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An Carl Gustav Carus

Ew. Wohlgeboren

für die letzte Sendung, sowie für alles was mir von Ihnen zugekommen zum besten dankend, vermelde daß der Kasten mit den Bildern von hier nach Jena abgegangen und, wie ich hoffe, sorgfältig von dort weiter spedirt werden wird.

Diese wahrhaft liebenswürdigen, tiefgefühlten Kunstwerke kamen zur ungünstigsten Zeit. Unser erst werdendes Museum lag durch unheilbar schwere Krankheit des Aufsehers in trauriger Stockung, die sich dadurch vermehrte, daß eben in dem Augenblicke noch eine andre Anstalt damit verbunden werden sollte, wodurch denn die Verwirrung immer größer ward; die Säle wurden selten besucht, ich hielt Ihre Bilder bey mir aufgestellt, [260] wo sie zu mancher angenehm-geselligen Unterhaltung dienten.

Nun ergriff ich bey unserer letzten Ausstellung die Gelegenheit sie in ein günstiges Licht zu setzen, wo sie denn auch von Hof und Publicum mit Antheil betrachtet worden; aber mein Wunsch ward demohngeachtet nicht erfüllt; gern hätte ich, mit Ew. Wohlgeboren Zustimmung, einiges hier festgehalten, doch auch das wollte nicht gelingen.

Ich bin umständlich in solcher Erzählung, weil ich nicht wünschte, daß Sie mich in dieser Angelegenheit für nachlässig hielten; die Umstände waren aber noch viel verwickelter, als ich erzählen kann. Sey es den Weimarischen Kunstfreunden vergönnt bey Gelegenheit ihre Theilnahme an diesen werthen Kunsterzeugnissen auszusprechen.

Was ich von Ihren naturwissenschaftlichen Bemühungen gewahr werde, erfüllt mich jederzeit mit Bewunderung, ich mag die tiefen reinen Ansichten oder den glücklich freyen Vortrag, die genauen Inneres und Äußeres entwickelnden Darstellungen betrachten, alles erregt in mir die genugsamsten Gefühle; Urtheil hab ich nicht über Ihre Arbeiten, ich muß mich darin zu finden suchen, sie zu nutzen wissen und freue mich in meinen hohen Jahren soviel davon aufnehmen zu können.

In dem leider über die Gebühr verspäteten morphologischen Hefte finden Sie Ihren schönen längst [261] mitgetheilten Aufsatz, und auch von meiner Seite manche treue Erwähnung.

Möge die wenige Wirkung, die mir noch vergönnt ist, auch Ihnen zu einiger Zufriedenheit gereichen.

aufrichtig theilnehmend

Weimar den 2. October 1824.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An Carl Gustav Carus. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-734F-B