797. An Hermann Nöldeke
797. An Hermann Nöldeke
Wiedensahl. Mittwoch. [Anfang August 1890]
Deinen Brief, lieber Hermann, hab ich erhalten. – Es freut mich, daß bei Euch Alles wieder in Ordnung ist. Über mein Kommen schreib ich Dir, wenn Mutter zurück ist.
Hier haben letzther die Erndtewagen recht geknarrt bis spät in die Nacht. Die Leute machen eine sehr gute Erndte, wie ich höre, an Roggen. Außerdem stehen die Sommerfrüchte vorzüglich. Nur die Kartoffeln, die anfangs so trefflich schmeckten, fangen an bedenklich faul zu werden. – Die Rosen haben sich vom Raupenfraß erholt und sich in neues Grün und neue Blüthen gekleidet. Ich sprach mal bei Gärtner Wollenweber in Stadthagen vor, um mir für den Herbst noch 6 Remontanten zu bestellen. Er fing erst mit dem Oculiren an, sagte, auf's schlafende Auge sei's beßer wegen der Überwinterung. – In der Kölnischen steht eine Notiz über Rhabarber; es soll sich daraus ein ganz ausgezeichneter Wein bereiten laßen. Ich werde dir den Ausschnitt gelegentlich geben. Vor dem nächsten Jahr kommst du ja doch nicht dazu. –
Bei Ostwind hatten wir vorhin (morgens) Regen und leichtes Gewitter. Hoffentlich klärt's sich wieder auf, damit der Rest des Roggens hereinkommt.
Mit dem Seminar wird's, fürcht ich, zu spät sein, da, wie ich höre, die Anmeldungsfrist bereits am 1. August abgelaufen ist.
Seid alle herzlich gegrüßt.
Dein getr. Onkel Wilhelm.