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An Charlotte von Stein

d. 14ten Juni Abends nach 7. An meinem Schreibtisch. Es regnet, und der Wind spielt gar schön in meinen Aschen.

Ich suche Sie und finde Sie nicht, ich folge Ihnen nach und erhasche Sie nicht. Es ist nun die Zeit da ich Sie täglich zu sehn gewohnt bin, ausruhe und mich mit Ihnen in ganz freyen Gesprächen von dem Zwang des Tags erhohle.

Ihren Ring erhielt ich gestern und dancke Ihnen für das schöne Zeichen. Er ist ein Wunderding er wird mir bald zu weit am Finger bald wieder völlig recht.

Oeser ist hier und gar gut, schon hab ich seinen Rath in vielen Sachen genuzt er weis gleich wie's zu machen ist, das Was bin ich wohl eher glücklich zu finden. Er will in Ettersburg eine Dekoration mahlen und ich soll ein Stück machen. Diese Woche hat ich noch zu thun, wenn es von Sonnabenb über den Sonntag fertig werden kan, so mags gehn, ich [235] wills der Jöchhausen dicktiren und wie im Kopf habe solls in zwölf Stunden inclusive essen und trincken fertig seyn. Wenns nur so geschwind gelernt und die Leute ins Leben gebracht wären, ich will die Vögel nehmen, eigentlich nur die oberste Spizzen oder den Raam abschöpfen denn es muss kurz seyn. So kommt noch die Thorheit und macht uns neu zu schaffen. Thut nichts es bringt doch die Menschen zusammen, unterhält den Prinzen dem eine grose Rolle zugedacht ist, und bringt ihn von Tiefurt weg. NB von weiten hab ich schon meine Maasregeln genommen seine Wirthschafft zu ordnen und Oeser hat mir auf der Herreise (er kam mit der Herrschafft von Leipzig) ohne es zu wissen, durch Gespräche ohngefähr guten vorläufigen Dienst gethan.

Von der Dessauer Reise ist iedermann zufrieden. Von der Herzoginn werden Sie hören dass sie in Potsdam gewesen ist, und wie.

Steinen hab ich nur im Vorbeygehn gesehn, Frizzen gar nicht. Wenn der Stamm fällt fallen die Äste. Grüsen Sie die kleine. Wenn mein Stück fertig ist und ich kanns möglich machen lass ichs abschreiben und schicks Ihnen.

Übrigens geht alles seinen dezidirten Gang, ich wende alle Sinnen und Gedancken auf, das nötige im Augenblick und das schickliche zur Situation zu finden, es sey hohes oder tiefes, es ist ein sauer Stückgen Brod, doch wenn mans erreichen könnte [236] auch ein schönes. Die grösste Schwürigkeit ist dass ich das Gemeine kaum fassen kan. Unbegreifflich ists, was Dinge die der geringste Mensch leicht begreifft, sich drein schickt, sie ausführt, dass ich wie durch eine ungeheure Klufft davon gesondert bin. Auch geht mein gröster Fleis auf das gemeine. Sie sehen ich erzähle immer vom ich. Von anderm weis ich nichts, denn mir innwendig ist zu thun genug, von Dingen die einzeln vorkommen kan ich nichts sagen, nehmen Sie also hier und da ein Resultat aus dem Spiegel den Sie kennen. Ich freue mich auf die Camera obscura und auf einen Brief von Ihnen der auch nur von Ihnen handeln muss. Adieu für heute Adieu Gold. Sie haben doch wohl rathen können warum ich verlangte dass Sie mit einem v das C. und S. von einander trennen sollten, wenn Sies recht auslegen ists recht artig, ich zweifle fast, Sie werden das glänzende Püncktgen nicht treffen.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1780. An Charlotte von Stein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7D0A-6