6.

So sprachen wir wohl; und Soherr, mein Freund,
Viel köstliche Späße machte.
Der junge Herr Morgen verschiedenemal
Seine herzlichen Tautränen lachte.
[278]
Und ein Lüftchen wehte von Rüdesheim
Und kräuselte über die Wellen
Und küßte am Strande des Herbstes Blum
Und die Trauben, die dunklen und hellen,
Und schwang sich bergan, und es tönte leis
Die Äolsharfe wieder –
Und es war mir, als sänge der Geister Chor
Ein Lied aus dem »Buche der Lieder«.
Aus deinem Buche, du kranker Schwan,
Der du mußtest die Tage verbringen
Im Exile, indes der Heimat Höhn
Von deinem Ruhme klingen. –
Doch Herr Soherr sprach: »Ich glaube, es ist
Am besten, wir steigen zu Tale
Und frühstücken Austern und Kaviar,
Oder Käse, oder Lachs, oder Aale.
Ich gebe Ihnen ein gutes Glas
Von einer verständigen Sorte.« –
Sprach's. – Und ich erkannte den tiefen Sinn
Dieser höchst gewichtigen Worte.
Und der Keller erschloß sich. Und balde war'n
Wir in sehr erfreulicher Andacht;
Und nicht an Herrn Engels und nicht an Köln,
Sondern nur an den Wein jedermann dacht.
[279]
Und sangen: O Jerum, Jerum, Je!
Und lagen uns in den Armen.
Hosianna! – Da flogen die Türen auf,
Und herein traten zwei Gendarmen. – –

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TextGrid Repository (2012). Weerth, Georg. 6. [So sprachen wir wohl; und Soherr, mein Freund]. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-974C-8