[269] 24/6835.

An Christian Gottlob Voigt

Als Ew. Excellenz gefällige Sendung gestern Abend bey mir ankam, war eben Professor Riemer bey mir und ich dictirte demselben das Anliegende, heute da ich wieder überlese, wünschte ich zwar nichts Anders zu sagen, auf eine andere Weise aber müßte es gesagt werden wenn es als communicables Votum anzusehen wäre. Da ich es aber blos als eine vertrauliche Eröffnung gegen Ew. Excellenz betrachte, so wage ich das Blatt abzuschicken, um so eher als die Sache keinen Aufschub leidet. Ich füge noch einen Gedanken hinzu. Der Fall ist schon öfters vorgekommen daß man Fürsten theils Feste, theils Denkmale votirt, welche jedoch solche abgelehnt und die Verwendung einer solchen Summe zu einer milden Stiftung gewünscht. Die Vermehrung des Fonds [269] für Waisenkinder ist wohl nie wünschenswerther gewesen wie jetzt, da so viele Eltern frühzeitig hingerafft wurden. Sollte der gute und fromme Wille der Weimarischen Bürger nicht auf diesen Gegenstand zu lenken seyn? ich wenigstens würde alsdann mit Vergnügen meinen geringen Antheil abtragen.

Vwerzeihen Ew. Excellenz daß ich vor meiner Abfahrt nach Berka nicht noch einmal persönlich aufwarte, man merkt nicht in wie vielerley Verhältnissen man steht als in dem Augenblick da man scheiden soll. Vielleicht gönnen Sie mir das Glück Sie draußen zu begrüßen, es ist eine kleine Spazierfahrt.

Weimar d. 13. May 1814.

G.


[Beilage.]

Mir sey vergönnt, gleich einem alten Facultisten das Pro und Contra der beyden Vorschläge, wie es mir in der Eile begegnet, aufzustellen.

1) Es möchte kaum zu hindern seyn, daß bey Ankunft Serenissimi irgend eine freudige Aufwallung Tages und Nachts sich hervorthäte. Jedermann wird gewiß gern Licht und Lichter, Lampen und Lämpchen anzünden, wenn man dem Tages-Einzug ein frohes Vivat entgegenrufen. Sollte aber freylich zu dem Empfang ein Triumphbogen aufgebaut und im begleitenden Sinne die Stadt auch bey Tage decorirt werden, wie früher wohl dergleichen geschehen; so dürfte leicht ein größerer Aufwand nöthig seyn, als [270] daß ihn die Wirkung belohnen möchte. Dieses Pro und Contra möchte sich dadurch zur Entscheidung neigen, daß die eigentliche Freude keine Form verlangt. Wie nun also neulich die Menschen ohne Ziel und Maaß schießen konnten; so wäre es vielleicht nicht übel, wenn man einen Jeden nach seiner Art leuchten ließe.

2) Ein dauerndes Monument betreffend, scheint mir das Contra, um kurz zu seyn, viel entschiedener: denn A) sehen Durchlaucht niemals gern, daß man in Ihre Anlagen etwas, auch wohlgemeyntes, fremdes mische; B) bin ich, wegen eines Obeliskes eigentlich ein zu perhorrescirender Votant, weil ich alle Obelisken von jeher verwünscht habe, die nicht aus Einem Granitstück gehauen waren: wie denn z.B. in Schönhof ein ungeheurer zusammengesetzter dasteht, den der abgefallne Tünch jedem ästhetischen Auge verdrießlich macht. C) Würde ich gern, sowie vieles andere geschehen lassen, daß ein solches opus publicum in Weimar auferstünde, aber Freude, Beyfall und Theilnahme könnte ich demselben nicht schenken.

Selbst auch in Absicht auf das Technische glaube ich nicht, daß Steinhauer, Fuhrleute, Maurer und alle sonst nöthige Handwerker, mit der größten Thätigkeit, hinreichend wären, ein solches Werk innerhalb vier Wochen zu Stande zu bringen.

[271] Sollte ich in dieser Angelegenheit irgend ein recht reines Botum aussprechen, so lasse man einem jeden Einzelnen, bey dieser gewiß im Allgemeinen recht frohen Angelegenheit, die Lust sich nach seiner Art zu bethun, ohne ihn zu etwas zu nöthigen, wozu er wohl beytritt, aber ohne Überzeugung daß es recht, erfreulich und dem Herren angenehm sey. Es sey mir verziehen, zu sagen: daß unser Fürst aus Paris kommt, wo er die größten Kunstherrlichkeiten der Welt gesehen hat.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6EBA-8