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An den Prinzen August von Sachsen-Gotha

[Concept.]

[3. Januar.]

Sie haben mir, bester Fürst, durch Ihren letzten Brief zum Schlusse des Jahrs eine so besondere Freude gemacht, daß ich Ihnen dafür, so wie für den Anlaß den Sie mir dadurch geben Ihnen wieder einmal zu schreiben, den lebhaftesten Dank sagen muß. Nehmen Sie daher den aufrichtigen Ausdruck meiner unveränderlichen Liebe und Verehrung zum Neuen Jahre, wo nicht zum neuen Jahrhundert, freundlich auf, mit den herzlichsten Wünschen für Ihr Wohlseyn, das mich, wenn ich gleich unter die lange Schweigenden gehöre, immer aufs innigste interessirt.

Wie ein Stein geschwinder fällt je länger er fällt, so scheint es auch mit dem Leben zu gehen, das meinige wird, so still es von außen aussieht, immer mit größerer Heftigkeit fortgerissen. Die vielen Fäden der Wissenschaften, Künste und Geschäfte, die ich in meinen frühern Zeiten angeknüpft habe, laufen nun immer enger zusammen, kreuzen und drängen sich, so daß es meiner ganzen Ordnungsgewohnheit bedarf, damit kein Gewirre entstehe.

Zu dem, vielleicht manchem sonderbar scheinenden Unternehmen, den Voltairischen Mahomet zu übersetzen, hat mich der Wunsch meines Fürsten gleichsam hingedrängt. Ich bin ihm so unendlich viel schuldig,[8] indem ich ihm eine Existenz verdanke, ganz nach meinen Wünschen, ja über meine Wünsche, welches bey einer wunderlichen Natur wie die meinige nicht wenig sagen will, daß ich es für Pflicht hielt so gut ich konnte sein Verlangen zu erfüllen.

Das Stück erhalten Sie mit dem montägigen Wagen und wer kann besser urtheilen als Sie mein Fürst ob ich mit dieser Arbeit nicht ganz unglücklich gewesen bin; da Sie die beyden Sprachen mit ihren Eigenthümlichkeiten so genau kennen.

Darf ich bitten das Exemplar nicht aus Händen zu geben und es mir gelegentlich wieder zurück zu schicken. Mögen Sie es mit einem Urtheil über das Ganze, mit Bemerkungen über das Einzelne begleiten, so werden Sie zu dem vielfachen Guten das ich Ihnen schuldig bin noch eine neue Wohlthat hinzufügen.

Den 30. Jan. zum Geburtstag unserer verehrten Herzogin, wird das Stück zum erstenmal gegeben, wo es denn freylich eine zweyte Übersetzung erleiden wird.

Leben Sie recht wohl, bester Fürst, und gedenken Sie mein mit fortdauernder Neigung. Möchte mir doch einer meiner lebhaftesten Wünsche, womit ich das neue Jahr begrüße, gewährt seyn, der nämlich, daß ich während des Laufs desselben Gotha wieder besuchen und erfahren könne daß die Gesinnungen meiner verehrten Gönner und Freunde sich nicht geändert haben.

Ich scheide mit einem tausendfältigen Lebewohl.

[9]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1800. An den Prinzen August von Sachsen-Gotha. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6ABD-F