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An Johann Gottfried Langermann

[Concept.]

Ew. Hochwohlgeboren

so ganz zu rechter Zeit bey mir angelangtes, gehaltreiches Schreiben gedachte nicht eher zu erwidern als bis ich auch etwas von Bedeutung mitzutheilen hätte.

Nun sende den Auszug aus einem französischen Briefe, den ich, weil eine unleserliche Handschrift nicht wohl zu copiren und meinem Schreibenden französisch nicht zu dictiren war, geschwind übersetzte. Lassen Sie zunächst das Blatt nur den Freunden sehen, damit es nicht voreilig in's Publicum trete. Zwar ehrt es unsern abgeschiedenen Freund, indem es desselben Willkür und Charakter zugleich vollkommen darstellt. Und freylich wer dem Tod mit solcher Gleichgültigkeit entgegen sieht, der darf wohl auch etwas wunderlich leben. Grüßen Sie Zeltern zum schönsten; ich habe mich immer seiner Pietät gegen den Abgeschiedenen gefreut; die vollkommene Anerkennung der entschiedenen [262] Verdienste des seltsamen Freundes schien das Misbehagen, das uns andern bey seiner Wunderlichkeit befiel, völlig in der edlen Seele zu überwiegen.

Nun will ich schließen um Ihnen, als einem erprobten psychischen Arzte, noch eine bewundernswerthe Lecture zu empfehlen.

In Tiecks Vorschule Shakespears findet sich einStück Arden von Feversham, das ich zu lesen bitte wenn Sie es noch nicht kennen. Mir erscheint Shakespeare in jeder Zeile und zwar der junge, dem es zu thun ist sich selbst von den Tiefen der Menschheit Rechenschaft zu geben, dem aber die eigentliche Bretterbühne so gut wie Null ist. Dieser Sinn scheint mir durch alle seine Stücke durchzugehen.

Soviel für dießmal mit tausend Grüßen. Nächstens ein morphologisches, leider unerlaubt verspätetes Heft.

Weimar den 2. October 1824.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An Johann Gottfried Langermann. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7C3B-4