zugführer, da'r Ochs frißt scho wieda ganz grüabi. Ab.
ZUGFÜHRER.

No also! Nacha fahr ma wieda. Zu Scheibler. [446] Ich möchte bloß betreff des Ochsen sag'n, daß der dienstliche Befehl darauf lautet, net wahr ...

STÜVE.
Reden Sie nich lange! Mensch!
ZUGFÜHRER.
. .. daß, bald ein Unfall in Aussicht ist oder wahrgenommen wird, für den Fall, daß ...
SCHEIBLER.
Gehen Sie endlich!
ZUGFÜHRER.

Jawoll! Ab. Man hört außen schreien. Fertig! Auf geht's! Der Schaffner pfeift; die Lokomotive pfeift; der Zug fährt an.

KLEEWITZ.
Lo? Bist du erschrocken?
FRAU VON KLEEWITZ.
Ja, Mäuschen.
KLEEWITZ.
Hast du Schmerzen?
FRAU VON KLEEWITZ.
Nein, Süßing. Aber nervös, weißt du ...
STÜVE.

Na, ich muß sagen, so 'ne Sache is eklich. Da braucht man nich auf der Hochzeitsreise zu sein. Die kann auch 'n normalen Menschen nervös machen. Zu Scheibler. Ich verstehe gar nich, wie so was menschenmöglich is. Ich kenne doch weiß Gott den ganzen Kontinent, aber so was wie in Bayern ... Er zieht die Schultern hoch.

SCHEIBLER.

Sie dürfen mir glauben, daß das Ausnahmen sind – übrigens Zu Kleewitz gewandt. werde ich dafür sorgen, daß solche Dinge nicht mehr vorkommen.

STÜVE.
Herr Ministerialrat, sagen Sie mal, sind Sie eigentlich geborener Bayer?
SCHEIBLER.
Ich bin Unterfranke.
STÜVE.
Also nich aus dieser Gegend hier?
SCHEIBLER.
Nein, warum?
STÜVE.

Ich finde das Volk hier so originell! So naiv! Ich sage immer zu meinem Chef, die haben ja noch keene Ahnung vom zwanzigsten Jahrhundert, noch nich mal vom achzehnten. s is ja nich zum Blasen, was das für Leute sind.

SCHEIBLER.
N–na!
STÜVE.

Ich habe mir sagen lassen, daß hier jeder schon als Kind mit'n paar Monaten Bier trinkt und 'n Rettig ißt, Lacht hölzern. ha ... hm ... ha ... ha ... is ja sehr komisch, aber ich bitte Sie, wo kriegen sie da die Intelligenz her ... ha ... hm ... ha ... ha ... nee! nee! Ich sage nur, so was von naiv!

SCHEIBLER.
Da haben Sie doch nicht ganz das Richtige gehört.
STÜVE.

Aber ich bitte Sie, Herr Ministerialrat, ich meine doch [447] das selbstverständlich nich als Beleidigung, und ich bin doch der erste, der das anerkennt, daß es in Bayern sehr tüchtige Leute gibt und Künstler und Gelehrte, aber ich meine, was hier so in der Gegend als Bauer lebt, nee, die kenn ich aus eigener Anschauung, un ich muß sagen, so was Naives habe ich in meinem Leben nie gesehen ... ha ... hm ... ha ... ha ... nee, die kenn ich nu ganz genau!

SCHEIBLER
zuckt die Achseln.
Tja!
STÜVE.

Ich habe mir sagen lassen, wenn hier eener an Kirchweih nich 'n paar Löcher in Kopp kriegt, fühlt er sich in seiner Standesehre beeinträchtigt ... und ... und ... und wenn eener 'n Schatz hat, Zu Frau von Kleewitz. Pardong! hm ... ha ... ha ... hm ... ha ... ha ... denn muß er über ne Hühnerleiter steigen ... hm ... ha ... ha ...

SCHEIBLER.
Sie lassen sich viele Geschichten erzählen.
STÜVE.

Das gibt sich im Gespräche, nich wahr? Ich bin nett zu den Leuten, und da schütten sie mir nu ihr Herz aus. Es sind ja Kinder! Und wenn ich 'n bißchen bayer'schen Dialekt spreche, da freuen sie sich wie die Schneehasen.

SCHEIBLER.
M ... hm ... so ... so ... Er nimmt ostentativ seine Zeitung und liest wieder. Pause.
STÜVE
wendet sich gegen Kleewitz und Frau, lächelt vielsagend und nickt ihnen wohlwollend zu.

Na ... Sie machen wohl Ihre Hochzeitsreise ins bayer'sche Gebirge? Kleewitz sieht ihn kühl abweisend an, gibt keine Antwort.

STÜVE
trällert einen berliner Gassenhauer.

Hochzeitsreisen, das is wundaschön ... ja in dem Zustande fühlt man am besten den Zauber der Natur; jeder fein empfindende Mensch sucht sich da 'ne Idylle aus und will vom Lärm der Welt unberührt bleiben. Nich wah?

KLEEWITZ
mit Betonung.
Ja – – allerdings!
STÜVE
versteht die Andeutung nicht.

Sehen se! Ich kann mich absolut in die Situation denken. Ich kenne das zwar nich aus Erfahrung, m ... ha ... ha ... hm ... wenigstens nich aus legitimer Erfahrung ... hm ... ha ... ha ... ha ..., aber so viel Dichter is ja jeder gebildete Mensch, um sich in seiner Phantasie 'ne Vorstellung von der Sache zu machen. Er zwinkert vertraulich mit den Augen. Na, wo fahren Sie nu hin? Wo bauen Sie Ihr erstes Nest?

[448]
KLEEWITZ.
Ach bitte, ich bin nicht gesprächig.
STÜVE.

Aber erlauben Sie mir! Das war ja nur 'n Scherz! Es fällt mir doch gar nich ein, in Gegenwart einer Dame Verbeugt sich gegen Frau von Kleewitz. unzart zu sein. So viel Kavalier is man doch, Gott sei Dank! Der Zug hält. Man hört die Stimme des Schaffners. Oba ... ding ... harting! Oba ... ding ... harting!

SCHEIBLER.
Was ... schon wieder?
STÜVE.
Nu ja ... Bayern ...
SCHEIBLER
zu Kleewitz.

Verzeihen Sie ... Geht ans Fenster; er spricht hinaus. Ja ... Kondukteur! Halten wir denn an jeder Station? Der Schaffner erscheint am Fenster.

SCHAFFNER.
Dös is grad a bissel.
SCHEIBLER.
Mir ist es lang genug! Ich muß schon sagen, daß ich das unerträglich finde.
SCHAFFNER.
Herr Ministerialrat! Da steigt do allawei oana ei!
SCHEIBLER.
Wie?
SCHAFFNER.
Er kimmt scho! Ab.

4. Szene

Vierte Szene

An der Abteiltür wird heftig gerüttelt und die Klinke probiert; endlich wird die Tür aufgerissen, und Josef Filser erscheint im Rahmen.

FILSER
einsteigend.
S'Good beinand! Herrschaftssaxn, aba da is voll!
STÜVE.
Sie, guter Mann!
FILSER.
Han?
STÜVE.
Hier ist erster Klasse.
FILSER.

Deßweng bin i ja do! Zu seiner Frau, die außen steht. Lang ma'r an Koffer eina. Er nimmt einen bäuerlichen Koffer in Empfang und schiebt ihn herein. So ... und tua ma's Hauswes'n ...

FRAU FILSER.
Ja, d' Oar kriagst ja no!
FILSER.

Freili – Oar hab i aa. Tua s' no her! Er nimmt ihr einen Korb ab und stellt ihn ins Abteil. Gel, Alte, schaugst ma auf 's Hauswes'n!

FRAU FILSER.
Jo, i schaug scho.
[449]
FILSER.

Schreibst ma's glei, bal's Blaßl stiert. Während dieses Gespräches dreht Filser den Passagieren und dem Publikum die Rückseite zu.

