33/10.

An Johann Heinrich Meyer

Da ich nun, mein theuerster Freund, wirklich eingerichtet bin, so will ich auch etwas direct von mir vernehmen lassen. Ich setze voraus, daß Sie von allen unterrichtet sind was ich an meine Kinder schrieb und wiederhole deshalb nichts davon. Die Reise ist mir sehr fruchtbar geworden, das schöne Wetter, die mannichfaltigen Gegenstände waren aufregend und belehrend, aber den größten Vortheil gewann ich durch Luft, Muth und Beyhülfe, daß alles, wie es gesehen[16] ward, auch sogleich aufgezeichnet werden konnte; ich habe schon ein ziemlich Fascikel Papier zusammen dictirt. Das Einzelne haben Sie allenfalls auch schon von meinen Kindern erfahren, im Ganzen darf ich aber sagen: daß ich für die beiden nächsten Hefte unserer Zeitschriften recht viel vorbereitet, ja ausgearbeitet habe, die langen Tage lassen sich trefflich nutzen, wenn man sich selbst überlassen und anheimgegeben ist.

Ich höre Herr Doctor Schütz wird mein Wandnachbar, in der Hälfte dieses Monats. Grüßen Sie ihn zum schönsten und schicken mir bey dieser Gelegenheit mancherley; auch Nachricht, ob jener Vorschlag auf ihn bezüglich angenommen worden? Es gäbe das grade Gelegenheit zu vertraulichen Unterhaltungen, die auf das Geschäft den besten Einfluß haben müßten, weil man sich wechselseitig verständigte über das, was zu wünschen und zu leisten ist. Wäre es nicht zu Stande gekommen, so schwiege man stille.

Hat Ruckstuhl etwas geschickt, so erbitte mir es. Mein Contingent wird bey der Rückkehr marschfertig seyn, von dem Ihrigen stehen die ersten Divisionen auch schon in Reihe und Glied; ich denke wir sollen dießmal besondere Freude daran haben. Käme uns nun noch ein Dritter zu Hülfe, so könnten wir uns zu einem neuen Zuge rüsten.

Daß der Großherzog Müllern den Professortitel gegeben hat wird Ihnen auch ganz angenehm seyn; [17] das Übrige läßt sich auch gut an und wird, wenn wir wieder zusammen kommen, zu besprechen seyn. Gehen Sie auf Ihrem Wege fort, doch besuchen Sie manchmal die Schulen im Jägerhause. Empfehlen Sie mich höchsten Orts zum allerschönsten und gedenken mein in allem Gute.

Die Briefe meines Sohnes habe ich bisher am vierten Tage erhalten, hätten Sie mir also etwas zu melden, so wissen Sie wann es zu mir gelangen kann. Alles Gute sey mit Ihnen.

Wenn man, wie ich vor meiner Abreise bestellt, Ihnen die Allgemeine Zeitung regelmäßig gebracht hat, so haben Sie die Güte sie einzupacken und durch Doctor Schütz gleichfalls zu senden. Seit vierzehn Tagen weiß ich kein Wort von der Welt und ihrem Vornehmen.

Hier zu Lande spielt man ein curioses Spiel mit Ablehnen und Abdämmen der Neuerungen jeder Art. Z.B. durch Magnetismus zu curiren ist verboten, auch nach der Hanemannschen Methode darf niemand practiziren; nun aber hat der sehr kranke und wahrscheinlich incurable Fürst Schwarzenberg Vertrauen zu dem neuen Theophrastus Paracelsus und erbittet sich Urlaub von dem Kaiser und Erlaubniß, auswärts sein Heil zu suchen, welches ihm denn auch nicht versagt wird. Nun noch tausend Lebewohl.

Carlsbad den 5. May 1820.

Goethe. [18]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1820. An Johann Heinrich Meyer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7818-1