347. An Letty Keßler
347. An Letty Keßler
Wiedensahl 19. März 76
Meine liebe Letty!
Vorigen Sonntag haben wir hier auch einen sehr starken Sturm mit Donner und Blitz gehabt; er hat aber doch keinen so großen Schaden angestiftet und ausgeübt wie anderswo. Es sind nun bereits fünf Wochen, daß es jeden Tag regnet; und heute liegt wieder Alles voll Schnee. So hatte ich denn neulich auf meiner kleinen Reise ein recht abscheuliches naßes Wetter. Die große Dunkelheit, welche des Abends herrschte, verursachte mir auch ein sehr schmerzliches Malheur. Nämlich ich kam spät aus einer Gesellschaft. Nun war da eine schwere, »gygantische« Cchaußéewalze verquer über der Straße stehen geblieben und hielt die Deichsel in die Höhe, was ich aber bei der kohlrabenschwarzen Finsterniß nicht bemerken konnte. Also – Kracks! – ich dagegen; grade mit der Nase; daß mir der Kopf klapperte, wie eine alte Gießkanne, und im ersten Augenblick gar keine rechte Besinnung mehr vorhanden war. Darnach war aber mein erster Griff an die Nase, ob sich darinnen die Knochen nicht bewegten. Sie blutete aber nur. Am andern Morgen war sie sehr angeschwollen, dann wurde sie blau, dann grün und dann gelb. Noch heute, wenn ich daran rüttle, thut's etwas weh. Siehst du wohl – denke ich nun immer – worum nahmst du die dargebotene Laterne nicht mit?!
Zu eurer Fahrt über das große Waßer wünsche ich euch recht schönes, mildes, geruhiges Wetter, damit das Schiff nicht so wackelt und es euch nicht gar zu »iwwel« wird.
Nun lebe recht wohl, liebe Letty, und grüße mir die Mama und Alle von
Deinem getreuen Onkel
Wilhelm.