FRAU FILSER.
I schreib scho.
FILSER.
Und treibst as zum Hierangl und net zum Seppenbauern; dem sei Stier is ma z'lüaderli. Hoscht g'hört?
FRAU FILSER.
I ho's guat g'hört. Und dös muaß i dir sag'n.
FILSER.
Ja, paß auf! Bal da Posthalta nomal um a Fackel kimmt, gibst eahm dös schlechter.
FRAU FILSER.
Dös ko'st da denka.
FILSER.
Daß d'as fei kennst; i hon eahm's Ohrwaschl g'mirkt.
FRAU FILSER.
I kenn's a so.
FILSER.
Und an Pfarra muaßt halt dennerscht a Schmalz geb'n.
FRAU FILSER.
Zweg'n was denn?
FILSER.
Ja no, sinst verschmacht's eahm. Nimmst halt oas von hintern Hafa her, bals aa'r a weng schmiargelt.
FRAU FILSER.

Koan anders scho gor it. Und paß auf, daß d' fei a Geld aa hoambringscht. Net wieda wia's letzt'mol ...

FILSER.
Eppas bleib' scho ...
FRAU FILSER
eifernd.

Ja no, eppas! Zwo Mark is aa eppas, und muaßt di do schaama und Sünd'n fercht'n, bal dös schöne Geld ...

SCHAFFNER
brüllt außen.

Fertig! Fertig! Schlägt die Türe heftig zu. Man sieht nunmehr die Frau Filser nicht mehr, hört aber ihre laute Stimme und muß ihre Worte verstehen.

FRAU FILSER.
. .. bal das schöne Geld alssammete hi werd! Tat i mi do scho Sünd'n fercht'n ...
FILSER
zum Fenster hinaus.
Is scho recht, und tua mir aufs Hauswes'n ...
FRAU FILSER.

Und's letztmal hoscht aa g'sagt, du bringst da gnua hoam, und an Dreck hoscht hoambracht, und i tat mi do scho schama ... Man hört den Schaffner schreien. Fertig!

FRAU FILSER
sehr laut.
Und i tat mi na do scho schama!
FILSER.

I schaam mi ja. Und jetzt bfüat di Good, und dös sog' a da, daß d' ma's Blaßl net zum Seppenbauern treibscht. Den sei Stier is ma gar z' lüaderli!

FRAU FILSER.

Daß d' na du net lüaderli bischt, dössell sog' a da, und i waar dahoam und hätt's Gfrett mit dö Deanschtbot'n ... Der Schaffner pfeift, die Lokomotive pfeift.

[450]
FRAU FILSER
noch lauter.

Und kunnt mi brav plag'n und du bracht'st koa Geld hoam, wie dös letztmal, und dössell waar ma z'dumm, dössell sag a da glei. Die Lokomotive pfeift noch einmal.

FILSER.

Jetzt halt amal 's Mäu und sag g'scheid Bfüat Good, und tua ma'r aufs Hauswes'n schaug'n ... Man hört nun die gellende Stimme der Filser in mehr und mehr verklingen.

FRAU FILSER.

Ja, schaug aufs Hauswes'n, bals du's Geld allsam durchi tatst, und i müaßt mit dö Deanschtbot'n haus'n, und du warst woaß Gott wo ...

FILSER.
I muaß ja!
FRAU FILSER
schreiend.
An Dreck muaßt, daß du's woaßt, du dappiga Kerl du!
FILSER.
Jetzt pfüat di Gott – pfüat di Gott! Die Lokomotive pfeift.
FRAU FILSER.

I lauf auf und davo, dös sag i dir, bal wieda 's Geld allssamt hin is, mir war's gar z' lüaderli, du dappiga Hanswurscht, du dappiga! Die Stimme verklingt völlig. Kleine Pause. Filser hat sich umgedreht und geht einen Schritt ins Abteil hinein, schiebt den Hut zurück, kratzt sich hinterm Ohr.

FILSER.
Herrschaft! Sie ko's halt! Ah ... ah!
STÜVE
zu den anderen.
Ich spreche doch selbst bayer'sch und habe keen Wort verstanden ... hm ... ha ... ha ... hm ...
FILSER
ohne auf Stüve zu achten.

Wo tua'r i jetz an Koffer hi? Er versucht, den Koffer über den Passagieren im Netze rechts und links unterzubringen; dabei stößt er Stüve an.

STÜVE.
'n bißchen sachte!
FILSER.

Han? Er gibt seine Versuche auf und schiebt den Koffer unter die Bank. So! Und wo tua'r i jetzt d'Oar hi? Er versucht nun den Korb über Scheibler ins Netz zu stellen.

SCHEIBLER
ungnädig.
Stellen Sie'n doch nicht gerade über mich!
FILSER.

Weg'n an Abafall'n, moanen S'? Ja, da gang's scho gelb auf! No, stell'n ma'n halt da aufi!Er stellt den Korb über Stüve ins Netz.

STÜVE.
Mir schadet's nich so viel, meinen Sie! Nee! Nich hier!
FILSER.

No – nacha! Er nimmt neben von Scheibler Platz, gegenüber von Stüve, setzt den Korb auf seine Knie, zieht das Sacktuch und wischt sich Kopf und Stirne. Jetzt hat's aba pressiert. Spricht zu Scheibler hin. I hon mi beim Wirt vahalt'n, [451] weil da Viechhandler da g'wen is, der ma'r a Kuah o'kafft hat, und jetz möcht' er an Kaf zruckschlag'n, sagt a, weil d' Kuah grad vier Lita Milli gab, sagt a, und i hätt' garatiert auf zeh' Lita, und hoaßt mi oan Spitzbuam hi und den andern her. Wos, sog i? Vier Lita, sog i? Schaug's Auter o, sog i! Dös muaßt na scho an andern vazähl'n, sog i, daß a Kuah mit dem Auter g'rad vier Lita gab, und, sog i, was hätt'n na's Kaibi g'suffa?

SCHEIBLER
indigniert.
Was wollen Sie denn?
FILSER.

Ja no, da tat si a jeda gift'n. Kam er do mit da Garatie. Was woaß denn i, hab i g'sagt, sag' i, was du dera Kuah z' fress'n gibscht; du ko'st ihr ja aa Sagkleib'n z' fress'n geb'n, sag i. Und überhaupt's, vo koana Garatie woaß i durchaus gar nix.Von Scheibler greift nach der Zeitung.

FILSER.

Ja, weil's wahr is! Weil dös a ganz an ausg'schamter Mensch is, der Kötzinger Jakl. Is er Eahna nix bekannt?

SCHEIBLER
unwirsch.
Wie?
FILSER.

Ob er Eahna nix bekannt is? So a Kloana, Krumhaxeter is; a greans Hüatl hat er auf mit an Gamsbart, und grad vaweg'n schaug'n kon er. Den hamm S' gwiß scho g'sehg'n. Von Scheibler wendet sich sehr unwillig ab und hält seine Zeitung vor.

FILSER
zu Stüve.
Is er Eahna nix bekannt, da Kötzinger Jakl?
STÜVE
lacht.
... Sie sprechen ... hm ... ha ... ha ... mit mir ... hm ... ha ... ha ... was?
FILSER.

In Reisting hat er an Hof, a vierz'g Tagwerk umanand, a drei Roß, aba er handelt in da Gegend, mit dem vodeant er sie 's mehra Geld, der Lump, der o'drahte.

STÜVE
jovial.
Nee ... wie ... was?
FILSER.

Wia'r a Kuah mög'n hätt', waar i der Ehrenmo g'wen, net? G'rad schö hot a ma to. Siechst, sagt' a, du hoscht halt a Viech beinand, sagt' a, daß ma Reschpekt hamm muaß, hat a g'sagt. Und jetz, hoscht g'hört, kam er gor daher mit da Garatie. Er spricht immer lauter.

STÜVE.
Hm ... ha ... ha ... Das is großartig!
FILSER
schreiend.

