295. An Maria Anderson

295. An Maria Anderson


Wiedensahl 6 Juli 75


Liebe Frau Anderson!

Also zurückgeblättert im Kathechismus bis Seite 1.

Unser Dasein besteht aus Wollen. Wollen ist Wünschen. Wünschen setzt Mangel voraus. Mangel ist Schmerz. Wir leiden Schmerzen, weil wir so [148] sind. Wir sind so, weil unsere Erzeuger so waren und deren Erzeuger und so zurück und immer zurück. Kinder, Eltern, Geschlechter; Familie, Volk, Menschheit; sind intellectuelle Theilungen eines Ganzen; d.h. unser Intellekt sieht alles durch das Medium von Raum und Zeit. In Wahrheit ist ein Wille, eine Schuld, ein Leiden. Ein Stück davon sitzt auch in meiner Brust. So nahe wie möglich. – Glaub ich an die alte, gute, ehrliche, biedermännische Lehre von der Seelenwandrung? So ganz doch nicht! Aber ich fühle, daß Wahrheit dahinter steckt, wie hinter andern Religionen oder Mythologieen. Ich sehe die »Wahrheit im Gewand der Dichtung«. – Wenn mir nun aber Einer käme mit Daumschrauben und siedendem Öl und wollte mich klemmen und braten, bis ich Dichtung für Wahrheit nähme, so würd ich ihm wo möglich einen Boxerhieb unter die Nase geben, daß ihm sein Schraub- und Kochgeschirr aus der Hand fiele. – Diese spanischen Pfaffen, die Sie geschickt, sind mir recht ergötzlich.

Mit Dank Ihr

Wilh. Busch.


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TextGrid Repository (2012). Busch, Wilhelm. 295. An Maria Anderson. Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-3622-E