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An den Großherzog Carl August

[Jena] 17. October 1820.

Ew. Königlichen Hoheit

lege ein von dem Hofrath Stark so eben erhaltenes Blatt submissest vor, in einer Angelegenheit, welche lange geruht hat, sich aber gegenwärtig der Entscheidung nähert. Die Starkische Witwe nämlich findet Gelegenheit, das hinterlassene anatomische Kabinett ihres verdienten Gatten auswärts zu verkaufen und hielt es für Pflicht, solches Unterzeichnetem bekannt zu machen, wie ich denn auch für die Schuldigkeit erachte, Höchstdieselben davon zu benachrichtigen.

Der bedeutende Gehalt dieser Sammlung an pathologischen Präparaten ist längst anerkannt, man hat sie diesseits früher untersucht und ist mit der Besitzerin in Unterhandlungen getreten; man ward jedoch nicht einig, und ob ich gleich gewünscht habe, auch diese Merkwürdigkeiten großherzoglichem Kabinette einzuverleiben, so fand ich denn doch immerfort so manches zu bestreiten, daß man hieran bisher nicht weiter denken konnte.

[307] Ew. Königliche Hoheit haben vor kurzem selbst mit Blumenbach auch das Museum menschlicher Anatomie besehen und Sich gewiß überzeugt, daß es gleichfalls verdiene, begünstigt zu werden.

Schon jetzt ist bemerkenswerth, wie die durch Loders Abgang völlig ausgeleerten Räume sich nach und nach wieder gefüllt haben und wie wohl alles darinnen erhalten ist. Auch dieser Anstalt wird es zu Ruhm und Ehre gereichen, wenn das Starkische Kabinett damit verbunden würde. Was das Local betrifft, so ließe sich solches sogleich erweitern, wenn man die anstoßenden Räume dazu bestimmte.

Die Bibliothek und der botanische Garten verdanken Ew. Königlichen Hoheit eine neue Belebung; dem anatomischen Museum wäre das Ähnliche zu wünschen, besonders jetzt, wo der Prosector Doctor Schröter, ordnungsliebend, thätig und folgsam, von seiner Seite auf's kräftige mitwirken würde.

Nach dem gegenwärtigen Zustande des Starkischen Kabinetts habe mich vorläufig erkundigt. Daß die pathologischen Knochen wohl gehalten seyen, liegt in ihrer Natur; die in Weingeist aufbewahrten Präparate sind bisher sorgfältig behandelt worden, an den getrockneten, gefirnißten möchte eher etwas zu erinnern seyn.

Der gegenwärtige Augenblick, wo die Zahl der Studirenden sich wahrscheinlich abermals vermindert, fordert vielleicht am lebhaftesten auf, für die Anstalt[308] etwas Auffallendes zu thun, um zu zeigen, daß man den Muth nicht verliere und, im Glauben an eine Folgezeit, immer verharre, dasjenige zu fördern, worüber man gebieten kann.

Auch darf ich wohl zum Beweggrund einer günstigen Entscheidung hinlegen, daß der Sammler dieses Kabinetts, so wie mehrere Familienglieder, sich um das fürstliche Haus wohl verdient gemacht, wofür allen der schöne Lohn würde, daß man das Andenken des Stifters lebendig und zugleich die bisherige Benutzung durch seine Nachkommen ununterbrochen fortgesetzt erhielte. Dieses gilt namentlich vom Hofrath Stark, der seine pathologischen Vorlesungen beständig auf diese Sammlung gegründet und nur mit Wehmuth sich künftig solcher belehrenden Beyspiele beraubt sehen würde.

Endlich würde ein Kabinett wie dieses sich wohl niemals wieder hier zusammenfinden. Geheime Hofrath Stark war zu seiner Zeit in einem weiten Umkreise einziger Accoucheur, so wie er als Arzt einziges Vertrauen genoß. Auf die Vermehrung seines Kabinetts war er höchst aufmerksam.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6B9F-B