Wos? sog i! Vier Lita, sog i! Du Leutbetrüaga, du ganz hundshäutena, hab' i g'sagt! Schämst di du gor it, sag i, hat d' Kuah an Auta wia'r a böhmische Kindsamm' ...

SCHEIBLER
energisch.
Jetzt verbitte ich mir das aber!
FILSER.
Han?
[452]
SCHEIBLER.
Jawohl! Wir sind hier nicht im Wirtshaus! Gehen Sie zu Ihresgleichen, aber nicht hier herein!
FILSER
kleinlaut.
Ja, nix für unguat, aba dössell derf ma do sag'n, was wahr is.
SCHEIBLER.
Ach was! Hält die Zeitung ostentativ vor sein Gesicht.
FILSER
deutet mit dem Daumen auf Scheibler und spricht leise zu Stüve.
Vielleicht is er bekannt mit'n Kötzinger Jakl? Da 'r a nix auf eahm kemma laßt?
STÜVE.
Hm ... ha ... ha ... hm! Der Kerl is großartig ... was?
FILSER.

Na, der is so großartig net. Hält sich die Hand vor den Mund und flüstert. Laß'n S' Eahna mit dem it ei! An ausg'schamta Bazi is a, dös derfa S' g'wiß glaab'n.

STÜVE.
Hm ... ha ... ha ... Sie! Sagen Sie mal, haben Sie sich heute schon ordentlich begossen?
FILSER.
Wia?
STÜVE
macht die Geste des Trinkens.
Feste? Was?
FILSER.

A Maß bein Untawirt, und oans bein Obawirt und an etla Halbi bein Rößlwirt, nacha werd all's beinand sei.

STÜVE
jovial.
Sagen Sie mal, wie kommen Sie sich hier vor?
FILSER.
Wo i füri kimm?
STÜVE.
Tja?
FILSER.
Ja, vo Mingharting kimm i füri ...
STÜVE.
Ich meine, wie es Ihnen hier gefällt?
FILSER.
G'fallt? Stüve nickt. Ja, braucht ma scho it g'fall'n. I bleib it do, i kimm scho wieda außi.
SCHEIBLER
hinter seiner Zeitung vor.
Hoffentlich bald ...
FILSER.
Han?
SCHEIBLER
die Zeitung absetzend, mit scharfer Betonung.
Hoffentlich – bald!
FILSER
zu Stüve, indem er die Hand vorhält.

Sie, der is bekannt mit'n Kötzinger Jakl. Dös spann i guat. Filser schielt mißtrauisch auf Scheibler hinüber; Stüve gähnt und zieht die Uhr.

KLEEWITZ.
Lo!
FRAU VON KLEEWITZ.
Süßer!
KLEEWITZ.
Maus!
FILSER
wendet sich Kleewitz zu.
Han? Ham Sie mi g'moant?
[453]
KLEEWITZ
sehr kurz.
Nee. Sieht weg zum Fenster hinaus. Kleine Pause. Stüve gähnt wieder; Filser gähnt laut nach.
FILSER
gähnend.
Ja, dös is was. Vier Lita Mili, sagt a. Garatie, sagt a.
STÜVE.
Nu hören Sie mal auf mit Ihrer Kuh! Klopft auf den Korb Filsers. Da haben Sie Eier drin? Nich?
FILSER.
Oar hon i, ja.
STÜVE.
Die werden 'n bißchen teuer, was? Wenn Sie hier erster Klasse fahren?
FILSER.
Na – na!
STÜVE.
Ich kenn euch. Ihr denkt einfach, in der Stadt müssen sie bezahlen, was ihr verlangt.
FILSER.
De koscht'n gar nix.
STÜVE.
Nanu!
FILSER.
Weil i s' selm friß.
STÜVE.

Weil ... hm ... ha ... ha ... na Mahlzeit! Vielleicht steigen se ooch im Hotel erster Klasse ab und essen die Eier an der Table d'hote? ... Zu den andern. Der Kerl is großartig! Filser zieht eine Zigarre aus der Tasche und beißt die Spitze ab.

STÜVE.
Hören Sie mal, da trinken Sie auch gehörig Bier zu den Eiern?
FILSER.
I trink's aa ohne Oar.
STÜVE.
Wie? Ohne ...
FILSER
nimmt Zündhölzer aus der Tasche.
Oar.
STÜVE.
Das glaube ich! So een Mossl nach dem andern?
FILSER.
Freili nachanand; auf oamal net. Filser will die Zigarre anzünden.
FRAU VON KLEEWITZ
erregt.
Fred!
KLEEWITZ.
Lo!
FRAU VON KLEEWITZ
hält ihr Taschentuch vors Gesicht.
Der Mensch raucht!
KLEEWITZ
zu Filser.
Sie! Das geht nicht!
FILSER.
Was?
KLEEWITZ.
Solche Zigarren raucht man hier nicht.
FILSER.
Warten S' no, bis s' brennt; de Ziehgarn hat sechs Pfenning kost.
FRAU VON KLEEWITZ.
Ich will aussteigen!
Einstimmig.
KLEEWITZ.
Ich dulde nicht, daß Sie rauchen!
SCHEIBLER.
Das verbitten wir uns!
[454]
FILSER.

Hö! Hö! No net so gach! Schiebt die Zigarre wieder ein. Zu Kleewitz. I will it, daß S' Vadruß hamm vo da Frau. Bal de amal o'fangen, hörn s' as Garez'n so g'schwind nimma'r auf.

KLEEWITZ.
Das möchte ich Ihnen auch raten.
FILSER
zu Stüve.
's Garez'n bal s' amol ofanga, geht koan End nimmar her. I kenn's ja z'guat!
STÜVE.
Wie sagen Sie?
FILSER.

Es is überall'n des gleiche. Am Land und in da Stadt. Bal si amal oane was einbildt't, bringst as nimma weg. Mi hätt' ja der Herr bedauert.

STÜVE.
Is auch besser, daß Sie Ihre Stinkadores wieder eingesteckt haben.
FILSER.
Kenna Sie's scho vor'n Raacha?
STÜVE.
Das ist Kartoffelkraut.
FILSER.
San S' g'wiß a Preuß, weil S' d'Kartoffi so schnell kenna?
STÜVE.
Na, schimpf'n Sie nicht über Preuß'n, von uns könnt Ihr bloß lernen.
FILSER.
I schimpf ja net.
STÜVE.
Wenn Ihr nur so wärt.
FILSER.
I sag grad, daß ös enka G'wachs glei kennt habt's.
STÜVE.
Das kann ich Ihnen sagen, unsere Leute sind'n bißchen heller.
FILSER.
Enka G'wachs glei kennt habt's.
STÜVE
ebenso.
Ein bißchen heller und fleißiger.
SCHEIBLER
mit Nachdruck.
Und nüchterner.
FILSER.
Han?
STÜVE.
Und die lernen noch was dazu ...
FILSER.
Werd scho not sei.
STÜVE.
Die streben vorwärts, das kann ich Ihnen sagen.
FILSER.
Ja, is denn dös gar so hart, 's Kartoffibau'n?
STÜVE.
Kommen Sie nur mal zu uns rauf und lernen Sie was.
FILSER.
I ko ma scho gnua.
STÜVE
zieht den Katalog, auf dem Filser sitzt, unter ihm weg und zeigt ihn.
Haben Sie das schon gelesen?
FILSER.
Jetzt net.
STÜVE
blättert im Katalog.

Prospekt von Gebrüder Klausing in Neuruppin. Abteilung Futtermittel. Na, mit was füttern [455] Sie Ihre Kühe?

FILSER
lacht gemütlich.
I? Ja, mit koane Leberknödl net.
STÜVE.
Ich wette, Sie haben keine Ahnung, wie viel Trockensubstanz Sie geben müssen.
FILSER
gemütlich.
Da woaß i gar nix.
STÜVE.
Und die Futternorm von Professor Schulze kennen Sie ooch nich. Protëin plus Amide plus Fett?
FILSER.
Mi hol'n 's Fuatta vo da Wies'n, aba net aus der Apothek'n.
STÜVE.

