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An den Herzog Carl August

Rom d. 3. Febr. 87.

Ihr lustiges Brieflein von Gotha, Ihr gütiger Theilnehmender Brief von Maynz sind mir, fast zu gleicher Zeit, zur guten Stunde geworden und haben meiner Lauf und Reise Bahn neues Licht und Freude gebracht. Ohne Teilnahme derer an die mich das Schicksal so festgeknüpft hat, ohne Ihre Zufriedenheit, mag und kann ich nichts genießen, alle Ideen von Abgeschiedenheit, sind nur Phantomen des Selbstbetrugs, die mit dem Fieber verschwinden.

Rom fängt nun an sich über mir zu erleichtern, die entsetzliche Masse von Gegenständen sich zu ordnen und Licht in die Tiefen zu scheinen. Entsetzlich war zuletzt meine Begierde hierher zu kommen und nun ist meine Zufriedenheit vollkommen, daß ich diesen Ort nicht eher betreten habe. Recht bedauerlich waren mir einige Reisende die ich habe kennen lernen, die jung und unvorbereitet und doch mit Eifer und Ernst unter der Last von Begriffen die auf sie zudrangen es gleichsam erlagen.

[169] Ich habe nun überwunden und bin nun täglich mit mehr Lust und Freude da; besonders wird eine kleine Abwesenheit das Anschauen nur mehr auffrischen. Jetzt suche ich nur zu complettiren und auch die weniger interessanten Gegenstände zu sehen, die man wenigstens gesehen haben muß.

Die Kunstwercke der ersten Klaße müßte man von Zeit zu Zeit wiedersehen können, in ihnen ist ein unabsehlicher Abgrund.

Wahrscheinlich haben Sie zu Ihrer Reise auch so schönes Wetter heute ist hier ein reiner Maytag.

Von interessanten Männern hab ich manchen, von Weibern ausser Angelika nur eine kennen gelernt. Mit dem schönen Geschlechte kann man sich hier, wie überall, nicht ohne Zeitverlust einlaßen.

Die Mädgen oder vielmehr die jungen Frauen, die als Modelle sich bey den Mahlern einfinden, sind allerliebst mit unter und gefällig sich beschauen und genießen zu laßen. Es wäre auf diese Weise eine sehr bequeme Lust, wenn die französchen Einflüße nicht auch dieses Paradies unsicher machten. Ich bringe das Portrait von so einem Geschöpfe mit, man kann nichts zierlichers sehn.

Vom Theater und den kirchlichen Cerimonien bin ich gleich übel erbaut, die Schauspieler geben sich viel Mühe um Freude, die Pfaffen um Andacht zu erregen und beyde würden nur auf eine Klaße, zu der ich nicht gehöre, beyde Künste sind in ein seelenloses [170] Gepränge ausgeartet. Auf alle Fälle ist der Papst der beste Schauspieler der hier seine Person producirt.

Die andern Menschen die nicht öffentlich gauckeln, treiben meist ihr Spiel im Stillen, vielleicht komm ich auch dazu dieses näher zu sehen. Man kann sich leicht dencken daß es mitunter sehr einfach ist.

Es freut mich, daß Knebel mit Ihnen ist, Gesellschafft ist zu allen Dingen nütze, ich habe ein Gelübde gethan nie wieder allein zu reisen.

Knebeln bitte ich zu sagen: mir sey nur noch ein schmutzig grauer Marmor von Carrara bekannt den sie Bardiglio nennen. Eben solche graue Flecke hat der unreine weise Carrarische Marmor und der fleckigste scheint den Übergang in den Bardiglio zu machen. Ich habe ein schön Studium weiser Marmore gekauft, das aus zwölf Stücken besteht, antike und moderne. Man ließ vor einigen Jahren auf Veranlaßung eines Geistlichen, der sich auf diese Wissenschafft legte, Stücke Marmor von Paros kommen, um zu entscheiden welche Statuen würcklich von Griechischem Marmor seyen, davon habe ich noch Muster bei einem Steinschneider gefunden, die mir sehr werth sind. Die Propaganda die überall herumreicht, verschrieb diesen Marmor. Wie könnte das Institut genutzt werden! auch thun es die Klugen die dabey Einfluß haben. Leben Sie wohl und behalten mir Ihre Liebe damit ich froh und frey gehe und wiederkehre.

G. [171]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1787. An den Herzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-78F8-9