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An Friedrich Theodor von Müller

[1. September 1828.]
Ew. Hochwohlgeboren

schreibe inmitten mannichfaltig sehr schöner Sachen die, seit einigen Tagen zufließend, mich gar anmuthig umgeben.

Herrn Cornelius erobertes Troja, ein respectables und zu respectirendes Kunstwerk, ist in lithographirten Umrissen zu mir gelangt.

Dazu von einem Schüler mehrere Rand-Arabesken zur Begleitung von mancherlei Dichtungen, nach Art der bekannten Albrecht Dürer'schen zu jenem Gebetbuche, aber eigentlich nur dadurch veranlaßt; sie sind, mit allerliebstem Talent, an Geist und Erfindung der neusten Zeit wohl werth.

Hitzig habe nicht gesehen, er wird wohl den nähern Weg nach Naumburg genommen haben.

[300] Über den Dante des Prinz Johann Hoheit bin ich nicht im Stande, gegenwärtig ein Wort zu sagen. Erst haben mich die unglücklichen Noten vom Gedicht und dessen Übertragung abgewendet, sodann aber gestehe aufrichtig, ich möchte einem so werthen und würdigen Prinzen, dessen Gedicht an Herrn Fritsch schon mit Vergnügen und Antheil gelesen, gern etwas sagen, was sich auch eigentlich individuell auf ihn bezöge, und dazu werden Sie am besten beytragen können, wie Sie denn auch wohl mein Zaudern am allerglücklichsten bevorworten werden.

Wie ich mir ein Denkmal für unsere schnell Geschiedene an Ort und Stelle habe denken können, ist nur sehr allgemein mit Herrn Coudray besprochen worden. Was er darnach oder daraus gebildet, blieb mir durchaus unbekannt; nun aber setzt eine Inschrift den Raum voraus, worauf sie angebracht werden soll. Ehe mir also eine Zeichnung mit genauer Angabe des Maaßes vorgelegt wird, bin ich nicht im Stande zu dienen. Was zu sagen ist weiß ich wohl; das Wie? hängt von Höhe und Breite der Fläche ab. Herrn Soret meine besten Empfehlungen, mein Antheil an diesem frommen Geschäfte solle gewiß nicht ausbleiben. NB. Ich hatte mir einen netten Cippus, vierseitig, gedacht und darauf meine Worte gefügt; passen sie und werden gebilligt, so ist schön und gut; sonst läßt sich dieß auf mancherleiweise modificiren. Einen Beytrag der Freunde halte durchaus zweckmäßig, [301] denn es muß hübsch werden und nach was aussehen.

Dagegen darf ich wohl hoffen daß mir nach derMittwochsfeyer eine treue Mittheilung gegönnt werde, nicht weniger die Reden in extenso, welche hiezu vorbereitet sind. Ich freue mich sehr darauf, weil gewiß jede Erwartung übertroffen seyn wird.

Vielleicht erregt Nachstehendes Ihre Aufmerksamkeit; ich habe von Gotha ein Gedicht erhalten von einigem Belang in kurzen reimlosen Versen, wie sie sich unter den meinigen befinden. Es deutet auf eine freymüthige Theilnahme an meinen Arbeiten und meinem Lebensgang, deshalb ich wohl wissen möchte wer es geschrieben. Offener Sinn, guter Wille und Gemüthlichkeit ist allerdings zu schätzen. Eine Stelle die sich auf den Divan bezieht lege abschriftlich bey.

Gar manches wäre noch zu sagen und mitzutheilen, doch eil ich zum Schlusse, weil ich dieses durch den guten und werthen Dr. Kraukling nach Jena schaffen und alsbald in Ihre Hände bringen kann.

Beyliegend finden Sie hoffentlich alles Mitgetheilte. Fahren Sie fort, meiner auch in der Ferne zu gedenken und mir vom Wissensquell Segen zu erbitten. Ich habe mich leider wieder in die Botanik eingelassen und da ist es gleich immer wieder, als wenn man sich durch den Urwald durchhauen müßte. Möge Mittwoch Abends alles gelingen; ich feyre die Stunden ganz [302] im Stillen auf's herzlichste mit. Und somit also das beste Lebewohl!

G.

[Beilage.]
Der Divan –
Ein Schirasbecher,
Muth sprudelnd zum Leben
Und gläubigen Kämpfen;
Ein Jransgarten,
Von Rosendüften
Reinmenschlichster Lehre,
Und Nachtigallliedern
Liebherzigster Innigkeit
Klangvoll durchwürzet;
Der Vorhöfe einer
Zum Heiligthume
Des Buches der Bücher;
Ein Sonnenaufgang,
Der Thron des Heiligsten, Höchsten,
Von Wahrheit und Liebe umfunkelt.
Und Suleika?
Seht doch hin,
Die ihr reinen Herzens seyd,
Was ist des Dichters Geliebte,
Die Sonne der Sonnen?
Was ist sein liebeverklärtes Ich,
Der Stern der Sterne?
Unwandelbar verbunden
In blühender Bräutlichkeit, ist
Sie holdeste sehllose Gattin;
Reintreuester Gatte liebt er
Stets zärtlicher, wahrer;
[303] Die glücklichsten verknüpfen
Mit köstlichem Besitz für's Leben
Den Zartsinn, die Innigkeit,
Die begeisternde Gluth,
Die lautere Seelenfülle
Der ersten Liebe;
Suleika schließt mit ihrem Hatem
Paradiesischen Bund,
Beide Welten umfassend.

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Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Friedrich Theodor von Müller. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7259-C