Ihr seid nich rationell, Kinder, das is es! Ihr glaubt immer, was euer Großvater gefüttert hat, is heute auch noch richtig.

FILSER.
Warum nacha net?
STÜVE.
Warum nich?
FILSER.
Ja?
STÜVE.
Weil's ne andere Zeit is! Weil wir die kolossalen Erfolge der Wissenschaft haben!
FILSER.
Was geht denn dös de Küah o?
STÜVE.
Sehr viel, Verehrtester.
FILSER.
Und de Küah müassen jetzt was anders fress'n?
STÜVE.
Allerdings.
FILSER.
Warum fressen nacha Sie dös nämliche wia Eahna Großvata?
STÜVE.
Ich?
FILSER.
Ja. Oder fressen Sie auf oamal was anderst's?
STÜVE.
Wissen Sie was? Ich gebe Ihnen den Prospekt mit; vielleicht geht Ihnen dann'n Licht auf.
FILSER.
Geh?
STÜVE.

Ihr wollt alle nischt lernen. Die Erfahrung habe ich hier hundertmal gemacht. Darum seid ihr noch so zurück.

FILSER.
Wia is na dös, daß ös in Preiß'n allaweil inser Viech kafft's.
STÜVE.
Wir?
FILSER.
Ja ös. Aba dös hat ma no nia g'hört, daß vo Preißen a Viech zu ins abakimmt.
STÜVE.
Hm ... ha ... ha ... was glauben Sie? Mehr wie genug!
FILSER.
Ja – zwoahaxete. Er lacht von nun ab bei jedem Wort, das Stüve spricht.
[456]
STÜVE.

Ihr mit euern plumpen Witzen! Lernen Sie was, das ist klüger. Kennen Sie Kartoffelschlempe? Melasse? Torfmehlmelasse?

FILSER.
Und dös fressen s' bei enk all's?
STÜVE.
Hätten Sie nur 'ne Ahnung davon!
FILSER.
Dös siech i scho; in Preiß'n möcht i net amal als a Kuah sei.
STÜVE.
Vielleicht als Ochse?
FILSER.

Erst recht net; da hätt i Nahrungssorg'n, weil's z' viel gibt ... Oh! Der Zug hält. Der Schaffner schreit. Hinta-ding-harting! Hinta-ding ... harting Man hört die lauten Stimmen von singenden Bauernburschen und die Klänge einer Ziehharmonika. Dazwischen schreit wieder der Schaffner. Einsteig'n! Sakerament! Macht's a bissel g'schwinder! Der lärmende Gesang wird immer lauter.

5. Szene

Fünfte Szene

FILSER.

Was gibt's jetzt da heut? Er steht auf und stellt sich breit vors Fenster, die Hinterfront gegen die Passagiere. Na ruck'n Rekrut'n ein ...Der Lärm dauert fort. Jessas, da is ja da Gsottmoar! Schreit. Festl! Gsottmoar! Hö! Gsottmoar!Er pfeift durch die Finger. Festl! Da geh zuawa!

GSOTTMAIER
hinter der Szene.
Was is? Ah! Da Sepp!
FILSER.
Da geh no eina!
GSOTTMAIER
hinter der Szene.
Wo eini?
FILSER.

Do eina! Geh no her, sog' i! Filser geht vom Fenster weg und setzt sich. Am Fenster erscheint Silvester Gsottmaier.

GSOTTMAIER
sehr laut und fröhlich.
Bischt do, du plattata Mistgablbaron? Du g'schneckelta Englända?
FILSER
ebenso lustig lachend.
Du Haderlump, du ganz miserabliger!
GSOTTMAIER.
Du Bazi, du luftg'selchta!
FILSER.
Mach no, daß d' eina kimmst, Festl!
GSOTTMAIER.
Do eina?
FILSER.
Platz gnua! San ma recht zünfti!
GSOTTMAIER.
Was tat denn i bei de' Großkopfet'n?
FILSER.
Bin i aa do!
GSOTTMAIER.
Du g'hörst scho dazua! Dieses ganze Zwiegespräch [457] ist sehr laut geführt worden.
SCHEIBLER
hat die Zeitung zornig zusammengelegt und ruft wütend.
Muß man sich hier alles bieten lassen?
SCHAFFNER
hinter der Szene.
Herrgottsakrament! Steig amal ei!
GSOTTMAIER.
Da kon i net eina!
SCHAFFNER
hinter der Szene.

Jetzt is koa Zeit mehr! Rei sag i! Er reißt die Türe auf, schiebt Gsottmaier ins Abteil und schlägt die Türe heftig zu. Dann pfeift er, und sofort setzt sich der Zug in Bewegung.

GSOTTMAIER.
Herrschaftsseit'n, da waar i jetzt!
FILSER
lacht.
Bei die Großkopfet'n. Hock di no hi!
GSOTTMAIER.
Mit Erlaubnis. Setzt sich zu Stüve. Soo! Rückt den Hut. Herrschaftssax'n no amal.
FILSER.
Jetzt bist in den recht'n Viech'wag'n drinn.
GSOTTMAIER.
Und die verroll'n s' wieda in d' Stadt.
FILSER.
Freili!
GSOTTMAIER.
In denselb'n Stall, wo s' d' Maul- und Klauenseuch ham?
FILSER.
D' Maulseuch scho' a weng. Beide lachen.
GSOTTMAIER.
Hat di dei' Alte recht globt, wias d' fort bist?
FILSER.
Ja, sie hat ma a guat's Zeugnis geb'n.
GSOTTMAIER.
Übern Fleiß?
FILSER.
Do warscht du a nimma fleißi. Beide lachen. Zahnt hat s' wia a Hausmoda.
GSOTTMAIER.
Und hat da d' Federn ausg'rupft Ja, dö kennt di halt, du Spitzbuab'nhäuptling.
FILSER.
Du Schelchhauser ... Beide lachen.
GSOTTMAIER.
Sie werd eahm denka, daß dir a schönere unterkam in der Stadt.
FILSER.
Koa schiachere g'wiß net.
GSOTTMAIER.
Wo Holz dahoam is.
FILSER.
Dös leicht brennt.
GSOTTMAIER.
Nimm di fei z'samm'! Ös habt's jetzt a schlechte Zeit.
FILSER.
Mir?
GSOTTMAIER.
Jetzt kimmt oana fei mit an Muattamal auf.
FILSER.
A Kreuz is scho. Beide lachen. Wo's eppa g'we'n is?
GSOTTMAIER.
Unterm Kravattl amal g'wiß.
SCHEIBLER
räuspert sich, dann scharf zu Filser.
Sie!
[458]
FILSER.
Han?
SCHEIBLER.
Davon unterhält man sich nicht!
FILSER.
Ah so?
GSOTTMAIER
zu Filser.
Was hat er?
FILSER.
I sag' dir's nacha scho. Ruhiger. Hast a G'schäft in da Stadt?
GSOTTMAIER
kratzt sich hinter den Ohren.
Ja, aba koa schön's net.
FILSER.
Wia nacha dös?
GSOTTMAIER.

In meiner Milli hätten s' a Wassa g'fund'n, hat ma da Speckmoar g'schriem, und dös kimmt ma g'spaßig für.

FILSER
lacht.
Mir net.
GSOTTMAIER.
So, moanst?
FILSER
lacht.
Du o'drahter Spitzbua! In deiner Milli verreckat no lang koa Fisch. Lacht herzhaft.
GSOTTMAIER
stimmt ebenso lustig ein.
Und in der dein loachen d' Frösch! Patscht sich auf die Knie.
FILSER.
Macht nix! G'suffa werd's do!
GSOTTMAIER.

