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An Johann Kaspar Lavater

Weimar den 6. Merz 1780.

Es ist nun lieber Bruder alles nach und nach angekommen und ich vermisse nichts als den schönen Hieronymus des Herzogs von Füeslien gekauft. Hast du ihn etwa aus dem Rahmen gethan und unter die andern Kupfer gelegt? Unter deinen sind vier Abdrüke von diesem Stük, doch keiner der mir so schön deucht als die Erinnerung von ienem. Deine lezten Albrecht[189] Dürers sind endlich auch angekommen, sind beim Buchbinder der sie los weicht und es soll nicht lange mehr währen so sind sie in Ordnung, doch hätt' ich geglaubt du wärst reicher als du nicht bist. Ich will dir deswegen gleich ein Verzeichnis der Fehlenden schiken damit du von deiner Seite, wie ich von der meinigen arbeiten kannst sie zusammen zu schaffen. Denn ich verehre täglich mehr die mit Gold und Silber nicht zu bezahlende Arbeit des Menschen der, wenn man ihn recht im Innersten erkennen lernt an Wahrheit Erhabenheit und selbst Grazie nur die ersten Italiener zu seines gleichen hat. Dieses wollen mir nicht laut sagen. Lukas von Leyden ist auch ein allerliebster Künstler. An dem Bild der Madonna in Egypten das du geschikt hast ist alles vortreflich wo die Spur der ersten Hand noch sichtbar ist, und wenn es nicht so viel von Ausbesserern übermahlt wäre sollt es ein unschäzbar Bild seyn. Lass mir doch lieber Bruder einen Riss von eurer Dörrmaschine machen und einen kleinen Aufsaz darüber fertigen. Für die Skizen von Füesly dank ich dir recht herzlich.

Heideggern magst du im Namen des Herzogs danken. Was soll des Menschen Zuthulichkeit? Ich glaube es ist das gescheutste man lässt ihm einmal ein paar hübsche Landschaften von Krause ausführen und schikt's ihm dagegen.

Ich habe selbst eine schöne Sammlung von geistigen Handrissen, besonders in Landschaften, auf meiner [190] Rükreise zusammengebracht, passe doch ein wenig auf, dir geht ia so viel durch die Hände, wenn du so ein Blat findest, woraus die erste schnellste unmittelbarste Äusserung des Künstler Geistes gedrukt ist, so lass es ia nicht entwischen wenn du's um leidliches Geld haben kannst. Mir macht's ein besondres Vergnügen.

Deine Offenbahrung findet überall vielen, und den rechten Beifall, wegen des übrigen sei unbesorgt dein Buch muss sein und bleiben was es ist. Meine Grillen gehören nicht hierher, denn wenn mir auffällt dass durch den Text so wohl als durch deine Arbeit die rasche Gesinnung Petri worüber Malchus ein Ohr verlohr, durchgehet, so hat das bei tausend und tausenden nichts zu bedeuten. Ich will auch nicht behaupten dass mein Gefühl das reinste ist, ich kann mich aber nicht überwinden den Innhalt des Buchs für evangelisch zu halten. Jezt da es andre lesen und mir sagen wie es ihnen vorkommt, seh ich erst recht die trefliche Art wie du es behandelt hast und dein poetisches Verdienst bei der Sache ein. Schreib mir doch wer der Rammont in Colmar ist der an Petern noch was zu fordern hat. Ich habe endlich das Geld gekriegt und auf der Frankfurter Messe wird unser Banquier auch die Schuld an Salis berichtigen, obgleich das er von Thomas Feurern zu fordern hat, das nicht ich sondern Lindaus Erben zu bezahlen haben, zurükbleibt.

[191] Halte künftighin meine Briefe hübsch in Ordnung und lass sie lieber heften wie ich mit den Deinigen auch thun werde, denn die Zeit vergeht und das wenige was uns übrig bleibt, wollen wir durch Ordnung, Bestimmtheit und Gewissheit in sich selbst vermehren. Dass du so geplagt bist mit kleinen Geschäften ist nun einmal Schiksal. In der Jugend traut man sich zu dass man den Menschen Palläste bauen könne und wenn's um und an kömmt so hat man alle Hände voll zu thun um ihren Mist beiseite bringen zu können. Es gehört immer viel Resignation zu diesem ekeln Geschäft, indessen muss es auch sein.

Steiner ist nicht zu uns gekommen, sondern wie ich höre in Dresden. Ich habe die zwei Carolin an Herdern bezahlt, der sie ihm übermachen wird. Grüse Bäben, ich schreib und schick ihr bald. Grüse Frau und Kinder, und was Kayser dir giebt schick mir bald. Adieu.

G.


Dein Brief vom 26. kommt noch vor Abgang dieses. Verdirb nichts an der Apokalypse. Wercke des Gedanckens feilt und saubert man nie genug, aber so was verliert wenn du das wegnimst was Auswuchs scheinen könnte. Ich müsste zu weitlaufig werden um das bestimmt zu sagen, ich weis es und du verstehst mich. Es thut dein Werck den Menschen wohl und zeugt von dir.

[192] Dass du mit meinem Jeri nichts gemeines hast versteht sich, ich dachte nicht dass dus lesen würdest. Es sind so viel Stufen Gänggen, Treppgen und Thürgen von deiner Giegelspizze bis zu so einem Hauswinckelgen, die du Gott sey Danck nie auch nur aus Neugierde herunter gehen kanst.

Adieu! Adieu!

Der Herzog hat sich die Haare abschneiden lassen, es ist eine ganz neue Dekoration, ich will dir zum Spas die Silhouette schicken.

Des armen schlesischen Schaafs erbarme sich Gott und des Lügenpropheten der Teufel.

G.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1780. An Johann Kaspar Lavater. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7956-F