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An Carl Friedrich Zelter

Vor Jahresschluß will ich dir wenigstens noch einen freundlichen Gruß zurufen, und versichern daß ich mich ganz wohl befinde. Das Gleiche wünsche von dir zu vernehmen. Hafis hat mich fleißig besucht, und da ist denn manches entstanden, das dir in der Zukunft liebliche Melodien ablocken soll.

[117] Empfiehl mich Herrn Staatsrath Schultz zum allerschönsten. Wie sehr mich seine Sendung gefreut, erhellet aus nachstehendem Blatte. Es ist die Abschrift einer Briefstelle, die ich an einen Freund, gleich nach Durchlesung jenes Heftes, erließ, und welche dem würdigen Mann vielleicht meine Gesinnung besser ausdrückt, als ich es direct thun könnte. Möge doch seine Gesundheit und seine Geschäfte ihm erlauben, auf diesem Wege fortzufahren. Sobald ich mich einmal über diese Gegenstände zusammennehmen kann, schreibe ich ihm ausführlicher.

Jetzt bin ich mit der neuen Ausgabe meiner Werke beschäftigt, die mich zu wunderlichen Betrachtungen veranlaßt, indem ich genöthigt bin über die abgeschiedenen und immer auf's neue spukenden Geister Revue zu halten. Auch wird durch diese mir abgenöthigte Betrachtung die biographische Arbeit sehr gefördert.

Von meiner italiänischen Reise habe ich die vorhandenen Tagebücher von Carlsbad bis Rom redigirt. Dieses Büchlein erhält dadurch einen eigenen Charakter, daß Papiere zum Grunde liegen die im Augenblick geschrieben worden. Ich hüte mich, so wenig als möglich daran zu ändern, ich lösche das Unbedeutende des Tages nur weg, so wie manche Wiederholung; auch läßt sich vieles, ohne dem Ganzen die Naivetät zu nehmen, besser ordnen und ausführlicher darstellen. Wann es herauskommen kann, weiß ich selbst noch [118] nicht. Soviel für dießmal. Melde mir nun auch wie es dir ergangen ist.

Aus einem Briefe des Capellmeister Weber sehe ich, daß sie denn doch noch den Epimenides aus seinem Todtenschlafe zu erwecken die Absicht haben, und somit nochmals ein herzliches Lebewohl!

G.

Weimar, den 27. Dcbr. 1814.

[Beilage.]

Abschrift.

Nach allem diesen kann ich Ihnen, lieber Freund, nicht verhalten, daß mir in diesen Tagen etwas besonders Vergnügliches begegnet. Ich wußte nämlich schon lange, daß Herr Staatsrath Schultz in Berlin, ein vorzüglicher Mann in jeder Rücksicht, meine Farbenlehre mit Neigung ergriffen, und besonders den physiologischen Theil weiter bearbeitet, jedoch seine Bemerkungen nur notirt, und weil er erst noch weiter fortschreiten wolle, nicht redigirt habe. Nun hat er, auf mein dringendes Ansuchen, die Sache wie sie gegenwärtig vor ihm liegt, als ein gewandter Geschäftsmann, mit großer Klarheit darzustellen, und die Resultate sowohl, als die einzelnen Erfahrungen zusammenzufassen und aufzuzeichnen die Gefälligkeit gehabt. Es ist das erste Mal daß mir widerfährt, zu sehen, wie ein so vorzüglicher Geist meine Grundlagen gelten läßt, sie erweitert, darauf in die [119] Höhe baut, gar manches besichtigt, supplirt und neue Aussichten eröffnet. Es sind bewunderns- und beneidenswerthe Apperçus und Folgerungen, welche zu großen Hoffnungen berechtigen. Die Reinheit seines Ganges ist eben so klar als die Ramification seiner Methode. Die größte Aufmerksamkeit auf sehr zarte im Subject vorgehende Erscheinungen, Scharfsinn ohne Spitzfindigkeit, dabey große Belesenheit, so daß es nur von ihm abhängt meinen historischen Theil höchst schätzbar zu bereichern. Wenn ich die Erlaubniß von ihm erhalte, den Aufsatz drucken zu lassen, so wird er gewiß, auch schon in seiner jetzigen Gestalt als Entwurf, sehr wirksam werden.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1814. An Carl Friedrich Zelter. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-80A2-6