O du elendiga Habafeldtreiba! Du ganz ausg'schamta. Beide lachen unbändig zusammen. Von Scheibler sieht sie indigniert an.

GSOTTMAIER.
Da Kötzinger Jakl hat ma's scho vazählt, wia 's d'n ausg'schmiert host.
FILSER.
I – eahm?
GSOTTMAIER.
Um hundert Mark guatding.
FILSER.
I – eahm?
GSOTTMAIER.
Du eahm, ja! Du Heiliger, du ganz g'spaßiger! Beide lachen wieder unbändig.
FILSER.
Ah! So was! Zwinkert ein Auge zu und lacht wieder.
GSOTTMAIER.

I bin ma schlauch gnua, hat a g'sagt, aba der is no da größer Lump, sagt a, und schaug'n kon er wia'r a Schwaiberl, bal er oan ausschmiert.

FILSER.
I – eahm?
GSOTTMAIER.
Ja du.
FILSER.
A Herrschaft! Ah! Ah! Lacht.
GSOTTMAIER.
Mei Liaba, da hast Zeit g'habt, daß d' eahm net unterkimmst, der haut di brav her.
FILSER.
Er – mi?
GSOTTMAIER.

Dö hundert Mark haut er dir aba, hat er g'sagt, [459] drei Stecka müass'n hin wer'n, sagt er, und bal zehn Minischter daneb'n stengan, sagt er, dös is eahm ganz Wurscht, und er laßt di rum, daß d' am Leb'n verzagst.

FILSER.
Er mi?
GSOTTMAIER.
Ja!
FILSER.

Nach'm Handl schimpft oana gern. Und überhaupts kam er jetzt mit der Garatie daher, und i hab ja gar koa Garatie durchaus gor it geb'n.

STÜVE.
Er spricht schon wieder von seiner Kuh ... hm ... der Kerl ist großartig.
GSOTTMAIER.
Wia host denn dös g'macht, daß de Kuah so a groß Auta g'habt hot?
FILSER.
Is lauta Natur! Er blinkt das linke Auge zu; Gsottmaier ebenso. Beide lachen um die Wette.
GSOTTMAIER.
Wia hoscht denn dös g'macht?
FILSER
schaut bedeutsam auf Scheibler hinüber und zwinkert Gsottmaier zu.
I woaß gar it, was du moanst.
GSOTTMAIER.
Du Plana, du abscheilinga!
FILSER.
Paß auf! I vazähl da amol was! Beide lachen. Wo hat's denn nacha dir in dei Milli einig'reg'nt? Han?
GSOTTMAIER.
Da hoscht recht! Es muaß aa einig'reg'nt hamm.
FILSER.
Freili.
GSOTTMAIER.

Wia kam denn sinscht a Wassa eini? Er zwickt das linke Auge zu; Filser ebenso; beide lachen um die Wette.

FILSER.
Lacha müaßt i, bal s' di amal schö dawischat'n. Legt die Handgelenke übereinander. Kafft's Radi!
GSOTTMAIER.
Auf's Kohl, hoscht g'hört?
FILSER.
Gsottmoar! Gsottmoar! Laß di vermahnen. Unrecht Guat gedeiht net! Lacht gemütlich.
GSOTTMAIER.
Dös mirkst d' a.
FILSER.

Du Wassakünstla, du ausg'schamta! Beide lachen. Von Scheibler hat schon während des ganzen Gespräches Unruhe und Indignation gezeigt; platzt jetzt los.

SCHEIBLER.
Ich würde mich schämen, mit so etwas zu prahlen.
FILSER.
Han?
SCHEIBLER.
Mit Milchpantschen zu prahlen!
GSOTTMAIER.
I?
FILSER.
Mir?
GSOTTMAIER.
Ja, was waar denn jetzt dös!
[460]
FILSER.
Bal mir insere G'spaß hamm, bekümmert dös koan andern durchaus gor it.
SCHEIBLER
sehr gereizt.
Ich bin Beamter; merken Sie sich das!
GSOTTMAIER.
Ah so!
SCHEIBLER.
In meiner Gegenwart reden Sie nicht von strafbaren Handlungen!
FILSER.
Strafmassi? Wo is denn er strafmassi?
GSOTTMAIER.
Dös muaß sie erscht aufweis'n. Von Scheibler wendet sich unwillig ab und schaut in seine Zeitung.
FILSER
zu Gsottmaier.

Paß auf! Hast g'hört ... Hält die Hand vor .... da Kötzinger Jakl und ... Deutet heimlich mit dem Daumen auf Scheibler. und ... vastehst mi scho? I glaab, daß do a Freundschaft vorhand'n is.

GSOTTMAIER
deutet heimlich mit dem Daumen auf Scheibler.

Er ... und da Jakl? Filser nickt zustimmend. Freund – sagst d'? Filser nickt. Gsottmaier pfeift durch die Zähne. Ah, jetza! Z'weg'n dem is er belzi?

FILSER.

Freili. Was is denn? Hoscht heut koan Schmai net? Gsottmaier zieht aus der Rocktasche sein Schmalzlerglas. Hau a Pris her! Er nimmt das Glas und haut sich eine Prise auf die Hand. Während er schnupft, sieht ihn Frau von Kleewitz entsetzt an.

FRAU VON KLEEWITZ.
Fred!
KLEEWITZ.
Lo!
FRAU VON KLEEWITZ.
Es ist fürchterlich! Sieht durch ihr Lorgnon die zwei Bauern an.
GSOTTMAIER
zu Filser.
Laß da sag'n, du kunnt'st mir a G'fall'n toa z'weg'n dera Sach da!
FILSER.
Z'weg'n da Milli?
GSOTTMAIER.
Ja. Sagst d'as halt de Großkopfet'n, daß ma für'n Reg'n nix ko.
FILSER
lacht gemütlich.
Daß ma den Bauernstand schützen muaß.
GSOTTMAIER.
Freili. Lacht gemütlich.
FILSER.
Muaß i halt an Schirm aufspanna über di? Du ganz schelcher!
GSOTTMAIER.
Daß i net naß wer. Lacht herzhaft.
FILSER.
Liaba d' Milli! Beide lachen wieder laut und herzlich.
GSOTTMAIER.
I sag's allawei, es is guat, daß ma di drin hamm. Du kennst di aus.
[461]
FILSER.
Auf d' Lumperei, moanst?
GSOTTMAIER.
Na, laß da sag'n, ohne G'spaß. Du bischt a Mann.
FILSER
lacht gemütlich.
Jetzt lobst d' mi? Gel?
GSOTTMAIER.

I muaß di scho lob'n, weil's d' a richtiga Mo bischt. I laß nix auf di kemma, laß da sag'n, und bal de andern aufdrahn, na bin i scho do! Vastehst?

FILSER.
I vasteh di scho.
GSOTTMAIER.
Gel?
FILSER.
I hör' di scho geh'. Du Schwammerling.
GSOTTMAIER.
Du Spitzbua, du odrahta! Beide lachen sehr laut.
STÜVE.
Sagen Sie mal, Sie unterhalten sich famos? Was?
GSOTTMAIER.
Han?
STÜVE.

Ich spreche doch selbst sehr gut bayer'sch, aber ich habe noch nich rausgebracht, warum Sie so lachen.

