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An Christian Gottlob Voigt

Wenn es mir Ew. Excellenz Genehmigung geschieht, so will ich Beykommendes einige Mal abschreiben lassen, [196] und sodann solches an Herrn von Ziegesar, den ehemaligen Nachbar der guten Frau, an Legations-Rath Bertuch und sonst gelangen lassen. Vielleicht thut die Loge etwas, wenn man sich auf das Vorwort beruft, welches Wieland für sie eingelegt hätte, wenn er noch lebte. Vielleicht geben mir Ew. Excellenz noch einige Wege und Mittel an. Nach Hof will ich es auch zu bringen suchen. Zugleich füge ein Büchlein hinzu, das uns leider erinnert an die Zeiten wo wir durch Anstrengungen von viel geringerer Kraft unsere Integrität hätten erhalten können, die wir jetzt, nach ungeheuren Verlusten, will's Gott, endlich wieder erkämpfen.

G.


[Beilage.]

Die Burgermeisterin Bohl, sonst zu Lobeda, lebt gewiß noch im Andenken aller gebildeten älteren Personen der hiesigen Stadt und der Gegend. Ein sittlicher Charakter, häusliche treue Thätigkeit zeichneten sie aus, ein zartes frommes dichterisches Talent, das ihren Pflichten keineswegs Eintrag that, machte sie bemerkbar. Gastfrey empfing sie jeden in ihrer reinlichen wohlgeordneten Wohnung, gesellig und gesprächig machte sie gern ihren Freunden einen Gegenbesuch. Lange war ihr Haus ein lichter Punct in dem Saalthale, dessen Schönheit man aus ihren Fenstern übersah. Vor allem die unermüdliche Geduld, mit[197] welcher sie häusliche Leiden an dem Gatten und Kindern, ja an zahlreichen, früh verwaisten Enkeln übertrug.

Eine Tochter dieser Frau, die Pfarrerin Bechstedt zu Millingsdorf bey Eckartsberga, gehört unter diejenigen, welche bey den letzten Kriegsereignissen alles verloren haben. Von den Fliehenden, wie von den Verfolgenden beraubt ist ihr und den ihrigen kaum so viel übrig geblieben, daß sie die nächste Zeit ihr Leben kümmerlich fristen konnten. Nunmehr sind die geringen Kleidungsstücke, mit welchen sie sich bedecken, schon Geschenke wohldenkender Menschen, allein die Hausfrau sieht um so weniger einige Rettung in ihrer Dürstigkeit, als ihr Mann an einem Augenübel, eine Tochter am Gliedschwamme, die andere an einem verbrannten Fuße leidet.

Freylich erschallen die Stimmen des Bedürfnisses und der Noth von allen Seiten her, so daß die Theilnahme selbst der Hülfreichen gelähmt wird; aber ich habe mich doch nicht enthalten können, den gegenwärtigen Fall im Stillen einigen Freunden der Verstorbenen vorzulegen, ob sie vielleicht, in Erinnerung guter Zeiten, für diese Familie irgend etwas zu thun oder zu bewirken sich möchten bewogen finden. Denn auch die übrigen Abkömmlinge, die Bohlschen Enkel zu Lobeda, sind durch die Kriegszüge hart mitgenommen und in solche Dürstigkeit versetzt worden, daß man sich nicht erwehren kann auch ihr [198] Schicksal zu bedauern. Vielleicht könnte aus gegenwärtiger Gelegenheit für sie gleichfalls eine Wohlthat entspringen.

Weimar d. 14. März 1814.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Christian Gottlob Voigt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7BC9-E