§ 9. Klöster.

Sollte das Christenthum in Deutschland kräftige Wurzel schlagen, mußten Klöster entstehen. Und sie wurden in großer [21] Zahl gegründet, zuerst von heiligen Sendboten, in der Mehrzahl selbst Zöglinge von Klöstern, dann durch die Großmuth der adeligen Geschlechter. In jener frühen Zeit sind sie die eigentlichen Stätten der Bildung; ihr Einfluß auf Milderung der Sitte, besonders auf menschliche Behandlung der Leibeigenen, welche das Fünffache der damaligen freien Bevölkerung ausmachten, ist nicht hoch genug anzurechnen. Wo sie entstanden, kamen Ackerbau und Gewerbe in Blüthe. Endlich waren sie die einzigen Schulen. Viel haben sie gewirkt in harter Zeit für Land und Volk. Aber auch an ihnen, wie an Allem, was menschlich, ist die Zeit vorübergegangen. Zum Theile reich mit Gütern beschenkt und ruhigen Besitzes erkalteten sie im Eifer thätigen Glaubens, von den Mühen glaubte man ausruhen und genießen zu dürfen. Die Wissenschaft wurde höchst einseitig betrieben. Als daher Byzanz vor den Türken fiel und mit den flüchtigen Griechen die Reste klassischer Bildung nach dem Westen hinübergetragen wurde und dort die Liebe zu den alten Meisterwerken menschlichen Geistes in ungeahnter Stärke sich entzündete, da waren die Klöster, von Rechtswegen Träger christlichen Wissens, weit zurückgeblieben und nicht im Stande, die Fluth der neuen Ideen in die rechte Bahn zu leiten. Die Wissenschaft machte sich zum erstenmale auf deutschem Boden frei von der Kirche. Um so weniger vermochten die Klöster dem Sturme des sechzehnten Jahrhunderts zu widerstehen. Die Hälfte derselben hatte sich selbst zu Grabe getragen oder ward niedergeworfen. Die Ueberlebenden hatten zu sehr gelitten. Wie sollten sie sich kräftigen, zu neuem Leben erheben in der Jammerzeit des siebenzehnten und achtzehnten Jahrhunderts? Katholische Fürsten trugen sich schon lange mit dem Gedanken, die Klöster zum Theil aufzuheben und ihr Besitzthum für andere Zwecke wie Schulen, Krankenpflege, Wohlthätigkeit zu verwenden, [22] zum Theile umzugestalten. Die Windsbraut der französischen Revolution brach Alles, was ihr im Wege stand, vor Allem, was kirchlich war, damit die Klöster. Nun ist eine neue Zeit. Die Gegenwart huldiget anderem Geiste, trägt anderes Gepräge, hat andere Bedürfnisse. Wohl entstehen sie wieder, die Klöster, aber von ihnen wird kräftiges Mitwirken für die allgemeinen Belange der Gesammtheit, für Schule und Pflege der Kranken, gefordert. Es sind nicht mehr die alten.

Was nun unser eigentliches Schwaben betrifft, so steht es auch bezüglich der Klöster keinem anderen Lande zurück. Schon Fridolin hat das Kloster Seckingen gegründet. St. Gallus legte den Grund zur berühmten Abtei St. Gallen im Arbonerforste, ein strahlender Mittelpunkt der Bildung in finsterer Zeit, für Alamannien was Fulda für die Franken am Maine, 613. Dem St. Pirmin dankte das Kloster Reichenau sein Entstehen.

Die Wittwe Helizena von Calw stiftete 645 das weithin durch seine Gelehrsamkeit im 10. und 11. Jahrhunderte berühmte Kloster Hirschau an der Nagold; es zählte in seiner Blüthe 300 Benediktiner-Mönche. Der wüthige Melak hat es verwüstet, 1692. Nicht minder berühmt ist auch in dieser Beziehung das Kloster St. Blasii im Schwarzwald.

Die reichsunmittelbare Benediktinerabtei Weingarten bei Ravensburg ist aus einer Welfenburg erbaut und durch Welfengut reich geworden.

Das Kloster Blaubeuren erwarb sich in seinem Choraltar das Meisterwerk deutscher Holzbildnerei; die Cisterzienser-Abtei Schönthal, von seiner Lage an der Jagst bekannt, birgt die Ueberreste des schwäbischen Recken Götz von Berlichingen in steinernem Grabmale, Beuron aber, im Sigmaringischen, das Denkmal des gewaltigen Schwabenherzogs Gerold vom Bussen und seiner Schwester, der Gemahlin Karls des Großen.

[23] Der Ruf dieser Klöster ist weit über die Gränzen des Landes hinausgedrungen. In der Geschichte des Christenthums nehmen sie für ihre Wichtigkeit hervorragenden Rang ein. Sie waren herrlich.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Birlinger, Anton. 9. Klöster. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-0145-9