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An den Herzog Carl August

Ew. Durchlaucht

sind so schnell zu den wichtigsten Bestimmumgen vorgeruckt, daß wir andern, an der Stelle gebliebenen kaum in die Ferne und Höhe gedanckenweise folgen können. Haben Sie daher die Gnade Beykommendes mehr dem Wunsche, mein Andencken zu erneuen, als der Absicht zuzuschreiben, einen bedeutenden Bericht zu erstatten. Andere werden von wichtigen Dingen Nachricht gegeben haben, indessen ich in meinem beschränckten Kreise das Herkömmliche lebendig zu erhalten bemüht bin, bis den Wissenschaften und Künsten ein neuer Frühling aufgehen möchte. Wenigstens haben wir uns in der nächstvergangenen Zeit über nichts Unangenehmes oder gar Unglückliches zu beklagen, welches in dieser Epoche eine große Wohlthat zu seyn scheint.

Mit den treusten Wünschen

Weimar, den 19. Februar 1814.

Goethe.


[163] Lenz hat sich, bey Zusammenstellung der kleinen Mineraliensammlung, sehr gut bewiesen. Die sämmtlichen Stücke, 263 an der Zahl, sind nach ihren Charakteren in die Augen fallend, der Catalog deutlich eingerichtet und bey einem jeden Mineral der Gebrauch angedeutet, wozu es im Leben verwendet wird; auch hat er sein neuestes Compendium beygelegt. Nun habe ich den Wunsch geäußert, daß man mir den Lehrer zusenden möge, dem den Unterricht anvertraut wird, damit ich ihn einleite, ihm die Sammlung übergebe und ihn auf deren Werth aufmerksam mache. Es wäre schade diese schön geordneten und zum Theil kostbaren Dinge blos als Spielwerk zerstreut zu sehen. Das ganze ist in zwey niedlichen Schränkchen aufbewahrt und da Lenz vieles von dem Seinigen hinzugethan, indem die Kabinettdoubletten nicht ausreichten, so werde ich ihm eine proportionirte Vergütung verschreiben.

Des Geheimen Rath (nunmehr durch den Rücktritt des hessischen Addreßcalenders Steuerassessor) Leonhard Erzählung, wie es in der Schlacht bey Hanau hergegangen, wird schon in höchsten Händen seyn und kann wohl als bedeutender Beytrag zur neusten Kriegsgeschichte angesehen werden. Bergrath Voigt schreibt seine Abenteuer von Berka an der Werra, welche freylich nicht sämmtlich publicirbar sind.

Mit Leonhard unterhalte ich Connexion. Er ist mit seiner Lage sehr unzufrieden, hat einiges Vermögen,[164] um leben zu können, und wäre mit einem Titel, der ihn einigermaßen wiederherstellte, und mit geringen Begünstigungen bereit nach Jena zu gehen, hinge nicht die Last einer kleinen Mineraliensammlung von wenigstens drittehalbhundert Centnern an ihm, deren Transport nach dem jetzigen Preis wohl 600 rh. machen möchte. Ich habe ihn ersucht sich für den Augenblick zu beruhigen und ihm zugesagt seine Angelegenheit nicht außer Augen zu lassen. Vielleicht wäre er noch mehr als jener wackre Mann von Aussig zu der bewußten Stelle wünschenswerth.

Überhaupt habe nach eröffneter Postcommunication meine Correspondenz wieder nach allen Radien ausgestreckt und mich also auch mit den Göttingern wieder in Verbindung gesetzt. Dadurch habe bewirkt, daß Hofrath Sartorius in den Osterferien hierher kommen wird, von welchem Besuch ich mir in manchem Sinn viel Gutes verspreche. Auf Anregung der durch Göttingen reisenden Großfürstin Katharina wird er seine Gedanken über eine neu zu bestellende Reichsverfassung aufsetzen und wo nicht gedruckt, doch im Manuscript mitbringen. Läßt er sie drucken, so soll er suchen von Göttingen aus gleich einige Exemplare Ew. Durchlaucht zuzusenden. Wie schlecht es uns bisher gegangen, hat man uns nur allzu oft in hundreterley Redeformeln vorgetragen, es ist nun sehr zu wünschen, daß vorzüglich unterrichtete und denkende [165] Männer ihre Stimmen abgeben, wie es uns künftig besser werden könne.

Professor von Münchow war dieser Tage, obgleich nur auf einen Augenblick, hier; er ist an seiner Stelle sorgsam und thätig und hat nach seiner und Körners Relation das Observatorium recht hübsch zusammengestellt. Daß er mit dem Hofmechanikus Körner wohl zufrieden ist, macht mir viel Freude; denn wer könnte diesen Mann sonst beurtheilen? Ich vor meine Person war ein wenig ungeduldig und unzufrieden, daß das parallaktische Instrument nicht rücken wollte. Um ihn anzuregen, ließ ich ihn vor ohngefähr 3 Wochen die sämmtlichen Theile der Glasschleifmaschine gleichfalls roh aus dem Guß zum Vorschein, da man denn freylich sieht, was vor unendliche Vorbereitungen dazu gehören, wenn ein Einzelner hier dasjenige hervorbringen will, was viele zusammen an großen Fabrikorten, begünstigt durch die besten Materialien und die geschicktesten Handwerker zu leisten im Stande sind. So sprangen ihm wegen des schlechten Stahls einige zur Glasschleifmaschine erforderlichen Spindeln und haben ihm, weil alles in einander greift, manche falsche Kosten verursacht.