GSOTTMAIER.
Weil mi halt's Leb'n g'freut.
FILSER
zu Gsottmaier.
Paß auf, laß da sag'n. Den Herrn hamm s' oba g'schickt, daß a de preißisch Ökonomie ei'führt.
GSOTTMAIER.
Von ob'n aba?
FILSER.
Jo.
GSOTTMAIER.
Da wern d' Küah lacha.
STÜVE.
In 'n paar Jahren wird's Ihnen allen 'n bißchen dämmern.
GSOTTMAIER.
Na werd's Tag, moanen S'!
FILSER.
Drum krah'n de Preiß'n scho a so.
STÜVE.
Aber vorläufig is es Nacht im schwarzen Bayern.
GSOTTMAIER.
Ah, den schaug o!
FILSER.
Nacht is bei ins?
STÜVE.
Nich zu knapp! Hm ... ha ... ha ... hm!
FILSER.
Nacha müaßt's ös Nachteul'n sei, weil's so fleißi umanandfliegt's bei ins.
GSOTTMAIER.
Und überall'n a Fuatta find's. Filser und Gsottmaier lachen laut.
STÜVE.
Das is lustig, was? Wenn man so intellijent ist? Die beiden lachen noch lauter.
GSOTTMAIER.
Ah, do legst di nieder!
STÜVE
ärgerlich.
Das kann ich Ihnen sagen: 's Pulver habt ihr hier nich erfunden.
FILSER.
Ös habt's aa bloß an Schwefl dazua hergeb'n. Erneutes Lachen.
[462]
STÜVE
ärgerlich.
Blöken könnt ihr, sonst nischt. Wenn ich bei uns mit'n Landbewohner spreche, das ist was anderes.
GSOTTMAIER.
Ah?
STÜVE.
Da weeß heute jeder, wie viel's geschlagen hat.
FILSER.
Ös habt's halt recht laute Glock'n. Neues Lachen.
STÜVE
ärgerlich.
Wenn 'ch hier zu eenem sage, er soll mal 'n bißchen modern sein ... du lieber Gott!
FILSER.
Glaabt er nix.
STÜVE.
Oogen macht er – so groß. Zeigt es und zieht die Brauen hoch.
GSOTTMAIER.
Braucht's scho, sunst siecht er über dös groß' Mäu net umi.
STÜVE
sich steigernd.
»Modern!« sagt er. »Modern! Macht den Dialekt nach. Is tös was zum ess'n?«
FILSER.
Dös glaabt neamd.
STÜVE.
Hm?
FILSER.
Wenn's was zu'n ess'n waar, gebat's as ös net her. Gsottmaier schlägt sich auf die Knie und lacht.
GSOTTMAIER.
Laß net aus, Seppi!
SCHEIBLER
zu Stüve.
Warum geben Sie sich Mühe? Den Leuten werden Sie nie was beibringen.
STÜVE.
Die Erfahrung habe ich nu schon lange gemacht.
FILSER.
Hamm S' gar koan Glaab'n g'fund'n? Auf Gsottmaier deutend. Probiern S' as amal bei eahm!
GSOTTMAIER.
Na, mei Liaba!
STÜVE.
Was is mir das egal! Is ja nur euer Schaden!
FILSER
gibt Gsottmaier den Katalog Stüves.
Do ko'st jetzt deine Küah auf lateinisch fuattern. Brauchst koa Heu aa nimma.
GSOTTMAIER.
Ah, dös kenn i guat. Inser Bezirksamtmann möcht' ins ja aa neumodisch macha.
FILSER.
Der erst herkemma is? A Baron is a?
GSOTTMAIER.
Ja. Der wo d' Pletsch'n so hänga laßt. Und schiagl'n tuat er aa.
FILSER.
I kenn an scho.
GSOTTMAIER.
Jetzt halt a Versammlunga ab, vastehst, zur Hebung der Viehzucht.
FILSER.
Und lest's aus'n Büachi außa.
GSOTTMAIER.

Bei mir is er in Stall g'wen, und is eahm glei d' Brill'n o'glaffa, und wischt as mit'n Schneiztüachi o, und sagt [463] er Er macht affektiert hochdeutsch nach. »Hier« sagt er, »hat es nicht den richtigen Temperatur«, sagt er, »dieser Stall ist zu warm.« Ah was, sag i, meine Küah hamm ja koa Brill'n. Für de is scho recht. Filser und Gsottmaier lachen wieder sehr laut.

SCHEIBLER.
Wenn Ihr Bezirksamtmann ...
FILSER
unterbricht ihn.
I kenn's guat, de sell'n.Lacht.
GSOTTMAIER
affektiert wie oben.

»Hier hat es nicht den richtigen Temperatur«, sagt er, und wischt oiwai 's Glasl o. Ah, sag i, meine Küah hamm ja koa Brill'n. Lacht ausgelassen mit Filser.

SCHEIBLER.
Wenn Ihr Bezirksamtmann dafür sorgt ...
FILSER
unterbricht ihn.

Bei'n Oktobafest Jaffa s' umanand mit die Schiffhüat und weiße Handschuah, und bal s' a Kuah o'rüahr'n, schaug'n s' hi, ob s' net o'farbt.

GSOTTMAIER.
Und bals d' an Ochs'n an Schwoaf aufhebst, schaug'n s' weg.
FILSER.
Weil's eah'r graust. Beide lachen, daß ihnen der Atem ausgeht.
SCHEIBLER.
Wenn Ihr Bezirksamtmann sich um die Viehzucht kümmert ...
GSOTTMAIER
unterbricht ihn.
Da drucka s' d' Aug'n zua.
FILSER.

's letztmal is oana von Ministeri dabei g'wen, an ganz a g'wappelter, und schaugt mein Ochs'n o, und nacha sagt er Affektiert hochdeutsch. disses Tier, sagt er, hat ein schönes Oiter, sagt er, wie viel gibt es Mülch?

GSOTTMAIER
lachend.
Dei Ochs?
FILSER.

Ja, sog i, melka S' 'n amal, nacha wern S' as scho sehg'n, was er für a g'spaßige Milli gibt.Beide lachen wieder ausgelassen.

GSOTTMAIER.
Der hätt' gschaut ... ha ... ha ... ha ... ha!
FILSER
wie oben.
Disses Tier hat ein schönes Oiter ... ha ... ha ...ha!
GSOTTMAIER
hat ein großes, rotes Taschentuch herausgezogen und schneuzt sich.
Zur Hebung der Viehzucht! Ha ... ha ... ha!
FILSER
lärmend.
Geh, hau a Pris her! Du Fei'spinna!
GSOTTMAIER
ebenso; indem er das Schmalzlerglas hinüberreicht.
Da hoscht'n, du Tropf, du eiskalta! Filser haut sich eine Prise auf die Hand und schnupft.
FRAU VON KLEEWITZ.
Fred!
[464]
KLEEWITZ.
Lo!
FRAU VON KLEEWITZ.
Es ist schauderhaft!
FILSER.
Disses Tier hat ein schönes Oiter ... ha ... ha ... ha ...
SCHEIBLER.
Jetzt bitte ich mir endlich mal Ruhe aus! Wir sind hier nicht im Wirtshaus!
GSOTTMAIER.
An Unterhaltung is überall'n erlabt.
SCHEIBLER.
Solche nicht.
KLEEWITZ.
Ich danke dafür.
STÜVE.
Und ich ooch.
SCHEIBLER.
Ich werde überhaupt kontrollieren lassen, ob Sie erster Klasse fahren dürfen.
GSOTTMAIER.
I zahl mei Sach scho.
FILSER.
Eahna bekümmert's do nix!
SCHEIBLER.
Das werden wir dann schon sehen. Und Ihre Wirtshauswitze dulden wir einmal nicht.
STÜVE
zu Scheibler.
Bei uns kommt so was nich vor, dafür garantiere ich Ihnen.
FILSER.

Jetz wer i aba belzi. Was is denn fürkemma bei ins? Überhaupt's is dös mei Freund Auf Gsottmaier deutend. und bal mir dischkrier'n, geht dös neamd durchaus gar nix o.

GSOTTMAIER.
Und beleidigt hamm mir überhaupts neamd.
SCHEIBLER.
Jawohl haben Sie ...
FILSER
schreiend.

Dös is it wohr, sag' i. Mir hamm insere Spaß g'habt, und nacha is gar. Und überhaups is dös mei Freund ...

