24/6814.

An Heinrich Carl Friedrich Peucer

Mir sind zwar schon mehrere, sich auf die Zeitumstände beziehende Stücke mitgetheilt worden, keines derselben aber ist so glücklich erfunden, so heiter zurückfolgende. Was jedoch die öffentliche Darstellung betrifft, so haben Ew. Wohlgeb. selbst in Ihrem Schreiben die Gedanken, wie ich sie hege ausgesprochen. Das Publicum überhaupt ist gar zu geneigt, bey Arbeiten, welche eigentlich nur ästhetisch aufgenommen werden sollten, stoggartige Bezirhungen zu suchen, und ich habe nichts dagegen, wenn in großen Städten die Theater-Directionen diese Neigung benutzen, bey bedeutenden Gelegenheiten die Menge aufregen, sie anziehen, und Geld einnehmen. Hier in Weimar aber habe ich seit vielen Jahren darauf gehalten, daß man selbst das Nahe in eine solche Ferne rückt, damit es auch als schön empfunden werden könne, wie die Gelegenheitsgedichte bezeugen, die theils von mir, theils von Schillern verfaßt worden. So habe ich auch z.B. sorgfältig aus den Kotzebuischen Stücken die Namen [240] lebender Personen ausgestrichen, es mochte nun der Verfasser ihrer lobend oder tadelnd erwähnen. Ja die Erfahrung hat mich gelehrt, daß wenn, entweder ohne mein Vorwissen, oder auch wohl durch meine Nachgiebigkeit, etwas dergleichen zum Vorschein kam, jederzeit Unannehmichkeiten entstanden sind, die doch zuletzt auf mich zurückfielen, weil man allerdings von mir verlangen kann, daß ich die Effecte zu beurtheilen wisse.

In gegenwärtigem Falle, besonders wie er jetzt eintritt, hätte ich manches Mißtönende zu befürchten, welches keineswegs aus der lobenswürdigen Arbeit selbst, sondern aus Deutungen und augenblicklichen Eindrücken entspringen könnte. Dieses habe, nach vielfacher Überlegung und genauer Betrachtung des vorliegenden Falls, mittheilen, und nichts mehr wünschen wollen, als daß die angekündigten freyen und unbezüglichen Compositionen eben so glücklich in Anlage und Bearbeitung seyn mögen, als das Gegenwärtige, dessen Verdienste bey wiederholtem Lesen mich beynahe von meinen altherkömmlichen Überzeugungen hätten abbringen können.

ergebenst

den 4. May 1814.

Goethe. [241]

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Heinrich Carl Friedrich Peucer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7CD1-1