Zu seiner Aufmunterung ließ ich die Nachricht von seiner Luftpumpe sowohl in das Intelligenzblatt [166] der Literatur-Zeitung, als besonders abdrucken; einige Exemplare liegen bey.

Die Feldfuhrküche ist auch langsam vorgerückt; die erste wird kaum in 14 Tagen fertig werden. Ich habe Querner und Henniger in ihrer Werkstatt heimgesucht und wunderte mich nicht über die langwierige Arbeit. Das Werk ist aus sehr vielen Theilen zusammengesetzt, welche erst einzeln zu fertigen und dann zusammenzufügen viel Mühe und Umstände macht; kein Geselle, (die ohnedem jetzt rar und eigensinnig sind,) ist auf die Arbeit eingerichtet, so wenig als Schmied und Wagner. Kommt die Sache einmal in Gang so gewinnt sie freylich ein leichteres Ansehen und bequemere Ausführung.

Die Acten, den Ausbau des rechten Flügels der obern Etage des Jenaischen Schlosses betreffend, hat Obrist von Hendrich, dem das Geschäft bisher aufgetragen war, an die Commission gesendet, welche die ungesäumte Fortsetzung des Geschäfts angeordnet, um so mehr, als das dritte Jahr, in welchem dasselbe vollendet seyn sollte, nunmehr erschienen ist. Michael soll alles fertig seyn und der neue Platz wird um so decorirter werden, als der Frau Erbprinzeß Hoheit die schöne Sammlung russischer Mineralien, welche Höchstderselben gegenwärtig zur Last stehn, einstweilen zum Aufheben, ohne Sich vorerst des Eigenthums zu entäußern, hinübergeben wollen. Sie sind, wie Ew. Durchlaucht erinnerlich seyn wird, in saubern Glaskasten [167] aufgestellt und werden gewiß dem neuen Ganzen Ehre machen.

Wie Cammerrath Rühlmann sein Geschäft, bey welchem freylich kein Vortheil zu erwarten war, wenigstens nicht ungünstig beendigt, wird von den Behörden schon referirt seyn; er gibt meinem Sohn das Zeugniß, daß er dabey nicht unnütz gewesen, der eigentlichste Vortheil bleibt jedoch auf Seiten des jungen Mannes. Eine weitere Weltansicht in der Jetzigen Zeit ist für jeden unschätzbar, am köstlichsten für die Jugend, welche denn doch zunächst das zu erwartende Gute genießen und die zu befürchtenden Übel zu ertragen haben wird; beydes kann früher geschehen, wenn man sich in einem weiteren Kreis denkt und fühlt. Seinen Dienst bey dem Prinzen besorgt er treulich und sucht auf jede Weise, die der Augenblick andeutet, angenehm und nützlich zu seyn. Daß Ew. Durchlaucht ihm diese Gelegenheiten gönnen wollten, dafür wüßte ich nicht genug zu danken.

Um von den Lebendigen zu den Todten überzugehn, vermelde, daß man den Romstädter Grabhügel wieder zugeschüttet, um auf's Frühjahr die Ausgrabung mit etwas mehr Methode wieder anzugreifen. Es sind zwey unversehrte vollständige Schädel, sogar mit Unterkinnladen, in meinen Händen, wahrscheinlich ein männlicher und ein weiblicher; sie geben zu schönen Vergleichungen und Beobachtungen Anlaß. Die Silhouetten derselben werde an Hofrath Blumenbach[168] schicken und wir wollen sehen, was es daraus weissagen kann. Die Sammlung aller gefundenen Knochen, gut geordnet, soll eine seltne Zierde des Jenaischen anatomischen Kabinetts werden. Die wenigen gefundenen Alterthümer könnte man hinzufügen, ohne der hiesigen Bibliothek-Kunstsammlung großen Abbruch zu thun, oder sie hier lassen, ohne den organischen Resten eine besondere Aufklärung zu entziehen.

Um mit lebendiger Heiterkeit zu schließen, bemerke nur noch, daß Sylvana mit vielen Beyfall gegeben worden. Es war freylich für eine Kühnheit zu achten, wenn eine beliebte Sängerin als stumme Person aufzutreten wagt, allein es ist auch dieses mit so viel Anmuth geschehen, daß die Ungeduld, sie lieber hören zu wollen, völlig überwunden wurde.

Unterthänigst Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7823-9