GSOTTMAIER
schreiend.
Und beleidigt hamm mir gar neamd.
SCHEIBLER
ebenfalls lauter.
Sie haben mich beleidigt. Ich bin selbst Beamter, ich bin selbst im Ministerium ...
FILSER
schreiend.
Dös hab i net schmecka kinna, und überhaupts bekümmert mi dös gar nix.
GSOTTMAIER
schreiend.
Und woana werd ma'r aa net müassen, wann's ös glei d' Ochsen melka wollt's.
FILSER.
Und überhaupts bekümmert mi dös gar nix!
SCHEIBLER.
Das wollen wir sehen.
FRAU VON KLEEWITZ
kreischt.
Um Gotteswillen! Fred! Fred! Klammert sich an Kleewitz an.
KLEEWITZ.
Lo!
FRAU VON KLEEWITZ.
Die Menschen werden tätlich.
FILSER
immer noch schreiend.

Dös waar guat! Wann i mit an Freund dischkrier, müaßt i mir Grobheit'n mach'n lass'n. Steigert [465] die Stimme. Und um koa Minischteri bekümmer i mi durchaus gar nix.

GSOTTMAIER.
Aba scho gar nix. Der Zug hält.
SCHEIBLER
springt erregt ans Fenster und schreit hinaus.
Zugführer! Schaffner! Zugführer!

6. Szene

Sechste Szene

SCHAFFNER
außen.
Trudering! Tru-de-ring!
SCHEIBLER.
Zugführer!
ZUGFÜHRER
hinter der Szene.
Glei! Glei!
SCHAFFNER
außen.
Tru-de-ring!
ZUGFÜHRER
erscheint am Fenster.
Wünschen Herr Ministerialrat?
SCHEIBLER
erregt auf Gsottmaier und Filser deutend.
Wie kommen die beiden Menschen in erste Klasse? Ich verlange ...
ZUGFÜHRER
will Scheibler beschwichtigen und winkt mit der Hand.
Pst! Pst!
SCHEIBLER.
Ich verlange, daß Sie kontrollieren.
FILSER
schreiend.
Kontrollier no grad!
ZUGFÜHRER.
Herr Ministerialrat ...
SCHEIBLER.
Ich verlange es auf der Stelle.
ZUGFÜHRER
hält die Hand vor den Mund; sehr eindringlich.
Herr Ministerialrat ... dös is ja der Herr Abgeordnete Filser.
SCHEIBLER
erschrocken.
Wa ...?
ZUGFÜHRER.
Ja!
SCHEIBLER
räuspert sich stark.

Hem! Ja ... ich danke ... ich danke. Der Zugführer ab. Die Rekruten hinter der Szene singen das Lied. Ring hamm ma'r aa an die Finga, mir san de luschtinga Truderinga! Von Scheibler setzt sich verlegen nieder.

STÜVE.
Was is nu mit der Kontrolle?
SCHEIBLER.
Es ist in Ordnung.
STÜVE.
Wieso in Ordnung?
SCHEIBLER.
Es ist in Ordnung, sage ich Ihnen.
STÜVE.
Er hat aber doch nich ...
SCHEIBLER
ärgerlich.

Was kümmert denn das mich? Überhaupt, Auf Gsottmaier und Filser deutend. wenn Sie sich mit den Herren unterhalten, müssen Sie sich gefallen lassen, daß sie Ihnen antworten.

[466]
STÜVE.
Sie finden, daß ... äh ... daß ...
SCHEIBLER
sehr bestimmt.

Ja. Der Zug setzt sich in Bewegung. Pfeifen. Die Rekruten singen noch lauter. Ring hamm ma'r an die Finga ... mir san de luschtinga Truderinga!

STÜVE.
Sie finden ... jetzt, daß ... äh ... diese Leute ...
SCHEIBLER.

Ach, lassen Sie mich zufrieden! Die Herren wollen doch gar nichts von Ihnen. Kleine Pause. Gsottmaier pfeift leise durch die Zähne, zwinkert Filser zu. Filser antwortet ebenso.

SCHEIBLER
räuspert sich; zu Filser.

Ich möchte ... hem ... den Herren sagen, daß ich ... hem ... den Irrtum von vorhin ... hem ... bedaure ... Es war ... hem ... wirklich nur 'n Irrtum.

FILSER
gemütlich.
Nix für unguat! Mir hamm halt a bissel insern G'spaß g'habt ...
SCHEIBLER.
Nu natürlich!
FILSER.
Und beleidinga hamm mi Eahna gar it woll'n.
SCHEIBLER.
Das weiß ich doch ...
FILSER.
Also nacha hamm mir anand nix in übi.
SCHEIBLER
freundlichst lächelnd.
Aber durchaus nicht!
GSOTTMAIER.

Mir san halt Bauern, net? Und bal mir aa net so fein daherred'n kinna als wia d' Stadtleut, net, desweg'n san mir do richtige Leut, net?

SCHEIBLER.
Es schätzt niemand den Bauernstand höher wie ich ...
GSOTTMAIER
sein Schmalzlerglas ziehend.
No also, nacha! Mög'n S' aa'r a Pris?
SCHEIBLER.
Ich will's mal versuchen. Ist es Schmalzler, nich wahr?
FILSER.

A guata! Nummera oans! Scheibler versucht Tabak auf die Hand zu schütten. So ... a paarmal hi'hau'n, und jetz aufi damit! Scheibler schnupft.

STÜVE
sich anbiedernd.
Vielleicht lassen Sie mich auch mal probieren.
GSOTTMAIER.

No, gengan S' halt her, Sie Preiß! Er schüttet Tabak auf Stüves Hand. Sie bringa dös Eahna Lebtag it z'samm!

STÜVE
zu Scheibler.
Die Leute sind eigentlich ganz gemütlich. Er schnupft. Furchtbar harmlos.
SCHEIBLER.
Wissen Sie das erst seit heute?
STÜVE.
Na ... ich meine nur ... hm ... ha ... ha ... hm ... man versteht ja nich jedes Wort ... äh ...
[467]
SCHEIBLER.
Dann müssen Sie sich eben bemühen, den Dialekt zu verstehn ...
STÜVE.
Ich spreche ja ganz gut bayer'sch, aber hm ... ha ... ha ...
FILSER
zu Scheibler.
Laß ma's guat sei; er red't halt aa, wia'r er 's vasteht.
GSOTTMAIER.
Er muaß ja a scharf's Mäuwerk hamm, sinscht vakafft er ja gar nix!
STÜVE.
Vielleicht mach'n wir noch 'n Geschäft zusammen?
FILSER.
Na – na! Und bal i möcht', mög'n meine Küah net.
GSOTTMAIER.

No, oa Kaibl hätt' i; dös plärrt an ganz'n Tag. Dös kunnt'n ma vielleicht zu an Preiß'n macha. Filser, Gsottmaier lachen herzhaft; Scheibler stimmt ein; auch Stüve lacht.

FRAU VON KLEEWITZ.
Fred!
KLEEWITZ.
Lo!
FRAU VON KLEEWITZ.
Verstehst du das?
KLEEWITZ.
Nee!
SCHEIBLER
zu Filser.
Die Parlamentssession geht schon morgen an?
FILSER.

Freili, regier'n ma wieder amal; in d'Händ g'spieb'n is schon. Woll'n ma halt schaug'n, was S' für a Fleißbillett kriag'n in Ministeri.

SCHEIBLER
jovial.
Wir werden uns gut verstehen.
FILSER.
Ja, mei Liaba, a bißl streng müass'n ma scho sei. G'rad daß a Reschpekt vorhand'n is.
SCHEIBLER
verlegen lachend.
Nu ja ... hm ... hm ... nu ... ja!
FILSER
jovial.

No, mir san scho z'fried'n mit'n Ministeri; sie tean ja, was ma woll'n, aba luck lass'n derf ma halt do net, sinscht kunnt'n s' oan auskemma.

