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An Carl Friedrich von Reinhard

Woher sollt' ich Ihnen, verehrter Freund, nach so langer Zeit am liebsten schreiben als von Heidelberg, um so viel Meilen näher, aus dem Boisseréeschen Hause, dessen Bekanntschaft und Freundschaft ich Ihnen danke und verdanke. Zuvörderst also ein Jahr zurück! Biß den 10. August verweilte in Töplitz, einige Tage sodann in Dresden, ertrug, nach manigfaltigen Sorgen, auch um Sie in jener peinlichen Lage, [51] die Folgen der großen Schlacht zu Hause, entging auch diesmal den angedrohten und annahenden Gefahren glücklich, verbrachte den Winter fleißig in Weimar, von da ich mich, nach einem kurzen Aufenthalt in einem nahen Bade, zu Ende Juli entfernte, acht Wochen in Wiesbaden und dem Rheingau zubrachte und nach einigem Aufenthalt in Frankfurt hierher gelangte, wo ich bey lieben verständigen Menschen des größtes Genusses der mir bereitet werden kann mich erfreuen darf.

Meine jungen Wirthe kennen Sie und waren schon längst mit ihnen durch Rath und That vereinigt. Man weiß nicht was man zuerst an ihnen bewundern soll, ihre wahre Neigung zu einem würdigen Gegenstand, oder die Beharrlichkeit solche durchzuführen. Das Glück das Sie begünstigt, macht die größte Freude und die Einigkeit worin sie es genießen, läßt den reinsten Genuß mit ihnen theilen. Noch in den letzten Zeiten haben sie treffliche Sachen gewonnen, so das auch geschichtlich sich alles enger aneinander reiht und mehrere Bilder von Einem Meister auch die Einsicht in die Verdienste eines jeden befördern. Ich bin schon zwölf Tage hier. Erst ist man erstaunt, dann bewundert, dann unterscheidet man, und doch wird man erst in der Entfernung recht fühlen was man dadurch gewonnen hat, aber auch was man nicht festhalten können. Der Mahlerey war der Vorzug gegönnt, nun sind wir zur Architektur gelangt und nun wird es bald Zeit zu scheiden.

[52] Wie sehr ich in bedrängten Augenblicken an Sie gedacht und Ihr Bestes gewünscht davon sind Sie überzeugt, so wie daß es mir ein rechter Trost war zu vernehmen daß Ihre treue Thätigkeit abermals anerkannt und belobt worden. Fahren Sie fort meiner zu gedenken. Ihren Brief durch Herrn v. Lindenau finde ich wahrscheinlich zu Hause und danke schönstens für dies beabsichtigte Lebenszeichen.

Da Ihnen bedeutende Handschriften oft genug vorkommen; so bitte mir manches bey Seite zu legen. Der Buchstabe R. läßt mich, so oft ich meine Sammlung durchgehe, jener ansehnlicher Gabe mit freudiger Erinnerung gedenken. Der dritte Band meiner Biographischen Versuche geht ab sobald ich nach Hause komme. Vielleicht kann ich noch etwas anderes beylegen. Mich tausendmal empfehlend. Morgen verlasse Heidelberg, nachdem es mir daselbst sehr wohlgegangen.

[Heidelberg] Sonnabend d. 8. Octbr. 1814.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Carl Friedrich von Reinhard. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-788A-3