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An Josephine O'Donell

Sie handelten sehr lieb und freundlich, meine Theuerste, mir von Ihrer Genesung sogleich eigenhändige Nachricht zu geben, nachdem das Gerücht von Ihrer Krankheit mich sehr beunruhigt hatte. Diese und ähnliche Übel sind doppelt empfindlich, indem sie uns von den werthen Personen trennen, welche allein sie zu lindern im Stande wären. Geben wir hingegen unsrem Gefühle nach und meiden nicht oder lassen nicht meiden, so verbreitet sich das Übel, und der Wiedergenesene hat einen krankgewordenen Hülfreichen zu beklagen. So sieht es jetzt leider in der ganzen Welt aus, und ein Brief braucht nicht immer schwarz gesiegelt zu seyn, um uns Unheil zu verkündigen.

Dagegen ist aber auch das erworbene Heil so groß, daß sich niemand beklagen wird, an der Gefahr und Noth, wodurch es erworben ward, Theil genommen zu haben oder zu nehmen, es sey handelnd oder leidend, mit der Leibe oder dem Beutel bezahlend; wenigstens dürfen wir uns sagen, daß die Seele gewonnen habe.

An mir ist indeß Ihr schöner Segenswunsch in Erfüllung gegangen und ich bin durch günstige Ereignisse in den Fall gesetzt, meinen löblichen und unlöblichen Gewohnheiten wieder fröhnen zu können; welches, genau besehen, denn doch der Menschen höchster [139] Wunsch bleibt. Das vergangene Jahr hat, nicht allein im Äußern sondern auch im Innern, sich höchst ungünstig gegen mich erwiesen; der Jänner hingegen hat sich höchst freundlich und lieblich gezeigt. Wir wollen sehen, wie sich seine übrigen Jahresgesellen betragen und aufführen werden.

Da wir uns nun unter dem Schutz der heiligen Heer-Schaaren wieder können wohl seyn lassen; so habe ich angefangen meine, vergangenes Jahr zweymal geflüchteten und vergrabenen Kunstschätze und sonstige Prätiosa wieder auszuscharren und aufzustellen, bey welcher Gelegenheit mir mancherley Gutes und Treffliches, und also auch jener Name in Sternenzügen auf's neue geschenkt wird. Lassen Sie ja, theuerste Freundin, wenn Sie sich der Verehrtesten wieder nähern, mein Andenken treulich mit einfließen.

Mein dritter Band kommt noch nicht. Ich glaube er wäre glücklicher wenn er in Sedez gedruckt wäre. Die kleinen Büchelchen sind immer regelmäßig zu Weihnachten da. Für mich ist es ein Glück, daß ich ein alter Schriftsteller bin, dem es um die Publicität nicht sonderlich mehr zu thun ist. Erst entvölkerte Nervenfieber, sodann Insurrection und Conscription die Druckersäle; jetzt hat der Verleger wegen der Versendung Zweifel. Ein junger Autor würde vor Ungeduld aus der Haut fahren; ich aber tröste mich und hoffe daß das Büchlein, wenn es eine Weile liegt, wie die Mispeln nur gewinnen wird.

[140] Und so möge denn der tiefe Schnee diesen Brief nicht abhalten, dem ich abermals ein kleines Büchlein hinzufüge, damit er einiges Gewicht erhalte, und nicht verweht und verwindwebt werde. Leben Sie recht wohl, und lassen mich empfohlen seyn.

Weimar, den 8. Februar 1814.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Josephine O'Donell. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6B48-F