ff) Rübezahl machet ein schnackisches Testament, stirbet drauf, und lebet noch.

Als in einer bekannten Stadt im Gebirge Jahrmarckt gewesen, ist Rübenzahl mit einem Schubkarn, auf demselben einen Kasten habend, als ein anderer Krämer, hinein kommen, in ein Wirths-Haus gegangen, den Wirth umb ein eigen Kämmerchen angesprochen, damit seine Sachen vor allen Dieben möchten versichert seyn. Wie er dieses von dem Wirth erlanget, und schon auf ein anderthalb Tage darinnen gewesen, stellet er sich treflich kranck, heißet den Wirth und Wirthin zu sich kommen, reichet ihnen den Schlüssel zu seinem Kasten, den er mitgebracht, und befihlet, die inliegenden Sachen alle zu beschauen, ob ein Schade darzu geschehen, da sie mit Verwunderung Geld, silberne Löffel, Becher und schöne seidene Waare gefunden. Als er nun siehet, daß es den Leuten so wol gefallen, spricht er, es wäre nun, allem menschlichen Ansehen nach, seine Todes-Stunde kommen, hätte auch weder Weib noch Kind, noch andere Anverwandten, und wäre dieß sein größester Kummer, wie er möchte ehrlich zur Erde bestattet werden. Darauf der Wirth geantwortet: »Wenn ihr mir von euren Sachen etwas bescheidet, wil ich euch aufs Höchste (hiesigem Brauch nach) begraben lassen.« [325] Rübenzahl befihlet hierauf, die fünfzig Ducaten, so oben gelegen, und gut Geld gewesen, heraus zu nehmen, und sie zu seinem Begräbnüsse zu gebrauchen. Der Wirth hat kaum den Kasten wieder zugeschlossen, hebet Rübenzahl einen Gall an zu schreien, sperret das Maul auf, und stirbet. Der Wirth, welcher nebenst der Frauen zwar anfänglich erschrocken, aber, nachdem sie zum Bette getreten, und gesehen, daß er recht verschieden, hat mit Ehestem, als er gekönnet, ihn begraben lassen, vorwendend, es wäre sein naher Freund gewesen. Wie nun alles verrichtet, und der Sarg von den Todtengräbern soll ins Grab gelassen, und verscharret werden, hebet der Todte an zu singen:


So lasset mich nun hier schlaffen,

Und gehet heim eure Strassen,

Wer weiß, ob ich nicht eher aufstehn,

Als die mit mir zu Grabe gehn.


Wie dieses die Todten-Gräber hören, lauffen sie darvon, zeigen es dem Rathe an, welcher den Sarg eröffnen lassen, darinnen ein gros stinkend Hunds-Aas gelegen, und wußte niemand, wie es hiermit zugegangen. Der Wirth denckt nach verrichteter Leich-Begräbnüß einen großen Schatz zu finden, nimmt den Schlüssel, schleust den Kasten auf, worinnen aber nichts als alte Hunds-Knochen und Säuborsten gelegen. Das heißt rechtschaffen betrogen.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Grässe, Johann Georg Theodor. Sagen. Sagenbuch des Preußischen Staats. Zweiter Band. Schlesien und die Niederlausitz. 279. Die Sagen vom Rübezahl. 31. Rübezahl machet ein schnackisches Testament. 31. Rübezahl machet ein schnackisches Testament. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-5B1B-B