844. An Johanna Keßler
844. An Johanna Keßler
Wiedensahl 5. Dec. 91.
Das ließ sich ja erwarten, liebste Tante, daß Sie die skizzirten Versüchelchen nach Brouwer mit übergroßem Wohlwollen beurtheilen würden. Nur gut, wenn man einen schärferen Kritiker in innerster Nähe hat. Durch dergleichen Proben steigert sich nur noch mehr die Bescheidenheit und Bewunderung gegenüber einer Geschicklichkeit, die ich jetzt nirgends mehr bemerke. Übrigens bitt ich dem »Photographen« Hugo das Zeug nur ganz beiläufig in's Zimmer zu stellen; mehr verdient's nicht, mehr will's auch nicht sein.
Wir haben hier noch immer ein gelindes Wetter, und täglich begleit ich Sie auf die Ginheimer Höhe. Der Südwind bollert hinter den Fensterläden und saust im Kastanienbaum. In den liebenswürdigsten aller Fußsäcke hab ich mich daher erst ein Mal wieder verwickelt; doch über das Ende des Betts weg, vom Tisch herüber, blinzelt mich sein blaues Bändchen allabendlich gar vertraulich an, als ob's sagen wollte: »Wart nur! Du kommst uns schon noch!«
Statt im weichen Seßel, oben vor dem Kachelofen bei Ihnen, sitz ich jetzt gefälligst wieder im asketischen Rohrstuhl.
Allerseits die herzlichsten Grüße von Ihrem
getreuen alten Onkel
Wilhelm.