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An Therese von Jakob

[Concept.]

Ihr letztes Schreiben, theuerstes Fräulein, hat mir im Gefolg der vorigen sehr viel Vergnügen gemacht; Sie gehen rasch und resolut zu Werke, welches ich sehr billigen muß, indem ich doch auch meinen Theil an Ihrem gelingen noch weiters hinzunehmen gedenke. Ihren Vorsatz billige im Ganzen und Einzelnen, ohne das mindeste dabey zu erinnern; ist Ihre Arbeit beysammen so wünscht ich solche zu sehen ehe sie nach Wien geht, um den Werth der Gedichte mir nochmals recht einzuprägen und indessen meine Gedanken darüber zu sammeln. Sie und Ihre Freunde werden das Geschäft schon abschließen und ich werde zuletzt sehr gern, im Einklang mit Ihnen, mich gegen das Publicum erklären.

Was den Druck betrifft wüßte ich mich nicht für den Augenblick zu entscheiden. Es kommt darauf an daß Sie einen billigen Ersatz für Ihre Bemühung erhalten; läßt sich der von Wien erwarten so wäre gegen eine dortige Ausgabe nichts zu erinnern, besonders da die Communication mit dem nordischen Deutschland sich mehr als sonst eröffnet hat.

Sollte aber die Firma Härtel und Breitkopf, die ich weiß nicht mit welchen Aussichten sich mit den Originalien befaßt hat, nicht höchst interessirt seyn, [209] diese Übersetzung in's Publikum zu bringen? Doch wer hat je im Rathe der Verleger gesessen. Lassen Sie uns darüber in der Zwischenzeit nachdenken und nachforschen.

Den 2. Theil der ersten Auflage Serbischer Lieder besitz ich nicht, sonst würde er sogleich hier mitkommen.

Die griechischen Gedichte hat mir Herr v. Haxthausen im Jahre 1815 in Wiesbaden zum Theil vorgelesen, wo ich ihn denn zur Herausgabe sehr ermunterte und Theil zu nehmen versprach. Da er mir in der Folge ganz aus den Augen kam rief ich ihn auf Kunst und Alterthum IV. Heft, 168. Seite, worauf er sich wieder hören ließ, und zwar in einem Briefe worin er sich ganz als Herausgeber solcher Gedichte legitimirt und qualificirt; auch war die Rede davon daß sie zu Michael vorigen Jahrs bey Cotta herauskommen und der französischen Ausgabe den Schritt abgewinnen sollten. Jedoch dieß geschah nicht und die Erklärung des Räthsels scheint mir in der Unentschlossenheit des werthen Mannes zu liegen; ihm schwebt zu vieles vor, er weiß in seiner Forderung sich nicht zu beschränken und so deut ich mir ein Zaudern, das uns um diese bedeutende Lieder zu einer Zeit gebracht hat, wo sie zu ihrem innern Werth noch einen äußern gefunden, zu ihrer poetischen Wirkung noch eine leidenschaftliche würden erregt haben.

[210] Soviel für dießmal in Hoffnung baldiger frischen Mittheilung und mit der Bitte mich Ihrem Herrn Vater schönstens zu empfehlen.

Weimar den 2. August 1824.


Einige Bemerkungen.


Am Schlusse der Entführungs-Geschichte der unglückseligen Mohrin scheint die Absicht des Poeten zu seyn, daß Marko bey Tagesanbruch, voller Entsetzen über sein schwarzes grinsendes Liebchen, den Säbel herausreißt und ihr den Kopf abhaut; wie er nun wegreiten will, so ruft ihm der Kopf nach und steht ihn an zu verweilen. Ich würde daher die 9. Zeile vom Ende an so ausdrücken:


Perlen

Haute nach der Seidenschnur des Halses.


Das Wort, das Sie Gürtel übersetzt haben, mag im Original wohl jede schnur- und faden- und riemenartige Umgebung ausdrücken. (Hier vielleicht gar eine Perlenschnur, da der Flüchtling sonst so große Schätze mitgenommen.) Ferner sagen die letzten Zeilen ganz ausdrücklich der Kopf habe gesprochen, und nur ein solches ungeheures Wunder kann diesem grundbarbarischen Helden Furcht und Schrecken einjagen und ein dauernd reuiges Gefühl abtrutzen.

Zu dem kurzen Liede das ich bezeichnete und das Sie die Güte haben mir wohllautend zurückzusenden,[211] möchte wohl der beste Commentar zu finden seyn: Hohe Lied Salomonis, zweytes Capitel, der sechste Vers.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An Therese von Jakob. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7BAE-A