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An Georg Friedrich von Jäger

[Concept.]

Ew. Wohlgeboren

danke verbindlichst, daß Sie mich Ihres werthen Andenkens abermals versichern und zugleich ein Zeugniß beylegen, wie Sie fortfahren sich um die höchst interessanten Mißbildungen verdient zu machen. Auch ich habe nicht unterlassen, diese Zeit her jene mir seit vielen Jahren höchstwerthe Studien der Botanik gelegentlich fortzusetzen und darf wohl betheuren: ich würde, wenn nicht so manche Abhaltungen entgegen stünden, meine späteren Jahre ganz der Naturforschung widmen.

Wie ich denn auf Monstrositäten fleißig fortgesammelt, auch die verschiedenen Abweichungen der[54] Pflanzen nach Art und Eigenschaft einer jeden zu beobachten gesucht, um immer klarer das Allgemeine im Besondern zu schauen. Da denn das entstellte Zweigblatt einer Dattelpalme sowohl mir als durchreisenden Naturfreunden immer höchst merkwürdig geblieben ist. Auf Herrn Professor Schübler, welcher mich mit Herrn Professor Martius besuchte und dem ich bestens empfohlen zu seyn wünsche, darf ich mich wohl deshalb berufen.

Doch ich darf nicht weiter gehen, damit ich die schöne Gelegenheit, durch welche mir Ihre Zuschrift zugekommen, in Rücksendung nicht versäume.

Sollte beykommend abgebildete Pflanze noch nicht zu Ihrer Kenntniß gelangt seyn, so wird die Darstellung derselben, nebst botanischer Beschreibung, willkommen seyn. Erst seit einem Jahr ward sie in hiesigen Kalthäusern gepflegt und beschäftigte unsern, leider immer zu früh abgeschiedenen, herrlichen Fürsten, mich und mehrere Botanophilen.

Wenn der Mohn einst anmaßen durfte, von sich zu sagen

foecundum super omne germen

Me Deus fecit

so mag dieß wohl dem Fruchtreichtum in Gefolg einer einzigen Blume gelten; wenn aber von Gemmation, von Augenentwickelung und dadurch hervorgebrachter gränzenloser Fortpflanzung die Rede ist, so möchten sich wenige unsrigen gleichstellen.

[55] Soviel sage und nicht mehr und füge lieber einen solchen Luftstolonen der Rolle bey; er wird in leichtes Erdreich gepflanzt, so daß der Büschel einigermaßen hervorsieht; es vergehen wenig Wochen, so verwandeln sich die Luftwurzeln in rübenartige Rhyzome, die Pflanze fängt an zu treiben und macht bald einen Stab nöthig, um die hervorschießenden Haare oder Fäden daran zu binden.

Sollten übrigens schon dergleichen Exemplare in Stuttgart vorhanden seyn, so bitte doch Gegenwärtiges zu meinem Andenken zu pflegen und, bey dem gränzenlosen Fortbildungs-Triebe, auch meiner unbegränzten Neigung zu den Naturstudien und der immer lebendigen Hochachtung zu gedenken, welche auch Ihren Verdiensten gewidmet habe, und mit der ich mich treugemeint unterzeichne.

Weimar den 15. November 1828.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1828. An Georg Friedrich von Jäger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7D3F-0