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An Carl Cäsar von Leonhard

Nunmehr, da alles dasjenige, was Ew. Hochwohlgeboren mir zugedacht, außer dem Kästchen mit Mineralien, glücklich angekommen, so will ich, meinen besten Dank zusammenfassend, davon gehörige Meldung thun.

[187] Das Taschenbuch ist nicht allein an Bogenzahl gewachsen, sondern es ist auch zugleich gehaltreicher geworden. Die beyden ersten Aufsätze, als die ich bis jetzt lesen konnte, haben einen vorzüglichen Werth. Es freut mich, daß unser Thüringer Waldgebirge, welches Voigt und Heim zu so schönen geognostischen Beobachtungen frühzeitig veranlaßte, immerfort jüngere Männer in seiner Nachbarschaft nährt und auffordert, bedeutende Beyträge zu liefern.

Der v. Schlotheim'sche Aufsatz spricht S. 20 mir ganz nach dem Sinne. Ich bin schon längst der Überzeugung, daß man bey Erklärung der verschiedenen Erdbildungen nur alsdann gewaltsame Revolutionen zu Hülfe rufen muß, wenn man mit ruhigen Wirkungen, die denn doch der Natur am allergemäßesten sind, nicht mehr auskommen kann.

Eben so belobe ich die Stelle in Herrn v. Hoff's Aufsatz S. 145, daß man nicht alles, was breccienartig erscheint, für trümmerhaft halten solle. Gar manches sogenannte Todtliegende ist wirklich porphyrtartig, das heißt, die in der Grundmasse enthaltenen, fremdartig scheinenden Theile haben sich vor oder bey der Solidescenz chemisch abgesondert, und eine mehr oder weniger deutliche Crystallisation, auch wohl eine Kugel-, Ei- oder Splitterform angenommen, deswegen der atomistische Sinn so gern darin Geschiebe oder Bruchstücke sehen mag. Ich habe mit Sorgfalt für den Zweck einer solchen Darstellung gesammelt und [188] schon vor zwey Jahren über diesen Gegenstand einen Aufsatz zu dictiren angefangen, den ich für das Taschenbuch bestimmte. Allein er kam nicht gleich zu Stande und blieb nachher um so mehr liegen, als ich mit den herrschenden Meinungen nicht gern in Streit gerathen mag, denn so lange diese die Oberhand haben, so spricht man doch nur in die Luft, besonders wenn man nicht eigentlich vom Metier ist. Schon früher hatte ich auf die scheinbaren Breccien hingedeutet, aber mir dadurch keinen sonderlichen Dank verdient. Um desto mehr freut es mich, wenn das, was ich für wahr halte, durch jüngere wohlunterrichtete und geistreiche Männer ausgesprochen und auf einem so schönen und gebahnten Weg verbreitet wird. Vielleicht gewinne ich Raum, den Aufsatz zu concentriren und abzuschließen.

Der mitgetheilte Catalog ist wirklich höchst merkwürdig, das beschriebene Kabinett mag einen prächtigen Anblick gewähren und sehr belehrend seyn, schon ist die Beschreibung, an der mir die Freude, welche der Besitzer an seinen Sachen hat, so angenehm als wirksam erscheint, erfreulich zu lesen.

Das Schreiben an Ihro Kaiserliche Hoheit habe zu überreichen nicht verfehlt; ein Andenken von dieser vortrefflichen Fürstin ist Ihnen gewiß höchst werth. Heute besitzen wir die beyden kaiserlichen Brüder, welche vielleicht eher als dieses Schreiben in Hanau anlangen.

[189] Dem Plan der Schlacht bey Hanau sehe mit Verlangen entgegen.

Mein glücklich wieder zurückgekehrter Sohn hat mir von den Gräueln der Verwüstung, die er in jener Gegend und auf dem ganzen Weg zu erblicken gehabt, nicht genug erzählen können; er bedauert sehr, daß seine eilfertige Reise ihn nur bey Ihnen vorbeygeführt.

Herrn Iber danken Sie für die übersendeten Gedichte; es spricht daraus ein zartes Gemüth und ein angenehmes Talent.

Und nun zum Schluß noch eine Bitte, die vielleicht wunderlich scheinen könnte: dürfte ich um das Recept der Tinte ersuchen, mit der Sie gewöhnlich schreiben; ihre immer gleiche Schwärze dient ihr zur besonderen Empfehlung.

Mit aufrichtiger Theilnahme

Weimar, den 9. März 1814.

Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Carl Cäsar von Leonhard. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-7FFC-5