GSOTTMAIER.
Du werscht wieda was z'sammregier'n, du Hoderlump, du abscheilinga!
FILSER.
So regier'n ma scho, daß ös brav zahl'n müaßt's.
GSOTTMAIER.
Dös ham ma g'spannt.
FILSER.
No grad Steuern zahln, daß enk 's Geld net stinkat werd.
GSOTTMAIER
ernster.
Du – du – Filser, laß dir sag'n; mit'n Bier müaßt's staad toa, sunst derlebt's was.
SCHEIBLER.
Das müßt Ihr richtig verstehn – die Herren haben da keine leichte Aufgabe.
[468]
GSOTTMAIER
grob.
Mir a net mit'n Zahl'n.
FILSER
zu Gsottmaier.
Paß auf, laß da sag'n: mir halt'n scho zruck. Auf von Scheibler zeigend. Aufbessert werd nix mehr.
GSOTTMAIER.
Hoffentli, daß ma net's Hemad a no hergeb'n müaß'n für die Beamt'n.
SCHEIBLER
verlegen lachend.
Mein lieber Mann ...
FILSER
einfallend.
Nixi – Nixi! Dös is gar wor'n.Reibt den Daumen am Zeigefinger. Da gibt's nix mehr.
SCHEIBLER
verlegen.
Aber Herr Abgeordneter ...
FILSER
energisch.
Aus is, sag i. Tuat ma leid, aba i kann nix mehr genehmigen.
GSOTTMAIER
zu Filser.
Jetzt g'fallst ma.
FILSER.

Gel? Da kennst mi schlecht, balst moanst, i bin grad zum »Ja« sag'n drinn. Bai i amal nimma mag, is gar wor'n, da bin i hart mit der Regierung.

SCHEIBLER
jovial.
Na – Herr Abgeordneter ...
FILSER.
Nixi! Tuat ma leid, aber ös habt's scho gnua kriagt.
SCHEIBLER.
Sie haben ja vollkommen recht ...
FILSER.
Dös hab i aa.
SCHEIBLER.
Kommen wieder alle Herrn gesund zurück?
FILSER.
G'sund und schö rausg'fress'n, die Pfarrer wern sie wieder schön g'leibt hab'n.
SCHEIBLER.
Das hört man gerne.
GSOTTMAIER.
Jetzt kinnt's wieda was aushalt'n.
FILSER.
Brauchst scho a G'sundheit: zehn Monat lang nix wia dischkuriern.
GSOTTMAIER.
Müaßt's halt guat schmieren, daß enk's Mäu net hoaß lauft.
FILSER.

Dös g'schiecht scho. No, a paar hamm ma schon dabei, dö kinna net ausrinna. Bai dö anfanga, spitz'n s' im Ministeri, Zu von Scheibler. geln S'?

SCHEIBLER.
Hm. Nun ja ... hm ...
FILSER
zu von Scheibler.
Es san wieder oa scharf g'lad'n, hab i g'hört. Ös werd's enk wieder z'samma nehma müaß'n.
SCHEIBLER.
Nun ja ... hm ... hm ...
FILSER.
Daß's koan reißt. Es hänga a paar Wetta umanand.
GSOTTMAIER.
Da stech'n dö Pfarrer ...
FILSER.
Wia die Weps'n.
SCHEIBLER.
Jedenfalls werden wir alle viel Arbeit finden.
[469]
FILSER.
A bluatige Arbeit!
GSOTTMAIER.
Warum geh'st denn nei, bal's di net freut?
FILSER.
Ja, no, bal's oan braucha, ko'st d' aa net a so sei.
SCHEIBLER.
Das ist das richtige Wort!
GSOTTMAIER.
Geh, hör auf, Seppi! Du bischt ja grad froh, daß d' vo deiner Alt'n los bischt.
FILSER.
No, eppas Guats muaß aa dabei sei! Beide lachen.
FILSER.

Na, derfst 'as glaab'n, mi hamm viel z'toa. Heuer woll'n s' wieda a paar schpringa lass'n von Ministeri.

SCHEIBLER.
Wie?
FILSER.
Daß a paar schpringa müass'n von Ministeri. Zu Scheibler. Hamm S' nix vanumma?
SCHEIBLER
verlegen.
Ich ... äh – wüßte nicht, daß einer von den Herren amtsmüde wäre.
FILSER.
Auf d' Müadigkeit kimmt's net o. Vo dera Arbet muaß oana oft bei da bescht'n Kraft weggeh'.
GSOTTMAIER.
Habt's wieda was in Sinn, han?
FILSER.

Na, na, i net. Und vielleicht, daß ma wieda gnädig is aa. De andern san aa ganz g'führige Leut, – Zu Scheibler. dös müassen S' selm sag'n.

SCHEIBLER
verlegen.
Ja – ja.
FILSER.
Und bal ma siecht, daß s' oan sein Will'n tean, nacha lass'n mir scho wieder red'n aa mit ins. Net?
SCHEIBLER.
Ja – ja.
GSOTTMAIER.
Aba a diam seid's bäri auf de Großkopfet'n?
FILSER.
Bal s' krauti wer'n, müaß' ma scho. No, da hoaßt's halt, schtaad sei oder schpringa.
GSOTTMAIER.
Da zahnan s'? Han?
FILSER.

Ja, da wer'n s' katholisch! Beide lachen ausgelassen. Zu Scheibler. A diam mög'n S' ins scho gar net, gel?

SCHEIBLER.
Hm ... ja ... wenn das Ihre Überzeugung ist ....
FILSER.

Na ... na! A diam schaugn s' ins scho o üba d' Brill'n, daß ma's halt kennt: beiß'n tat'n s' gern.Filser und Gsottmaier laden, von Scheibler stimmt verlegen ein.

GSOTTMAIER.
Bai s' kunnt'n! Ha ... ha ... ha!
FILSER.

Und net o'g'hängt waar'n! Ha ... ha ... ha!Der Zug hält. Man hört den Schaffner rufen. Ost- bahn-hof! Mün-chen Ost-bahn-hof!

GSOTTMAIER.
Halt! Da muaß i aussteig'n!
[470]
FILSER.
I aa. Steht auf und pfeift durch die Finger zum Fenster hinaus. Aufmacha!
SCHEIBLER.

Das geht so auch. Er öffnet die Türe von innen. Lassen Sie nur, Herr Abgeordneter, ich reiche Ihnen die Sachen schon hinaus.

FILSER.
Geh zua, Gsottmoar. Gsottmaier geht zuerst hinaus.
GSOTTMAIER.
S' Good beinand!
FILSER.
Also, pfüad Good!
SCHEIBLER
während Filser hinaussteigt.
Gut'n Tag! Adieu! Und nich wahr, Herr Abgeordneter, der Irrtum ...
FILSER
sich umdrehend.

Is scho recht. Dös hon i scho lang vagess'n. Er steht nun außen und spricht zum Wagen herein. Da drob'n waar mei Kuffa.Von Scheibler holt den Koffer mühsam aus dem Netz.

SCHEIBLER.
So! Hier ist er.
FILSER.
Dank schö! Und san S' so guat, meine Oar!
SCHEIBLER
den Korb nehmend.
Das sind die?
FILSER.
De san's.
SCHEIBLER
den Korb vorsichtig hinausreichend.
Hoffentlich ist keines zerbrochen.
FILSER.
Auf oans gang's it z'samm. Dank schö. Also, pfüad Good!
SCHEIBLER.
Und nich wahr ... den Irrtum ...
FILSER.
Ah was, dös bekümmert mi gar nix.
SCHEIBLER.
Dann adieu.
FILSER
im Abgehen; schreit.
Gsottmoar, halt a wengl.
DIE REKRUTEN
, die auch ausgestiegen sind, singen lärmend.
Ring hamm ma'r aa an die Finga, mir san de luschtinga Trudaringa!

Während des Gesanges fällt der Vorhang.

Notes
Entstanden 1910. Erstdruck: München (Langen), 1910. Uraufführung am 12.08.1910, Gasthaus »Zur Überfahrt«, Egern/Tegernsee, durch Michael Denggs Bauernbühne.
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TextGrid Repository (2012). Thoma, Ludwig. Erster Klasse. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-5191-2