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An Johann Heinrich Meyer

Mit dem Monumente sind wir, wie ich in meinem Brief aus Hof voraussagte, auf dem rechten Wege. Die Welt ist wie ein Strom, der in seinem Bette fortläuft, bald hie bald da zufällig Sandbänke ansetzt wird. Das geht alles so hübsch und bequem und nach und nach, dagegen die Wasserbaumeister eine große Noth haben, wenn sie diesem Wesen entgegenarbeiten wollen.

Deshalb ergeht meine Bitte an Sie, werthester Freund, nunmehr an eine Zeichnung zu denken, etwa in der Art, wie die zu dem Steine, der bey Auerstädt[360] gesetzt werden soll, nur größer und verzierter, da wir noch immer 200 Thaler daran wenden können. Vielleicht nimmt man uns von Gotha gekommenen Stücke bey dem Weimarischen Bauwesen ab, und so haben wir denn die ganze Summe wieder beysammen und können dafür immer etwas artiges machen. Bereiten Sie das vor, damit ich es etwa finde, wenn ich wieder komme, und wir die berliner Beystimmung einholen können. Die Zeichnung des ersten nehmen Sie von Weißern doch zurück und heben Sie bey sich auf. Den Gedanken wollen wir nicht verlieren, sondern ihn auf eine oder die andre Weise der Nachwelt überliefern.

Worauf ich mich bey meiner Rückkehr besonders freue, ist, Ihre neue Generation von Schülern zu sehen. Ich bin recht neugierig, ob wir noch erleben, was wir so sehr wünschen, die doch einmal vorhandenen Talente auf dem kürzesten Weg nach dem Rechten geführt zu sehen. Es ist mir bey verschiedenen Gelegenheiten wieder so merkwürdigen, daß in der Musik man über Nothwendigkeit des Unterrichts, sowohl im höheren Kunst- als im letzten technischen Sinne, viel klarer ist als in den bildenden Künsten. Es mag vielleicht auch daher kommen, daß der Musiker in einer gefährlichern Lage ist, als der Mahler, weil er sich jederzeit persönlich im Augenblicke exponirt und also in seinem Metier die höchste Sicherheit und Gewandtheit zu erreichen suchen muß.

[361] Das Mißvergnügen mit dem Mahler, sogar dem Porträtmahler, äußert sich doch meistens nur durch ein schonendes Geflüster, anstatt daß der Musicus erwarten muß, wie der Schauspieler, ausgepfiffen oder auf sonst eine Weise persönlich beleidigt zu werden.

Es wünscht Jemand hier in Carlsbad das Recept zu haben, wie man das schwarze Wachs macht, mit welchem man die geschnittenen Steine abdrückt, wenn man sich aus dem Stegreife von ihrem Werth versichern will. Unter meinen Papieren liegt es, ich weiß aber nicht wo. Wahrscheinlich besitzen Sie es auch, oder können es von Facius erhalten. Haben Sie die Gefälligkeit, es mir bald zu übersenden und mir von Ihrem Befinden zu schreiben. Ich wünsche nichts mehr als zu hören, daß Ihre Thätigkeit nichts unterbrochen worden.

Carlsbad den 30. Junius 1807.

G. [362]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-6F87-E