Unglücklicher Zufall

Ich ging wohl hundert Male
Die Straße ein und aus;
Ich stand bei Sturm und Regen
Vor meiner Liebsten Haus.
Und heute, da ich lässig
An meinem Fenster steh',
Trifft sich's, daß ich mein Liebchen
Vorübergehen seh'.
Bei Sturm und kaltem Regen
Stand ich vergeblich dort;
Denn die gestrenge Mutter,
Die ließ sie ja nicht fort.
Sie nickt und winkt verstohlen,
Sie sieht mich zärtlich an –
Und ich, ich kann's nicht sagen,
Daß ich nicht kommen kann.
Ich selber hab' dem Regen,
Ich hab' dem Sturm getrutzt;
Nur meine neuen Stiefel,
Die sind ganz abgenutzt.
Ich kann's ihr ja nicht sagen,
Dem wunderholden Kind,
Daß meine einz'gen Stiefel
Heut' grad beim Schuster sind.
[44]

Notizen
Fliegende Blätter, München (Braun und Schneider), 1860, Nr. 759: S. 23.
Lizenz
Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).
Link zur Lizenz

Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. Unglücklicher Zufall. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-204C-5