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An Johann Friedrich Blumenbach

Bey dem Verkehr mit Ew. Wohlgeboren wirft man immer die Wurst nach der Speckseite, oder um ein edleres Gleichniß zu brauchen: man vertauscht eherne Waffen gegen goldene. So hat mir Ihre letzte Sendung sehr viel Freude gemacht. Das mumisirte Haupt zog alle unsre Aufmerksamkeit auf sich, und mein August, der sich Ihnen bestens empfiehlt, wollte die Absicht des Sticks im Munde darin finden, daß man den Kopf daran aufgehangen, um ihn entweder zu trocken oder trocken zu halten; welche Hypothese ich hiermit zur Beurtheilung übergebe.

Das zweydeutige Geschöpf ist nicht weniger merkwürdig. Nach meiner Weise bin ich nicht abgeneigt zu glauben, daß es ebensowohl stationäre als übergehende Larven geben könne. Vielleicht giebt uns künftig die Anatomie dieses Lebensweise hierüber näheren Aufschluß. Was halten Ew. Wohlgeboren von der Rana paradoxa? Sollte sie eine Larve oder ein bestehendes Thier seyn?

Der Boerhavische Brief ist mir von großem Werth; auch für die andern danke ich zum schönsten. Ich wünschte nur, wieder dagegen etwas angenehmes er zeigen zu können.

[326] Da ich nach Pfingsten wieder ins Carlsbad gehe, so lege ich ein Blättchen bey, nach welchem, auf mein Anrathen, der alte Steinschneider Müller künftig seine Sendung ordnet. Mögen Ew. Wohlgeboren sich etwas auszeichnen; so bitte ich, es nur mit einem Strichelchen an der Nummer zu thun und mir das Blatt bald zurückzuschicken.

Von der merkwürdigen Übergangsgebirgsart, welche mit C bezeichnet ist, lege ich auf alle Fälle einige bedeutende und instructive Stücke bey.

Auf Ihre Anfrage wegen des Purpurino kann ich nur soviel melden, daß uns davon keine antiken Stücke bekannt sind, wenigstens keine entschiedene. Ich besitze den unteren Theil einer runden Dose von diesem Material von sehr schöner Farbe und eine polirte Platte, die deswegen merkwürdig ist, weil sie aussieht, als wäre sie aus lauter Sechsecken zusammengesetzt, auf alle Fälle aber zusammengeschmolzen ist. Doch hat die Farbe nicht das Feuer der Dose. Daß es ein durch Metallkalk gefärbtes Glas oder schlackenhaftes Wesen sey, ist wohl nicht zu läugnen. Sonst gab man dem Gold allein die Ehre, diese Farbe hervorbringen zu können; allein bey Gelegenheit der gemalten und gefärbten Fensterscheiben ist es sehr lebhaft zur Sprache gekommen, daß man diese Farbe auch durch Eisen hervorbringen könne. Nun finden Ew. Wohlgeb. auch noch eine Kupfergarschlacke; woraus denn wohl hervorgehn möchte, daß es bey dieser Farbe nicht so- [327] wohl auf das Metall als auf die Behandlung ankommt; wie es mit den übrigen Farben wohl auch seyn möchte, obgleich nicht zu läugnen ist, daß dieser oder jener Metallkalk diese oder jene Farbe per Excellentiam und ohne große Umstände hervorzubringen im Stande sey. In meiner Farbenlehre, in der Abtheilung von chemischen Farben, habe ich deshalb manches beygebracht; wenn ich nur erst mit dem Druck dieser Arbeit zu Stande wäre, daß ich sie mittheilen und mir Belehrung von meinen Freunden zum weitern Fortschreiten erbitten könnte.

Ihr guter Neveu zu Jena hat einen bösen Einstand zu seiner neuen Existenz gegeben, indem er an einem schlimmen Halse sehr hart darnieder lag. Kein Wunder, daß auch er diesen Tribut bezahlen mußte, da die Schreckenszeit, in der er sich sehr brav gehalten, doch auch in seiner zarten Natur widrige Eindrücke zurücklassen mußte. Er ist nun in den Garten gezogen und ich hoffe, die Frühlingsluft soll seine Wiedergenesung beschleunigen.

Leider konnte ich die in Ihrem letzten Brief enthaltenen Empfehlungen an unsere verehrte Herzogin Mutter nicht mehr ausrichten. Sie hat uns ganz unvermuthet verlassen, denn bey dem Anfrage ihrer Krankheit schien das Übel nicht von Bedeutung. Wir haben sehr viel ab ihr verloren, und um so viel mehr, als schon manche Glieder der eigentlichen alten Weimarischen Societät vor ihr hingegangen sind.

[328] Alle diejenigen, die sich noch des Tagslichtes erfreuen, danken für Ew. Wohlgeboren gütiges Andenken und nehmen aufrichtigen Antheil an Allem, was Ihnen Gutes begegnet. Auch ich empfehle mich bestens und werde nächstens das mitgetheilte Winckelmannische Halbmanuscript mit vielem Dank zurücksenden. Der ich recht wohl zu leben wünsche.

Weimar, den 9. May 1807.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1807. An Johann Friedrich Blumenbach. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7A75-0