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An Friedrich Maximilian Klinger

[Concept.]

[7. October 1824.]

Und sollt ich, theurer verehrter Freund, unsere innig geliebte Gräfin Caroline von hier abreisen lassen ohne ihr ein Wort des Andenkens aufzutragen, zumal da ich noch Dank schuldig bin für den öffentlichen edlen Ausdruck Ihres gerechten Unwillens. Es that mir freylich leid daraus zu ersehen daß die Niederträchtigkeiten bis zu Ihnen durchgedrungen sind, die, obschon in Deutschland an der Tagesordnung, den Bessern kaum berühren. Es ist noch ein so guter Kern und Stamm in der Nation, daß von den eigentlich Grundschlechten nichts zu befürchten ist.

Beykommendes Heft spricht Ihnen aus womit und wie ich mich beschäftige; ein schöner Kreis bewegt sich in denselben Richtungen, erregt löbliche Aufmerksamkeit und zieht gar manchen Jüngeren in das höhere Interesse. Auch wenn ich Weiteres mittheilen wollte, würden Sie mich immer auf dem alten Wege finden und wieder erkennen. Den Sommer hab ich dießmal zu Hause in mancherlei Thätigkeiten zugebracht und sehe einem leidlichen Winter entgegen, wenn ich mich wie bisher im Gleichgewicht halten kann. Die Abwesenheit unserer jungen Herrschaften und ihrer höchstbedeutenden Umgebung wird freylich in unsern Zuständen eine große Lücke machen.

[266] Daß Sie mein in Liebe und Treue gedenken, empfind ich immerfort; sagen Sie mir mit den Rückkehrenden eine Sylbe, aber sonst gelegentlich; ein solches unmittelbares Zeichen würde auch den trübsten Tag erheitern.

Den nächsten 5. November tret ich in's funfzigste Jahr meines Hierseyns; vor der Reihe einer dorther sich spinnenden Erinnerung möchte einen fast grauen, wäre man nicht nach einem so weiten überschifften Zeitraum doch noch bey sich selbst und bey seinen theuersten Freunden. Ich zähle noch gar viele Zeitgenossen die nur wenig jünger sind als ich, und so kann man sich gar mannichfaltiger, gemeinsam-ausgegangener guter und nachhaltiger Wirkungen gar wohl getrösten. Unser Verhältniß ist wohl das älteste, möge es in diesen Tagen fort und fort gesegnet seyn!

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An Friedrich Maximilian Klinger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-750F-F