846. Das goldene Rad im Dome zu Fulda.

(S. Justi Vorzeit 1837 S. 204. Brower, Antiq. Fuldens. II. Bd. p. 174.)


Unter den vielen Heiden, welche der Apostel der Deutschen, Bonifacius, der zu Fulda ruht, dem Christenthume zuführte, war auch eine vornehme Frau aus England, die früherhin in ihrer Heimath einen goldenen Stern als ihren Gott angebetet hatte. Aus Dankbarkeit und zum ewigen Andenken an ihre Bekehrung ließ dieselbe aber in der von Bonifacius erbauten Kirche zu Fulda einen goldenen Stern, mit unzähligen Glöckchen besetzt, aufhängen, der bei feierlichen Anlässen gedreht wurde, damit das helle Glöckchenspiel in das feierliche Klingen der Kirchenglocken harmonisch hineintöne. Dieser goldene Stern ist aber im Laufe der Jahrhunderte abhanden gekommen und an seiner Stelle ein eiserner aufgehängt worden, bis am Pfingsttage des Jahres 1781 auch dieser von der Decke des Doms herabstürzte und seit dieser Zeit ist selbiger nicht wieder aufgehängt worden.

Man erzählt hiervon aber noch eine andere Sage 1, welche also lautet. Es sei einst ein deutscher Kaiser sammt seiner Gemahlin vom Papste in den Bann gethan worden und flüchtig herumgeirrt, da wären sie denn auch eines Tages todmüde vor die Pforte des Klosters zu Fulda gekommen, allein hier habe der Pförtner, der in ihnen Excommunicirte erkannt, ihnen dieselbe vor den Augen zugemacht. Darauf hätten sie sich nach dem Dome gewendet und um Einlaß gebeten, damit sie an St. Winfrieds Grabe Buße thun könnten. Aber auch hier schloß man ihnen die Pforte und rief hinaus: »Kein Gebannter darf dies Heiligthum betreten und kein Weib diese Stätte beschreiten.« Da rief die Kaiserin im Zorn und Hohn: »Gut denn, das eben will ich, ich werde in die Kirche reiten!« Kaum aber war sie in frevelhaftem Uebermuth zur Kirchenthür hineingeritten, da schlugen Flammen aus der Erde, die ganze Kirche schien in Feuer zu stehen und das Kirchengewölbe zitterte, als wolle es zusammenbrechen. Da gelobte die Kaiserin in Todesangst, so sie gerettet werde, wolle sie die Kirche mit allem ihrem Reichthum schmücken. Da erloschen die Flammen, und die Kaiserin ließ das Innere wieder aufs Beste herstellen und an der Decke ein goldenes Rad aufhängen, dessen zahllose Glöckchen, wenn sie bewegt wurden, liebliche Melodien erschallen ließen. Sie selbst aber zu Roß ist am Grabgewölbe Winfrieds in Stein ausgehauen zu sehen.

Fußnoten

1 Poetisch behandelt von Schwarz a.a.O. S. 26 etc.

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TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Zweiter Band. Hessen. 846. Das goldene Rad im Dome zu Fulda. 846. Das goldene Rad im Dome zu Fulda. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-5263-B