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An Friedrich Schiller

Meine Arbeit geht ihren Gang fort, meine Übersetzung schreibe ich des Morgens so viel ich kann, mit Bleistift, und dictire sie dann in ruhigen Augenblicken, wodurch das erste Manuscript schon ziemlich rein erscheinen [90] wird. Zu Ende dieser Woche bin ich mit den drey letzten Acten fertig und will die zwey ersten auf einen frischen Angriff versparen. Ich sage nichts vom Ganzen, das uns zu unsern Zwecken auf alle Weise behülflich seyn wird. Es ist eigentlich einSchauspiel; denn alles wird darin zur Schau aufgestellt und diesen Charakter des Stücks kann ich noch mehr durchsetzen, da ich weniger genirt bin als der Franzose. Der theatralische Effect kann nicht außen bleiben, weil alles darauf berechnet ist und berechnet werden kann. Als öffentliche Begebenheit und Handlung fordert das Stück nothwendig Chöre, für die will ich auch sorgen und hoffe es dadurch so weit zu treiben als es seine Natur und die erste Gallische Anlage erlaubt. Es wird uns zu guten neuen Erfahrungen helfen.

Zu dieser Arbeit brauch ich ohngefähr vier Stunden und zur Übersicht dient folgendes Schema, wie mannigfaltig und mitunter lustig die übrige Zeit benutzt worden:

Kurze Übersicht derer Gaben, welche mir in dieser Stapelstadt des Wissens und der Wissenschaft, zur Unterhaltung sowohl, als zur geistigen und leiblichen Nahrung mitgetheilt worden.

Loder gab

fürtreffliche Krebse, von denen ich Ihnen einen
Teller zugewünscht habe,
köstliche Weine,
[91] einen zu amputirenden Fuß,
einen Nasenpolypen,
einige anatomische und chirurgische Aufsätze,
verschiedne Anekdoten,
ein Mikroskop und Zeitungen.
Frommann
Griesens Tasso,
Tiecks Journal erstes Stück.
Fr. Schlegel
Ein eignes Gedicht,
Aushängebogen des Athenäum.
Lenz
Neue Mineralien, besonders sehr schön krystallisirte Chalcedone.
Mineralogische Gesellschaft
Einige Aufsätze hohen und tiefen Standpuncts,
Gelegenheit zu allerley Betrachtungen.
Ilgen
Die Geschichte Tobi's,
Verschiedne heitre Philologica.
Der botanische Gärtner
Viele Pflanzen nach Ordnungen, wie sie hier im Garten stehen und zusammen blühen.
Cotta
Philiberts Botanik.
Der Zufall
Gustav Wasa von Brentano.
[92] Die Litteraturhändel
Luft, Steffens kleine Schrift über Mineralogie zu lesen.
Graf Veltheim

Seine zusammengedruckten Schriften, geistreich und lustig; aber leider leichtsinnig, dilettantisch, mitunter hasenfüßig und phantastisch.

Einige Geschäfte
Gelegenheit mich zu vergnügen und zu ärgern.

Zuletzt sollte ich Ihres Memnons nicht vergessen, der denn auch wie billig zu den merkwürdigen Erscheinungen und Zeichen der Zeit gerechnet werden muß.

Wenn Sie nun alle diese Gespenster durch einander spuken lassen, so können Sie denken daß ich weder auf meinem Zimmer, noch auf meinen einsamen Promenaden allein bin. Für die nächsten Tage ist mir noch die wunderlichste Mannigfaltigkeit angekündigt, wovon mit nächstem Botentag das mehrere. Zugleich werde ich auch den Tag meiner Rückkunft bestimmen können. Leben Sie recht wohl und thätig, wenn Ihnen diese Barometerhöhe so gut als mir bekommt.

Jena am 29. Jul. 1800.

G. [93]

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1800. An Friedrich Schiller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6CB8-9