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An Carl Friedrich Zelter

Weimar, den 22. April 1814.

Nur mit wenigen Worten will ich dir, mein lieber Freund, vermelden, daß auch deine letzte Sendung, zu meinem großen Vergnügen, glücklich angekommen; alles ist schon in Stimmen geschrieben und dergestalt bereitet, daß meine compendiose Hauscapelle mich bald damit wird erfreuen können. Freylivh gehört eine besondere Kunst dazu diesen zusammengeborgten Körper, von dem bald dieses bald jenes Glied abfällt, bey'm Leben zu erhalten. Das Ruhelied ist herrlich, unser Tenor trägt es sehr gut vor, und es macht in diesen unruhigen Zeiten unsere ganze Glückseligkeit.

Ein besonderes Gute ist mir auch, seit acht Tagen, geworden. Professor Sartorius von Göttingen, ein alter Freund, benutzt die zwischen den Deutschen wieder eröffnete Communication und besucht mich. Was ist gegenwärtig wünschenswerther, als sich mit einem Manne zu unterhalten, dessen Geschäft es ist[221] die Kräfte und Verhältnisse der Staaten, bis auf den heutigen Tag, zu kennen und gegen einander abzuwägen; es gewährt die größte Beruhigung dieses ungeheure Ganze zu übersehen und seine Hoffnung wegen künftiger Zustände dadurch zu begründen, anstatt daß wir uns sonst in der traurigen Lage befinden vom Augenblick hingerissen, durch Zeitungen verwirrt, und durch Geklatsch gar zerstört zu werden, um so mehr als jetzt nicht allein von dem künftigen Schicksal Europas, sondern von dem der ganzen Welt die Rede seyn kann.

Mein nächster Wunsch ist nun, daß unser guter Hofrath Meyer aus der Schweiz komme, damit ich meine Kunstschätze mit ihm genieße, denen ich durch gute Ordnung den Segen bereitet habe, sie unschätzbar und unerwartet vermehrt zu sehen.

Alsdann freylich scheint es mir unmöglich diesen Sommer hinzubringen ohne mit dir irgenswo zusammenzukommen. Eigentlich möcht ich mich dießmal nicht gerne von Weimar entfernen. Wir haben einige Stunden von hier, in einer angenehmen Gegend, ein Schwefelbad eingerichtet, von dem ich für meine gichtischen Zustände viel Gutes hoffe. Habe ich es 4-6 Wochen gebraucht, so erhälts du Nachricht ob es wirksam genug sey, daß ich dich dahin einladen könne. Halte ich vor räthlich etwa noch anderswohin zu gehen, so erfährst du es gleichfalls; nach Böhmen möchte ich dießmal nicht.

[222] Und nun noch einen geheimen Auftrag; den ich ganz im Stillen zu beherzigen bitte. Sollte nicht auf dem Berliner theater unter den Choristen, oder sonst Anfängerinnen, ja auf irgend einem Liebhabertheater sich ein Mädchen, das aber nicht über 16-17 Jahre alt seyn dürfte, finden, wie man sie zu sogenannten angehenden Liebhaberinnen wünscht, von mittlerer Größe, leichtem Wuchs, hübschen Augen, angenehm klingender Stimme pp. was ich dir nicht vorzuerzählen brauche, so wäre mir sie willkommen. Könnte sie soviel singen um die 3. Stimme in der Oper zu übernehmen, so wäre es um desto besser. Mich sollte bedünken dergleichen Wesen müßten in Berlin zu Dutzenden herumlaufen. Wenn man bedenkt was aus der Maaß geworden ist, wie sich die Elsermann und die Engels gebildet haben, welche noch bey uns sind, so könnte wohl einem solchen Creatürchen die Luft kommen sich auch in unsere Schule zu begeben. Forsche, bedenke und melde.

G.

Die Comödienzettel sind angekommen.

Tausend Lebewohl.


Um der beliebten Kürze willen und um die Sache, sofern sie thulich ist, zu fördern, füge ich Folgendes hinzu. Eine solche Person erhielte Reisegeld, um auf der fahrenden Post bequem herzukommen, ferner würde sie, in billiger Erwägung ihrer augenblicklichen [223] Brauchbarkeit, mit proportionirter Gage bedacht. Auf wie lange man contrahirte, würde auf die Persönlichkeit ankommen, allenfalls könnte man sechswöchentliche Aufkündigung festsetzen, wodurch kein Theil gefährdet wäre. Gute Aufführung wird vorausgesetzt, weil irgend ein Eclat von unschicklicher Art bey uns die Suspension und sodann die Entlassung nach sich zieht, wie wir vor kurzem ein Beyspiel gehabt haben. Die Begleitung einer Mutter oder Verwandten ist nicht unangenehm. Möchten sich zwey Subjectchen zusammen thun und sich eine gewisse Selbstständigkeit zutrauen, desto besser. Sollte nicht in der Singschule dergleichen zu finden seyn? Das Betragen derselben könntest du zunächst beutheilen und freylich je mehr sie im Gesang leisten, desto besser kann man sie setzen. Soviel für dießmal, sage mir bald ein Wort.

Weimar, den 22. April 1814.


Ein Blumenglöckchen. . .

Das Größte will man nicht erreichen. . .

Zu verschweigen meinen Gewinn. . . [224]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-748F-4