238. Das steinerne Weib.

Schriftlich von Wiesensteig.

1.

Ueber der Wiesensteig in grotesker Gestalt und massenhafter Formation umgebender Felsen erhebt sich eine Felsensäule aus dem grünen Laubwald links der Straße nach Westerheim über dem sog. Kessel. Diese Felsensäule hat die Gestalt einer Riesenfrau, welche einen Obstkorb auf dem Kopfe trägt, und wird von den Leuten »das steinerne [153] Weib« genannt. Vor uralter Zeit lebte da ein Weib, das ungemein hart und geizig war. Zulezt brachte sie aus Geiz ihre eigenen Kinder um. Da traf sie der Zorn Gottes. Sie wurde an dem Orte, wo sie die schreckliche, herzlose That vollbrachte, zur Strafe in ein steinern Weib verwandelt, den Geizigen zur Warnung 1.

Fußnoten

1 Ein sehr altes Gegenstück ist Loths Weib aus Salzstein, jezt wieder bei Usdoni am todten Meer aufgefunden. Variante bei Meier, Sagen S. 197.

2.

Die »steinerne Frau« sei ehedem eine Wiesensteigerin gewesen, die ihrem Manne das Essen brachte, aber den Löffel vergaß. Der Holzmacher war deß sehr unzufrieden und habe geschworen: »Daß du nur schon zu Stein würdest!« So ist's denn auch geschehen und der Fluch ging in Erfüllung.

Wiesensteig.


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TextGrid Repository (2012). Birlinger, Anton. 238. Das steinerne Weib. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-059D-9