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An den Großherzog Carl August

Ew. Königliche Hoheit

vergönnen gnädigst über einiges was bisher bey mir geruht und was sich neuerlich bey mir einfindet schuldige Meldung zu thun.

[25] Und so möge denn vorerst der treue Glückwunsch zu dem wohlbegangenen Säcularfeste vorangehen, in freudiger Hoffnung daß die nächsten zu erwartenden in gleicher Vollständigkeit des Kreises, der Höchst Dieselben umgibt, ebenfalls mögen gefeyert werden.

2) Das mitgetheilte Werk, Alonzo, ist sehr von Bedeutung; der Verfasser erklärt in der Vorrede daß er einen historischen Roman, nach Art von Walther Scott zu liefern gedenke; und so ist es auch. Wen das verworrene spanische Wesen interessiren kann findet eine wundersame Anschauung im größten Detail, seit dem Tod Carls III. bis auf unsere Zeiten. Alles Unheil so vieler Jahre ist auf eine Anzahl von Köpfen gehäuft, die den Romanspielen, oder von der Geschichte gespielt werden. Der Verfasser, er sey wer er wolle, kennt alles was zu diesem Umfange gehört, entweder durch sich selbst oder durch andere, aber ganz genau und unmittelbar; die Hauptfiguren sind rechtlich, sittlich, wohlwollend, wenn auch im Irrthum und Abgeschmacktheit; national-charakteristische Wesen, oft lächerlich nd liebenswürdig zugleich. Der Verfasser hat in diesen Geschichten selbst gelitten, sonst könnte er nicht so leidenschaftlich die Zustände durchdringen. Ich habe erst den 2. Theil durchgelesen, gestehe aber daß es ein achtungswerthes Werk ist; es bringt uns jene vorübergegangene Zeiten sehr vollständig zur unmittelbaren Anschauung.

[26] 3) Blumenbach sendet mir, mit den aufrichtigsten Empfehlungen, das gewünschte Verzeichniß; freylich wichtiger historischer Annalen, die den Forscher, indem sie ihn unterrichten, gewiß in Erstaunen setzen werden.

Das ihm übersendete Buch wäre ihm wohl noch auf einige Zeit zu gönnen, besonders da wir noch einen Musterband und ein Musterbuch von ihm verwahren und besonders jenen ersten nicht wohl wegschicken können als bis unser Buchbinder seine Nachahmungsgabe daran erwiesen hat.

4) Das Bild der Maria Stuart ist mir besonders merkwürdig; da es auf dem Grabmal zweyer ihr höchst anhänglicher Frauen aufgestellt worden, so kann man die Authenticität voraussetzen, auch die sehr saubere Copie gibt den Begriff von einer problematischen Individualität, die uns weder Geschichte noch Poesie völlig enträthseln kann. Auch der Grabstein selbst und die Inschriften sind im Verhältniß zum Bilde sehr schätzenswerth.

5) Die Anordnung wegen Schmeller ist befolgt; die Aufmerksamkeit auf sein erworbenes Talent und eine mögliche Leitung zu seinem weitern Fortkommen soll ein angelegenes Geschäft seyn.

6) Ein theilweiser Transport der Kupferstiche in die Gemälde-Zimmer macht mir Sorge; ich weiß mich nicht dabey zu benehmen, auch wäre der Winter hiezu nicht günstig; deshalb um Aufschub wollte gebeten haben.

[27] 7) Dem jenaischen besondern Mineralien-Kabinett zu Vorlesungen ist aller Vorschub gethan und es kann gewiß etwas Erfreuliches und für jede Folge Nützliches auf diesem Weg entspringen.

8) Die heute erst eingegangene Anordnung wegen des jenaischen botanischen Gartens soll sogleich eingeleitet und zu guter Zeit ungesäumt ausgeführt werden; und es ist kein Zweifel daß diese Erweiterung sowohl gärtnerischen als wissenschaftlichen Zwecken förderlich seyn werde.

9) Die mailändischen Kupfer Napoleontischer Siege und Gewinne hab ich bey mir liegen und beabsichtige einen raisonnirten Catalog davon aufzusetzen, um jene Schlachten und Erfolge dem Beschauer einigermaßen historisch rationell zu machen; denn wer weiß jetzt mehr was die Schlacht von Arcole und Montenotte für Wichtigkeit hatte.

10) Nach Erwähnen so kriegerischer Gegenstände darf ich mich wohl zu dem Schilde wenden, welches als eine bedeutende Acquisition zu Ew. Königlichen Hoheit Museen zu betrachten wäre. Es möchte sich wohl aus Italien und zwar aus der zweyten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts herschreiben, denn es ist eigentlich von einer Arbeit die man Niello nannte; ein Einschmelzen der edleren Metalle durch Hülse des Schwefels, besonders auf Eisen. Es erscheint dieses Heldengeräth als Vorläufer der Herzoglich Bernhardischen Rüstung womit es auch wohl billig zu paaren wäre.

[28] 11) Ferner liegt anbey die Abbildung eines colossalen Cryptogamen. Diese seltsame Pflanze darf sich wohl mit jener übergroßen Blume messen, die uns vor kurzem in Erstaunen setzte.

12) Auch folgen einige meteorologische Tabelle, die von Schröns fortdauerndem Fleiße und Genauigkeit Zeugniß geben.

Zu nächster Sendung Erlaubniß erbittend

unterthänigst

Weimar den 19. Jenner 1824.

J. W. v. Goethe.

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TextGrid Repository (2012). Goethe: Briefe. 1824. An den Großherzog Carl August. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0006-81C7-E