[3] Vorrede
Da habe ich, nach sechsjähriger Verzögerung, meine Gedichte endlich in Druk zu geben angefangen. Es sind wenig Lieder, d.i. blosse zu eigner Erbauung aufgesetzte Oden dabey, die meisten sind bey Gelegenheit geschrieben. Solten diese Nutzen schaffen, so können etwa in einem zweyten oder dritten Theile die übrigen Oden und weitläuftigeren Stükke erscheinen. Ich bin itzo überhaupt in den beschwerlichen Umständen gedrukt zu werden. Es ist mir recht beschwerlich: denn so gut es immer gemeynet seyn mag; so sehr werde ich oft dadurch gemißhandelt und verstellet. Ich finde mich derhalben genöthiget, ein und anders, was ich vielleicht verloren oder vergessen, oder doch an mir behalten hätte, selbst herauszugeben; damit es nicht gestümmelt, vermehrt, verändert oder vermischt werde, oder ohne Auswahl, oder doch ausser dem rechten Ort, Zeit und Umständen, zum Vorschein komme.
Die Vorrede zu diesen Gedichten mache ich auch selber, damit sie sonst niemand mag machen; und ich sagen kan, was ich nöthig finde: Man kan sich immer selber am besten erklären. Ich habe drey Dinge zu erinnern, das erste betrift den Druk, das andere die Poe [4] sie, das dritte die Sachen. Der Druk ist gut genug. Ich bitte aber den Leser gleichwol das Fehler-Register zuerst zu lesen, und sichs ein wenig bekant zu machen, denn es ist nicht gleichgültig, was da stehet, man hat Ursachen zu einem jeden Wort.
Meine Poesie ist ungekünstelt: wie mir ist, so schreibe ich. Höhere und tiefere Worte pflege ich nicht zu gebrauchen, als mein Sinn ist. Die Regeln setze ich aus den Augen ums Nachdruks willen: Ein Haus, dem Herrn bequem, klingt mir nach Gelegenheit besser, als: ein bequemes Haus für den Herrn. Einem andern Stern folgen, wäre nicht so wohllautend in dem Context N. LXXV. als: folgen, einem andern Stern. Zuweilen habe ich nach dem Genio desjenigen geschrieben, von dem die Rede war. Die Rede auf D. Antonen N. LXXXXIIII. ist so abgefaßt.
Ein paar Reimen werden sich auch in denen Gedichten (die in einer Strophe sieben gleiche [4] Endungen haben) befinden, welche bey uns Teutschen nicht so gewöhnlich sind, als in der sonst sehr accuraten Französischen Prosodie. Ich reime z.E. in einem Liede: Herzen, corda, und die Wunden herzen, exosculari. Bayle schließt sein admirables Gedicht von der Gnade auf gleiche Art:
Es wird also Entschuldigung finden. Und will ich mich dabey nicht länger aufhalten, sondern zu den Sachen schreiten.
Die Stükke von 1713. an, bis 1720. sind meist alle verloren. Ich schrieb damals heftig und hart. Ich hatte den Heiland innig lieb, traute mir aber selber nicht; darum fassete ich meine Gedichte (wenn sie nach damaligem Universitäts-Gebrauch, gedrukt werden mußten,) mit solchen Ausdrükken ab, daß ich hoffete, die Welt solte mir gram und die Gelegenheiten in derselben fortzukommen, von selbst abgeschnitten werden, damit hätte ich der Versuchung weniger.
Da ich gleichwol unter die Menschen mußte, ward mirs sehr schwer, und das kan man [5] denen Gedichten von 1721. bis 1727. sehr deutlich anmerken. Da schwebete mir das Exempel des Mardachai vor Augen, und ich war zur Critique geneigt. Seit dem Gedicht, was im 1728ten Jahre das Erste ist, änderte sich diese Art nach und nach merklich; denn ich bekam andre Materien ins Gemüth, und hatte mit der Welt nichts weiter zu thun, weil wir einander fremde wurden. Hingegen wurde das meine Sache, was zu einer Gemeine und ihrem Grunde, ja zu einer jeden Seele und ihrer Führung gehörte. Seit wann Jesus und Seine Gemeine mir nicht mehr ein blosses Object der Verehrung und Bewunderung blieben, sondern mein Leben worden, wird man in den Gedichten selbst (so wenig ihrer auch sind) deutlich wahrnehmen: und da ich nach und nach vergessen, was in der übrigen Welt vorgehet; so ist sich nicht zu verwundern, wenn sich Gedichte zeigen, da Handwerksleute und Mägde mit mehr Ehrerbietung und Vergnügen besungen werden, als ehemals die berühmte Hortence. Wenn es vermuthlich wäre, daß Liebhaber des Ausonii, des la Fontaine, des Günthers und ihresgleichen, hierinnen blättern möchten; so müßte ich sie bitten, daß sie vorher den Athenagoras lesen, oder mir allenfalls auf mein Wort glauben [6] wolten, daß Bayle und Boileau und S. Evremond mit ihren chimerischen Beschreibungen einer guten Ehe, die wahrhaftige Glükseligkeit der Unsrigen bey weitem noch nicht getroffen; daß das, was der letztere für Kennzeichen der wahren Verliebtheit geben, mit unserer Anhänglichkeit an den Heiland genau zusammentrift; daß endlich keine vollkommnere Schönheit ist, als eine gemeine Dirne, von mäßiger Gestalt, die nicht glaubt noch weiß, daß was grosses, was glükliches oder liebenswürdiges ist, als der Freund, den man nicht siehet. Wenn die Romans in ihrer Art keine schlechtere Arbeit machten, als die Helden-Geschichte von JESU von Nazareth in der ihrigen; so wären sie etwas mehr werth. Wer in einer Gemeine wohnt, der glaubt leicht, daß die alten Wunder-Geschichte wahr sind, weil sie noch immer geschehen; daß Heilige gewesen sind, weil ihrer noch sind; daß Leute den Heiland zärtlich geliebet haben, weil es noch welche gibt, die es thun. Wer es nicht glauben will, der kans sehen.
Gnug davon. Ich wünsche meinem Leser, daß ihn meine Gedichte so lange nützlich amusiren, bis sie ihm ernsthaft werden.
[7] Das letzte Stük dieses Theils ist ein Plan meiner Lehre und Wesens, solange ich glauben und wallen soll.
Herrnhut, zu Anfang des Jahrs 1735.
Graf Ludwig von Zinzendorf. [8]