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An Christian Friedrich Tieck

Weimar den 4. Juni 1828.

Der so trefflich abgegossene wie glücklich angekommene Antinous war kaum aufgestellt, als er meiner Wohnung neues Heil und Segen brachte. Der königlich bayrische Hofmahler Herr Stieler langte an mit dem Befehle mein Bildniß zu nehmen, wozu denn alsobald Anstalt gemacht wurde. In wenigen Sitzungen ist er weit vorwärts gelangt; mit ziemt es nicht darüber zu sprechen und zu urtheilen, soviel darf ich aber wohl sagen, daß ich es für ein hohes Glück zu achten habe, auf diese Weise mein Andenken erhalten zu seyn. Der treffliche Künstler hat die Absicht, wenn es seine Zeit einigermaßen zuläßt, Sie [114] in Berlin zu besuchen, in welchem guten Gedanken ich ihn zu bestärken nicht verfehle.

Die Bemühungen die Sie aufgewendet, mir jenes gewünschte Altbild zu verschaffen, werden von mir auf's treulichste anerkannt. Es ist wahrhaft erquicklich, sich jeden Tag der Freunde zu erinnern, denen wir ein unverwelkliches Vergnügen schuldig sind.

Unserm gnädigsten Herrn wünsche gegenwärtig doppelt und dreyfach ungestörten Genuß ausdauernder Lebenskräfte; für ihn, der soviel Welt gesehen und manches genossen hat, blieb in vielfachstem Sinne Berlin gegenwärtig eine neue Welt. Ich bin fern ihn deshalb zu beneiden, aber Theilnahme an so vielem Guten mir zu wünschen wird wohl erlaubt seyn.

Von Dresden steht mir der angenehmste Besuch bevor; wie merkwürdig wird ein Wiedersehn nach soviel Jahren seyn. Welche Räume liegen nicht dazwischen, ausgefüllt von den wichtigsten Bestrebungen und Ereignissen, Thätigkeit und – Gedulden!

Gar schön wär es, wenn auch Sie ein leider gar zu schnell vorübergehendes Familienfest durch Ihre Gegenwart verschönern könnten.

Die nächsten Stunden nimmt unser trefflicher Künstler wieder in Beschlag, und ich eile dieses Wenige zur Post zu bringen. Mein zunächst erscheinendes Stück von Kunst und Alterthum bietet mannichfaltige, und ich wünsche, willkommene Unterhaltung. Möge [115] es Sie und die nächsten Freunde zu guter Stunde an mich erinnern.

Darf ich bitten, wenn Sie mich zunächst wieder durch einen Brief erfreuen, mir auch anzuzeigen, was ich für den Gypsabguß schuldig geworden.

Gar manches auf nächste Mittheilungen versparend, mit den besten Wünschen und Grüßen

ergebenst J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Christian Friedrich Tieck. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-78D8-2